Urteil des VG Düsseldorf vom 10.01.2011

VG Düsseldorf (daten, kläger, sport, verordnung, stadionverbot, zweck, bundesrepublik deutschland, polizei, verein, aufgabe)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 K 3229/10
Datum:
10.01.2011
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 3229/10
Tenor:
Der Beklagte wird verpflichtet, die im Oktober 2008 erfolgte Daten-
übermittlung an die C GmbH da¬hingehend zu berichtigen, dass dem
Kläger in der polizeilichen Straf¬anzeige vom 14. Oktober 2008 nicht
vorgeworfen wurde, mehrfach gefährliche Gegenstände, sondern einmal
einen unbekannten Gegenstand, wahrscheinlich einen Be-cher, auf
Polizeikräfte ge¬schleudert zu haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu vier Fünftel und der
Beklagte zu einem Fünftel.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicher-
heitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der im Jahr 1981 geborene Kläger ist Anhänger des Fußballvereins C. Er ist mehrfach
strafrechtlich in Erscheinung getreten.
1
Weil der Kläger sich zusammen mit anderen C-Fans im Dezember 2002 anlässlich des
Bundesligaspiels X gegen C am C1 Hauptbahnhof mit einer Gruppe von X-Anhängern
geschlagen hatte - insgesamt waren ca. 40 Personen an der Schlägerei beteiligt, wobei
eine Person eine Platzwunde am Kopf erlitt, die im Krankenhaus ambulant versorgt
werden musste -, verhängte das Amtsgericht C1 mit rechtskräftigem Strafbefehl vom
9. Juni 2004 (73 Cs 170 Js 40552/03) wegen Landfriedensbruchs eine Geldstrafe von
40 Tagessätzen zu je 15,00 Euro gegen ihn.
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Im Februar 2008 kam es auf der Rückfahrt mit dem Zug von der Bundesliga-Begegnung
W gegen C zu einem Streit zwischen dem Kläger und einem anderen C-Fan. Der Kläger
schlug dem Gegner mit der Faust ins Gesicht. Hierdurch entstand eine Platzwunde; der
Geschädigte ließ sich im Krankenhaus in N ambulant versorgen. Auf Grund dieses
Vorfalls setzte das Amtsgericht P mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 23. Mai 2008
3
(216 Cs-175 Js 20039/08-185/08) wegen Körperverletzung eine Geldstrafe von
65 Tagessätzen zu je 25,00 Euro gegen den Kläger fest.
Nach dem letztgenannten Vorfall gab die Bundespolizei im März 2008 einen den Kläger
betreffenden Datensatz in die vom Bundeskriminalamt betriebene Verbunddatei
"Gewalttäter Sport" ein.
4
Mit Urteil vom 25. März 2010 verhängte das Amtsgericht N1 wegen Landfriedensbruchs
eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten gegen den Kläger, deren Vollstreckung es zur
Bewährung aussetzte. Dem liegen folgende gerichtliche Feststellungen zu Grunde:
5
"Im Zuge des Bundesligaspieles im Fußball zwischen den Vereinen C und dem G am
04.10.2008 kam es zu massiven, gewaltsamen Ausschreitungen der miteinander
verfeindeten Problemfangruppen. Als vor 13.30 Uhr auf dem Messegelände, Parkplatz
Fanhaus, ... sich zahlreiche C ‚Fans‘ gesammelt hatten und 2 Shuttlebusse, in denen
sich gewaltbereite Fans des Ger Clubs befanden, an dem Gelände vorbeigeführt
wurden, versuchte eine jedenfalls größere Anzahl der auf dem Messegelände
befindlichen Personen zu den Bussen zu gelangen, um die Gruppe der Ger
szenetyisch anzugreifen; zeitgleich nahmen die Ger ‚Fans‘ die Shuttlebusse
‚auseinander‘ und gelangten teils durch die zerstörten Glasfenster ins Freie, um die
Auseinandersetzung mit den Cern zu suchen.
6
Um zu den Gern zu gelangen, waren den Cn die Wege durch um das Gelände herum
befindliche Zäune und teils geschlossene, teils durch Polizeikräfte gesicherte Tore
versperrt. So versuchte man zunächst, über ein im hinteren Bereich des Parkplatzes
gelegenes Tor zu klettern, ließ aber teilweise wieder davon ab, als eine Reiterstaffel
der Polizei sich dem Tor näherte.
