Urteil des VG Düsseldorf vom 17.12.2008

VG Düsseldorf: treu und glauben, mehrarbeit, genehmigung, fürsorgepflicht, direktor, arbeitspensum, dienstzeit, anweisung, ausbildung, wesenskern

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 K 5885/07
Datum:
17.12.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 5885/07
Schlagworte:
Freizeitausgleich Mehrarbeit Rechtspfleger Arbeitspensum Arbeitszeit
Normen:
LBG NRW § 78a
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleis-tung
oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreck-baren
Betrages abzuwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Tatbestand:
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Der am 00.0.1946 geborene Kläger steht als Beamter (Justizamtsrat) im Dienst des
beklagten Landes. Er ist beim Amtsgericht N als Rechtspfleger tätig.
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Mit Schreiben vom 4. Januar 2007 an den Direktor des Amtsgerichts N erklärte der
Kläger, er sei mit der Geschäftsverteilung der Rechtspflegergeschäfte nicht
einverstanden. Wegen seines Lebensalters sei er lediglich verpflichtet, statt einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden nur eine solche von 39 Stunden zu erbringen.
Dies sei bei der Berechnung seines Arbeitspensums entsprechend zu berücksichtigen.
Er habe dasselbe Arbeitspensum zu bewältigen wie beispielsweise um fasst 30 Jahre
jüngere Kolleginnen und Kollegen. Er bitte, ihn entsprechend zu entlasten.
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Mit Bescheid vom 17. April 2007 lehnte der Direktor des Amtsgerichts eine Entlastung
des Klägers ab. Er führte aus, die Belastung des Klägers liege gegenwärtig unter der
durchschnittlichen Arbeitsbelastung aller bei dem Amtsgericht N tätigen Rechtspfleger.
Er habe keine Veranlassung, die bestehende Geschäftsverteilung zu ändern. Er trage
damit auch dem Umstand Rechnung, dass der Kläger mit seiner mehr als
dreißigjährigen Erfahrung in der Bearbeitung von Grundbuchsachen in der Lage sein
müsse, eingehende Anträge schneller rechtlich zu würdigen und zu erledigen, als dies
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weniger erfahrenen Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern möglich sei. Darüber
hinaus müsse der Personaleinsatz auch unter Berücksichtigung der individuellen
Leistungsstärke des Einzelnen erfolgen. Er halte den Kläger für einen Mitarbeiter, der
bei hoher Arbeitsqualität zu besonders zügiger Arbeitsweise fähig sei und dies bereits
seit vielen Jahren unter Beweis gestellt habe.
Dem Kläger wurde am 26. März 2007 der Entwurf eines Ausbildungsplanes für die
fachpraktische Ausbildung I einer Rechtspflegeranwärterin übermittelt, an der er sich
beteiligen sollte. Der Kläger erhob dagegen unter Hinweis auf seine wöchentliche
Arbeitsverpflichtung von 39 Stunden Bedenken. Der Geschäftsleiter des Amtsgerichts
teilte ihm daraufhin am 5. April 2007 mit, dass es bei der Zuweisung an den Kläger
verbleiben müsse.
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Des weiteren teilte der Geschäftsleiter des Amtsgerichts dem Kläger am 23. April 2007
mit, wegen der Erkrankung der Kollegin C habe er eine im Einzelnen ausgeführte
Sondervertretungsregelung getroffen, nach der auch der Kläger zusätzliche Aufgaben
zu übernehmen habe.
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Mit Schreiben vom 25. April 2007 legte der Kläger gegen den Bescheid des Direktors
des Amtsgerichts vom 17. April 2007 Widerspruch ein und beantragte für die seit dem
1. Oktober 2006 angeordnete und geleistete Mehrarbeit Freizeitausgleich zu bewilligen.
Mit der Verminderung seiner wöchentlichen Arbeitszeit ab Vollendung seines
60. Lebensjahres müsse eine entsprechende Entlastung verbunden sein. Die
Ablehnung seines Antrags auf Verminderung seines Arbeitspensums stelle eine
Anordnung von Mehrarbeit dar.
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Mit weiterem Schreiben ebenfalls vom 25. April 2007 legte der Kläger gegen die
Anweisung des Geschäftsleiters vom 5. April 2007 Widerspruch ein. Der Geschäftsleiter
sei nicht befugt, im eigenen Namen einem Rechtspfleger Weisungen zu erteilen.
