Urteil des VG Düsseldorf vom 21.01.2000

VG Düsseldorf: politische verfolgung, bundesamt, widerruf, kosovo, anerkennung, ausländer, familie, aufenthaltserlaubnis, unverzüglich, anschrift

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 15 K 1629/95.A
21.01.2000
Verwaltungsgericht Düsseldorf
15. Kammer
Urteil
15 K 1629/95.A
Der hinsichtlich der Klägerin zu 4. ergangene Bundesamtsbescheid wird
aufgehoben, soweit darin die Klägerin zur Ausreise aufgefordert und ihr
die Abschiebung angedroht wird. Im übrigen wird die Klage insgesamt
abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Tatbestand:
Die Kläger zu 1. bis 3. stellten im Dezember 1988 erstmals einen Asylantrag (Aktenzeichen
des Bundesamtes: xxxxxxxxxxxx [alt]; xxxxxxxxxxxxx [neu]), und zwar unter den
Personalien xxxxxxx xxxxxxx, geb. xxx.1970 in Nakull[Peje], xxxxxxxxxxxx [geb. xxxxxxx] ,
geb. xxx.1967 in Peje und xxxxxxxxxxxxxxxx, geb. xxxxx.1987 in Maribor. Zur Begründung
gaben sie an, sie seien albanische Volkszugehörige moslemischen Bekenntnisses und
hätten an Demonstrationen teilgenommen; einer Partei hätten sie nicht angehört. Die Lage
in Jugoslawien sei sehr schlecht. Bei der Anhörung (15.8.1989) erklärte der Kläger zu 1., er
sei wegen einer Demonstrationsteilnahme von der Polizei gesucht worden und vom
12.10.1988 bis 15.10.88 inhaftiert gewesen. Den Wehrdienst habe er noch nicht geleistet.
Mit Bescheid vom 14. November 1990 erkannte das Bundesamt (Aktenzeichen:
xxxxxxxxxxxx) die Kläger als Asylberechtigte an. Zur Begründung führte es aus, dass die
Kläger "bei der gegenwärtigen Situation in ihrer in der jugoslawischen Teilrepublik Serbien
gelegenen Heimat allein aufgrund ihrer [albanischen] Volkszugehörigkeit und somit aus
asylrelevanten Gründen mit Verfolgungsmaßnahmen serbischer Behörden rechnen
müssen". Außerdem bestehe keine inländische Fluchtalternative.
Dieser Bescheid wurde den Klägern am 7. Dezember 1990 unter der Anschrift in
xxxxxxxxxxxxxx zugestellt. Rechtsmittel hiergegen wurden durch den Bundesbeauftragten
für Asylangelegenheiten nicht eingelegt. Aufgrund dieser Anerkennungsentscheidung
wurde den Klägern zu 1. und 2. am 30. Januar 1991, der Klägerin zu 3. am 24. März 1998,
jeweils eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Bereits am 10. August 1990 hatten die Kläger zu 1. bis 4. in xxxxx einen Asylantrag
(Aktenzeichen des Bundesamtes xxxxxxxxxxxxx) gestellt, und zwar unter den Personalien:
xxxxxxxxxx, geb. xxx.1968 in Gjakove (Kläger zu 1.), xxxxxxxxxxxx, geb. xxx.1968 in Peje
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(Klägerin zu 2.), xxxxxxxxxx, geb. xxxxx.1987 in Gjakove (Klägerin zu 3.) und xxxxxxxxxxx,
geb. xxxxx.1989 in Gjakove (Klägerin zu 4.). Zur Begründung dieses Asylantrags gaben sie
an, sie seien am 3. Juni 1990 ausgereist. Der Kläger zu 1. sei 1 Monat im Gefängnis
gewesen. Er habe als Hausmeister in einer Schule gearbeitet, zusammen mit Kollegen an
einer Demonstration im Mai 1990 teilgenommen, sei dabei verhaftet worden, 16 Tage
inhaftiert gewesen und mit Hilfe eines Rechtsanwalts am 31. Mai 1990 wieder freigelassen
worden.
