Urteil des VG Düsseldorf vom 03.08.2009

VG Düsseldorf (waffen und munition, antragsteller, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, munition, ehefrau, aufschiebende wirkung, gefahr im verzuge, vollziehung, eigenes interesse, öffentliches interesse)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 15 L 938/09
Datum:
03.08.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 L 938/09
Schlagworte:
Jagdschein Ungültigkeitserklärung Einziehung Schusswaffe Munition
Verwahrung Sorgfalt Verwendung Missbrauch Gefahr
Normen:
BJagdG § 18 S 1 BJagdG § 17 Abs 3 Nr 1 BJagdG § 17 Abs 3 Nr 2
VwVfG NW § 48
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 4.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Über das am 9. Juni 2009 gestellte vorläufige Rechtsschutzgesuch ist unter
Berücksichtigung seiner Begründung gemäß § 88 VwGO in Gestalt des Antrags zu
befinden,
2
die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 2511/09 gegen die Ordnungsverfügung
des Antragsgegners vom 27. Mai 2009 wiederherzustellen, soweit der
Antragsgegner dort unter Ziffer 1 den Jagdschein Nr. 00000 des Antragstellers für
ungültig erklärt und eingezogen hat.
3
Denn der in der Antragsschrift anwaltlich formulierte Antrag nimmt mit seiner wörtlichen
Fassung, "gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem angefochtenen
Bescheid die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu
beschließen", lediglich Bezug auf diejenigen unter Ziffer 1 des Bescheidtenors
getroffenen Regelungen, die der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO für
sofort vollziehbar erklärt hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 2 des
Bescheides erstreckt sich aber nach der ihr beigefügten Begründung nicht auf die in
Ziffer 1 des Bescheidtenors auch enthaltene Sperrfristregelung.
4
Das Antragsbegehren bleibt in obiger Auslegung erfolglos. Es ist als Antrag auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 123
Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen
zulässig, aber nicht begründet.
5
Gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache als Ergebnis
einer Interessenabwägung die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise
wiederherstellen, soweit die Behörde nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die sofortige
Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet hat. Dabei überwiegt das
Aussetzungsinteresse des Betroffenen das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen
Vollziehung einer Verfügung, wenn entweder der angegriffene Verwaltungsakt
offensichtlich rechtswidrig ist, weil an der sofortigen Vollziehung einer solchen
Regelung kein öffentliches Interesse besteht, oder wenn die angegriffene Verfügung bei
summarischer Prüfung zwar einer Rechtskontrolle Stand hält, gleichwohl aber das
Allgemeininteresse an ihrer sofortigen Vollziehung dem Aufschubinteresse des
Betroffenen nicht vorgeht. Keine der beiden Voraussetzungen ist hier erfüllt.
6
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Regelung, den zuletzt am 5. Juni 2008
bis zum 31. März 2011 befristeten Jagdschein des Antragstellers (Reg.Nr. 00000) für
ungültig zu erklären und einzuziehen, ist formell wie materiell rechtmäßig.
7
Seine Vollziehungsanordnung hat der Antragsgegner mit einer den Anforderungen des
§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO genügenden Begründung versehen. Sie lässt mit dem Hinweis
darauf, dass der Antragsteller mit Hilfe des Jagdscheins Munition und Waffen weiter
erwerben könne, obwohl die Polizei seine Waffen und Munition sichergestellt habe und
die Waffenbesitzkarte des Antragstellers widerrufen worden sei, erkennen, dass der
Antragsgegner geprüft hat, ob im Fall des Antragstellers abweichend vom Regelfall des
§ 80 Abs. 1 VwGO ausnahmsweise der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eines
Rechtsbehelfs aus Gründen des überwiegenden Vollziehungsinteresses gerechtfertigt
ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Bereich des Jagd- und Waffenrechts als
besonderem Sicherheitsrecht die Anforderungen an die Begründung der Anordnung
eines Sofortvollzugs weniger hoch sind, weil es um den Schutz von hohen Rechtsgütern
wie Leib und Leben geht mit der Folge, dass sich für die Anordnung der sofortigen
Vollziehung häufig keine anderen Gründe anführen lassen als diejenigen, die bereits für
das ordnungsrechtliche Einschreiten maßgeblich waren.
