Urteil des VG Düsseldorf vom 18.09.2008

VG Düsseldorf: höchstpersönliches recht, öffentliches recht, heimbewohner, verordnung, entstehung, bedürfnis, einfluss, rechtsnachfolger, antragsrecht, rücknahme

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 21 K 318/04
Datum:
18.09.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
21. Kammer
Entscheidungsart:
Gerichtsbescheid
Aktenzeichen:
21 K 318/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
insoweit nicht erhoben werden, als Ansprüche für den Zeitraum ab dem
1. August 2003 streitbefangen sind.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt die (Weiter-)Bewilligung von Pflegewohngeld für den Heimplatz
der am 00. November 1923 geborenen und am 00. Februar 2006 verstorbenen Frau F,
der vormaligen Klägerin des vorliegenden Streitverfahrens. Frau F wurde von August
2001 bis zu ihrem Tode in einer Einrichtung der Klägerin wegen Pflegebedürftigkeit
stationär betreut. Sie erhielt Leistungen der Pflegeversicherung gemäß der erfolgten
Einordnung in die Pflegestufe I. Für ihren Pflegeplatz hatte die Beklagte der Klägerin ab
dem Zeitpunkt der Heimaufnahme Pflegewohngeld gewährt; zuletzt mit Bescheid vom
18. Dezember 2002 für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003.
Nach Bekanntwerden der Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2003, mit denen festgestellt wurde, dass die
Gewährung von Pflegewohngeld nach § 14 des Landespflegegesetzes PfG NRW - in
der bis zum 31. Juli 2003 geltenden Fassung nicht nur einkommens-, sondern auch
vermögensabhängig zu erfolgen habe, nahm die Beklagte mit Bescheid vom
24./26. Juni 2003 den Bewilligungsbescheid vom 18. Dezember 2002 mit Wirkung ab
dem 1. Juli 2003 zurück. Zur Begründung führte sie an, die Heimbewohnerin, FrauF,
verfüge nach den vorliegenden Unterlagen über Vermögen.
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Einen im Juli 2003 gestellten Neuantrag auf Bewilligung von Pflegewohngeld lehnte die
Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2003 gleichfalls ab; wiederum wurde auf das
Vorhandensein von Vermögen verwiesen.
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Die Klägerin machte hinsichtlich beider Bescheide von keinem Rechtsbehelf Gebrauch.
Frau F hingegen, der die Bescheide zur Kenntnis gegeben worden waren, legte gegen
den Bescheid vom 11. August 2003 durch ihren Verfahrensbevollmächtigten
Widerspruch ein.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch
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Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch
als unbegründet zurück. Nach wie vor sei davon auszugehen, dass ein erheblicher
Geldbetrag, der Frau F aus dem Verkauf eines Grundstücks zugeflossen sei, noch
vorhanden sei, da keine nachprüfbaren Angaben über den Verbleib dieser Mittel
gemacht worden seien.
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Hiergegen hat Frau F am 14. Januar 2004 Klage erhoben und zur Begründung geltend
gemacht, die ihr zugeflossenen Geldmittel seien verbraucht. Nachdem Frau F im
Februar 2006 verstorben war, teilte ihr Prozessbevollmächtigter mit, er vertrete nunmehr
in dem anhängigen Verfahren die heutige Klägerin; diese führe als Trägerin der
Einrichtung den Rechtstreit fort.
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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
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den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2003 betreffend die Rücknahme
der Bewilligung von Pflegewohngeld aufzuheben,
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hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. August
2003 und des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 zu
verpflichten, ihr für die Zeit ab Juli 2003 Pflegewohngeld zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Kammer hatte im Januar 2006 den Rechtsstreit dem Berichterstatter als
Einzelrichter zur Entscheidung übertragen; dieser hat nach dem Tode der früheren
Klägerin mit Beschluss vom 17. Mai 2006 das Verfahren auf die Kammer
zurückübertragen. Hinsichtlich der Begründung dieser Entscheidung sowie wegen
weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Anspruchs der
verstorbenen vormaligen Klägerin, Frau F, auf Bewilligung eines bewohnerorientierten
Aufwendungszuschusses für Investitionskosten vollstationärer
Dauerpflegeeinrichtungen (Pflegewohngeld) kommt der heutigen Klägerin als Trägerin
der Einrichtung keine Klagebefugnis zu, da die jetzige Klägerin insoweit nicht geltend
machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).
