Urteil des VG Düsseldorf vom 15.11.2006

VG Düsseldorf: grundwasser, gewässer, aufschiebende wirkung, vorauszahlung, vollziehung, begriff, härte, brauchwasser, erhaltung, landwirtschaft

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 8 L 2296/05
Datum:
15.11.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 L 2296/05
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 4.934,34 EUR festgesetzt.
Gründe:
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Der am 10. Dezember 2005 gestellte und im Hinblick auf den bereits ergangenen
Widerspruchsbescheid und die erhobene Klage anzupassende Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der am 10. Dezember 2005 erhobenen Klage (VG
Düsseldorf, 8 K 5323/05) gegen den Vorauszahlungsbescheid des Antragsgegners vom
11. Mai 2005 (Az.: FB 00/XXX) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.
November 2005 (Az.: 00.0/000000 XX) anzuordnen, soweit die Antragstellerin zu einer
Vorauszahlung eines die Höhe von 2.192,37 EUR übersteigenden Betrages
herangezogen wird,
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hat keinen Erfolg.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
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Die mit dem Antrag gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO begehrte Anordnung der
aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die festgesetzte und einen
Betrag von 2.192,37 EUR übersteigende Vorauszahlung auf das
Wasserentnahmeentgelt für das Veranlagungsjahr 2005 ist statthaft. Der Wegfall der
aufschiebenden Wirkung folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, da es sich bei der
festgesetzten Vorauszahlung um eine öffentliche Abgabe handelt,
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so bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Mai 2005 - 8 L 648/05 -, unter Hinweis auf
OVG NRW, Beschluss vom 17. November 1983 - 2 B 2063/83 -, NVwZ 1984, 394,
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und weil der Antragsgegner die auf Antrag der Antragstellerin ursprünglich ausgesetzte
Vollziehung in seinem Widerspruchsbescheid widerrufen hat.
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Vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 80 Rn 41 a
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Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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In entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO hat ein
Aussetzungsantrag bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben oder Kosten
regelmäßig nur dann Erfolg, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben-
oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte.
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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide, von denen erst
dann auszugehen ist, wenn die Antragstellerin - bei der im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung - im Hauptsacheverfahren
voraussichtlich obsiegen würde,
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vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31. März 2004 - 11 B 116/04 -Juris sowie vom 17. Juni
1992 - 2 B 808/92 -, vom 2. September 1988 - 9 B 1785/87 - und vom 25. August 1988 -
3 B 2564/85 -, letzterer abgedruckt in NWVBl 1990, 16,
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bestehen nicht.
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Rechtsgrundlage für die in dem Vorauszahlungsbescheid vom 11. Mai 2005 dem
Grunde und der Höhe nach zu Recht erfolgten Festsetzung ist § 6 des Gesetzes über
die Erhebung eines Entgeltes für die Entnahme von Wasser aus Gewässern
(Wasserentnahmeentgeltgesetz - WasEG). Nach § 6 Abs. 1 WasEG sind für die
jeweiligen Veranlagungszeiträume Vorauszahlungen auf das Wasserentnahmeentgelt
zu entrichten. Dabei bemisst sich die Höhe der Vorauszahlung für den
Veranlagungszeitraum des Jahres 2005 nach der für das Vorjahr gem. § 3 Abs. 2
WasEG erklärten Wassermenge (§ 6 Abs. 3 WasEG).
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Die Entgeltpflicht regelt § 1 WasEG. Nach dem hier allein einschlägigen § 1 Abs. 1 Nr. 1
WasEG wird ein Entgelt für die Entnahme von Grundwasser erhoben, das einer Nutzung
als Kühl- und Brauchwasser zugeführt wird.