8
Auch materiell-rechtlich begegnet die Vollziehungsanordnung keinen rechtlich
durchgreifenden Bedenken.
9
Die in der Ordnungsverfügung vom 27. Mai 2009 getroffene Entscheidung des
Antragsgegners, den Jagdschein des Antragstellers für ungültig zu erklären und
einzuziehen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 18 S. 1 des Bundesjagdgesetzes
(BJagdG) in der zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 426)
geänderten Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl. I S. 2849).
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In formeller Hinsicht bestehen gegen diese Regelung keine rechtlich durchgreifenden
Bedenken. Insbesondere hat der Antragsgegner von dem ihm gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1
i. V. m. Abs. 1 VwVfG NRW eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei (§ 114 VwGO)
Gebrauch gemacht und vor der Ungültigkeitserklärung und Einziehung des Jagdscheins
des Antragstellers von seiner Anhörung abgesehen. Im Sinne der vorgenannten
Bestimmungen war es notwendig, diese Entscheidung wegen Gefahr im Verzuge sofort
zu treffen. Zu Recht ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass behördliche
Maßnahmen, die dem Antragsteller den Zugriff auf Waffen und Munition verwehren, mit
Blick auf das Gefahrenpotential für Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, das sich
aus den die Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründenden Umständen ergibt,
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keinen Aufschub duldeten. Insoweit wird zur weiteren Begründung auf die
nachfolgenden Ausführungen verwiesen. Abgesehen davon führte auch ein
Anhörungsmangel nicht zur formellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen
Entscheidung, weil dieser sich gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW bis zum
Abschluss des anhängigen Klageverfahrens (15 K 4188/09) noch beheben ließe.
Auch materiell-rechtlich ist die Ungültigkeitserklärung und Einziehung des Jagdscheins
des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden. Bei summarischer Prüfung spricht
vielmehr alles dafür, dass die Entscheidung des Antragsgegners einer Rechtskontrolle
im Hauptsacheverfahren Stand halten wird.
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Gemäß § 18 S. 1 BJagdG ist die Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, unter anderem
in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu
erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins
begründen, nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder der Behörde bekannt
werden. Dabei ist der Jagdschein gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BJagdG solchen
Personen zu versagen, die die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung
nicht besitzen. Nach § 17 Abs. 3 BJagdG besitzen Personen die erforderliche
Zuverlässigkeit dann nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie im
Sinne seiner Nr. 1 Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden
oder aber – nach Nr. 2 der Norm mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig und
sachgemäß umgehen und diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Nach
Aktenlage sind in der Person des Antragstellers offenbar beide
Unzuverlässigkeitsgründe erfüllt.
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Im Sinne des § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG verwahrt derjenige Waffen und Munition nicht
sorgfältig, wer die nach § 36 Abs. 1 WaffG erforderlichen Vorkehrungen außer acht lässt,
um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhanden kommen oder Dritte sie unbefugt
an sich nehmen.
14
Vgl. Leonhardt, Jagdrecht, Kommentar, Stand: 53. Ergänzungslieferung vom
1. April 2009 (Leonhardt), zu § 17 BJagdG, Anm.2.1.2.1.
15
Tatsachen, die nach der letzten Verlängerung des Jagdscheins des Antragstellers am
5. Juni 2008 und damit gemäß § 18 S. 1 BJagdG nachträglich eingetreten sind und die
den Schluss auf eine künftig unsorgfältige Verwahrung von Waffen und Munition durch
den Antragsteller rechtfertigen, ergeben sich aus den Berichten und dem Protokoll der
Kreispolizeibehörde W über die am 15. Mai 2009 erfolgte Durchsuchung des
Wohnhauses des Antragstellers und die Sicherstellung dort vorgefundener
Gegenstände.
