Urteil des VG Düsseldorf vom 26.03.2010

VG Düsseldorf (beurteilung, kläger, land, zweifel, kritik, vertreter, beförderung, stichtag, verhalten, eignung)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 K 1490/09
Datum:
26.03.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 1490/09
Schlagworte:
Beurteilung Beurteilungszeitraum Beförderung Beurteilungssplitting
Beurteilungslücke
Leitsätze:
Die Beförderung des zu beurteilenden Beamten im Beurteilungszeit-
raum rechtfertigt regelmäßig keine Verkürzung des Beurteilungs-
zeitraums.
Eine abweichende Verwaltungspraxis führt zu einer Beurteilungslü-cke,
die aber nur hinzunehmen ist, wenn sie auf zwingenden Gründen beruht.
Tenor:
Das beklagte Land wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 25.
März 2009 verurteilt, die dienstliche Beurteilung des Klägers vom 31.
Dezember 2006 aufzuheben und den Kläger unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem beklagten Land wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicher-
heitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger steht als Regierungsdirektor (A 15 Bundesbesoldungsordnung [BBesO]) im
Dienst des beklagten Landes. Die Beteiligten streiten um die dienstliche Beurteilung
des Klägers vom 31. Dezember 2006 für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum
31. Dezember 2006.
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Unter dem 20. Januar 2004 wurde der Kläger - als Oberregierungsrat - für den Zeitraum
vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2003 dienstlich beurteilt. Ihm wurden das
Gesamt urteil "sehr gut" sowie die Beförderungseignung zuerkannt. Weiter wurde ihm
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die Funktionseignung als Ständiger Vertreter der Dienststellenleiterin/des
Dienststellenleiters in einem A16/A16Z-Finanzamt zuerkannt. Zur Begründung wird in
der dienstlichen Beurteilung insoweit ausgeführt, nach seinem geglückten Start als
Ständiger Vertreter des Vorstehers im Finanzamt X sei davon auszugehen, dass der
Kläger diese Funktion auch erfolgreich in einem größeren A16/A16Z-Finanzamt
wahrzunehmen vermöge. Neben ausgeprägter Leistungsbereitschaft und
umfangreichen Fachkenntnissen bringe der Kläger die Sozialkompetenz mit, um
Konflikte einvernehmlich zu lösen und Mitarbeiter erfolgreich zu motivieren. Er sei in der
Lage, Fertigkeiten und Kenntnisse zügig und konsensfähig umzusetzen.
Am 29. September 2004 fand im Finanzamt X eine Sitzung des Regionalkreises VII
(Betriebsprüfungsstellen der Festsetzungsfinanzämter) statt, an der der Kläger teilnahm.
In dem hierüber gefertigten Protokoll finden sich verschiedene, von dem Kläger
formulierte Passagen, die sich kritisch zur Tätigkeit der damaligen Oberfinanzdirektion
(OFD) E und des Finanzministeriums verhalten. Zudem wird das Verhalten eines
konkreten benannten Beamten kritisch kommentiert. Nachdem die OFD E zu diesen
Passagen in einem Schreiben an die Sitzungsteilnehmer Stellung genommen hatte,
kam es in der Folgezeit zu Gesprächen des Klägers mit Finanzpräsident (FP) Y und
Leitendem Regierungsdirektor (LRD) T von der OFD E über das Protokoll. Der konkrete
Inhalt der Gespräche ist zwischen den Beteiligten streitig.
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Mit Verfügung vom 1. Dezember 2004 wurde der Kläger mit Wirkung zum 1. Januar
2005 an das Finanzamt I versetzt. Am 1. Juli 2005 wurde er zum Regierungsdirektor
befördert.
5
Unter dem 31. Dezember 2006 erteilte der damalige Vorsteher des Finanzamts I, LRD
a.D. Dr. J, dem Kläger die hier streitige Beurteilung. Darin wurde dem Kläger das
Gesamturteil "vollbefriedigend" zuerkannt. Die Beförderungseignung und eine
Funktionseignung wurden ihm nicht zuerkannt. Die Schlusszeichnung der Beurteilung
durch die OFD erfolgte unter dem 2. März 2007.