Die Ladungen zur persönlichen Anhörung im Asylverfahren erfolgten an die Anschrift
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxx; bereits am 21. Februar 1991 hatte der Stadtdirektor der
Stadt xxxxx dem Bundesamt mitgeteilt, die Kläger seien früher für diese Anschrift gemeldet
gewesen, aber seit dem 1. Januar 1991 unbekannt verzogen. Die Ladungen zur Anhörung
kamen mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" zurück.
Mit Bescheid vom 16. Juli 1991 lehnte das Bundesamt es ab, die Kläger als
Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.
1 AuslG vorliegen. Eine Zustellung des Bescheides läßt sich den übersandten
Verwaltungsvorgängen der Beklagten nicht entnehmen.
Am 17. Dezember 1990 stellten die Kläger zu 1. und 2. bei der Zentralen Eingangsstelle für
Asylbewerber in xxxxxxxxxx einen Asylantrag durch ihren jetzigen
Prozeßbevollmächtigten. Zur Begründung wurde im wesentlichen vorgetragen, die Kläger
seien jugoslawische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit. Sie seien bereits
im Februar 1989 in BRD eingereist und hätten Asyl beantragt. Der Asylantrag sei mit
Bescheid vom 2. Oktober 1989 abgelehnt worden; die dagegen gerichtete Klage (VG
Düsseldorf 15 K 12733/89) habe keinen Erfolg gehabt. Die Situation in Serbien habe sich
aber jüngst wieder verschärft. Der Asylantrag vom 17. Dezember 1990 wurde mit
Schriftsatz vom 6. Februar 1991 zurückgenommen.
Nachdem der Oberkreisdirektor des Kreises xxxxx der Stadt xxxxxx unter dem 21. Februar
1991 mitgeteilt hatte, dass die Kläger bei einem ihrer Asylanträge alias-Personalien
verwendet und zeitgleich mehrfach Sozialhilfe bezogen hätten, leitete das Bundesamt unter
dem 23. März 1993 das Rücknahmeverfahren ein und hörte die Kläger zu 1. bis 3. zur
beabsichtigten Aufhebung der Anerkennungsent-scheidung an.
Mit Bescheid vom 20. Januar 1995 nahm das Bundesamt die hinsicht-lich der Kläger zu 1.
bis 3. ergangene Anerkennungsentscheidung vom 14. November 1990 im Verfahren
xxxxxxxxxxxx zurück (Nr. 1 des Bescheides) und lehnte es ab, festzustellen, dass die
Voraus-setzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr. 2 des Bescheides) bzw.
Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG (Nr. 3 des Bescheides) bestehen. Zur
Begründung führte es im wesentlichen aus, die Rücknahme sei aufgrund von § 73 Abs. 2
AsylVfG erfolgt. Der Asylantrag vom 10.8.1990 (xxxxxxxxxxxxx) sei vor bestandskräftiger
Beendigung des ersten Asylverfahrens gestellt worden, so dass es sich um ein unerlaubtes
Doppelverfahren handele; dieses Asylver-fahren sei daher nicht weiter bearbeitet worden.
Eine Abschie- bungsandrohung ergehe nicht, da die Kläger zu 1. bis 3. im Besitz einer
gültigen Aufenthaltsgenehmigung seien.
Mit Bescheid vom gleichen Tage lehnte das Bundesamt es ab, die am xxxxxxxxxxx 1989
geborene Klägerin zu 4. als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. Abschiebungshindernisse gemäß § 53
AuslG vor-liegen, und drohte ihr die Abschiebung nach "Jugoslawien" an (Aktenzeichen
des Bundesamtes: xxxxxxxxxxxxx)
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Die Bescheide vom 20. Januar 1995 wurden den Klägern am 27. Januar 1995 zugestellt.
Am 9. Februar 1995 haben die Kläger hiergegen die vorliegende Klage erhoben. Die
mehrfach angekündigte Klagebegründung erfolgte mit Schriftsatz vom 25. September 1998.