Vielmehr sei das Sache des Direktors des Amtsgerichts. Entsprechendes gelte für die
Anordnung von Mehrarbeit. Inhaltlich wende er sich gegen angeordnete Mehrarbeit
ohne gleichzeitige Gewährung des ihm dafür zustehenden Freizeitausgleichs.
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Mit Schreiben vom 26. April 2007 legte der Kläger gegen die
Sondervertretungsregelung des Geschäftsleiters vom 23. April 2007 Widerspruch ein.
Auch insoweit bemängelte er, dass der Geschäftsleiter nicht zuständig gewesen sei und
ihm zugleich hätte Freizeitausgleich gewährt werden müssen.
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Mit Bescheid vom 11. Mai 2007 lehnte der Direktor des Amtsgerichts in allen drei vom
Kläger angesprochenen Punkten die Gewährung von Freizeitausgleich ab, weil es sich
nicht um Mehrarbeit im Sinne des Gesetzes handele. Im übrigen sei der Geschäftsleiter
des Amtsgerichts zu Anweisungen gegenüber den Rechtspflegerinnen und
Rechtspflegern befugt.
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Mit Schreiben vom 30. Mai 2007 führte der Kläger aus: Aufgrund des nach Vollendung
seines 60. Lebensjahres unveränderten Arbeitspensums erbringe er ständig
wöchentliche Überstunden. Zum Nachweis dafür werde auf das für ihn geführte
Arbeitszeitkonto verwiesen. Es handele sich demnach nicht um eine angeblich
geleistete Mehrarbeit, sondern um eine tatsächlich erbrachte Mehrleistung. Sein
Arbeitspensum weiche nicht von demjenigen der unter 55 Jahre alten Kollegen ab. Im
übrigen beantrage er die Gewährung von Freizeitausgleich bereits ab September 2006.
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Sein Einsatz in der Rechtspflegeranwärterausbildung stelle eine zusätzliche Belastung
dar und sei demnach mit Mehrarbeit verbunden. Ebenso stelle die
Sondervertretungsregelung für die Kollegin C Mehrarbeit dar.
Mit Bescheid vom 13. November 2007, zugestellt am 15. November 2007, wies die
Präsidentin des Oberlandesgerichts E die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte
sie u.a. aus: Dass der Direktor des Amtsgerichts mit Bescheid vom 17. April 2007 eine
Änderung der Geschäftsverteilung abgelehnt habe, sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Widerspruch gegen die Anweisung des Geschäftsleiters des Amtsgerichts vom
5. April 2007 sei unzulässig, weil dem Kläger die Widerspruchsbefugnis fehle. Der
Widerspruch gegen die Anordnung des Geschäftsleiters des Amtsgerichts vom
23. April 2007 sei unbegründet. Insbesondere sei der Geschäftsleiter dafür zuständig
gewesen. Schließlich sei die Ablehnung des Antrags auf Anordnung von Mehrarbeit
bzw. auf Gewährung von Freizeitausgleich rechtlich nicht zu beanstanden. Das gelte
hinsichtlich aller drei vom Kläger angesprochener Punkte. Mehrarbeit sei tatsächlich
nicht angeordnet worden.
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Der Kläger hat am 14. Dezember 2007 Klage erhoben.
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Zunächst hatte er neben der Verpflichtung des beklagten Landes zur Gewährung von
Freizeitausgleich hilfsweise die Verpflichtung zur Gewährung von Mehrarbeitsvergütung
beantragt. Später hat er dann diesen Hilfsantrag fallengelassen und zusätzlich zwei
Feststellungsanträge gestellt.
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Zur Begründung seiner Klage wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges
Vorbringen. Er macht geltend, dass sein Arbeitspensum reduziert werden müsse und
legt das im Einzelnen dar. Darüber hinaus führt er insbesondere aus: Durch die
Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit für ältere Beamte sollten diese entlastet
werden, nicht aber noch gleichzeitig, ohne jeden Ausgleich, zusätzlich belastet werden.