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Mit Schreiben vom 10. Oktober 2007 an die OFD Rheinland bat der Kläger darum, die in
der Nichtvergabe der Vertretereignung liegende Wertung zu plausibilisieren. Mit
Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 30. November 2007 beantragte
er, seine dienstliche Beurteilung zu ändern und ihm die Funktionseignung als Ständiger
Vertreter der Dienststellenleiterin/des Dienststellenleiters in einem A16/A16Z-Finanzamt
zuzuerkennen. Nachdem die OFD in verschiedenen Schreiben die Nichtvergabe der
Funktionseignung mit den Geschehnissen im Herbst 2004 begründet hatte, bat der
Kläger mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 um Entscheidung über seinen
Abänderungsantrag.
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Am 27. Februar 2009 hat der Kläger Klage erhoben.
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Mit Bescheid vom 25. März 2009, der am 26. März 2009 zur Post gegeben worden ist,
hat die OFD Rheinland den Änderungsantrag abgelehnt. Zur Begründung hat sie
ausgeführt, Grundlage für die Vergabe der Funktionseignung eines Ständigen Vertreters
des Vorstehers sei grundsätzlich die Prognose, dass der betreffende Beamten auch für
einen späteren Einsatz als Vorsteher in Betracht komme. Für eine solche Einschätzung
sei neben der fachlichen Leistung, Eignung und Befähigung und der erfolgreichen
Führung eines Sachgebiets u.a. auch die Überzeugung bzw. das Vertrauen
maßgeblich, dass die eingesetzten Führungskräfte die Verwaltungsziele des
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Dienstherrn mittragen, unterstützen und kommunizieren. Diese Überzeugung und das
Vertrauen, dass der Kläger diesen Anforderungen nachhaltig gerecht zu werden
vermöge, sei nicht in ausreichendem Maße vorhanden gewesen, um ihm erneut die
Funktionseignung eines Ständigen Vertreters zuzuerkennen. In jedem Fall sei dieses
Vertrauen bei mitbeurteilten Beamtinnen und Beamten der Vergleichsgruppe in
stärkerer Ausprägung vorhanden. Die diesbezüglichen Zweifel entsprächen den
Gründen für die Ablösung des Klägers als Ständiger Vertreter im Finanzamt X. Aus den
damaligen Vorkommnissen, die in dem Bescheid im Einzelnen geschildert sind,
resultierten Zweifel an der Fähigkeit und der Bereitschaft des Klägers, als Ständiger
Vertreter bzw. als Vorsteher die Belange der Gesamtorganisation durch
verantwortungsvolles Handeln, durch uneingeschränkte Unterstützung der
Verwaltungsziele sowie durch Kritik in sachlicher Form und unter Einbeziehung aller
Gesichtspunkte zu befördern. Diese Zweifel seien zum Beurteilungsstichtag 31.
Dezember 2006 nicht ausgeräumt gewesen.
Dabei werde nicht verkannt, das sich das auslösende Ereignis vor dem 1. Juli 2005
zugetragen habe. Die sich aus diesem Ereignis ergebenden Zweifel an der Eignung des
Klägers zum Ständigen Vertreter gälten jedoch über den hier betroffenen
Beurteilungszeitraum fort. Zuletzt habe der Kläger in einem Gespräch am 4. August
2008 gegenüber FP Y geäußert, er arbeite grundsätzlich gerne in der Verwaltung - bei
bestimmten Maßnahmen überkomme ihn aber eine grenzenlose Wut, die ihm einen
nüchternen, abgewogenen Umgang mit dem Thema erschwere.
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Mit Schriftsatz vom 27. April 2009, eingegangen am 28. April 2009, hat der Kläger seine
Klage im Hinblick auf die Anfechtung des Bescheids vom 25. März 2009 erweitert.
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Zur Begründung seiner Klage macht er geltend, die Eignungsbeurteilung sei schon
deshalb rechtswidrig, weil sie allein auf Wahrnehmungen außerhalb des
Beurteilungszeitraums beruhe. Er habe das Protokoll der in Rede stehenden Sitzung im
Herbst 2004 verfasst; auch das Gespräch mit FP Y habe im Jahr 2004 stattgefunden.