Darin wurde ausgeführt, die Kläger seien 1988 eingereist und hätten unter richtigem
Namen mit zutreffender Begründung Asylanträge gestellt, die dann auch zur Anerkennung
geführt hätten. Sie hätten ein weiteres Asylver-fahren unter unzutreffenden Namen
betrieben; dies habe darauf beruht, daß 1990 in die Unterkunft der Kläger in xxxxxxxx eine
"jugoslawische Roma-Familie mit fünf wilden Kindern" eingezogen sei; diese Familie sei
kriminell gewesen, die Kläger seien bedroht worden. Das Sozialamt in xxxxxxxx sei
machtlos gewesen, so dass sie xxxxxxxx aus Angst verlassen hätten und in xxxxx unter fal-
schem Namen einen zweiten Asylantrag gestellt hätten. Als sie dann gehört hätten, dass
die schlimme Familie abgeschoben worden sei, seien sie sofort nach xxxxxxxx
zurückgegangen. Für kurze Zeit hät-ten sie doppelte Beträge von den Sozialämtern
erhalten. Deswegen habe im Februar 1991 eine Gerichtsverhandlung beim AG xxxxxxx
stattgefunden. Die doppelten Sozialleistungen seien mittlerweile zurückgezahlt worden. In
den Kosovo könnten sie nicht zurückkehren.
In der mündlichen Verhandlung (21. Januar 2000) haben die Kläger sich auf das bisherige
Vorbringen bezogen und weiterhin erklärt, der Kläger zu 4. sei am 25. März 1998 eine bis
zum 11. Oktober 2005 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Hinsichtlich des im
Asylantragsschreiben vom 17. Dezember 1990 erwähnten Klageverfahrens (VG Düsseldorf
15 K 12733/89) hat der Prozeß-bevollmächtigte erklärt, insoweit handele es sich um ein
Versehen.
Die Kläger beantragen,
1. die Beklagte unter Aufhebung des hinsichtlich der Kläger zu 1. bis 3. ergangenen
Bescheides vom 20. Januar 1995 insgesamt zu verpflichten, festzustellen, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass
hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG
bestehen,
2.
3. die Beklagte unter Aufhebung des hinsichtlich der Klägerin zu 4. ergangenen
Bescheides vom 20. Januar 1995 zu verpflichten, die Klägerin zu 4. als Asylberechtigte
anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse hinsichtlich der
Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 53 AuslG bestehen.
4.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtenen Entscheidungen,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des
Oberkreisdirektors des Kreises xxxxx (Beiakten Hefte 1 bis 10) und die Urteile, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Hinsichtlich der Kläger zu 1. bis 3. ist die Klage unbegründet. Der insoweit angefochtene
Bundesamtsbescheid ist - im Ergebnis - rechtmäßig und verletzt diese Kläger nicht in
eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1).
Das gilt zunächst, soweit die Anerkennung als Asylberechtigte aufgehoben worden ist.
Es ist allerdings zweifelhaft, ob die Voraussetzungen einer Aufhebung aufgrund § 73 Abs.
2 AsylVfG - auf diese Bestimmung hat das Bundesamt in dem insoweit angefochtenen
Bescheid abgestellt - vorliegend gegeben sind. Nach dieser Bestimmung ist die Aner-
kennung als Asylberechtigter (bzw. die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG vorliegen) zurückzunehmen, wenn sie auf Grund unrichtiger Angaben oder
infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden ist und der Ausländer auch
aus anderen Gründen nicht anerkannt werden könnte. Es ist aber fraglich, ob diese
Bestimmung auch den Fall umfaßt, dass der Asylbewerber zwar einen falschen Namen,
aber eine zutreffende Volkszugehörigkeit angibt, und - wie im vorliegenden Fall - sodann
allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe anerkannt wird, wie dies
im Fall der Kläger zu 1. bis 3. geschehen ist. Diese Anerkennung war zwar rechtswidrig,
weil im Jahre 1990 eine Gruppenverfolgung der albanischen Volkszugehörigen aus dem
Kosovo nahezu einheitlich abgelehnt wurde. Da § 73 Abs. 2 AsylVfG aber allein nicht auf
die Rechtswidrigkeit der Anerkennungsent-scheidung abstellt, sondern diese ursächlich
("auf Grund") auf ganz bestimmte unterlassene oder unrichtig vorgebrachte Angaben
zurückzuführen sein muß, ist fraglich, ob eine Identitätstäu- schung, die sich nicht
ursächlich auf das Ergebnis der Bundesamts-entscheidung - hier den
Anerkennungsbescheid vom 14. Novem- ber 1990 - ausgewirkt hat, von § 73 Abs. 2
AsylVfG umfaßt wird.