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Im streitigen Umfang hat der Antragsgegner auch für die Menge von 730.791 m³ zum
Zwecke der Kühlwassernutzung entnommenen Grundwassers zutreffend den in § 2
Abs. 2 Satz 2 WasEG bestimmten Entgeltsatz von 0,03 Euro/m³ angewandt. Gründe,
den ermäßigten Entgeltsatz von 0,003 Euro/m³ gem. § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG
anzuwenden, bestehen nicht.
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Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG beträgt das Wasserentnahmeentgelt nur 0,003 Euro/m³
für solche Entnahmen, die ausschließlich derjenigen Kühlwassernutzung dienen, bei
denen das Wasser dem Gewässer unmittelbar wieder zugeführt wird
(Durchlaufkühlung).
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Dass im Falle einer Entnahme von Grundwasser aus Brunnen zwecks Kühlung und
anschließender Einleitung des Kühlwassers in ein Oberflächenwasser - wie hier - keine
Durchlaufkühlung vorliegt, hat die Kammer bereits in einem ähnlich gelagerten Fall mit
Urteil vom 4. Mai 2006 - 8 K 5376/05 - (vgl. Juris) entschieden. In den
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Entscheidungsgründen heißt es:
„... Zunächst ist festzustellen, dass der Begriff der Durchlaufkühlung in § 2 Abs. 2 Satz 3
WasEG eine Legaldefinition erfahren hat. Diese Legaldefinition bestimmt für die Höhe
des Entgeltsatzes, was eine Durchlaufkühlung ist, und zwar unabhängig von einer
technisch geprägten Definition der Durchlaufkühlung - etwa im Gegensatz zur
Kreislaufkühlung. Folglich ist nicht jede Kühlung durch den geringeren Entgeltsatz
privilegiert, die nicht Kreislaufkühlung ist, sondern nur diejenige, die der Legaldefinition
in § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG entspricht. Sofern die Klägerin dies unter Berücksichtigung
der von ihr zitierten Gesetzgebungshistorie in Zweifel zieht, kann nur festgestellt
werden, dass das - so die Klägerin - tatsächlich Gewollte möglicherweise nicht Gesetz
geworden ist. Eine Auslegung über den - noch aufzuzeigenden - Wortlaut hinaus ist
jedenfalls nicht möglich.
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Um eine Durchlaufkühlung handelt es sich nach der Definition in § 2 Abs. 2 Satz 3
WasEG nur, wenn das entnommene Wasser dem Gewässer unmittelbar wieder
zugeführt wird. Es muss folglich einem Gewässer überhaupt entnommen worden sein.
Was Gewässer sind, beantwortet des Wasserentnahmegeltgesetz selbst nicht.
Festzustellen ist aber bei einer systematischen Auslegung, das sich das Gesetz den
Sprachgebrauch des § 1 WHG zu eigen macht. Dort wird zwischen Grundwasser und
oberirdischen Gewässern unterschieden. Genau diese Differenzierung greift § 1 Abs. 1
WasEG bereits bei der Bestimmung der entgeltpflichtigen Tatbestände auf:
Entgeltpflichtig ist sowohl die Entnahme von Grundwasser (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 WasEG)
und die Entnahme von Wasser aus oberirdischen Gewässern (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 WasEG).
Diese Differenzierung behält das Gesetz bei, wie etwa die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 9
WasEG für die Entnahme von Grundwasser bei der Gewinnung von Bodenschätzen
belegt,
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vgl. zum Begriff des Gewässers bei der Anwendung des Abwasserabgabengesetzes:
OVG NRW, Urteil vom 22. November 2005 - 9 A 4168/03 -, in: www.nrwe.de.