Ihm sei ein auf 41 Stunden zugeschnittenes, ungeschmälertes Arbeitspensum
zugeordnet worden, welches er innerhalb von 39 Wochenstunden zu erledigen habe. Er
leiste tatsächlich Mehrarbeit im Vergleich zu seinen lebensjüngeren Kolleginnen und
Kollegen. Diese Mehrarbeit sei durch die Geschäftsverteilungspläne angeordnet
worden. Im Jahre 2007 habe er im Durchschnitt 8,47 Überstunden pro Monat geleistet.
Es stelle eine Verletzung der Fürsorgepflicht dar, dass von ihm über die individuelle
Arbeitszeit von 39 Stunden in der Woche hinaus ohne jeden Ausgleich allein wegen
seiner besonderen Leistungsstärke Mehrarbeit gefordert werde. Im übrigen liege auch
ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben vor. Er sei weiterhin
leistungsbereit und leistungswillig, erwarte allerdings einen fairen und angemessenen
Ausgleich. Der Geschäftsleiter des Amtsgerichts sei nicht befugt, im eigenen Namen die
Geschäftsverteilung für ihn, den Kläger, zu regeln. Vielmehr sei das Sache der
Behördenleitung.
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Der Kläger beantragt,
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1. das beklagte Land unter Aufhebung der Bescheide des Direktors des
Amtsgerichts N vom 17. April 2007 und 11. Mai 2007 und unter Aufhebung
der Anordnung des Geschäftsleiters des Amtsgerichts N vom 23. April 2007
sowie unter Aufhebung seiner "Anweisung" vom 5. April 2007, jeweils in
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Präsidentin des
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Oberlandesgerichts E vom 13. November 2007, zu verpflichten,
a.
dem Kläger zur Abgeltung der vom 1. September 2006 bis
19. November 2008 geleisteten regelmäßigen Mehrarbeit bezahlten
Freizeitausgleich in Umfang von 8 Stunden pro Monat zu bewilligen,
b.
dem Kläger für die geleistete Mehrarbeit im Rahmen der Sondervertretung C
Freizeitausgleich im Umfang von 40 Stunden zu bewilligen,
c.
dem Kläger für die geleistete Mehrarbeit im Rahmen der Ausbildung der
Rechtspflegeranwärterin I bezahlten Freizeitausgleich im Umfang von drei
Stunden zu bewilligen,
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2. festzustellen, dass der Geschäftsleiter des Amtsgerichts N nicht
berechtigt ist, dem Kläger zusätzliche Aufgaben im Rahmen der
Rechtspflegergeschäfte zu übertragen,
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3. festzustellen, dass dem Kläger für zusätzlich übertragene Aufgaben im
Rahmen einer Sondervertretung oder im Rahmen einer Ausbildungstätigkeit
bezahlter Freizeitausgleich zu bewilligen ist.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es trägt vor: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Freizeitausgleich, weil er nicht dazu
verpflichtet worden sei, regelmäßig mehr als 39 Stunden pro Woche zu arbeiten, also
keine Mehrarbeit geleistet habe. Der Kläger sei lediglich angewiesen worden, welche
Arbeiten in den von ihm zu erbringenden 39 Wochenstunden abzuleisten seien. Eine
Verlängerung seiner regelmäßigen Wochenarbeitszeit sei damit nicht verbunden oder
auch nur beabsichtigt gewesen. Was die angesammelten, vom Kläger geleisteten
Überstunden angehe, habe im Rahmen der Gleitzeitregelung die Gelegenheit
bestanden und bestehe diese weiterhin, entsprechende Gleittage zu beantragen und
nehmen. Ein Eingriff in den Wesenskern der Fürsorgepflicht des Dienstherrn liege
ebenfalls nicht vor. Der Kläger sei mit den ihm übertragenen Aufgaben in keiner Weise
überfordert gewesen. Es hätten sich keine Rückstände angesammelt und er habe auch
keine Überlastungsanzeige erstattet. Schließlich sei der Geschäftsleiter zuständig für
die Geschäftsverteilung des nichtrichterlichen Dienstes und damit auch der
Rechtspfleger.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Der Antrag zu 1. ist zulässig, aber nicht begründet.
