Urteil des VG Düsseldorf vom 21.11.2001

VG Düsseldorf: vorläufiger rechtsschutz, leitende tätigkeit, öffentliches interesse, aufschiebende wirkung, gewerbe, maler, verfügung, insolvenz, gefahr, gefährdung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 L 2972/01
Datum:
21.11.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3 Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 L 2972/01
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowie auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwältin P wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 15.000,00 DM festgesetzt.
Gründe:
1
Die Anträge,
2
1) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung vom 27.
September 2001 hinsichtlich der Untersagungen wiederherzustellen und hinsichtlich der
Zwangsmittelandrohung anzuordnen,
3
2) dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin P zu
bewilligen.
4
sind unbegründet.
5
Die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende
Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der
angefochtenen Verfügung einerseits und dem privaten Interesse des Antragstellers an
der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs andererseits fällt zu Lasten des
Antragstellers aus. Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 27. September
2001 ist weder offensichtlich rechtswidrig noch überwiegt das Interesse des Betroffenen
das Vollziehungsinteresse aus sonstigen Gründen.
6
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und
Rechtslage spricht zunächst alles für die Rechtmäßigkeit der Verfügung. Insoweit wird
auf die Gründe des Verwaltungsaktes Bezug genommen, denen das Gericht mit der
7
Maßgabe folgt, dass der Antragsteller nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
gehindert gewesen ist, unmittelbar Zahlungen an seine Gläubiger zu erbringen.
§ 12 GewO steht der Untersagung des Gewerbes „Maler- und Lackierer-,
Raumausstatter- und Stuckateurhandwerk" nicht entgegen. Aus der Begründung der
angefochtenen Verfügung ergibt sich, dass diese nicht das als Einzelgewerbe
betriebene Maler- und Lackiererunternehmen betrifft, das zum Insolvenzverfahren 145
IN 45/01 AG X führte. Zu Recht führt der Antragsgegner aus, dass § 12 GewO lediglich
die Anwendung des § 35 GewO in Bezug auf das Gewerbe ausschließt, das zur Zeit
des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. Damit soll
vermieden werden, dass die Gewerbeüberwachungsbehörde durch Erlass einer
Untersagungsverfügung Entscheidungen der Gläubigerversammlung über eine
Fortführung oder Stilllegung des Unternehmens vorgreift. Zugleich soll berücksichtigt
werden, dass ein Bedürfnis, den Geschäftsverkehr vor einer Fortsetzung der
gewerblichen Tätigkeit des insolventen Gewerbetreibenden zu schützen, während des
Insolvenzverfahrens nicht bestehe, da neue Vertragspartner durch die Vorschriften des
Insolvenzrechtes über die Einsetzung des Insolvenzverwalters, den Vorrang der
Masseverbindlichkeiten und die Aufsicht des Insolvenzgerichts hinreichend gesichert
seien (vgl. unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung Marcks in Landmann/ Rohmer, §
12 GewO, Rz. 7). Dagegen hat § 12 GewO keine Bedeutung für Gewerbe, die der
Schuldner nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnen sollte (vgl.
ders. a.a.O. § 12, Rz. 11). Das nunmehr angemeldete Gewerbe, das der Antragsteller in
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausübt, ist nicht identisch mit dem Gewerbe, das
zur Zeit des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. Es
überschneidet sich zwar gegenständlich mit diesem im Hinblick auf das Maler- und
Lackiererhandwerk. Jedoch besteht schon im Hinblick auf den Umstand, dass der
Kläger nunmehr im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts tätig wird, keine
Identität mit dem zuvor ausgeübten Einzelgewerbe. Sinn und Zweck des § 12 GewO
werden durch die Untersagung nicht berührt. Die Gläubigerversammlung hat am 17.
Oktober 2001 beschlossen, dass das einzelkaufmännisch betriebene Unternehmen
stillgelegt bleiben soll. Gläubiger des Antragstellers aus seiner neuerlichen
selbstständigen Tätigkeit werden durch das Insolvenzverfahren nicht geschützt. Die
Mitgliedschaft in einer bestehenden Personengesellschaft fällt als solche nicht in die
Insolvenzmasse des insolventen Gesellschafters (vgl. Lwowski, in: Münchner
Kommentar zur Insolvenzordnung, § 35, Rz. 193). Lediglich Rechte auf Gewinnanteile
fallen im Insolvenzverfahren des Gesellschafters in die Masse. Auch soweit § 35 InsO
anordnet, dass sich das Insolvenzverfahren auf das Vermögen erstreckt, das der
Schuldner während des Verfahrens erlangt, führt dies nicht dazu, dass der
Insolvenzverwalter etwa Befugnisse im Hinblick auf die Führung der Geschäfte der
Gesellschaft bürgerlichen Rechts hätte. Vielmehr ist er auch insoweit darauf beschränkt,
etwaige Anteile zur Masse zu ziehen. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Antragstellers führt also nicht dazu, dass Gefahren durch eine selbstständige Tätigkeit
im Rahmen der - gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO ihrerseits insolvenzfähigen - Gesellschaft