7
Unter dieser Menschenmenge, die auf einen Angriff der Cer Gruppe aus war, befand
sich der Angeklagte teilweise in vorderer Front, der bei dem Erklimmen des Tores im
hinteren Bereich bis zu einem Sitzen auf der oberen Absperrung gelangt war, bevor er
nach Eintreffen der Polizeireiterstaffel den Rückzug antrat. Während in den Sekunden
danach ein Teil der überwiegend dunkel gekleideten C ‚Fans‘ in Richtung der hinter
dem Zaun befindlichen Polizeibeamten gestikulierten, war der Angeklagte einer jener,
die hinter einem Mast stehend, aus Sicht der Überwachungskamera, einen nicht
identifizierten Gegenstand in Richtung der Beamten warf."
8
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Revision ein, über die noch nicht entschieden ist.
9
Bereits unter dem 30. Oktober 2008 hatte C dem Kläger ein bundesweit wirksames, bis
zum 30. Juni 2011 gültiges Stadionverbot erteilt. Zur Begründung heißt es in dem
diesbezüglichen Schreiben, der Kläger werde beschuldigt, anlässlich des Spiels C
gegen den G am 4. Oktober 2008 vom Messegelände aus mehrfach gefährliche
Gegenstände auf die vor Ort eingesetzten Polizeikräfte geworfen zu haben; die
Tathandlung sei auf einem Polizeivideo dokumentiert.
10
Am 5. November 2008 hatte das Polizeipräsidium N1 einen weiteren Datensatz
betreffend den Kläger in die Verbunddatei "Gewalttäter Sport" eingegeben; in der Rubrik
"Vermerk" heißt es: "Der BS schleuderte einen Gegenstand nach Polizeibeamten"; als
Löschungsdatum wurde der 3. Oktober 2013 festgesetzt.
11
Unter dem 26. März 2010 beantragte der Kläger bei dem Polizeipräsidium N1 die
Löschung seiner persönlichen Daten in der Datei "Gewalttäter Sport".
12
Mit Bescheid vom 7. April 2010, zur Post gegeben am 12. April 2010, lehnte das
Polizeipräsidium den Antrag ab.
13
Der Kläger hat am 17. Mai 2010, einem Montag, Klage erhoben. Zur Begründung trägt er
im Wesentlichen vor: Der Bund habe keine Gesetzgebungskompetenz für eine
Ermächtigung des Bundeskriminalamtes zu originären Tätigkeiten im Bereich der
allgemeinen polizeilichen Gefahrenabwehr. Das Grundgesetz erlaube auf
Bundesebene nur die Bereitstellung einer Infrastruktur für polizeiliche
Datensammlungen, während sich die Frage, welche Daten gespeichert würden,
ausschließlich nach Landesrecht richte. Darüber hinaus fehle eine taugliche
Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung. Eine solche ergebe sich insbesondere nicht aus dem
Bundeskriminalamtgesetz. Dieses trage - auch im Zusammenspiel mit der am
9. Juni 2010 in Kraft getretenen BKA-Daten-Verordnung - dem Gebot der
Normenklarheit und -bestimmtheit sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht
ausreichend Rechnung. Es schränke daher das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung über seine verfassungsrechtlichen Grenzen hinweg ein. Auch die
Weitergabe der Daten an C sei rechtswidrig. Maßstab für die Beurteilung sei insoweit
allein das Bundeskriminalamtgesetz. Dieses verbiete jedoch die Weitergabe von Daten,
die nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen seien, an private Dritte. Um solche
Daten handele es sich hier. Doch auch bei Anwendung von Landesrecht sei die
Datenweitergabe zu Unrecht erfolgt. Die auf ein Stadionverbot abzielende Maßnahme
sei ungeeignet sei, künftig ein Verhalten wie das den Eintragungen zu Grunde liegende
zu unterbinden; er sei nämlich nie in einem Stadion, sondern stets im öffentlichen
Straßenraum aufgefallen. Abgesehen davon seien die weitergegebenen Daten
offensichtlich unrichtig. Der Sachverhalt, auf den der Verein das gegen ihn
Stadionverbot gestützt habe, decke sich nicht mit dem Ergebnis der amtlichen
Ermittlungen.
14
Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. April 2010 zu
verpflichten, die über ihn in der Verbunddatei "Gewalttäter Sport"
gespeicherten personenbezogenen Daten vollständig zu löschen,
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hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, gegenüber der C GmbH richtig zu
stellen, dass die Weitergabe der Daten an sie rechtswidrig erfolgt ist und sie
die Daten deshalb nicht zu dem überlassenen Zweck nutzen darf, und darauf
hinzuwirken, dass die C GmbH die überlassenen Daten ihrerseits löscht.