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Die Bescheide des Direktors des Amtsgerichts N vom 17. April 2007 und 11. Mai 2007,
die Anordnung des Geschäftsleiters des Amtsgerichts N vom 23. April 2007 sowie
dessen "Anweisung" vom 5. April 2007 und der Widerspruchsbescheid der Präsidentin
des Oberlandesgerichts E vom 13. November 2007 sind, soweit mit diesen Verfügungen
Freizeitausgleich abgelehnt worden ist, rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in
seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Freizeitausgleich in dem geltend gemachten Umfang.
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Ein Anspruch auf Freizeitausgleich lässt sich nicht aus § 78a Abs. 1
Landesbeamtengesetz (LBG) ableiten.
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Nach dieser Vorschrift ist der Beamte verpflichtet, ohne Entschädigung über die
regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse
es erfordern (Satz 1). Wird er durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte
Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus
beansprucht, so ist ihm innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit
hinausgehende Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren (Satz 2).
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Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung von Mehrarbeit durch Verwaltungsakt.
Dabei hat er unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände eine
Ermessensentscheidung zu treffen und zu prüfen, ob nach den dienstlichen
Notwendigkeiten überhaupt eine Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie
übertragen werden soll. Die Entscheidung muss also auf die Anordnung gerade von
Mehrarbeit abzielen bzw. eine solche zum Gegenstand haben.
32
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. April 2008
– 6 A 502/05 , NRWE und juris, m.w.N..
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Die Anordnung und die Genehmigung von Mehrarbeit müssen sich auf konkrete zeitlich
abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen. Allgemeine (pauschale) Anweisungen
hinsichtlich künftiger oder bereits geleisteter Mehrarbeit allein genügen nicht. Schon gar
nicht ist ausreichend, wenn Beamte nicht einmal pauschal zur Mehrarbeitsleistung
angewiesen worden sind, sondern ihren jeweiligen Dienstposten nur ein – grundsätzlich
innerhalb der allgemein geltenden, also regulären Dienstzeiten zu erledigender –
bestimmter Aufgabenkatalog generell oder im Einzelfall zugewiesen worden ist.
34
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. März 2004
– 1 A 2426/02 , IÖD 2004, 218.
35
Im Falle des Klägers fehlt es an der erforderlichen dienstlichen Anordnung oder
Genehmigung von Mehrarbeit. Vielmehr sind dem Kläger lediglich Aufgaben
zugewiesen worden, die er auf seinem Dienstposten als Rechtspfleger zu erledigen hat.
Das gilt auch für die in Rede stehenden Erweiterungen seines Aufgabenkataloges
(Ausbildung einer Rechtspflegeranwärterin und Vertretung einer erkrankten Kollegin).
Der Kläger ist nicht zu Mehrarbeit, die zusätzlich zu der regulären Dienstzeit zu leisten
gewesen wäre, angewiesen worden.
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Eine nachträgliche Genehmigung von Mehrarbeit liegt nicht vor und ist auch nicht
Gegenstand der vorliegenden Klage. Ohne entscheidungserheblich zu sein, sei noch
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bemerkt: Einer nachträglichen Genehmigung von Mehrarbeit stünde der bereits
dargelegte Charakter der Anordnung bzw. Genehmigung als einer
Ermessensentscheidung darüber entgegen, ob ausnahmsweise aus zwingenden
dienstlichen Gründen und ggf. durch wen und mit welcher Rechtsfolge zukünftig
Mehrarbeit geleistet werden soll. Damit wäre unvereinbar, überhaupt nicht als
Mehrarbeit im Rechtssinne erkannte oder als solche auch nicht gewollte, sei es auch
möglicherweise zu Unrecht abverlangte, regelmäßige Arbeitsleistungen nachträglich als
Mehrarbeit einzustufen oder zu genehmigen.
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. März 2004
– 1 A 2426/02 , IÖD 2004, 218.
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Darüber hinaus wäre Voraussetzung für eine nachträgliche Genehmigung von
Mehrarbeit, dass zwingende dienstliche Gründe die Mehrarbeit erfordert haben. Dass
diese Voraussetzung hier vorgelegen hat, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
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Auf einen Schadensersatzanspruch kann der Kläger sein Begehren nicht stützen, weil
es an einem zu ersetzenden Schaden fehlt. Der Aufwand von Zeit und Arbeitskraft zur
Leistung eines zusätzlichen Dienstes und der damit verbundene Verlust von Freizeit als
solcher sind kein durch Geld zu ersetzender materieller Schaden.