Vgl. hierzu auch VG Bremen, Urteil vom 12. Juli 1999 - 4 K 22063/95.A -
Diese Frage kann vorliegend aber offenbleiben, weil die Aufhebung der Asylanerkennung
jedenfalls auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt werden kann. Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die
Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Da es sich hierbei um eine Streitigkeit nach
dem Asylverfahrensgesetz handelt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach-
und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Die
Verwaltungsgerichte haben dabei die Aufgabe zu prüfen, ob sich ein Aufhebungsbescheid
als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten läßt.
Vgl. BVerWG, Urteil vom 24. November 1998 - 9 C 53/97 -.
Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind - soweit Rechte der Kläger zu 1.
bis 3. verletzt sein können - erfüllt. Diese Bestimmung erfaßt nicht nur die Fälle, in denen
die Anerkennungsvoraussetzungen nachträglich weggefallen sind, sondern auch die, in
denen die Anerkennungsvoraussetzungen von Anfang nicht erfüllt gewesen sind.
Vgl. hierzu im einzelnen BVerwG, Beschluß vom 27. Juni 1997 - 9 B 280/97 -, NVwZ-RR
1997, S. 741 sowie Bay.VGH, Urteil vom 1. Dezember 1998 - 24 B 98.31324 -, n.v., beide
m.w.N.
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Es kann vorliegend ebenfalls offenbleiben, ob der Widerruf "unverzüglich" i.S.d. § 73 Abs. 1
Satz 1 AsylVfG erfolgt ist. Denn die Pflicht zum unverzüglichen Widerruf ist dem
Bundesamt nicht im Interesse des einzelnen Ausländers als Adressaten des Widerrufs-
bescheides, sondern ausschließlich im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen
Beseitigung der ihm nicht (mehr) zustehenden Rechtsposition auferlegt.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Mai 1999 - 9 B 288/99 - und vom 12. Februar 1998 - 9 B
654/97 -.
Daher würden die Kläger zu 1. bis 3. jedenfalls nicht in eigenen Rechten verletzt, wenn die
Aufhebung vorliegend nicht unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 BGB)
erfolgt sein sollte.
Die Voraussetzungen für eine Asylerkennung sind i.S.d § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht
(mehr) gegeben, da die Kläger zu 1. bis 3. bei einer Rückkehr in den Kosovo vor
Verfolgung durch den serbischen Staat hinreichend sicher sind. Insbesondere ist eine
kollektive Verfolgung der albanischen Volkszugehörigen im Kosovo jedenfalls im gemäß §
77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgebenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
nicht gegeben, da eine politische Verfolgung durch ihren Heimatstaat ausgeschlossen ist,
wie die Kammer in ihrem genannten Urteil vom 15. Oktober 1999 - 15 K 5925/96.A -(dort S.
7 bis S. 11), auf das die Kläger mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hingewiesen
worden sind und das Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, im einzelnen
dargelegt hat. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen mit der Maßgabe Bezug
genommen, dass auch das Vorbringen der Kläger zu 1. und 2. in der mündlichen
Verhandlung keinen Anlaß gibt, von der Einschätzung in dem genannten Urteil
abzuweichen.
Der Widerruf ist vorliegend nicht gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ausgeschlossen, da
zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe, um eine Rückkehr in den
Heimatstaat abzulehnen, weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.
Vgl. hierzu allgemein VG Karlsruhe, Urteil vom 18. Mai 1998 - A 12 K 10192/98 -, NVwZ-
Beilage Nr.11/1998, S. 111 (112).