17
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
19
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Der Datensatz betreffend die
Körperverletzung aus Februar 2008 sei nicht von ihm eingegeben worden. Das
Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 9. Juni 2010 die
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Rechtmäßigkeit der Verbunddatei "Gewalttäter Sport" bestätigt und auch keine Zweifel
an der Zuständigkeit gesehen. Die Weitergabe der Daten an die Bundesligavereine
liege im Rahmen der Zweckbestimmung der Datei. Es bestehe ein gewichtiges
Interesse der Allgemeinheit an der Verhinderung gewalttätiger Ausschreitungen bei
Sportveranstaltungen, das den Eingriff in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung rechtfertige. Das Stadionverbot beruhe auf dem zivilrechtlichen
Hausrecht der Bundesligavereine.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten, ferner auf den Inhalt der ebenfalls beigezogenen
Strafakten der Staatsanwaltschaft P, Az. 175 Js 20039/08, und der Staatsanwaltschaft E,
502 Js 2718/08.
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Entscheidungsgründe:
23
Im Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne
mündliche Verhandlung entscheiden.
24
Das Gericht hat das Rubrum der vormals zutreffend gegen das Polizeipräsidium
gerichteten Klage wegen des ersatzlosen Wegfalls von § 5 AG VwGO NRW (Behörden
als Verfahrensbeteiligte) mit Ablauf des 31. Dezember 2010 (durch Art. 2 Nr. 28 des
Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-
Westfalen vom 26. Januar 2010, GV. NRW. S. 29) von Amts wegen dahingehend
berichtigt, dass Beklagter seit dem 1. Januar 2011 das Land Nordrhein-Westfalen (vgl.
§ 1 POG NRW) ist.
25
Die Klage ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
begründet.
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Der den Löschungsantrag ablehnende Bescheid des Beklagten vom 7. April 2010 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Löschung der über
ihn in der Verbunddatei "Gewalttäter Sport" des Bundeskriminalamtes gespeicherten
Daten.
27
Die Voraussetzungen des Löschungsanspruchs beurteilen sich nach § 32 Abs. 2 Satz 1
des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und
der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz -
BKAG). Danach hat das Bundeskriminalamt die in Dateien gespeicherten
personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist oder ihre
Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Diese Voraussetzungen
liegen hier nicht vor.
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Hinsichtlich des Datensatzes betreffend die im Februar 2008 von dem Kläger auf der
Rückfahrt von dem Spiel W gegen C begangene Körperverletzung fehlt es bereits an
der Passivlegitimation des Beklagten. Die Verbunddatei "Gewalttäter Sport" ist
Bestandteil des polizeilichen Informationssystems (INPOL) nach § 11 BKAG. Bei in
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Dateien dieses Informationssystems gespeicherten personenbezogenen Daten
überträgt § 32 Abs. 9 BKAG die Pflicht zur Löschung im Sinne des Abs. 2 Satz 1 der
Vorschrift der Stelle, welche die datenschutzrechtliche Verantwortung nach § 12 Abs. 2
BKAG trägt. Die datenschutzrechtliche Verantwortung für die bei der Zentralstelle
gespeicherten Daten, namentlich die Rechtmäßigkeit der Erhebung, die Zulässigkeit der
Eingabe sowie die Richtigkeit oder Aktualität der Daten, obliegt im Rahmen des
polizeilichen Informationssystems gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BKAG der Stelle, welche
die Daten unmittelbar eingegeben hat. Dementsprechend hat nach § 11 Abs. 3 Satz 1
BKAG nur diese Behörde die Befugnis zur Änderung, Berichtigung oder Löschung der
Daten.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2010 - 6 C 5/09 -, DVBl 2010, 1304 ff.
30
Unmittelbar eingegeben hat den Datensatz betreffend den Vorfall aus Februar 2008
nicht der Beklagte, sondern die Bundespolizei. Demgemäß kann allenfalls diese zur
Löschung verpflichtet sein. Folglich hätte der Kläger das Löschungsbegehren insoweit
gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geltend machen müssen.
31
Im Übrigen, hinsichtlich der vom Polizeipräsidium N1 eingegebenen, sich auf den
Vorwurf des Landfriedensbruchs aus Oktober 2008 beziehenden Daten des Klägers,
sind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG für eine Löschung nicht erfüllt.
32
In dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung ist die Speicherung der Daten nicht gemäß § 32 Abs. 2
Satz 1 BKAG unzulässig.
33
Entgegen der Ansicht des Klägers stehen verfassungsrechtliche Gründe der weiteren
Speicherung der Daten in der Datei "Gewalttäter Sport" nicht entgegen. Zwar stellt diese
Maßnahme einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung
dar. Der Eingriff beruht jedoch auf einer gesetzlichen Grundlage, die durch eine
Kompetenz des Bundes gedeckt und auch sonst verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden ist.
34
Jedenfalls seit dem Inkrafttreten der auf § 7 Abs. 6 BKAG beruhenden Verordnung über
die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des Bundeskriminalamtsgesetzes
gespeichert werden dürfen (BKA-Daten-Verordnung), am 9. Juni 2010 (BGBl. I 2010,
716) wird die Speicherung der Daten des Klägers in der Verbunddatei "Gewalttäter
Sport" durch §§ 2 und 7 bis 13 BKAG gesetzlich hinreichend legitimiert.