Die angebliche Äußerung vom 4. August 2008 falle ebenfalls nicht in den
Beurteilungszeitraum. Würden durch das Verhalten eines Beamten Zweifel an seiner
Eignung zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben begründet, seien diese Zweifel in der
dienstlichen Beurteilung zu erfassen, die sich auf den Zeitraum beziehe, in dem der
Beamte durch sein Verhalten diese Zweifel ausgelöst habe. Würden in nachfolgenden
Beurteilungszeiträumen die Zweifel nicht durch Verhaltensweisen des Beamten
zusätzlich gestützt, könnten die Zweifel der Eignungsbeurteilung nicht weiter zugrunde
gelegt werden.
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Darüber hinaus seien die Umstände, aus denen Zweifel an seiner Eignung abgeleitet
würden, auch inhaltlich nicht tragfähig. Er habe zwar in der Vergangenheit wiederholt
gegenüber Vorgesetzten und der OFD einzelne Steuerungsmodelle und
Organisationsformen kritisiert und auf aus seiner Sicht bestehende strukturelle Mängel
hingewiesen. In diesem Zusammenhang sei es auch zu Gesprächen mit FP Y
gekommen; dieser sei dabei jedoch auf seine Sachargumente nicht eingegangen. FP Y
habe die sprachliche Form der Kritik und das gewählte Diskussionsforum kritisiert und
ihn aufgefordert, zu ihm zu kommen, bevor er groß angelegte Kritiken schreibe. Das
Protokoll der Besprechung vom 29. September 2004 habe lediglich die Kritik der
Teilnehmer zusammenfassend dargestellt. Die Missbilligung einer solchen Darstellung
habe er, der Kläger, nicht in Erwägung gezogen. Auch die Gesprächsaufforderung von
FP Y sei seines Erachtens nicht so zu verstehen gewesen, dass Kritik jeder Art zu
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einzelnen Sachthemen nur noch im Einzelgespräch mit FP Y hätte vorgetragen werden
sollen. Seine in dem Bescheid vom 25. März 2009 angeführten Äußerungen in dem
letzten Gespräch mit FP Warich seien zum Teil unrichtig oder missverständlich
wiedergegeben worden. Zu den diesbezüglichen Einzelpunkten hat der Kläger
eingehend Stellung genommen.
Schließlich seien auch die Schlussfolgerungen des beklagten Landes aus seinem
Verhalten und seinen Äußerungen in dem dritten Gespräch mit FP Y nicht haltbar. Dass
er intern Kritik übe, lasse nicht den Schluss zu, dass er sich "bei einem einmal
gefundenen Standpunkt kaum im Stande" sehe, "die Berechtigung anderer Standpunkte
zu akzeptieren". Ein inhaltlicher Austausch über die von ihm vorgetragene Kritik habe
nie stattgefunden. Dementsprechend sei auch die Annahme unzutreffend, ihm fehle die
Bereitschaft, "sich ergänzende Fakten bzw. andere Sichtweisen oder auch
unabdingbare Sachzwänge nahe bringen zu lassen". Gleiches gelte für die weiteren
Wertungen zu den von ihm eingenommenen Standpunkten. Ebenso fehle eine
Grundlage für die Annahme, er sei nicht bereit, nach Abschluss eines
Entscheidungsprozesses getroffene Entscheidungen mitzutragen. Er habe die von ihm
formulierte Kritik nie den ihm unterstellten Mitarbeitern zur Kenntnis gegeben; seine
Kritik sei vielmehr darauf gerichtet gewesen, die Entscheidungsträger im
Finanzministerium und in der OFD zu einer Überprüfung zu veranlassen.
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Der Kläger beantragt,
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das beklagte Land unter Aufhebung seines Bescheides vom 25. März 2009
zu verurteilen, über seinen Antrag auf Änderung der dienstlichen
Beurteilung zum Stichtag 31. Dezember 2006 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft es seine Ausführungen in dem angefochtenen
Bescheid. Ergänzend macht es geltend, der Kläger habe zu Beginn des (regelmäßigen)
Beurteilungszeitraums am 1. Januar 2004 der zu beurteilenden Vergleichsgruppe der
nach A 15 BBesO besoldeten Beamtinnen und Beamten noch nicht angehört. Er sei erst
zum 1. Juli 2005 in ein Amt nach A 15 BBesO befördert worden. Deshalb beginne sein
individueller Beurteilungszeitraum erst an diesem Tag.