ausgeschlossen werden könnten. Solche Gefahren bestehen, weil der Antragsteller
seine Unzuverlässigkeit im Rahmen des einzelkaufmännischen Gewerbes sowohl
durch Verletzung seiner Zahlungs- und Erklärungspflichten gegenüber öffentlichen
Gläubigern als auch durch Fortsetzung der selbstständigen Tätigkeit trotz
wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit unter Beweis gestellt hat. Das Finanzamt S teilte
unter dem 19. Januar 2001 mit, dass der Antragsteller trotz Anmahnung
Steuererklärungen für 1998 nicht abgegeben habe. Zugleich verwies es darauf, dass die
Rückstände, die zum damaligen Zeitpunkt über 164.000,00 DM betrugen, zum Teil bis
8
auf den Oktober 1998 zurückgingen (Umsatzsteuer 1996). Ein weiterer
Umsatzsteuerbetrag für das Jahr 1997 in Höhe von mehr als 36.000,00 DM war bereits
seit August 1999 offen geblieben. Die Gemeinnützige Urlaubskasse für das Maler- und
Lackiererhandwerk verweist in ihrem Schreiben vom 2. Mai 2001 auf
Zahlungsrückstände, die bis auf den April 2000 zurückgehen, die B auf
Beitragsforderungen für die Zeit seit Juli 2000 (Schreiben vom 25. Januar 2001). Der
Antragsteller stellte indessen erst im Februar 2001 den Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens. Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, dass sein Betrieb in
die Insolvenz geraten sei, sei nicht auf sein Verhalten zurückzuführen gewesen. Der
Insolvenzverwalter verweist vielmehr darauf, der Antragsteller sei seit 10 Jahren
selbstständig und habe schon seit Beginn der Selbstständigkeit ständig Verluste
hinnehmen müssen, die Schulden seien kontinuierlich größer geworden. Zu den
normalen Verlusten aus der Geschäftstätigkeit seien dann 1997 zusätzliche
Forderungsausfälle in Höhe von 250.000,00 DM gekommen (vgl. Schreiben vom 6. April
2001 an das Amtsgericht X, Blatt 49 der Akten 145 IN 45/01). Der Antragsteller sei
weder jetzt noch in der Zukunft jemals in der Lage, diese Verbindlichkeiten auch nur zu
einem geringen Teil zu bedienen. Im Bericht vom 12. Oktober 2001 (Blatt 85 ff. der Akten
145 IN 45/01) führt der Insolvenzverwalter aus, die Insolvenzlage habe sich bereits seit
Jahren abgezeichnet, bereits die Bilanz per 31. Dezember 1997 habe ein negatives
Eigenkapital in Höhe von 323.000,00 DM ausgewiesen. Bereits zu diesem Zeitpunkt
habe keine Möglichkeit bestanden, die fälligen Verbindlichkeiten jemals vollständig zu
bedienen. Dass der Antragsteller in der Folgezeit möglicherweise auf Betrüger
hereingefallen ist, als er versuchte, durch die Gründung der D Malerbetriebe GmbH das
Einzelunternehmen zu retten, steht der Annahme nicht entgegen, dass er die
erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Vielmehr verweist der Insolvenzverwalter in
dem Bericht vom 12. Oktober 2001 gerade darauf, dass der Antragsteller von seinen
kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen her nicht in der Lage
gewesen sei, die rechtlichen Probleme zu durchschauen und die Unternehmung
gewinnbringend zu führen.
Es muss befürchtet werden, dass auch eine künftige selbstständige Tätigkeit zur
erneuten Verletzung der Zahlungs- und Erklärungspflichten gegenüber öffentlichen
Gläubigern und zu einer erneuten Gefährdung des Vermögens Privater führen würde.
Dass es bislang im Rahmen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch nicht zu
erheblichen Zahlungsrückständen gekommen ist, steht dieser Gefahr nicht entgegen.
Die Insolvenz des Antragstellers beeinträchtigt vielmehr von vornherein die Möglichkeit
der Gesellschaft, ordnungsgemäß zu wirtschaften. Angesichts der Insolvenz der D
Malerbetriebe GmbH und des Antragstellers besteht ein erhebliches öffentliches
Interesse daran, eine erneute Gefährdung der Ansprüche öffentlicher Kassen und des
Vermögens Dritter durch eine selbstständige oder auch eine unselbständige, jedoch
leitende Tätigkeit des Antragstellers zu verhindern.
9
Das Festhalten des Antragstellers an der gewerblichen Tätigkeit trotz wirtschaftlicher
Leistungsunfähigkeit begründet die Gefahr des Ausweichens auf andere als das
gegenwärtig ausgeübte Gewerbe. Insofern bestehen auch gegen die erweiterte
Gewerbeuntersagung keine Bedenken.
10
In Anbetracht der Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung besteht kein Anlass, in
Bezug auf die Zwangsmittelandrohung vom Regelvorrang des Vollziehungsinteresses
nach § 8 Satz 1 AG VwGO NW abzuweichen.
11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Das Interesse eines
Gewerbetreibenden an der Fortsetzung der durch eine Untersagungsverfügung
betroffenen Gewerbeausübung ist im Anfechtungsstreit mit dem Jahresgewinn,
mindestens aber, wenn - wie hier - ausreichende Anhaltspunkte für einen höheren
Gewinn nicht vorliegen, mit 20.000,-- DM zu bewerten. Dieser Wert erhöht sich, wenn
zugleich die Untersagung anderer Tätigkeiten angegriffen wird, um den Betrag von
10.000,-- DM. Der mithin für ein Klageverfahren maßgebliche Wert von 30.000,-- DM
ermäßigt sich, da im Aussetzungsverfahren grundsätzlich nur vorläufiger Rechtsschutz
gewährt werden kann, um die Hälfte.
12
Prozesskostenhilfe war nicht zu gewähren, weil die Rechtsverfolgung nicht die gemäß
§§ 166 VwGO, 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht besitzt.
13
14