Urteil des VG Düsseldorf vom 13.03.2008

VG Düsseldorf: raumordnung, wasserversorgung, gewinnung, gefahr, regionalplanung, stadt, vorbescheidverfahren, abgrabung, vorrang, raumplanung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 5657/06
Datum:
13.03.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 5657/06
Tenor:
Der ablehnende Vorbescheid des Beklagten vom 30. Oktober 2006 und
der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E vom 29. August 2007
werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Voranfrage der
Klägerin vom 26. Juni 2006 zur Erweiterung der mit Bescheid des
Beklagten vom 19. Juni 2000 genehmigten Trockenabgrabung auf die
Grundstücke der G1, Flur 95, Flurstücke 86-89, 91-93, 145, 150 und 151
positiv zu bescheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache
zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist ein Unternehmen zur Gewinnung von Kies, Sand und Lehm. Auf der
Grundlage der Abgrabungsgenehmigung des Beklagten vom 19. Juni 2000 - 36.2 IV pf -
betreibt sie ein Gewinnungsvorhaben im Gebiet der Stadt N. Dieses Abgrabungsgebiet
möchte sie um eine ca. 5,3 ha große Fläche erweitern. Auf der Erweiterungsfläche
stehen ca. 550.000 cbm Kies, Sand und Lehm zur Gewinnung an. Es handelt sich in der
Flur 95 der G1 um die Flurstücke 86-89, 91-93, 145, 150 und 151; die genehmigte
Abgrabung findet auf den Flurstücken 94 und 95 statt.
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Die Erweiterungsfläche ist ebenso wie die bereits genehmigte Betriebsfläche im
Flächennutzungsplan der Stadt N aus dem Jahre 1983 als Fläche für Abgrabungen oder
für die Gewinnung von Bodenschätzen (Planzeichen 11.2. nach der PlanzV) dargestellt
(Beiakte H. 7). Im Regionalplan (ursprünglich: Gebietsentwicklungsplan) für den
Regierungsbezirk E von 1999 - GEP 99 - ist sie als allgemeiner Freiraum- und
Agrarbereich gekennzeichnet, überlagert mit der Freiraumfunktion „Regionaler
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Grünzug". Sie liegt außerhalb der festgelegten Bereiche für die Sicherung und den
Abbau oberflächennaher Bodenschätze (BSAB). Ferner liegt die Erweiterungsfläche im
Geltungsbereich der Wasserschutzgebietsverordnung „I/U" der Bezirksregierung E vom
7. November 1995 (ABl. BezReg. S. 440). Diese Wasserschutzgebietsverordnung (im
folgenden: WasserschutzgebietsVO 1995) setzt dort die Schutzzone III B fest.
Am 26. Juni 2006 stellte die Klägerin für das Erweiterungsvorhaben beim Beklagten
eine Voranfrage gemäß § 5 AbgrG NRW hinsichtlich der planungs- und
wasserrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens. Diese Voranfrage beschied der
Beklagte mit Bescheid vom 30. Oktober 2006 negativ: An einer positiven
Zulassungsentscheidung sei er gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 AbgrG NRW gehindert. Das
Erweiterungsvorhaben stehe in Widerspruch zu Ziel 1 Nr. 4 des Kapitels 3.12 GEP 99.
Die betroffenen Flächen befänden sich außerhalb der BSAB. Ein weiterer
Versagungsgrund ergebe sich aus wasserrechtlichen Gesichtspunkten. Das Vorhaben
liege im festgesetzten Wasserschutzgebiet III B. Im Hinblick auf die starke Konzentration
von Abgrabungstätigkeiten in diesem Bereich sei eine erhebliche Beeinträchtigung des
Grundwassers nicht auszuschließen.
4
Der Bescheid wurde der Klägerin am 3. November 2006 zugestellt. Am gleichen Tag hat
die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten, denen der Bescheid zu diesem
Zeitpunkt noch nicht vorlag, Untätigkeitsklage erhoben. Den außerdem eingelegten
Widerspruch wies die Bezirksregierung E mit Widerspruchsbescheid vom 29. August
2007 zurück.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines negativen Vorbescheids vom 30. Oktober 2006
und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 29. August 2007 zu
verpflichten, den mit Antrag der Klägerin vom 26. Juni 2006 beantragten
abgrabungsrechtlichen Vorbescheid zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
9
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Widerspruchsbehörde
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
11
Die zulässige Klage ist begründet. Der ablehnende Vorbescheid des Beklagten vom 30.
Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom
29. August 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5
Satz 1 VwGO. Diese hat einen Anspruch auf Erteilung des von ihr begehrten positiven
Vorbescheids zur Erweiterung ihrer mit Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2000
genehmigten Trockenabgrabung in N auf die Grundstücke der G1, Flur 95, Flurstücke
86-89, 91-93, 145, 150 und 151. Er ergibt sich aus § 5 i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 AbgrG
NRW.
12
A. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AbgrG NRW sind erfüllt.
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1. Den für die Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Abgrabungsplan (Nr. 1 der
Vorschrift) hat die Klägerin vorgelegt (Beiakte H. 1). Er kann sich im
Vorbescheidverfahren auf die in § 4 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 AbgrG NRW genannten
Angaben beschränken (§ 5 Abs. 2 AbgrG NRW). Diese Angaben hat die Klägerin
gemacht. Zudem hat sie ein hydrogeologisches Gutachten der U1 GmbH vom 12. Juni
2006 beigebracht (Beiakte H. 3 zu 4 K 5658/06). Darüber hinaus waren keine
Unterlagen erforderlich, um die mit der Voranfrage gestellten Fragen zu beantworten.
14
2. Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung sind beachtet (§ 3 Abs. 2 Nr. 2
AbgrG NRW).
15
2.1. Bei „Zielen der Raumordnung" im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG handelt es um
verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder
bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend
abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen
zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums.
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Den Zielen kommt die Funktion zu, räumlich und sachlich die zur Verwirklichung der
Grundsätze der Raumordnung notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. In ihnen
spiegelt sich bereits eine abschließende Abwägung zwischen den durch die
Grundsätze verkörperten unterschiedlichen raumordnerischen Belangen wider. Sie sind
anders als die Grundsätze nicht bloß Maßstab für eine weitere Abwägung auf einer
nachgeordneten Planungsstufe wie etwa einem Planfeststellungsverfahren, sondern als
räumliche und sachliche Konkretisierung der Entwicklung, Ordnung und Sicherung des
Planungsraumes das Ergebnis landesplanerischer Abwägung. Die planerischen
Vorgaben, die sich ihnen entnehmen lassen, sind verbindlich und einer weiteren
Abwägung auf einer nachgeordneten Planungsstufe nicht zugänglich.
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Davon zu unterscheiden sind die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der
Raumordnung (§ 3 Nr. 1 ROG). Sie weisen die den Zielen der Raumordnung
wesenseigene Verbindlichkeit von vornherein nicht auf. Die Bedeutung von
Grundsätzen der Raumordnung erschöpft sich darin, dass sie Direktiven für
nachfolgende Abwägungsentscheidungen enthalten (§ 4 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5
ROG).
18
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 20.02 -, DVBl. 2004, 251, 252.
19
Die für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens maßgeblichen Ziele
sind dem GEP 99 in der Fassung seiner 32. Änderung zu entnehmen. Mit der
Bekanntmachung ihrer Genehmigung am 30. Juni 2005 (GV. NRW. S. 683) ist diese
Änderung zum Ziel der Raumplanung geworden (§ 21 Satz 2 LPlG NRW).
Demgegenüber ist die zur Zeit in Vorbereitung befindliche 51. Änderung des GEP noch
nicht in Kraft; bis zum 3. März 2008 bestand Gelegenheit, Anregungen und Bedenken
geltend zu machen (Bekanntmachung der Bezirksregierung E vom 11. Januar 2008,
ABl. BezReg. S. 19).
20
2.2. Auf die die Vorhabenfläche betreffenden zeichnerischen (positiven) Darstellungen
der maßgeblichen Fassung ist die Annahme einer die Genehmigung hindernden
Zielfestlegung nicht zu stützen.