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Die ihm in der vorangegangenen Beurteilung zuerkannte Funktionseignung zum
Ständigen Vertreter sei nicht erneut vergeben worden, weil sich die seinerzeit
aufgestellte Prognose als unzutreffend erwiesen habe. Der Kläger habe in der von ihm
abgeänderten und verbreiteten Niederschrift zu der Besprechung vom 29. September
2004 in völlig überzogener Form von ihm behauptete Fehlentwicklungen und aus seiner
Sicht verantwortliche Kollegen dargestellt. Er habe die die von ihm formulierte Kritik so
auch unterstellten Mitarbeitern zur Kenntnis gegeben. Durch das beanstandete
Verhalten habe der Kläger zumindest bei den Eignungsmerkmalen
Kooperationsfähigkeit, Motivationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und
Umsetzungskompetenz im Sinne des Anforderungsprofils für Dienststellenleiter
erhebliche Defizite erkennen lassen, die auch zu dienstlichen Konsequenzen geführt
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hätten.
Dieser Sachverhalt falle zwar nicht in Beurteilungszeitraum; er dürfe aber gleichwohl
berücksichtigt werden. Nach den Gesprächen zwischen FP Y und dem Kläger handele
es sich bei diesen Defiziten sozusagen um Wesensmerkmale des Klägers und
Bestandteile seiner Persönlichkeit. Diese seien deshalb als manifeste Größe bis zum
Vorliegen anderer Erkenntnisse beurteilungsrelevant. Im Übrigen entstehe hier mit
formellem Beginn des Beurteilungszeitraums am 1. Juli 2005 eine Beurteilungslücke,
die nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung unzulässig und zumindest
hinsichtlich der vorstehend genannten Erkenntnisse zu schließen sei. Ein
Beurteilungsergebnis, bei dem diese tatsächlich vorliegenden Erkenntnisse
ausgeblendet werden müssten, wäre widersinnig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
23
Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, da der Rechtsstreit durch
Beschluss der Kammer vom 1. Februar 2010 gemäß § 6 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur
Entscheidung übertragen worden ist.
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Die Klage ist trotz ihren Beschränkung auf den Abänderungsantrag des Klägers vom
30. November 2007, mit dem dieser die Zuerkennung der Funktionseignung als
Ständiger Vertreter der Dienststellenleiterin/des Dienststellenleiters in einem A16/A16Z-
Finanzamt begehrt hat, so zu verstehen, dass der Kläger die Rechtmäßigkeit seiner
dienstlichen Beurteilung insgesamt zur gerichtlichen Überprüfung stellt. Da die begehrte
Eignungsaussage, wie der Kläger selbst geltend gemacht hat, aus der Bewertung seiner
Leistungen im Beurteilungszeitraum insgesamt abzuleiten ist, entspricht eine
Aufspaltung der Beurteilung in angefochtene und nicht-angefochtene Punkte nicht dem
Begehren des Klägers. Dies gilt hier umso mehr, als der Kläger ausdrücklich gerügt hat,
dass der Beurteilung Erkenntnisse zu Grunde gelegt worden seien, die nicht in den
Beurteilungszeitraum fielen. Die diesbezügliche Überprüfung impliziert die
Notwendigkeit, die Rechtmäßigkeit des zu Grunde gelegten Beurteilungszeitraums zu
überprüfen. Im Übrigen handelt es sich bei einer Beurteilung nicht um einen
Verwaltungsakt mit ggfs. abtrennbaren Regelungsbestandteilen, sondern um eine
grundsätzlich einheitliche Bewertung von Leistung, Eignung und Befähigung des
betroffenen Beamten, so dass auch vor diesem Hintergrund eine rechtlich wirksame
Beschränkung auf Teilaspekte der Beurteilung nicht möglich ist. Die Befugnis des
Gerichts, seine Prüfung auf die von dem jeweiligen Kläger gerügten Punkte und die
damit zusammenhängenden Fragen zu beschränken, bleibt hiervon unberührt.
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Die so verstandene Klage ist zulässig und begründet.
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Die dienstliche Beurteilung des Klägers vom 31. Dezember 2006 und der Bescheid des
beklagten Landes vom 25. März 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten. Dieser hat daher entsprechend § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO einen
Anspruch auf Aufhebung dieser Beurteilung und Erstellung einer neuen Beurteilung
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
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Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt
nachprüfbar. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Grade ein Beamter den
– grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden – sachlichen und persönlichen
Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht, ist ein von der
Rechtsordnung dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Die
verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob die
Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie
sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt
ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde
Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der
Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom
Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den
gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen.