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Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die genannten Vorschriften ergibt sich
aus Art. 73 Nr. 10 GG in Verbindung mit Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG. Gemäß Art. 73 Nr. 10
GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die Einrichtung eines
Bundeskriminalpolizeiamtes. Ferner sieht Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich vor,
dass durch Bundesgesetz Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und
Nachrichtenwesen eingerichtet werden. In dem hierdurch vorgegebenen Rahmen
erstreckt sich die Bundeszuständigkeit mangels Einschränkung auf die gesamte Breite
des polizeilichen Aufgabenbereichs, also auch auf die Bereitstellung von Daten zur
Unterstützung der präventiv-polizeilichen Tätigkeit. Dass sich die §§ 2 und 7 bis 13
BKAG i.V.m. mit der BKA-Daten-Verordnung nicht auf die Vorhaltung einer technischen
Infrastruktur für polizeiliche Datensammlungen beschränken, sondern darüber hinaus
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detailliert regeln, welche Daten zu welchem Zweck von wem eingegeben, gespeichert
und übermittelt werden dürfen, ist unschädlich. Diese letztlich dem Datenschutz
dienenden Bestimmungen sind von der Bundeskompetenz zur Einrichtung einer
Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen kraft
Sachzusammenhanges miterfasst. Denn der Bund kann die ihm zur Gesetzgebung
zugewiesene Materie verständigerweise nicht regeln, ohne die datenschutzrechtlichen
Bestimmungen bundeseinheitlich mitzuregeln. Da Eingriffe in das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung voraussetzen, dass ihr Zweck bereichsspezifisch,
präzise und normenklar bestimmt ist,
vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 -, BVerfGE 100, 313 ff. (359 f.);
Beschlüsse vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33 ff. (53) und vom
13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03 -, BVerfGE 118, 168 ff. (187 f.),
37
und diese Bestimmung nur einheitlich durch den Gesetzgeber erfolgen kann, der über
die Kompetenz zur Einrichtung der zentralen Datensammlung verfügt, ist der Bund nicht
nur berechtigt, sondern verfassungsrechtlich verpflichtet, diejenigen Regelungen zu
treffen, die zu einer grundrechtskonformen Ausgestaltung der zentralen Datensammlung
erforderlich sind.
38
Vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, BVerfGE 125, 260 ff.
(314 f.) zur Vorratsdatenspeicherung.
39
Die §§ 2 und 7 bis 13 BKAG i.V.m. mit der BKA-Daten-Verordnung genügen inhaltlich
den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie stellen eine gesetzliche Ermächtigung
dar, die Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs bereichsspezifisch, präzise und
normenklar festlegt.
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Gemäß § 2 Abs. 3 BKAG unterhält das Bundeskriminalamt als Zentralstelle ein
polizeiliches Informationssystem (INPOL). Im Rahmen dieser Aufgabe ist das
Bundeskriminalamt Zentralstelle für den elektronischen Datenverbund zwischen Bund
und Ländern (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BKAG). Das Bundesministerium des Innern bestimmt
im Einvernehmen mit den Innenministerien und Senatsinnenverwaltungen der Länder
die in das polizeiliche Informationssystem einzubeziehenden Dateien (§ 11 Abs. 1 Satz
2 BKAG). Die in das polizeiliche Informationssystem einbezogene Datei "Gewalttäter
Sport" ist eine sog. Verbunddatei, d.h. eine vom Bundeskriminalamt als Zentralstelle für
den elektronischen Datenverbund zwischen Bund und Ländern geführte Datei. Die
Länder können in eigener Zuständigkeit gewonnene Daten dezentral und unmittelbar in
das Verbundsystem eingeben; die Daten werden im System für alle Verbundteilnehmer
(dazu gehören u.a. alle Polizeibehörden der Länder, vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 BKAG) zum
Abruf bereitgehalten.
41
Vgl. Petri, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, S. 855 Rz.
79.
42
Die Systematik des Bundeskriminalamtgesetzes sieht eine abgestufte Regelung für die
Art der zu speichernden Daten vor. Das Gesetz selbst beschreibt in den §§ 8 und 9
generalisierend die grundlegenden Merkmale und Zwecke der Daten, die gespeichert
werden dürfen. Weil der Aufgabenbereich des Bundeskriminalamtes als Zentralstelle in
§ 2 BKAG sehr weit gefasst und der Umfang der Daten, deren Kenntnis für die Erfüllung
der Zentralstellenfunktion notwendig ist, daher konkretisierungsbedürftig ist, sieht § 7
43
Abs. 6 BKAG vor, dass das Bundesministerium des Innern mit Zustimmung des
Bundesrates durch Rechtsverordnung Näheres über die Art der Daten, die nach den
§§ 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen, bestimmt.
