Urteil des VG Düsseldorf vom 26.02.2002

VG Düsseldorf: anspruch auf bewilligung, beihilfe, angemessenheit, ausführung, behörde, anerkennung, bvo, behandlung, rechnungsstellung, vollstreckung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 2998/00
Datum:
26.02.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 2998/00
Tenor:
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt.
Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger steht als Lehrer im Dienst des Beklagten. Unter dem 2. Februar 2002
beantragte er u.a. die Gewährung einer Beihilfe zu ärztlichen Leistungen des Arztes Dr.
med. xxxxxxxxx, die ihm mit Rechnung vom 17. Januar 2000 für seine Behandlung in
Rechnung gestellt worden waren. Dabei handelte es sich um einen
Gesamtrechnungsbetrag vom 1.992,88 DM.
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Die xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx erkannte mit Bescheid vom 9. Februar 2000 lediglich
einen Betrag in Höhe von 1.562,11 DM als beihilfefähig an.
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Der Kläger erhob unter dem 28. März 2000 Widerspruch und verwies zur Begründung
auf ein Schreiben der xxxxxxxxxxxxx vom 23. März 2000.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2000 wies die xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
den Widerspruch zurück.
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Am 15. Mai 2000 hat der Kläger - rechtzeitig - Klage erhoben. Zur Begründung gibt er
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an, dass lediglich die Anerkennung eines 2,3-fachen Steigerungssatzes bei den
Gebührenziffern 2404 und 3200 GOÄ in der vorgenannten Rechnung nicht rechtmäßig
sei. Diesbezüglich verweist er auf eine weitere Stellungnahme der xxxxxxxxxxxxx vom
18. Mai 2000. Neben Angaben zu den streitigen Gebührenziffern seien danach die
ärztlichen Leistungen im Rahmen einer Notfalloperation durch den ständigen Vertreter
des Chefarztes persönlich erbracht worden.
Mit weiterem Schreiben der PVS vom 22. August 2000 ist auf die Erstattung des 3,5-
fachen Ansatzes der ebenfalls streitigen Gebührenziffer 700 GOÄ verzichtet worden.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Beihilfefestsetzungsbescheides der
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vom 9. Februar 2000 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 14. April 2000 zu verpflichten, ihm zu
der Rechnung des Arztes Dr. xxxxxxxxx vom 17. Januar 2000 eine weitere Beihilfe in
Höhe von 53,35 Euro zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen
Verwaltungsvorganges des Beklagten (Beiakte Heft 1).
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Entscheidungsgründe:
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Gemäß § 6 VwGO kann über den Rechtsstreit durch den Berichterstatter als
Einzelrichter entschieden werden, da ihm die Sache durch Beschluss der Kammer vom
30. Januar 2002 übertragen worden ist.
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1) Soweit der Kläger auf die Geltendmachung einer Beihilfe betreffend die
Gebührenziffer 700 GOÄ (Differenz zwischen dem 3,5- und 2,3-fachen Satz: 82,08 DM x
Beihilfesatz 50% = 41,04 DM) mit Schriftsatz vom 24. August 2000 verzichtet hat, liegt
sinngemäß eine Klagerücknahme gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor mit der sich aus
§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Rechtsfolge der Einstellung.
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2)
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3) Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
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4)
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Der Bescheid der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vom 9. Februar 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 14. April 2000 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Bewilligung
weiterer Beihilfeleistungen über den vorgenannten Bescheid hinaus (vgl. § 113 Abs. 5
VwGO).
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Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Beihilfenverordnung Nordrhein-Westfalen (BVO) sind
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beihilfefähig die in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit notwendigen
Aufwendungen in angemessenen Umfang. Bei dem Merkmal der Angemessenheit
handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der jeweils im Einzelfall einer
Konkretisierung bedarf. Dabei ist die Angemessenheit von Aufwendungen für ärztliche
Leistungen unter Berücksichtigung dessen zu beurteilen, was die Gebührenordnung für
Ärzte (GOÄ) als Honorar für die jeweilige Leistung vorsieht. Soweit dem Arzt nach der
GOÄ ein Honoraranspruch in der geltend gemachten Höhe zusteht, handelt es sich
mithin zugleich um angemessene Aufwendungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BVO, es sei
denn, die Beihilfevorschriften schränken die Gewährung einer Beihilfe für bestimmte
Aufwendungen ein oder schließen sie gar gänzlich aus. Da Zweck der
Beihilfegewährung lediglich ist, einen zusätzlichen Bedarf abzudecken, der mit den
Dienstbezügen eines Beamten nicht mehr bestritten werden kann und daher unter dem
Gesichtspunkt einer angemessenen Fürsorge einer Beihilfe bedarf, ist gegen derartige
Regelungen jedenfalls dann nichts einzuwenden, wenn die Beschränkungen oder
Ausschlüsse der Beihilfefähigkeit bestimmter Leistungen die dem Dienstherrn
obliegende Fürsorgepflicht nicht in ihrem Wesenskern verletzen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1988 - 2 C 58.85 -, in: Buchholz 270 § 7 BhV Nr. 1.