16
Danach konnten anlässlich der Wohnungsdurchsuchung zwei der in die
Waffenbesitzkarten des Antragstellers eingetragenen mehr als 50 Schusswaffen nicht
sichergestellt werden. Während eine der beiden Waffen bei einem Waffenhändler
aufgefunden werden konnte, ist der Verbleib der zweiten Waffe nach wie vor ungeklärt.
Dass die Waffe wie der Antragsteller ausweislich des an ihn gerichteten Anschreibens
vom 27. Mai 2009 der Kreispolizeibehörde W gegenüber geäußert hat – "... sich
vermutlich beim Büchsenmacher (... [sc.: in]) C ..." befindet, belegt dabei, dass sich der
Antragsteller über den Aufbewahrungsort nicht aller Gegenstände, für deren
Aufbewahrung er jagd und waffenrechtlich die Verantwortung trägt, stets hinreichend im
Klaren ist und sich diese Gewissheit auch auf Nachfrage nicht verschaffen kann. Im
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Übrigen hat weder der Antragsteller die Übergabe der fraglichen Schusswaffe an den
Büchsenmacher aktenkundig belegt noch konnten die Polizeibehörden in
Niedersachsen bei diesem Büchsenmacher die Waffe oder Hinweise darauf finden,
dass diese sich jemals dort befunden hat. Die Waffe ist vielmehr polizeilich zur
Sachfahndung ausgeschrieben. Dass der Antragsteller jedenfalls die ihm obliegende
Sorgfalt in Bezug auf die Verwahrung einer Schusswaffe nicht walten lassen kann,
deren Aufbewahrungsort ihm unbekannt ist, liegt auf der Hand und bedarf keiner
weiteren Begründung.
Abgesehen davon widerspricht auch die Art der Aufbewahrung derjenigen Munition den
Sorgfaltsanforderungen, die sich am 15. Mai 2009 in dem zum Wohnhaus des
Antragstellers gehörigen garagenartigen Anbau neben Kinderspielzeug, Gartengeräten
und anderem in bzw. neben einem offenen Regal liegend in 43 verschlossenen sowie 8
angebrochenen Kartons (Skeet-Munition) und in einem Koffer (Munition
unterschiedlicher Art und Kaliber) fand. Dies gilt auch dann, wenn wie vom
Antragsteller in dem bei dem beschließenden Gericht anhängigen waffenrechtlichen
Verfahren 22 L 841/09 mit Schriftsatz vom 24. Juli 2009 vorgetragen der Zugang zu
diesem Raum mit einer Stahltür versehen ist und die Fenster über Sicherheitsglas
verfügen. Denn ebenso wenig wie die offene Aufbewahrung von Schusswaffen und /
oder Munition in einer verschlossenen Wohnung regelmäßig den Vorwurf einer
unsorgfältigen Verwahrung entfallen lässt,
18
vgl. hierzu etwa Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom
3. Dezember 2007, 1 M 179/07, juris-Dokumentation,
19
entspricht die offene Lagerung solcher Gegenstände in separat verschlossenen
Räumlichkeiten den jagd bzw. waffenrechtlichen Sorgfaltsanforderungen. Ob der
garagenähnliche Raum – wie der Antragsteller in dem waffenrechtlichen Verfahren
geltend gemacht hat – mehr Schutz vor dem unbefugten Zugriff Dritter auf Munition
bietet als das für deren Aufbewahrung gemäß § 13 AWaffV vorgeschriebene Behältnis,
weil die aus Stahl bzw. dickwandigem Holz bestehenden Türen zu dem Raum mit
Sicherheitsschlössern versehen sind und seine Fenster über Sicherheitsglas verfügen,