Vgl. zu alledem Nieders. OVG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 11 LC 229/08 -,
NdsVBl. 2009, 135 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 14. April 2010 - 3 K 1988/09 -, juris.
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In Ausführung dieses gesetzlichen Regelungsauftrages ist am 9. Juni 2010 die
erwähnte BKA-Daten-Verordnung in Kraft getreten. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 dieser
Verordnung führt das Bundeskriminalamt auf der Grundlage des § 8 BKAG sog.
Gewalttäterdateien, die (u.a.) der Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen
und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, insbesondere mit
Fußballspielen (Buchst. b), dienen. Zu den Daten, die nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKAG zu
diesem Zweck gespeichert werden dürfen, gehören gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung
u.a. Familienname (Nr. 1), Vornamen (Nr. 2), Geschlecht (Nr. 12), Geburtsdatum (Nr. 13),
Geburtsort (Nr. 14) und Staatsangehörigkeit (Nr. 18) des Beschuldigten, ferner gemäß
§ 1 Abs. 2 Lichtbilder (Nr. 1) und Angaben zu Identitätsdokumenten wie dem
Personalausweis; zu den weiteren personenbezogenen Daten im Sinne des § 8 Abs. 2
BKAG zählen gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung Angaben zu Art und konkreten
Umständen der Tatbegehung (Nr. 11) sowie Beziehungen zu Personen und
Gruppenzugehörigkeit (Nr. 13).
45
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2010 - 6 C 5/09 -, a.a.O.
46
Schließlich legt - auf einer dritten Ebene - die gemäß § 34 BKAG erlassene behördliche
Errichtungsanordnung bezogen auf die konkrete Datei im Wesentlichen fest, nach
welchen Regeln (etwa hinsichtlich der Frage, wie die Speicherung zu erfolgen hat, wer
Daten liefern und abrufen darf, wie die Datei erschlossen werden kann, an wen Daten
übermittelt werden dürfen und welche Prüf- bzw. Speicherungsfristen einzuhalten sind)
sie zu führen ist (wobei sich im Einzelnen Überschneidungen mit der BKA-Daten-
Verordnung ergeben). Diese Anordnung dient sowohl der Selbstkontrolle der
speichernden Stelle als auch der Tätigkeit der Aufsichtsbehörde einschließlich des
Datenschutzbeauftragten. Es handelt sich um eine behördeninterne
Organisationsmaßnahme, der keine Rechtsnormqualität zukommt.
47
Vgl. Petri, a.a.O., S. 944 Rz. 372.
48
Das dargelegte, auf §§ 2 und 7 bis 13 BKAG i.V.m. mit der BKA-Daten-Verordnung
beruhende detaillierte Regelungssystem genügt den verfassungsrechtlichen
Anforderungen, die an die Bestimmtheit der gesetzlichen Eingriffsermächtigung zu
stellen sind. Es ist nicht erkennbar, wie Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs über
die vorhandenen gesetzlichen Vorschriften hinaus noch konkreter sollten festgelegt
werden können. Insbesondere ergibt sich für die Datei "Gewalttäter Sport" - nur diese ist
hier Streitgegenstand - aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b BKA-Daten-Verordnung eine
bereichsspezifische und hinreichend präzise Zweckbestimmung der zu speichernden
Daten, indem die Vorschrift darauf abstellt, dass die Datei der Verhinderung
gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit
Sportveranstaltungen, insbesondere mit Fußballspielen, und damit präventiven
Zwecken der Gefahrenabwehr dient.
49
Die gesetzliche Eingriffsermächtigung trägt ferner dem verfassungsrechtlichen
50
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung. Die zentrale Speicherung der
Daten von Personen, die durch Gewalttätigkeit im Zusammenhang mit
Sportveranstaltungen, insbesondere Fußball-Bundesligaspielen, in Erscheinung
getreten sind, ist geeignet, den Polizeibehörden der Länder Informationen über
gewaltbereite Fußballfans, die in anderen Bundesländern gewonnen wurden, zu
vermitteln und dadurch zur Verhinderung gewalttätiger Ausschreitungen beizutragen.