40
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. April 2008
– 6 A 502/05 , NRWE und juris.
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Für den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Freizeitausgleich kann der
Kläger sich auch nicht auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 85 LBG) berufen.
Leistungsansprüche können sich daraus nur dann ergeben, wenn andernfalls die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Den Wesenskern
der Fürsorgepflicht können allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren.
42
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 28/02 -, ZBR 2003, 383.
43
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn mag zwar eine zeitliche Inanspruchnahme des
Beamten über seine physischen und psychischen Kräfte hinaus verbieten. Eine solche
rechtlich unzulässige zeitliche Inanspruchnahme des Beamten ist im Falle einer
Geschäftsüberlastung aber nicht gegeben. Denn eine solche Geschäftsüberlastung
verpflichtet den Beamten nicht zu einer die regelmäßige Arbeitszeit übersteigenden
Dienstleistung. Im Falle einer dauerhaften Geschäftsüberlastung ist der Beamte
gehalten, seine Dienstgeschäfte nach ihrer Dringlichkeit zu ordnen und im Rahmen des
Möglichen planvoll abzuarbeiten. Soweit dies innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit
nicht gelingt, ist er berechtigt, seinen Geschäftsbereich anwachsen zu lassen, und
verpflichtet, dies anzuzeigen. Für die hieraus folgenden Verzögerungen und die
sonstigen Erschwernisse für den Dienstbetrieb kann er nicht verantwortlich gemacht
werden.
44
Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 11. März 2008 – 2 BvR 263/07 –,
ZBR 2008, 389.
45
Demnach stellt eine bestehende Geschäftsüberlastung keinen Verstoß gegen die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn dar.
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Verwaltungsgericht Oldenburg, Urteil vom 29. März 2000 – 6 A 2138/99 -, juris.
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Für den Fall des Klägers bedeutet das: Eine Verletzung der Fürsorgepflicht kann nicht
festgestellt werden. Der Kläger bemängelt, dass ihm in Anbetracht einer
Wochenarbeitszeit von 39 Stunden ein zu hohes Arbeitspensum auferlegt worden sei
und er infolge dieser Geschäftsüberlastung länger als vorgesehen arbeite. Wie
dargestellt ist er jedoch nicht verpflichtet, mehr als 39 Stunden in der Woche zu arbeiten.
Vielmehr kann er ggf. seinen Geschäftsbereich anwachsen lassen. Ihn trifft insoweit
lediglich die Pflicht, das dem zuständigen Dienstvorgesetzten anzuzeigen.
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Zudem sei noch, ohne entscheidungserheblich zu sein, auf Folgendes hingewiesen:
Selbst wenn eine Fürsorgepflichtverletzung zu bejahen wäre, könnte von einer
unzumutbaren Belastung des Klägers nicht die Rede sein. Nach dem Vortrag des
Klägers beträgt die von ihm tatsächlich geleistete zusätzliche Arbeitszeit etwa
zwei Stunden pro Woche. Zusammen mit der für ihn ab Vollendung seines
60. Lebensjahres geltenden Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche ergäbe sich danach
eine tatsächliche Wochenarbeitszeit von etwa 41 Stunden. Diese läge aber allenfalls
unwesentlich über der in § 78 Abs. 1 Satz 1 LBG festgelegten Obergrenze der
regelmäßigen Arbeitszeit (41 Stunden in der Woche).
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Schließlich ergibt sich der Anspruch des Klägers auf Freizeitausgleich auch nicht aus
dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
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Der Dienstherr kann nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine rechtswidrige
Mehrbeanspruchung eines Beamten nachträglich auszugleichen. Zieht der Dienstherr
Beamte über die regelmäßige Dienstzeit hinaus zum Dienst heran, ohne dass die
Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind, so
ist die Inanspruchnahme rechtswidrig. Die Beamten haben einen Anspruch darauf, dass
sie unterbleibt. Das Gesetz enthält keine Regelung der Konsequenzen, die eintreten,
wenn der Dienstherr diese Unterlassungsverpflichtung verletzt. Daraus ist jedoch nicht
zu schließen, dass die rechtswidrige Festlegung einer Arbeitszeit, die über die normativ
zulässige Arbeitszeit hinausgeht, ohne Folgen bleibt. § 78a LBG ist daher nach Treu
und Glauben in einer Weise zu ergänzen, welche die beiderseitigen Interessen zu
einem billigen Ausgleich bringt und dabei dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung
gerecht wird. Ein daraus abgeleiteter Anspruch unterscheidet sich von dem gesetzlichen
Anspruch nach § 78a LBG durch das Hinzutreten von Billigkeitsgesichtspunkten, die
einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Beteiligten im Einzelfall
gewährleisten sollen. Dementsprechend muss die Vorenthaltung eines Ausgleichs für
die geleistete Zuvielarbeit angesichts der Gesamtumstände grob unbillig und für den
Beamten nicht zumutbar sein.