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Der Anspruch auf Pflegewohngeld steht sowohl nach der für den Monat Juli 2003 noch
anzuwendenden Vorschrift des 14 PfG NRW in der Fassung vom 19. März 1996
(geändert durch Gesetz vom 9. Mai 2000) in Verbindung mit den §§ 1 ff. der Verordnung
über Pflegewohngeld (Pflegewohngeldverordnung) vom 4. Juni 1996 als auch nach der
seit August 2003 geltenden Bestimmung des § 12 PfG NRW in der Fassung des
Gesetzes vom 8. Juli 2003 in Verbindung mit den Regelungen der Verordnung über die
Förderung der Investitionen von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen sowie
über den bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss vollstationärer
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Dauerpflegeeinrichtungen (Pflegeeinrichtungsförderverordnung) primär dem
Einrichtungsträger zu. Daneben hat aber auch der Heimbewohner gemäß § 3 Abs. 2
Satz 4 der bis Juli 2003 geltenden Pflegewohngeldverordnung bzw. nunmehr nach § 6
Abs. 2 der Pflegeeinrichtungsförderverordnung ein subsidiäres Antragsrecht. In der
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, der
sich die Kammer angeschlossen hat, ist es geklärt, dass aus dieser Antragsbefugnis ein
eigenständiges subjektives öffentliches Recht des Heimbewohners abzuleiten ist,
welches selbständig im Klagewege verfolgt werden kann,
vgl. nur Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil
vom 9. Mai 2003 - 16 A 2789/01 - und Beschluss vom 13. November 2003 - 16 B
1945/03 ; VG Düsseldorf, Urteile vom 13. Januar 2006 - 21 K 5915/04 und vom 9.
März 2006 - 21 K 7804/03 .
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Auch wenn also - nachdem der Heimträger von seinem Antrags- bzw. Klagerecht nicht
Gebrauch gemacht hat - der nunmehr vom Heimbewohner verfolgte Anspruch auf die
Bewilligung der Leistung an den Heimträger gerichtet ist, macht der klagende
Heimbewohner nicht etwa ein Recht des Heimträgers im eigenen Namen geltend (sog.
Prozesstandschaft), sondern verfolgt einen ihm selbst zustehenden materiellen
Anspruch.
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Im vorliegenden Fall wären nach dem Tode der vormaligen Klägerin allein deren Erben
als Rechtsnachfolger berechtigt, dieses subjektive Recht weiterhin im laufenden
Verfahren zu verfolgen. Nach den Erklärungen des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin vom 24. Februar 2006 und vom 12. Mai 2006 geht das Gericht jedoch davon
aus, dass die Aufnahme des Verfahrens durch einen Erben nicht erfolgen soll.
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Die jetzige Klägerin hingegen ist nicht legitimiert, den Anspruch, der den Gegenstand
des Verfahrens bildet, nunmehr anstelle der bisherigen Klägerin durchzusetzen und
dazu in das Verfahren einzutreten. Sie hat den (möglichen) eigenen, originären
Anspruch bewusst nicht weiterverfolgt, indem sie die Bescheide vom 24./26. Juni 2003
und vom 11. August 2003 nicht mit dem Widerspruch angegriffen hat, so dass diese
Bescheide im Verhältnis zwischen ihr und der Beklagten Bestandskraft erlangt haben.
Hierdurch hat sie das subsidiäre Recht der verstorbenen Heimbewohnerin, diesen
Anspruch nunmehr ihrerseits im Widerspruchs- und Klagewege geltend zu machen, erst
zur Entstehung gelangen lassen. Es handelt sich hierbei - wie dargelegt - um eine
eigenständige Rechtsposition, hinsichtlich derer eine Rechtsnachfolge der heutigen
Klägerin nicht in Betracht kommt. Das PfG NW sieht einen gesetzlichen
Forderungsübergang vom verstorbenen Heimbewohner auf den Heimträger anders als
das Sozialhilferecht (§ 19 Abs. 6 SGB XII, früher § 28 Abs. 2 BSHG) nicht vor; ein
Bedürfnis nach einer derartigen Regelung besteht hier nicht, da hinsichtlich des
Pflegewohngeldes ein vorrangiger, eigener Anspruch des Einrichtungsträgers
begründet wird, nicht hingegen wie im Sozialhilferecht zunächst ein höchstpersönliches
Recht des pflegebedürftigen Hilfesuchenden. Wenn - wie hier - der Heimträger es dem
Heimbewohner überlässt, mögliche Ansprüche auf Pflegewohngeld zu verfolgen, und
damit seine eigene öffentlich-rechtliche Rechtsposition aufgibt und sich auf seine
Ansprüche aus der privatrechtlichen Vereinbarung mit dem Heimbewohner beschränkt,
so hat er auf das Verfahren um mögliche Ansprüche des Heimbewohners aus den
öffentlich-rechtlichen Regelungen zum Pflegewohngeld keinen Einfluss mehr.
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Ob es der jetzigen Klägerin möglich ist, eine Durchbrechung der ihr gegenüber
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bestehenden Bestandskraft der angegriffenen Bescheide etwa durch eine
Rücknahmeentscheidung der Beklagten gemäß § 44 SGB X zu erreichen, ist nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit
hinsichtlich des Teils des Klagebegehrens, der Ansprüche für Zeiträume nach dem 1.
August 2003 betrifft, beruht auf § 188 Satz 2 VwGO. Die Kammer hat sich insoweit
schon aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Auffassung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
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vgl. Urteil vom 13. Dezember 2007- 16 A 3391/06 -,
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angeschlossen.
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