Da Bundesligaspiele deutschlandweit stattfinden und sog. Problemfans zu
Auswärtsspielen ihrer Mannschaft in anderen Bundesländern reisen, ist eine zentrale
Speicherung der Daten erforderlich, um den Polizeibehörden aller Länder eine
möglichst breite Erkenntnisgrundlage bereitzustellen. Die Maßnahme erweist sich auch
als angemessen. Dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung steht die Aufgabe
der Polizei gegenüber, gewalttätige Aktionen sog. Problemfans anlässlich von Fußball-
Bundesligaspielen möglichst einzudämmen. Mit dieser Aufgabe nimmt die Polizei einen
gewichtigen Gemeinwohlbelang wahr. Die betreffenden Fans treten überwiegend in
Gruppen auf und sehen das Fußballspiel als Gelegenheit, aus Spaß an der Gewalt
Auseinandersetzungen zu suchen, wobei auch Straftaten (z.B. Landfriedensbruch,
Körperverletzungen, Sachbeschädigungen) begangen werden. Gegner sind dabei
überwiegend die Problemfans der anderen Seite, mit denen Treffpunkte oft schon vorab
ausgemacht werden; häufig werden aber auch Polizeibeamte und unbeteiligte
Personen in die gewalttätigen Auseinandersetzungen einbezogen. Ohne bundesweiten
Austausch von Informationen über Personen, die in der beschriebenen Weise auffällig
geworden sind, wäre eine effektive polizeiliche Gefahrenabwehr in diesem Bereich
kaum möglich. Demgegenüber muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
der in der Datei "Gewalttäter Sport" erfassten Personen zurückstehen, zumal die Daten
nicht dauerhaft gespeichert bleiben, sondern nach Ablauf der Speicherungsfrist gelöscht
werden.
Aus einfachgesetzlichen Gründen ist die Speicherung der personenbezogenen Daten
des Klägers in der Verbunddatei "Gewalttäter Sport" ebenfalls nicht unzulässig.
Insbesondere ist § 8 Abs. 3 BKAG nicht einschlägig, da der Kläger in dem letzten
Strafverfahren wegen Landfriedensbruchs nicht rechtskräftig freigesprochen und das
Verfahren auch nicht eingestellt worden ist. Vielmehr hat das Amtsgericht N1 ihn zu
einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten auf Bewährung verurteilt; über seine Revision ist
noch nicht entschieden. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Kenntnis der
gespeicherten personenbezogenen Daten im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG für
die Aufgabenerfüllung der Polizei nicht mehr erforderlich wäre. Der Kläger ist wiederholt
durch Gewalttätigkeit anlässlich von Fußball-Bundesligaspielen in Erscheinung
getreten. Zweimal, im Juni 2004 und im Mai 2008, wurde er deshalb bereits rechtskräftig
verurteilt. Nur wenige Monate nach der letzten Verurteilung, im Oktober 2008, geriet er
als Teil einer gewalttätigen Menge, die anlässlich der Begegnung C gegen den G die
Konfrontation mit einer Gruppe Ger Fans suchte, erneut in das Blickfeld der Polizei
(weshalb es zu dem aktuellen Verfahren wegen Landfriedensbruchs kam). Damit ist die
Gewaltbereitschaft des Klägers hinreichend dokumentiert und zugleich die Prognose
gerechtfertigt, dass er auch künftig die Spiele von C zum Anlass nehmen wird, sich mit
anderen "Fans" zu prügeln. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich inzwischen von
der einschlägigen Szene abgewandt hat, liegen nicht vor; insbesondere lässt sich
seinem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren hierzu nichts entnehmen.
51
Mit dem Hilfsantrag hat die Klage dagegen teilweise Erfolg.
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Allerdings hat der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Richtigstellung
53
gegenüber C, dass die Weitergabe der Daten an den Verein rechtswidrig erfolgt ist und
diese daher vom Verein nicht zu dem überlassenen Zweck genutzt werden dürfen. Der
Beklagte war berechtigt, C von dem Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des
Verdachts des Landfriedensbruchs in Kenntnis zu setzen.
Als Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung kommt indessen nicht § 10 Abs. 3 Satz 1
BKAG in Betracht, wonach das Bundeskriminalamt personenbezogene Daten für
Zwecke der Gefahrenabwehr auch an nicht-öffentliche Stellen übermitteln kann. Diese
Vorschrift ist nicht einschlägig, weil hier die Daten nicht vom Bundeskriminalamt,
sondern vom Polizeipräsidium N1 übermittelt wurden. Ausweislich des in den
beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindlichen Computerausdrucks (Beiakte Heft 1
Seite 6) wurde der Datensatz betreffend das Verfahren wegen Landfriedensbruchs am
5. November 2008 in die beim Bundeskriminalamt geführte Datei "Gewalttäter Sport"
eingegeben. Schon zuvor, unter dem 30. Oktober 2008, hatte C dem Kläger wegen der
gegen ihn erhobenen Beschuldigung Stadionverbot erteilt. Die zu Grunde liegende
Information kann der Verein nicht vom Bundeskriminalamt - das zu diesem Zeitpunkt
noch gar nicht im Besitz der Daten war -, sondern nur vom Polizeipräsidium erlangt
haben.