bedarf hier letztlich weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht der weiteren
Prüfung und Entscheidung. Allerdings spricht nach Auffassung der Kammer wenig
dafür, dass die Sicherheitsanforderungen, die § 36 Abs. 1 WaffG an die Aufbewahrung
von Munition im Regelfall stellt, bereits dann erfüllt werden, wenn – wie der Antragsteller
geltend macht Munition zwar offen, aber in verschlossenen Räumen gelagert wird, die
wie hier ihrerseits lediglich mit nicht unüblichen Maßnahmen zum Schutz vor
Einbrüchen gelagert sind. Eine gegebene Möglichkeit, Munition verschlossen
aufzubewahren, genügt aber jedenfalls dann nicht den Anforderungen an die jagd und
waffenrechtlich vorgeschriebene sichere Aufbewahrung, wenn der Jagdscheininhaber
von dieser Möglichkeit nicht auch konsequent Gebrauch macht. Hier spricht nach Lage
der Akten alles dafür, dass der Antragsteller mindestens einer dritten Person über einen
längeren Zeitraum hinweg den ungehinderten und unbeaufsichtigten Zutritt zu dem für
die Lagerung von Munition verwandten Raum und damit den Zugriff Unbefugter auf
Munition in grob sorgfaltswidriger Weise ermöglicht hat.
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Ausweislich der Polizeiakten hat der als Zeuge belehrte Hausmeister der Familie des
Antragstellers nicht nur ausgesagt, er wisse, dass in dem garagenähnlichen Anbau
Munition gelagert werde, sondern darüber hinaus auch, dass er in diesem Raum vor
Beginn seiner Arbeit auf dem Anwesen seine Arbeitskleidung habe anlegen müssen.
21
Als nach allgemeiner Lebenserfahrung kaum wahrscheinlich erweist sich dabei die
Annahme, dass der Zeuge sich stets in Anwesenheit und unter Aufsicht des
Antragstellers umgekleidet hat. Vor diesem Hintergrund unglaubhaft und als schlichte
Schutzbehauptung zu werten ist mithin das Vorbringen des Antragstellers in dem zum
Verfahren 22 L 841/09 gereichten Schriftsatz vom 24. Juli 2009, nachdem er allein die
Verfügungsgewalt über die Schlüssel zu dem garagenähnlichen Raum besitze und
Dritten Zutritt zu diesem ausschließlich in seinem Beisein gewähre. Rechtlich
durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen und / oder ihrer
zutreffende Wiedergabe in dem Durchsuchungsbericht vom 18. Mai 2009 bestehen
nicht. Namentlich fehlt es an jedweden vorgetragenen oder sonst ersichtlichen
Anhaltspunkten für die Annahme, dass die Aussage des belehrten Zeugen der Wahrheit
widerspricht oder in dem Durchsuchungsbericht unzutreffend wieder gegeben worden
ist. Auch spricht nichts dafür, dass der Zeuge ein eigenes Interesse daran haben könnte,
dem Antragsteller durch die der Polizei gegenüber gemachten Angaben zu schaden.
Nach allem trifft den Antragsteller der Vorwurf einer unsorgfältigen Verwahrung von
Munition ferner wohl auch deshalb, weil sich – wie bereits bei der polizeilichen
Durchsuchung des Wohnhauses des Antragstellers am 15. Mai 2009 festgestellt in der
Schublade eines im Ankleide und Schlafraum befindlichen Nachttischs Munition fand.