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So etwa Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 2 C 31.01 –,
ZBR 2003, 359; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom
8. November 2005 6 A 1474/04 –, NRWE und juris.
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Nach diesen Maßstäben erweist sich die angegriffene dienstliche Beurteilung des
Klägers schon deshalb als rechtswidrig, weil der Beurteilungszeitraum rechtsfehlerhaft
nur den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2006 erfasst.
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Ziffer 3.1 Satz 1 der hier maßgeblichen Richtlinien für die Beurteilung und Beförderung
der Beamtinnen und Beamten der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen
(BuBR 2006) - Erlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom
15. März 2006, Az.: P 1440 - 3 - II A 2 / P 1150 - 1 - II A 2 -, regelt in Übereinstimmung
mit § 10a Abs. 1 Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-
Westfalen (Laufbahnverordnung - LVO), dass die Beamtinnen und Beamten
grundsätzlich alle drei Jahre zum 31. Dezember zu beurteilen sind. Dementsprechend
hätte der Beurteilungszeitraum für den Kläger hier, wie für die übrigen Beamtinnen und
Beamten seiner Vergleichsgruppe, den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 31.
Dezember 2006 umfassen müssen. Tatsächlich ist ihm die streitige Beurteilung jedoch
nur für die zweite Hälfte dieses Zeitraums erteilt worden; für den Zeitraum vom 1. Januar
2004 bis zum 30. Juni 2005 ist der Kläger ohne dienstliche Beurteilung geblieben, ohne
dass hierfür eine Rechtfertigung bestünde.
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Der Kläger ist nach der übereinstimmenden Einschätzung der Verfahrensbeteiligten
nicht nach Ziffer 3.1.1 BuBR 2006 von der regelmäßigen Beurteilung ausgenommen.
Ein Tatbestand, der ihn nach Ziffer 3.1.3 BuBR 2006 nicht an der regelmäßigen
Beurteilung nicht teilnehmen ließe, liegt ebenfalls nicht vor. Auch das beklagte Land hat
dies nicht geltend gemacht.
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Dass der Kläger zum 1. Juli 2005 in ein Amt nach A 15 BBesO befördert worden ist,
stellt keinen Grund für die hier vorgenommene Verkürzung des Beurteilungszeitraums
dar.
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Dies ergibt sich schon aus Ziffer 3.1.2.1 BuBR 2006. Hiernach nehmen (nur) nur solche
Beamtinnen und Beamte nicht an der regelmäßigen Beurteilung zum Stichtag teil, die
innerhalb von sechs Monaten vor dem Stichtag befördert worden sind. Ihre Beurteilung
ist unter Anlegung derselben Maßstäbe sechs Monate nach dem Stichtag nachzuholen.
Aus dieser Sonderregelung für die innerhalb von sechs Monaten vor dem Stichtag
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Beförderten ergibt sich im Umkehrschluss, dass alle übrigen Beamtinnen und Beamten,
die im Beurteilungszeitraum befördert worden sind, an der regelmäßigen Beurteilung
teilnehmen. Sie unterliegen damit mangels abweichender Sonderregelung auch der
regelmäßigen Dauer des Beurteilungszeitraums von drei Jahren, wie sie in Ziffer 3.1
BuBR 2006 und § 10a Abs. 1 LVO niedergelegt ist. Insoweit besteht folglich auch keine
Regelungslücke. Im Übrigen sieht selbst Ziffer 3.1.2.1 BuBR 2006 für die dort geregelten
Fälle einer Beförderung keine Verkürzung des regelmäßigen Beurteilungszeitraums vor,
sondern lediglich eine Verschiebung des Beurteilungsstichtags.
Eine von Ziffer 3.1 BuBR 2006 abweichende Bestimmung des Beurteilungszeitraums
folgt auch nicht aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten. Die Beförderung
eines Beamten innerhalb des vom Dienstherrn festgesetzten Beurteilungszeitraums
führt nicht dazu, dass dieser entsprechend zu verkürzen wäre, sondern hat lediglich zur
Folge, dass im Rahmen der Regelbeurteilung sämtliche von dem Beamten während
dieses Zeitraums erbrachten Leistungen am Maßstab der Anforderungen des am
Beurteilungsstichtag innegehabten Amtes zu würdigen sind, wenn die einschlägigen
Beurteilungsrichtlinien und die (rechtmäßige) Beurteilungspraxis keine abweichende
Regelung vorgegeben. Ein Beurteilungssplitting ist in diesen Fällen nicht geboten.