54
Die Berechtigung des Beklagten zur Übermittlung der Daten an C ergibt sich jedoch aus
§ 29 Abs. 1 PolG NRW. Danach kann die Polizei von sich aus personenbezogene
Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln,
soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben (Nr. 1) oder zur Abwehr erheblicher Nachteile
für das Gemeinwohl oder zur Abwehr einer schwer wiegenden Beeinträchtigung der
Rechte einer Person (Nr. 2) erforderlich ist.
55
Die genannte landesrechtliche Vorschrift wird nicht von § 10 Abs. 3 Satz 1 BKAG
verdrängt. Mit letzterer Befugnisnorm beabsichtigte der Bundesgesetzgeber nicht, eine
ausschließliche Kompetenz des Bundeskriminalamtes zur Übermittlung von Daten aus
dem polizeilichen Informationssystem an private Stellen zu schaffen. Dies folgt aus der
Begründung des Gesetzentwurfs, in dem es heißt, dass die Übermittlung
personenbezogener Daten an Private zur Abwehr einer Gefahr in erster Linie Aufgabe
der Polizeien der Länder ist und eine Übermittlung unmittelbar durch das
Bundeskriminalamt nur in bestimmten Fällen, etwa wegen Eilbedürftigkeit, in Betracht
kommt.
56
Vgl. BT-Drs. 13/1550, S. 27.
57
Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW liegen vor. Die
Datenübermittlung an C war zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl
erforderlich. Die Maßnahme verfolgte das Ziel, den Verein in die Lage zu versetzen,
eigenverantwortlich die Erteilung eines Stadionverbotes zu prüfen. Ausweislich der
Präambel der Richtlinien des Deutschen Fußballbundes zur einheitlichen Behandlung
von Stadionverboten (Stand März 2008) bezwecken derartige Verbote, die Sicherheit
und Ordnung bei Ligaspielen zu gewährleisten und hierbei Ausschreitungen
unfriedlicher Personen zu verhindern bzw. zu reduzieren sowie den ordnungsgemäßen
Spielbetrieb zu gewährleisten; dies sei Aufgabe aller im Zusammenhang mit dem
Fußball tätigen Verantwortungsträger. Die Erfüllung der beschriebenen Aufgabe ist den
Vereinen nur möglich, wenn die Sicherheitsbehörden ihnen Erkenntnisse, die über
einzelne gewalttätige Fans vorliegen, mitteilen. Anderenfalls wären den Vereinen
weitgehend die Hände gebunden; sie hätten mangels Kenntnis praktisch kaum die
58
Möglichkeit, durch Stadionverbote ihrerseits einen Beitrag zur Bekämpfung der
Hooliganszene zu leisten, was zugleich zur Folge hätte, dass der Polizei die ohnehin
schwierige Aufgabe der Gefahrenabwehr in diesem Bereich noch weiter erschwert
würde. Die Entscheidung darüber, ob tatsächlich ein Stadionverbot erteilt wird, obliegt
allein den Vereinen. Die Erteilung stellt keineswegs die zwangsläufige Folge der
Datenübermittlung dar; letztere vermittelt den Vereinen lediglich die
Informationsgrundlage, um in eigener Zuständigkeit prüfen zu können, ob nach den
Richtlinien des Deutschen Fußballbundes zur einheitlichen Behandlung von
Stadionverboten die Voraussetzungen für eine solche Maßnahme vorliegen,
gegebenenfalls, welche Art von Stadionverbot (örtlich/überörtlich) verhängt wird und für
welchen Zeitraum es gelten soll. Der Einwand des Klägers, die Datenübermittlung sei
zur Zweckerreichung ungeeignet, da er noch nie in einem Fußballstadion negativ
ausgefallen sei, ist daher nicht relevant. Zu dem beabsichtigten Zweck, den Verein in
die Lage zu versetzen, über ein Stadionverbot zu entscheiden, ist die Datenübermittlung
durchaus geeignet. Abgesehen davon überzeugt die Argumentation des Klägers auch
sonst nicht. Es liegt auf der Hand, dass eine drohendes Inkenntnissetzen des Vereins
und - als mittelbare Folge - ein drohendes Stadionverbot eine verhaltenssteuernde
Wirkung auch gegenüber solchen Gewalttätern zu entfalten vermag, die "nur" vor und
nach dem eigentlichen Spiel die Auseinandersetzung mit "Fans" der gegnerischen
Mannschaft suchen. So spricht es für sich, dass der Kläger seit Verhängung des
Stadionverbotes, soweit erkennbar, nicht erneut einschlägig in Erscheinung getreten ist.