Auch hier kann offen bleiben, ob die offene Lagerung der Munition den jagd und
waffenrechtlichen Verwahrungserfordernissen ausnahmsweise dann entspricht, wenn
– wie der Antragsteller in dem waffenrechtlichen Verfahren 22 L 841/09 mit Schriftsatz
vom 24. Juli 2009 geltend macht – diese im Weiteren ein Bad und einen Arbeitsraum
beherbergenden Räumlichkeiten nur von ihm genutzt werden, die Fenster mit
Sicherheitsglas versehen sind und die Zugangstür zu diesen Räumlichkeiten über ein
Sicherheitsschloss verfügt, auf dessen Schlüssel allein der Antragsteller Zugriff hat. Als
nicht glaubhaft, jedenfalls aber für nicht überwiegend wahrscheinlich erachtet die
Kammer nämlich die weitergehende schriftsätzliche Einlassung des Antragstellers,
Dritte erhielten zu diesen "... von dem sonstigen Inneren des Hauses hermetisch
abgetrennt(en) ..." Räumlichkeiten Zutritt etwa "... zum Aufräumen oder
Saubermachen ..." nur nach "... ausdrücklicher Zutrittsgewährung ..." von ihm, wobei er
"... in der Zeit, wo sich Dritte dort (... [sc.: aufhielten]), auch ununterbrochen in den
Räumlichkeiten anwesend ..." sei. Ausweislich des polizeilichen Aktenvermerks vom
15. Mai 2009 über die Durchsuchung dieses Teils des Wohnhauses fand sich dort nicht
nur ein Doppelbett, sondern im hinteren linken Bereich ein weiterer Raum, der
größtenteils der Aufbewahrung von Frauenkleidern diente. Dies legt zumindest den
Schluss nahe, dass die vorbezeichneten Räumlichkeiten entgegen der Darstellung des
Antragstellers im waffenrechtlichen Verfahren nicht ein nur ihm "... zur Verfügung
stehender Bereich ..." ist. Angesichts der Tatsache, dass der hier fragliche Teil des
Wohnhauses aus mehreren Räumen besteht, erscheint es bei lebensnaher
Betrachtungsweise zudem nahezu ausgeschlossen, dass der Antragsteller etwa seine
Ehefrau, sollte sie diesen Bereich des Hauses betreten, tatsächlich ständig
beaufsichtigt.
22
Rechtlich beachtliche Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nach allem
gleichwohl die Gewähr dafür bietet, künftig Waffen und Munition im Sinne des § 17
Abs. 3 Nr. 2 BJagdG sorgfältig zu verwahren, sind weder substantiiert vorgetragen noch
sonst ersichtlich.
23
Nach Aktenlage spricht derzeit zudem alles dafür, dass der Antragsteller auch aus den
in § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG genannten Gründen jagdrechtlich unzuverlässig ist. Die
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ernste Besorgnis einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen im Sinne dieser
Vorschrift und der waffenrechtlichen Parallelbestimmung ist gerechtfertigt insbesondere
bei einer Person, deren Verhalten aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze zeigt, dass sie
unfähig ist, in Konfliktsituationen, insbesondere in solchen, in denen sie die eigene
Position angegriffen glaubt, angemessen zu reagieren, und die zu jähzornigem,
unbeherrschtem Verhalten bis hin zur Gewaltanwendung neigt; zwecks dieser
Feststellung bedurfte es nicht die Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen,
denn das Gericht bewegt sich mit einer entsprechenden tatsächlichen Würdigung in der
Regel – und so auch hier in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter
allgemein zugänglich sind.
Vgl. zum Ganzen: BVerwG Beschlüsse vom 14. September 1998, 6 B 94.98, iuris-
Dokumentation, und vom 9. Januar 1990, 1 B 1.90, iuris-Dokumentation und Buchholz,
Sammel und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
(Buchholz) 402.5 WaffG Nr. 5, Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 14. August 1997, 20 A 1399/96, www.nrwe.de, Verwaltungsgericht
Münster, Urteil vom 26. September 2006, 1 K 972/04, juris-Dokumentation; Leonhardt,
a. a. O.
25
Verifizierbare Tatsachen, die diesen Schluss zu Lasten des Antragstellers rechtfertigen,
ergeben sich nicht nur aus dem Anlass des polizeilichen Einschreitens gegen ihn am
15. Mai 2009, sondern insbesondere auch aus dem Sachverhalt, der Gegenstand des
später eingestellten, gegen den Antragsteller im Jahr 2007 geführten
Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft N (204 Js 2018/07) war, und der dem
Antragsgegner als Jagdbehörde vor der letzten Verlängerung des dem Antragsteller
erteilten Jagdscheins am 5. Juni 2008 nach Aktenlage nicht bekannt gewesen ist.