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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. April 2008
– 6 A 502/05 , NRWE und juris, m.w.N..
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Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Insbesondere ist der Kläger nicht
über die regelmäßige Dienstzeit hinaus zum Dienst herangezogen worden. Er war nicht
verpflichtet, mehr als 39 Stunden in der Woche zu arbeiten. Insoweit kann auf das
bereits an anderer Stelle Ausgeführte Bezug genommen werden.
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Im übrigen sei, ohne dass das entscheidungserheblich wäre, noch bemerkt: Selbst
wenn der Kläger rechtswidrig über die regelmäßige Dienstzeit hinaus zum Dienst
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herangezogen worden wäre, ergäbe sich kein aus Treu und Glauben abgeleiteter
Anspruch. Denn soweit ersichtlich wäre nach wie vor im Rahmen der Gleitzeit ein
Zeitausgleich möglich. Angesichts der Gesamtumstände wäre daher die Vorenthaltung
des im vorliegenden Klageverfahren geltend gemachten Ausgleichs für geleistete
Zuvielarbeit nicht grob unbillig und für den Kläger durchaus zumutbar.
Der Antrag zu 2. ist zwar nach § 43 VwGO zulässig. Er ist aber nicht begründet.
55
Der Geschäftsleiter des Amtsgerichts N ist berechtigt, dem Kläger zusätzliche Aufgaben
im Rahmen der Rechtspflegergeschäfte zu übertragen.
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Das Gericht kann offen lassen, ob sich das bereits aus Abschnitt II Nr. 2. c) der
Geschäftsleitungs-AV vom 15. Februar 2006 (2320 – I. 1) ergibt. Nach dieser Vorschrift
werden den Geschäftsleiterinnen und Geschäftsleitern zur selbständigen Erledigung
und Zeichnung nach näherer Maßgabe übertragen: die Geschäftsverteilung für den
Personenkreis des nichtrichterlichen und nicht-staatsanwaltschaftlichen Dienstes, mit für
den vorliegenden Fall nicht bedeutsamen Ausnahmen. Der Kläger ist diesem
Personenkreis zuzurechnen. Nach dem Wortlaut von Abschnitt II Nr. 2. der
Geschäftsleitungs-AV gilt das allerdings nur, soweit nicht die Behördenleiterin bzw. der
Behördenleiter aufgrund u.a. besonderer Verwaltungsvorschriften zuständig ist. Als
solche besondere Verwaltungsvorschriften könnten hier in Betracht kommen zum einen
Nr. 1 der AV des Justizministeriums vom 13. Oktober 1976 (3012 – IB. 11;
Geschäftsverteilung unter den Rechtspflegern) wonach der Präsident oder der Direktor
des Gerichts jedem Rechtspfleger einen genau abgegrenzten Bereich der
Rechtspflegergeschäfte zuweist, und zum anderen Abschnitt I § 3 Abs. 1 der
Grundbuchgeschäftsanweisung vom 28. August 2007 (3850 – I. 58), wonach die
Behördenleitung durch schriftliche Anordnung die Geschäftsverteilung regelt. Bei diesen
Bestimmungen würde es sich allerdings dann nicht um besondere
Verwaltungsvorschriften im Sinne der Geschäftsleitungs-AV handeln, wenn mit den
Begriffen "der Präsident oder der Direktor des Gerichts" und "Behördenleitung" nur
allgemein die Zuständigkeit der Behördenleitung bezeichnet wird, ohne eine
Übertragung bestimmter Aufgaben auf die Geschäftsleiterin oder den Geschäftsleiter,
wie sie in der Geschäftsleitungs-AV vorgesehen ist, auszuschließen. Das dürfte auch
der Sichtweise des beklagten Landes entsprechen. Dieser Punkt kann hier aber offen
bleiben, weil sich das Bestehen der im Streit stehenden Berechtigung des
Geschäftsleiters jedenfalls aus den folgenden Erwägungen ergibt.