Ergänzend weist das Gericht noch darauf hin, dass die Jahresfrist des - für die
Ermessensentscheidung i.S.d. §§ 48 f. VwVfG konzipierten - § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG
jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nicht eingreift, da es sich bei der gebundenen
Widerrufsentscheidung i.S.d. § 73 Abs. 1 AsylVfG jedenfalls im Zusammenspiel mit § 77
Abs. 1 Satz 1 AsylVfG um eine abschließende Spezialbestimmung handelt.
Vgl. zum Problem (offenlassend) BVerwG, Beschluß vom 27. Juni 1997 - 9 B 280/97 -,
NVwZ-RR 1997, S. 741 sowie - die Anwendbarkeit von § 48 Abs. 4 VwVfG ablehnend - VG
Bremen vom 28. Juni 1999 - 4 K 22063/95.A ; vgl. auch Sachs in Stelkens/ Bonk/Sachs, 5.
Auflage 1998, § 48 Rz. 14 und Klappstein in Knack (Hrsg), VwVfG, 6. Auflage 1998, § 48
Rz. 5.3.1., S. 787, alle m.w.N.
Die Kläger zu 1. bis 3 haben gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die
Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. hinsichtlich der
Bundesrepublik Jugoslawien Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG gegeben sind.
Der Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt die Kläger zu 1. bis 3. nicht in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Das Bundesamt durfte in dem hinsichtlich der Kläger zu 1. bis 3. ergangenen
Bundesamtsbescheid erstmals eine Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG und zu
Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG treffen. Die Kompetenz hierzu ergibt sich
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 20. April
1999 - 9 C 29/98 -, NVwZ-Beilage Nr. 12/1999, S. 113 [113/114]), die das Gericht teilt, aus
einer Rechtsanalogie zu den Regelungen in §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 2 und Abs. 3 [jeweils
Satz 1], 32, 39 Abs. 2 und 73 Abs. 1 bis Abs. 3 AsylVfG. Diesen Bestimmungen läßt sich
als Leitgedanke entnehmen, dass in Verfahren der Schutzgewährung für Ausländer, die
sich auf politische Verfolgung (ggf. im weiteren Sinne) berufen, eine umfassende
Entscheidung ergeht, alle Arten des Schutzes vor zielstaatsbezogenen Gefahren - also
auch solche, die von § 53 AuslG erfaßt werden - einbezieht.
Das Bundesamt hat in der Sache auch zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des §
51 Abs. 1 AuslG bzw. von Abschiebungs-hindernissen gemäß § 53 AuslG verneint.
Insoweit wird auf das bereits genannte Urteil der Kammer vom 15. Oktober 1999 - 15 K
5925/96.A - (dort S. 7 bis S. 11 und S. 12 bis 15) mit der Maßgabe Bezug genommen, dass
individuelle Abschiebungshindernisse nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich
sind.
Die Klage der Klägerin zu 4. ist begründet, soweit sie sich gegen die in der insoweit
angefochtenen Entscheidung enthaltene Abschiebungsandrohung wendet. Insoweit ist die
hinsichtlich der Klägerin zu 4. ergangene Entscheidung rechtswidrig und verletzt die
Klägerin zu 4. in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 34 Abs. 1 AsylVfG erläßt das Bundesamt die Abschiebungs-androhung, wenn
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keine
Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Dabei ist auch insoweit der Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung maß-geblich (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Die hinsichtlich
der Klägerin zu 4. ergangene Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig, denn die Klägerin
zu 4. ist seit dem 24. März 1998 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Dies führt zur
Rechtswidrigkeit der Abschie-bungsandrohung (vgl. hierzu im einzelnen OVG NRW, Urteil
vom 25. Februar 1999 - 8 A 1166/98.A -). Im übrigen ist die Klage jedoch unbegründet, wie
sich aus den obigen Ausführungen, die für die Klägerin zu 4. entsprechend gelten, ergibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 159 Satz 1 VwGO, 100
Abs. 1 ZPO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.