35
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. August 1993 - 2 C 37/91 -, DVBl. 1994, 112
(113).
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In diesem Zusammenhang kann das beklagte Land sich nicht mit Erfolg darauf berufen,
dass die hier in Rede stehende Vorgehensweise, den Beginn des
Beurteilungszeitraums im Falle einer Beförderung auf denen der Beförderungstag zu
verschieben, seiner ständigen Verwaltungspraxis im Bereich der Finanzverwaltung
entspreche. Eine derartige Praxis wäre jedenfalls rechtswidrig, weil sie - wie hier - dazu
führen würde, dass der Beamte in dem Zeitraum zwischen dem regulären Beginn des
Beurteilungszeitraums und dem Beförderungsstichtag nicht dienstlich beurteilt würde.
Die Beurteilungsrichtlinien sehen nämlich nicht vor, dass der Beamte aus Anlass seiner
Beförderung gesondert beurteilt werden muss. Das beklagte Land hat auch nicht
geltend gemacht, dass eine solche Beurteilung jedenfalls in ständiger
Verwaltungspraxis erfolge. Dementsprechend würde die Verschiebung des Beginns des
Beurteilungszeitraums dazu führen, dass eine Beurteilungslücke entstünde und die
Vergleichbarkeit mit den zu demselben Stichtag regelbeurteilten übrigen Beamtinnen
und Beamten der Vergleichsgruppe insoweit nicht mehr gewährleistet wäre. Eine solche
Beurteilungslücke aber ist grundsätzlich unzulässig.
37
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41.00 -, juris, Rdn. 16;
Beschluss vom 3. Juli 2001 - 1 WB 23/01 -, juris, Rdn. 13; Urteil vom 26. August 1993 -
2 C 37/91 -, DVBl. 1994, 112; Oberverwaltungsgericht für das Land Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 15. Februar 2002 - 10 A 11751/01 -, juris, m.w.N.
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Einschränkungen dieses Grundsatzes, die sich hinsichtlich des Beurteilungszeitraums
aus besonderen Umständen ergeben können, sind nur hinzunehmen, wenn sie auf
zwingenden Gründen beruhen und damit unvermeidlich sind.
39
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Juli 2001, a.a.O., Rdn. 17; Beschluss vom
3. Juli 2001, a.a.O., Rdn. 13.
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Derartige zwingende Gründe sind hier nicht ersichtlich und auch von dem beklagten
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Land nicht geltend gemacht worden. Die Beförderung des Klägers innerhalb des
Beurteilungszeitraums stellt aus den oben genannten Gründen keinen solchen
zwingenden Grund dar.
Ist nach alledem die angefochtene dienstliche Beurteilung schon deshalb rechtswidrig,
weil das beklagte Land den Beurteilungszeitraum in rechtswidriger Weise verkürzt hat,
kommt es nicht darauf an, ob die Beurteilung zu Unrecht auf Geschehnisse gestützt
worden ist, die nicht in den Beurteilungszeitraum fallen. Da die nunmehr gebotene
erneute dienstliche Beurteilung den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 31.
Dezember 2006 umfassen muss, ist das beklagte Land grundsätzlich nicht gehindert,
auch die Geschehnisse aus dem Herbst 2004 bei der Neuerstellung der Beurteilung zu
berücksichtigen. Dabei wird der zuständige Beurteiler allerdings im Einzelnen zu
überprüfen haben, welche tatsächlichen Gegebenheiten er seiner Beurteilung zu
Grunde legt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den von den Beteiligten
unterschiedlich geschilderten Ablauf und Inhalt der Gespräche des Klägers mit FP Y.
Darüber hinaus wird der Beurteiler zu überprüfen haben, welche der im vorliegenden
Verfahren angeführten Bewertungen der Persönlichkeit des Klägers aus den insoweit
ermittelten Tatsachen mit hinreichender Sicherheit abzuleiten sind und so der
Beurteilung zu Grunde gelegt werden können. Auch insoweit bedürfen deshalb die
widerstreitenden Standpunkte der Beteiligten im vorliegenden Verfahren hier keiner
Entscheidung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung.
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