26
Dass die Staatsanwaltschaft N im Jahr 2007 gegen den Antragsteller ermittelt hat, war
nach Lage der Akten dem Antragsgegner als Jagdbehörde aus Gründen, die für die
Kammer nicht verständlich sind, vor der letzten Verlängerung des dem Antragsteller
erteilten Jagdscheins am 5. Juni 2008 offenbar ebenso unbekannt wie der Sachverhalt,
der seinerzeit Anlass für die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gewesen ist.
Lediglich vorsorglich weist die Kammer aber darauf hin, dass ihrer Ansicht nach die
Umstände, die im Jahr 2007 Gegenstand des Ermittlungsverfahrens der
Staatsanwaltschaft gewesen sind, hier auch dann zu Lasten des Antragstellers in die
Beurteilung seiner jagdrechtlichen Zuverlässigkeit einzustellen sind, wenn der
Antragsgegner von ihnen vor der letzten Verlängerung des Jagdscheins Kenntnis
gehabt hätte, und zwar entweder als Beleg dafür, dass die sich – wie zu zeigen sein
wird bereits aus dem Vorfall vom 15. Mai 2009 ergebende Gefahr der missbräuchlichen
Verwendung von Schusswaffen sich zu diesem Zeitpunkt wiederholt dokumentiert hat,
oder als eigenständiger Grund für die hier wegen einer anzunehmenden
Ermessensbindung ausnahmsweise zwingend auszusprechende Rücknahme des
Jagdscheins des Antragstellers gemäß § 48 VwVfG NRW, den § 18 S. 1 BJagdG im Fall
der jagdrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht verdrängt.
27
Vgl. zu Letzterem: VG Hannover, Beschluss vom 5. August 2003, 11 B 2429/03, juris-
Dokumentation.
28
Der rechtlichen Beurteilung des Antragstellers als jagdrechtlich unzuverlässig im Sinne
des § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG ist zu Grunde zu legen, dass die Ehefrau des
Antragstellers nach Belehrung gemäß den §§ 52 Abs. 1, 55 Abs. 1 StPO anlässlich ihrer
29
Zeugenvernehmung durch die Kreispolizeibehörde W am 5. Dezember 2007
ausweislich des von ihr unterzeichneten Vernehmungsprotokolls angegeben hat, von
dem jeweils alkoholisierten Antragsteller nicht nur am Karsamstag des Jahres 2006
geschlagen und gewürgt worden zu sein, sondern auch über mehrere Stunden hinweg
in der Nacht vom 29. November 2007 auf den 30. November 2007 und ein drittes Mal in
den Morgenstunden des 5. Dezember 2007. Anlass für diese tätlichen Übergriffe des
Antragstellers waren nach Darstellung seiner Ehefrau, dass der Antragsteller im
Jahr 2006 ein von ihr geführtes Telefonat mit ihrem früheren Lebensgefährten, Ende
November 2007 ein vereinzelt gebliebenes Treffen mit einem anderen Mann und
Anfang Dezember 2007 die Tatsache, dass sie ohne sein Wissen Kredite in Höhe von
mehreren tausend Euro aufgenommen hatte, in Erfahrung gebracht hatte. Der
Wahrheitsgehalt dieser im Rahmen ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung gemachten
Angaben der Ehefrau des Antragstellers, die im Zusammenhang mit dem Vorfall vom
5. Dezember 2007 gegen sie und die gemeinsamen Kinder ausgestoßene
Todesdrohungen des Antragstellers einschließen, begegnet nach Auffassung der
Kammer derzeit keinen Zweifeln. Die Folgen der tätlichen Übergriffe des Antragstellers
auf seine Ehefrau, die ihre Behandlung im Krankenhaus erforderlich machte, sind auf
den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen, polizeilich angefertigten Lichtbildern
dokumentiert, die ein zugeschwollenes Auge, Würgemale im Halsbereich und