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Der Geschäftsleiter des Amtsgerichts N ist berechtigt, dem Kläger zusätzliche Aufgaben
im Rahmen der Rechtspflegergeschäfte zu übertragen, weil ihn der Direktor des
Amtsgerichts ihn dazu ermächtigt hat. Wie Herr K, der gegenwärtige Geschäftsleiter des
Amtsgerichts N, in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, hat der Direktor des
Amtsgerichts sich damit einverstanden erklärt, dass Herr K als Geschäftsleiter die
Geschäftsverteilung der Rechtspflegergeschäfte vornehmen soll. Dass der Direktor des
Amtsgerichts zu dieser Beauftragung befugt war, ergibt sich aus seiner Funktion als
Behördenleiter. Einer besonderen Bekanntmachung bedurfte es nicht.
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Der Antrag zu 3. ist ebenfalls zwar nach § 43 VwGO zulässig, aber nicht begründet.
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Dem Kläger ist nicht für zusätzlich übertragene Aufgaben im Rahmen einer
Sondervertretung oder im Rahmen einer Ausbildungstätigkeit bezahlter
Freizeitausgleich zu bewilligen.
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Als Anspruchsgrundlage für die Bewilligung bezahlten Freizeitausgleiches kommt hier
allein § 78a Abs. 1 Satz 2 LBG in Betracht. Die dort nach näheren Maßgaben
vorgesehene Dienstbefreiung hat zur Voraussetzung, dass Mehrarbeit dienstlich
angeordnet oder genehmigt worden ist. Ohne eine solche Anordnung oder
Genehmigung von Mehrarbeit darf Dienstbefreiung also nicht gewährt werden. Da die
vom Kläger begehrte Feststellung jedoch nicht an eine solche vorausgehende
Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit anknüpft, trifft sie nicht zu.
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Der Antrag zu 3. wäre aber auch dann unbegründet, wenn er erweiternd dahin
auszulegen wäre festzustellen, dass dem Kläger gegenüber für zusätzlich übertragene
Aufgaben im Rahmen einer Sondervertretung oder im Rahmen einer
Ausbildungstätigkeit Mehrarbeit anzuordnen und ihm für diese bezahlter
Freizeitausgleich zu bewilligen ist.
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Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, müssen sich Anordnung und Genehmigung
von Mehrarbeit auf konkrete zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen.
Allgemeine (pauschale) Anweisungen hinsichtlich künftiger oder bereits geleisteter
Mehrarbeit sind rechtlich nicht zulässig sind. Demnach ist die Frage, ob dem Kläger
gegenüber bei zusätzlich übertragenen Aufgaben im Rahmen einer Sondervertretung
oder im Rahmen einer Ausbildungstätigkeit Mehrarbeit anzuordnen ist, einer
pauschalen, von den Umständen im jeweiligen Einzelfall lösgelösten Bewertung, wie
sie der erweiternd ausgelegte Antrag zu 3. beinhalten würde, nicht zugänglich.
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Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass die in jedem Einzelfall zu treffende
Entscheidung über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit im Ermessen des
Dienstherrn steht, so dass der Beamte grundsätzlich nur einen Anspruch auf dessen
fehlerfreie Ausübung hat (§ 40 Verwaltungsverfahrensgesetz). Zwar kann eine
Reduzierung des Ermessens mit dem Ergebnis, dass Mehrarbeit anzuordnen oder zu
genehmigen ist, wegen Vorliegens besonderer Umstände im Einzelfall nicht
ausgeschlossen werden. Eine solche Reduzierung des Ermessens ist hier jedoch nicht
erkennbar. So lässt sie sich im Falle einer Überlastung insbesondere nicht generell aus
der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ableiten. Denn wie bereits an anderer Stelle
ausgeführt, stellt eine bestehende Geschäftsüberlastung keinen Verstoß gegen die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn dar.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711
Zivilprozessordnung.
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