Mit Blick auf das Vorbringen des Klägers sei angemerkt, dass die Datenübermittlung
auch auf der Grundlage des § 10 Abs. 3 Satz 1 (i.V.m. Abs. 2 Nr. 3) BKAG nicht zu
beanstanden wäre. Danach kann das Bundeskriminalamt für Zwecke der
Gefahrenabwehr personenbezogene Daten auch an nicht-öffentliche Stellen
übermitteln. Die einschränkende Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BKAG, wonach
Daten, die den §§ 41 und 61 BZRG unterfallen würden, nur den dort genannten Stellen
zu den dort genannten Zwecken übermittelt werden können, kommt hier nicht zur
Anwendung. Denn die Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von fünf
Monaten wegen Landfriedensbruchs würde dem § 41 BZRG nicht unterfallen (der
Auskünfte aus dem Erziehungsregister betreffende § 61 BZRG ist von vornherein nicht
einschlägig), da sie in ein Führungszeugnis aufzunehmen wäre (vgl. § 32 BZRG). Die
Verwendung des Konjunktivs ("unterfallen würden") in § 10 Abs. 5 Satz 1 BKAG
bedeutet, dass eine Verurteilung nicht Voraussetzung für die Datenübermittlung ist, erst
recht nicht die Rechtskraft des Urteils und damit die Eintragung im
Bundeszentralregister. Dies ergibt sich auch aus der Begründung des Gesetzentwurfs
zu § 10 Abs. 5 BKAK
59
vgl. BT-Drs. 13/1550, S. 27,
60
in der es heißt:
61
"Absatz 5 schränkt Übermittlungen personenbezogener Daten an Stellen außerhalb
der Vollzugspolizeien ein. An diese Stellen dürfen Daten, die den §§ 41, 61 des
Bundeszentralregistergesetzes unterfallen würden, nur dann nach den Absätzen 2
und 3 übermittelt werden, wenn sie auch nach den §§ 41, 61 des
Bundeszentralregistergesetzes auskunftsberechtigt wären.
62
Mit der Vorschrift wird eine Harmonisierung zwischen den
verwendungsbegrenzenden Bestimmungen in den §§ 41, 61 des
63
Bundeszentralregistergesetzes und den Übermittlungsregelungen in den Absätzen 2
und 3 angestrebt. Es soll insbesondere eine Umgehung der Auskunftsbegrenzung
nach den §§ 41, 61 des Bundeszentralregistergesetzes verhindert werden, die sich
ergeben könnte, wenn einem Antragsteller die Auskunft aus dem
Bundeszentralregister unter Hinweis auf diese Vorschriften verweigert wird und er
anschließend versucht, die gewünschten Daten über Auskünfte aus den beim
Bundeskriminalamt geführten Dateien oder Akten zu erhalten."
Der hiernach in der Verhinderung einer Umgehung der einschränkenden Vorschriften
des Bundeszentralregistergesetzes liegende Regelungszweck kann nur in den Fällen
zum Tragen kommen, in denen überhaupt eine Eintragung im Bundeszentralregister
vorliegt. Ist dies nicht der Fall, sind die einschränkenden Vorschriften des
Bundeszentralregisters für die Erteilung von Auskünften nicht einschlägig mit der Folge,
dass sie auch nicht umgangen werden können.
64
Allerdings muss die Datenübermittlung, soll sie ihren Zweck, den Ligaverein in die Lage
zu versetzen, die Erteilung eines Stadionverbotes zu prüfen, erfüllen, zutreffend sein,
das heißt die vorhandenen polizeilichen Erkenntnisse n den wesentlichen Punkten
richtig wiedergeben. Dies ist hier nicht der Fall, weshalb die Klage insoweit Erfolg hat.
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Der Beklagte hat C ausweislich der Begründung des Stadionverbots mitgeteilt, der
Kläger habe mehrfach gefährliche Gegenstände auf die Polizeikräfte geworfen. Dies ist
von dem Inhalt der polizeilichen Strafanzeige vom 14. Oktober 2008 nicht gedeckt. Aus
dieser ergibt sich weder, das der Kläger einen gefährlichen Gegenstand geworfen hat,
noch dass er dies mehrfach getan hat. In der Strafanzeige wird ihm vielmehr
vorgeworfen, aus dem Schutz der Masse einen unbekannten Gegenstand,
wahrscheinlich einen Becher, auf die eingesetzten Polizeikräfte geschleudert zu haben.
Da es für die Entscheidung, ob ein Stadionverbot verhängt werden soll, einen nicht
unerheblichen Unterschied macht, ob jemanden mehrfach einen gefährlichen
Gegenstand oder einmal einen Becher auf Polizisten geworfen hat, ist der Beklagte
insoweit gegenüber dem Verein zur Richtigstellung verpflichtet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Ausspruch zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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