großflächige prellungsartige Verletzungen am Rücken der Ehefrau des Antragstellers
zeigen. Die Gewaltanwendung gegenüber seiner Ehefrau am 5. Dezember 2007, die
der Antragsteller am Tattag ausweislich des polizeilichen Aktenvermerks vom
5. Dezember 2007 noch unter Hinweis darauf abgestritten hatte, die Verletzungen seiner
Ehefrau rührten daher, dass diese "... selber gegen die Wand gelaufen sei ...", hat der
Antragsteller nunmehr eingeräumt. In dem waffenrechtlichen Verfahren (22 L 841/09) hat
er mit Schriftsatz vom 24. Juli 2009 – nach Auffassung der Kammer in nicht
nachvollziehbar verharmlosender Weise – geltend gemacht, er habe sich nach einer
heftigen verbalen Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau "... auch zu einer
Handgreiflichkeit hinreißen lassen ...". Zudem bietet die Aussage der Ehefrau des
Antragstellers aus dem Jahr 2007 keinen Anhaltspunkt für die Annahme, sie habe den
Antragsteller grundlos der Drohung mit und Anwendung von Gewalt gegen sie und die
gemeinsamen Kinder bezichtigt. Eine solche Schlussfolgerung rechtfertigt jedenfalls
nicht allein die Tatsache, dass sich die Ehefrau des Antragstellers ausweislich eines
polizeilichen Aktenvermerks vom 7. Dezember 2007 tags zuvor auf die mögliche
Bedeutung eines Strafverfahrens für die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers als
praktizierendem Arzt hinweisend – bei der Polizei nach der Möglichkeit erkundigt hatte,
ihre Anzeige vom 5. Dezember 2007 zurückzuziehen. Der aktenkundige Sachverhalt
bietet nach allem auch keinen Anlass, die Schilderungen der Ehefrau des Antragstellers
zu den tätlichen Übergriffen ihres Ehemannes auf sie im Jahr 2006 und Ende
November 2007 in ihrer Richtigkeit auch nur im Ansatz anzuzweifeln.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen erweisen sich als glaubhaft auch die
Angaben der Ehefrau des Antragstellers, die in der am 15. Mai 2009 polizeilich
aufgenommenen Strafanzeige enthalten sind. Danach hat der Antragsteller, nachdem er
festgestellt hatte, dass seine Ehefrau das gemeinsame Haus mit den Kindern verlassen
und sich in den Zweitwohnsitz der Familie begeben hatte, ihr unter anderem zunächst
mit den Worten gedroht "... Ich bring die Kinder um – und Du wirst dabei zusehen!".
Ausweislich der Strafanzeige kam es gegen 1 Uhr 55 zudem im Beisein des sie
protokollierenden Beamten zu einem weiteren Anruf des Antragstellers bei seiner
Ehefrau, der elektronisch gespeichert wurde und in dem der Antragsteller angekündigt
hat, er werde seiner Ehefrau "... die Hölle auf Erden bereiten ...", wenn sie nicht mit den
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gemeinsamen Kindern zu ihm zurückkehre. Im Kern räumt der Antragsteller auch diesen
Sachverhalt ein, wenn er im Rahmen der Begründung des vorliegenden Eilantrages
unter anderem ausführt, " ... im Verlaufe einer emotional geführten Diskussion über von
der Ehefrau heimlich aufgenommene Kredite habe diese "... sich in hysterisch
vorgebrachte Vorwürfe und Anschuldigungen ..." gesteigert und "... schließlich mit der
Beendigung der Ehe ..." gedroht, weshalb er "... wegen der Attacken seiner Frau und
deren Schreien am Telefon schließlich die Beherrschung verloren (...) und sich bei
dieser Gelegenheit zu Äußerungen [sc:. habe] hinreißen ..." lassen, die ihm "... im
Nachhinein mehr als Leid ..." täten.
