Urteil des VG Düsseldorf vom 11.09.2002

VG Düsseldorf: feststellung des sachverhaltes, aufschiebende wirkung, wohnung, leib, freiheit, ausschluss, interessenabwägung, einzelrichter, schweigen, kauf

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 L 3617/02
Datum:
11.09.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 L 3617/02
Tenor:
Frau T1, wird beigeladen.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller. Außergerichtliche
Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.
Der Tenor wird den Beteiligten vorab telefonisch mitgeteilt.
Gründe:
1
Frau T1 ist beizuladen, weil sie als die Person, zu deren Schutz die polizeiliche
Anordnung über die Wohnungsverweisung und das Rückkehrverbot vom 8. September
2002 ergangen ist, durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren in ihren
rechtlichen Interessen berührt wird, § 65 VwGO.
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Der am 10. September 2002 bei Gericht eingegangene Antrag,
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die aufschiebende Wirkung des mit Schreiben vom selben Tag erhobenen
Widerspruchs des Antragstellers gegen die polizeiliche Anordnung des Antragsgegners
vom 8. September 2002 anzuordnen,
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hat keinen Erfolg.
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Unter Berücksichtigung der im vorläufigen Rechtsschutz angezeigten summarischen
Prüfung sprechen im Rahmen der vom Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden
Entscheidung nach dem Inhalt der übermittelten Verwaltungsakte erhebliche Gründe für
die Rechtmäßigkeit der auf § 34a Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG)
gestützten Anordnung.
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Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 PolG kann die Polizei eine Person zur Abwehr einer von ihr
ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person
aus einer Wohnung, in der die gefährdete Person wohnt, sowie aus deren unmittelbarer
Umgebung verweisen und ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen.
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Bei der Feststellung des Sachverhaltes sind einerseits die eidesstattliche Versicherung
des Antragstellers, andererseits der Befund der herbeigerufenen Polizeibeamten, sowie
die Einlassungen der Beigeladenen zu bewerten. Danach kann unter Berücksichtigung
des bereits aufgezeigten Prüfungsmaßstabes von einer konkreten Leibesgefahr zum
Nachteil der Beigeladenen ausgegangen werden. Die Bediensteten des
Antragsgegners haben vor Ort den Antragsteller in einem erheblich alkoholisierten und
aggressiven Zustand angetroffen sowie seine Drohung wahrgenommen, er werde die
Beigeladene weiter schlagen. Zudem haben Zeugen gegenüber den Bediensteten des
Antragsgegners angegeben, dass es zwischen dem Antragsteller und der Beigeladenen
auf der Straße zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen sei, die
dann in einen körperlichen Angriff zum Nachteil der Beigeladenen gemündet sei.
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Diesen Feststellungen räumt das Gericht den Vorrang gegenüber den nachträglich
abgegebenen Erklärungen des Antragstellers und der Beigeladenen ein, es sei nicht zu
Schlägen u. ä. gekommen. Für ernsthafte Zweifel an dem vom Antragsgegner
festgestellten Sachverhalt fehlt es an konkreten Anhaltspunkten. Hinzu kommt, dass die
Beigeladene schon an Ort und Stelle gegenüber den Bediensteten des Antragsgegners
keine Angaben zu der Frage gemacht hat, ob sie vom Antragsteller geschlagen worden
sei. Dieses beredte Schweigen spricht für sich.
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Bei dieser Sachlage ist es unerheblich, dass die Beamten vor Ort keine sichtbaren
Verletzungen zum Nachteil der Beigeladenen festgestellt haben.
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Da eine endgültige Sachaufklärung jedenfalls vor Ablauf der bis zum 18. September
2002 befristeten polizeilichen Anordnung nicht möglich erscheint, hält es der
Einzelrichter für geboten, zusätzlich eine Interessenabwägung im engeren Sinne
vorzunehmen. Dabei sind die für die widerstreitenden Rechtsgüter drohenden Gefahren
zu bewerten und gegeneinander abzuwägen.
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Nach diesem Maßstab überwiegt hier das Interesse an der körperlichen Unversehrtheit
der Beigeladenen gegenüber dem Interesse des Antragstellers, die gemeinsame
Wohnung entgegen der streitbefangenen Anordnung uneingeschränkt zu nutzen. Ein
Übergewicht zu Gunsten der Rechtsgüter Leib, Leben und Freiheit einer Person ergibt
sich im vorliegenden Fall nicht nur aus einer abstrakten Betrachtung heraus. Zu
berücksichtigen ist konkret, dass vieles dafür spricht, dass der Antragsteller in diese
Rechtsgüter in erheblicher Weise zum Nachteil der Beigeladenen eingegriffen hat.
Andererseits belastet ihn der Ausschluss aus der gemeinsamen Wohnung und dem
weiteren Anwesen nur für einen begrenzten Zeitraum. Dem Antragsteller ist es
zumutbar, für die Dauer der polizeilichen Anordnung nach einer anderweitigen
Unterkunft Ausschau zu halten. Nach Aktenlage ist der Antragsteller insoweit auch
erfolgreich gewesen. Die mit der Suche nach einer kurzfristigen Unterkunftsmöglichkeit
naturgemäß verbundenen Schwierigkeiten hat der Gesetzgeber gesehen und offenbar
in Kauf genommen. Das Gericht kann insoweit kein Missverhältnis zum Gesetzeszweck
- nämlich dem Schutz von gefährdeten Personen - feststellen.
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Im Hinblick auf die zugleich erfolgte Androhung eines Zwangsgeldes für jeden Fall der
Zuwiderhandlung gegen die verfügte Maßnahme in Höhe von 600,- Euro gelten die
vorstehenden Ausführungen entsprechend. Auch insoweit spricht in erster Linie vieles
für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Dabei
entspricht es der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht zu
erstatten, weil sie sich mangels eigener Antragstellung nicht am Kostenrisiko beteiligt
hat, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2
Gerichtskostengesetz (GKG), berücksichtigt den ab 1. Januar 2002 geltenden
Auffangwert und trägt der Tatsache Rechnung, dass die Entscheidung in der
Hauptsache vorweggenommen wird,
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vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss
vom 15. Februar 2002 - 5 B 278/02 -.
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Die Zwangsmittelandrohung ist streitwertmäßig nicht berücksichtigt worden.
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