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Bleibt damit unter Anwendung etwa von § 1 LWG NRW zwar „Gewässer" der
Oberbegriff für Grundwasser und oberirdische Gewässer, kann das entnommene
Wasser in der Systematik des Gesetzes gleichwohl einem Gewässer im Sinne von § 2
Abs. 2 Satz 3 WasEG nur „wieder" zugeführt werden, wenn es sich von der Art her um
ein solches Gewässer handelt, dem es zuvor entnommen worden ist. Aufgrund der von
der Klägerin erfolgten Grundwasserentnahme und der Einleitung in ein oberirdisches
Gewässer handelt es sich nicht um eine Durchlaufkühlung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz
3 WasEG.
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Hierfür spricht letztlich auch der Gesetzeszweck. Mit dem Wasserentnahmeentgelt
verfolgt der Gesetzgeber neben fiskalischen Zwecken auch das Hinwirken auf einen
gemeinwohlverträglichen und sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser,
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vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung LT/Ds. 13/4528, Seite 29,
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die letztlich an die unterschiedlichen Arten der Gewässer anknüpft. Entsprechend dieser
Zielsetzung war bereits im Entwurf des Gesetzes ein geringer Satz für die Kühlwasser-
nutzung vorgesehen, der 0,01 Euro/m3 betragen sollte, im Gegensatz zum Regelentgelt
von 0,05 Euro/m3. Das geringere Entgelt wurde damit gerechtfertigt, dass das für die
Kühlwassernutzung „entnommene Wasser dem Naturhaushalt wieder zugeführt wird",
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vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung LT/Ds. 13/4528, Seite 30, zu § 2.
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Die erst im weiteren Gesetzgebungsverfahren eingeführte weitere Differenzierung
zwischen Durchlauf- und Kreislaufkühlung, die selbst auch weiter durch einen
geringeren Entgeltsatz privilegiert ist, lässt sich daher kaum noch mit der Zuführung des
entnommenen Wassers zum Naturhaushalt insgesamt rechfertigen. Die Privilegierung
kann sich aus Sachgründen daher nur durch eine Zuführung zu dem Gewässer
rechtfertigen, aus dem das Wasser zuvor entnommen worden ist. Gerade dabei ist zu
berücksichtigen, dass den Gewässerarten, nämlich den oberirdischen Gewässern und
dem Grundwasser, unterschiedliche Bedeutung für die Gewässerwirtschaft und die mit
dem Gesetz bezweckte Schonung der Ressourcen zukommt. Grundwasserschutz ist
aus mehreren Gründen eine umweltpolitische Priorität: einmal kontaminiert ist das
Grundwasser schwerer zu reinigen als Oberflächengewässer und die Auswirkungen
können sich über Jahrzehnte hinziehen; Grundwasser wird in großem Umfang zur
Trinkwassergewinnung für Industrie und Landwirtschaft genutzt; Grundwasser ist der
Basisabfluss einer Reihe von Flüssen und kann die Qualität der Oberflächengewässer
beeinflussen; es wirkt in Dürrezeiten als Puffer und ist von grundlegender Bedeutung für
die Erhaltung von Feuchtgebieten und Flussläufen,
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Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum
Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung (Vorlage der Kommission) [COM(2003)
550], unter: http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l28139.htm. ... „
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Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen, denen die Kammer für das
vorliegende Verfahren weiterhin folgt, fällt die hier streitgegenständliche
Grundwasserentnahme nicht unter den Begriff der Durchlaufkühlung mit der Folge, dass
es für die Festsetzung des Entgeltes bei dem von dem Antragsgegner gem. § 2 Abs. 2
Satz 2 WasEG zutreffend angesetzten Entgeltsatz von 0,03 Euro/m³ für die Entnahme
von Grundwasser, das einer Nutzung als Kühl- und Brauchwasser zugeführt wird, bleibt.
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Dass die Vollziehung der angegriffenen Bescheide für die Antragstellerin eine unbillige,
nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ist
nicht dargetan worden. Anhaltspunkte hierfür sind auch ansonsten nicht, insbesondere
nicht unter Berücksichtigung der Höhe des Festsetzungsbetrages, ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und wurde
im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit einem Viertel der streitigen Forderung
bestimmt,
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vgl. Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit (2004), II. Ziffer 1.5.
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