Allen aufgezeigten Vorfällen ist gemeinsam, dass die zum Teil brutalen und
wiederholten Gewalttätigkeiten des Antragstellers sowie seine mehrfachen
Todesdrohungen stets durch Konfliktsituationen hervorgerufen worden sind, in die er
persönlich involviert war und die sich dadurch auszeichneten, dass er sich in seiner
Ehre durch ein seinem Rollenverständnis – hier als Ehemann und Haushaltsvorstand –
zuwider laufendes Verhalten Dritter – hier seiner Ehefrau gekränkt sah. Offenbar verfügt
der Antragsteller weder über die Fähigkeit, in Konfliktsituationen dieser Art die
Anwendung physischer und / oder psychischer Gewalt zu vermeiden, noch ist er in der
Lage, sein eigenes Verhalten auch nur im Ansatz ausreichend kritisch zu hinterfragen.
Obwohl er als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie praktiziert und mit
psychologischem Fachwissen ausgestattet ist, fehlt es aus Sicht des Antragstellers
offenbar an jedem Anlass, wenigstens den Versuch zu unternehmen, seine in
Konfliktsituationen latent vorhandene Gewaltbereitschaft durch fachlich geeignete
Maßnahmen dauerhaft abzubauen. Soweit aktenkundig hat der Antragsteller sich
vielmehr im Gegenteil bislang darauf beschränkt, entweder seine Gewalttätigkeiten zu
leugnen oder aber deren Folgen zu verharmlosen und zugleich die entscheidende
Ursache für seine Anwendung physischer und psychischer Gewalt dem Verhalten
Dritter zuzuschreiben.
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Umstände, die ernstlich dafür sprechen könnten, dass der Antragsteller trotz der aus den
Vorfällen der Jahre 2006, 2007 und 2009 jeweils abzuleitenden gravierenden Gefahr
einer missbräuchlichen Verwendung von Schusswaffen gleichwohl die Gewähr für
einen ordnungsgemäßen Umgang mit Schusswaffen bietet, sind weder substantiiert
dargetan noch sonst ersichtlich.
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Nach allem kann offen bleiben, ob sich eine Gefahr des Missbrauchs von Waffen durch
den Antragsteller auch daraus ergibt, dass seine frühere Ehefrau ihn im Jahr 2000
gegenüber der Polizei bezichtigt hat, sie mit einer Schusswaffe bedroht zu haben.
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Auch bei Abwägung der im Übrigen betroffenen Belange überwiegt das öffentliche
Vollziehungsinteresse das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung (vorerst)
verschont zu bleiben. Ist die Jagdausübung – wie hier offenbar für den Antragsteller ein
Hobby und nicht sein Beruf, so überwiegt angesichts der Bedeutung der zu schützenden
Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum das öffentliche Interessen an der
sofortigen Vollziehung die privaten Interessen eines Jagdscheininhabers per se.
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Vgl. BayVGH, Beschluss vom 12. Februar 2007, 19 CS 06.2210, juris, Rn. 28.
35
Hier kommt hinzu, dass es gilt, die Allgemeinheit vor den besonderen Gefahren zu
schützen, die Schusswaffen und Munition in den Händen des Antragstellers als einer in
Konfliktsituationen wohl latent gewaltbereiten Person bedeuten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt den im Streitwertkatalog
für die Verwaltungsgerichtsbarkeit,
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Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2004, 1327 ff.,
38
unter Ziffer II. 20.3 für Streitigkeiten um die Erteilung bzw. Entziehung eines
Jagdscheins ausgewiesenen Betrag von 8.000 Euro, der angesichts der bei der im
Verfahren zu Gewährung vorläufigen Rechtschutzes erstrebten Entscheidung von nur
vorläufigem Charakter um die Hälfte zu reduzieren war.
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