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Die Angemessenheit ist ferner in den Fällen zu bejahen, in denen die Berechnung
ärztlicher Leistungen auf einer zweifelhaften Auslegung der Gebührenordnung beruht,
wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag einer zumindest vertretbaren
Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht
für rechtzeitige Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1994 - 2 C 25.92. -; VG Düsseldorf, Urteil vom 7.
Mai 1997 - 10 K 8938/95 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 1998 - 26 K 7835/96 -.
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Die von der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vorgenannten Streichungen sind insgesamt
zu beanstanden.
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Eine Anerkennung der von dem Arzt Dr. xxxxxxxxx in Ansatz gebrachten 3,5-fachen
Steigerungssätze bei den Gebührenziffern 2404 und 3200 GOÄ kommt nicht in Betracht.
Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 1. Halbsatz GOÄ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühren
für eine/ärztliche Leistung nach dem einfachen bis 2,3-fachen des im zugehörigen
Gebührenverzeichnis festgelegten Gebührensatzes. Ein Überschreiten des
Schwellenwertes des 2,3- bis zum Höchstwert des 3,5-fachen Satz ist nur zulässig und
damit beihilferechtlich anzuerkennen, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1
GOÄ angegebenen Bemessungskriterien (Schwierigkeit, Zeitaufwand, Umstände der
Ausführung) die jeweilige Überschreitung rechtfertigen. Um diesen Einzelfall prüfen und
gegebenenfalls bejahen zu können, bedarf es einer besonderen Begründung, aus der
sich ergeben muss, aus welchen Gründen die im Einzelnen erbrachte Leistung über
dem des insoweit durchschnittlich Normalen gelegen hat (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 GOÄ),
wobei die bei Rechnungsstellung noch zulässig lediglich stichwortartige Begründung
gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ auf Verlangen näher zu erläutern ist. Zu der unter Ärzten
weithin verbreiteten, durch einschlägige Kommentierungen und Mitteilungen der
jeweiligen (Zahn)ärztekammern gestützten Auffassung, für durchschnittlich normale
Leistungen gelte bereits der 2,3-fache Gebührensatz, sodass schon jede als
überdurchschnittlich zu bewertende Tätigkeit den Ansatz eines höheren
Steigerungsfaktors rechtfertigen kann, hat das Bundesverwaltungsgericht
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- vgl. Urteil vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 - in: BVerwGE 95, 117 ff., ( zur
Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ -) -
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unter anderem ausgeführt, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes (2,3-facher
Gebührensatz) voraussetzt, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des
betreffenden Patienten und abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle
aufgetreten seien. Das Überschreiten des Schwellenwertes stelle einen
Ausnahmecharakter dar. Dem widerspräche es, wenn schon eine vom Arzt allgemein
oder häufig angewandte Verfahrensweise bei der Ausführung einer ärztlichen Leistung
als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit
angesehen würde. Die in der Regel einzuhaltende Spanne zwischen dem einfachen
und dem 2,3-fachen Gebührensatz gelte nicht nur für einfache oder durchschnittlich
schwierige und aufwändige Behandlungsfälle, sondern für die große Mehrzahl aller
Fälle. Sie decke in diesem Rahmen auch die Mehrzahl der schwierigeren und
aufwändigeren Behandlungsfälle ab.
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Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
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- vgl. Urteil vom 9. Dezember 1993 - 6 A 511/92 -
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hat unter anderem ausgeführt, dass die von einem Arzt zu erstellende Begründung
hinsichtlich des Überschreitens des Schwellenwertes den Zeitaufwand und den
Schwierigkeitsgrad plausibel erläutern müsse. Der 3,5-fache Gebührensatz gelte nur in
den Fällen, die in der ärztlichen Praxis außergewöhnliche Anforderungen stellen. Dies
könne sich nur daraus ergeben, dass die Verhältnisse des konkret zu beurteilenden
Falles mit den Verhältnissen des vom Gebührentatbestand erfassten (normalen) Fällen
verglichen werden (können). Dabei sei zunächst eine Darlegung des behandelnden
Arztes, welchen zeitlichen Rahmen (vom einfachen Fall bis hin zu den schwierigsten
Fällen) der vorgenommene Eingriff in der ärztlichen Praxis in Anspruch nehme und
inwieweit sich der Fall des konkreten Patienten unter Berücksichtigung der
Schwierigkeit sowie der Umstände bei der Ausführung von einem normalen Fall
unterscheide, erforderlich. Ferner müsse dargestellt werden, wie sich der konkrete Fall
im Vergleich mit anderen Fällen verhalte und wieso er sich deutlich vom Durchschnitt
unterscheide und abhebe.
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Vgl. auch Urteil vom 3. Dezember 1999 - 12 A 2889/99 - und Beschluss vom 8. Oktober
2001 - 6 A 1265/01 -.
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Vorliegend enthält die Rechnung vom 17. Januar 2000 kein den vorgenannten
Anforderungen entsprechende Begründung. Eine ergänzende nachträgliche
Begründung der in Rechnung gestellten erhöhten Steigerungssätze ergibt sich auch
nicht aus den Schreiben der xxxxxxxxxxxxx vom 23. März , 18. Mai und 22. August
2000. Zur Begründung wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die entsprechenden
Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14. April 2000 sowie auf die gerichtliche
Verfügung vom 7. Januar 2002 Bezug genommen.
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3) Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
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4)
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5) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167
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VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
6)
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