21
2.2.1. Die Lage in einem „allgemeinen Freiraum- und Agrarbereich", in dem nach
Kapitel 2.2, Ziel 1, Nr. 1 GEP 99 die landwirtschaftliche Nutzungsfähigkeit der
landwirtschaftlich genutzten Flächen zu erhalten sind, ist kein das Vorhaben
ausschließendes Ziel. In dieser Weise sind alle Flächen dargestellt, die nicht als
Waldbereiche, Gewässer, Freiraumbereiche mit besonderen Funktionen,
Siedlungsräume oder Verkehrsinfrastrukturflächen festgelegt sind. Bezogen auf die
Vorhabenfläche ist die Darstellung als „allgemeiner Freiraum- und Agrarbereich" nicht
genügend konkret. Eine besondere Situation für die Landwirtschaft oder sonstige
Gegebenheiten, die die Darstellung als hinreichend konkretisierten Ausdruck einer über
den allgemeinen Regelungsgehalt des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB hinausgehenden
spezifischen Funktionszuweisung zur landwirtschaftlichen Nutzung erscheinen lassen
könnten
22
- vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1984 - 4 C 70.79 -, BVerwGE 68, 319 -
23
ist weder in dem Ziel selbst noch in den zugehörigen Erläuterungen noch anderweitig
dargetan.
24
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Juli 2003 - 20 A 4257/99 -.
25
2.2.2. Die den „allgemeinen Freiraum- und Agrarbereich" überlagernde Darstellung
eines Regionalen Grünzuges kommt als zwingender Ausschlusstatbestand ebenfalls
nicht in Frage. Grünzüge werden nach Kapitel 2.1, Ziel 2, Nr. 1 GEP 99 zum Schutz des
regionalen Freiraumsystems vor der Inanspruchnahme für Siedlungszwecke geschützt.
Abgrabungen sind mit diesem Ziel vereinbar. In Nr. 5 der Erläuterungen zu Ziel 2 wird
ausdrücklich festgehalten, dass, jedenfalls in begründeten Ausnahmefällen,
Abgrabungen auch in regionalen Grünzügen vorgesehen werden können. Jedenfalls
über eine derartige Ausnahme muss innerhalb der Vorhabenzulassung entschieden
werden. Der GEP 99 enthält insoweit keine tatbestandlichen oder ermessensleitenden
Vorschriften.
26
2.2.3. Ein Bereich für den „Grundwasser- und Gewässerschutz", der vor Nutzungen zu
schützen ist, die die Gewässerbeschaffenheit beeinträchtigen können (Kapitel 3.10, Ziel
2, Nr. 1 GEP 99), und in denen keine Nassabgrabungen mehr zugelassen werden
sollen (Ziel 2, Nr. 2 GEP 99), erfasst die Vorhabenfläche nicht. Das ergibt sich aus der
zeichnerischen Darstellung. Die Zielfestsetzung wird außerdem textlich dahingehend
erläutert, dass die dargestellten Bereiche für den Grundwasser- und Gewässerschutz
die Bereiche vorhandener und vorgesehener Wasserschutzzonen I bis III A umfassen
(Erläuterung Nrn. 1 und 10 zu Ziel 2, Erläuterungskarte 8 - Wasserwirtschaft zu GEP 99).
Das trifft auf die Vorhabengrundstücke nicht zu. Von der Zone IIIA des
Wassergewinnungswerkes Helenabrunn/Theeshütte sind sie weit entfernt. Überdies
betrifft das Vorhaben keine Nassabgrabung.
27
2.2.4. Die textliche Darstellung unter Kapitel 3.12 Ziel 1 GEP 99 („Bodenschätze
haushälterisch nutzen") führt nicht auf einen zwingenden Versagungsgrund. Nach Nr. 4
Satz 1 dieses Ziels sind Abgrabungen nur innerhalb der Abgrabungsbereiche
vorzunehmen. Abgrabungsbereiche sind nach Nr. 1 Bereiche für die Sicherung und den
Abbau oberflächennaher Bodenschätze, die die Rohstoffversorgung unter besonderer
Berücksichtigung des Rohstoffbedarfs, der Begrenztheit bestimmter Vorkommen und der
dauerhaft-umweltgerechten Raumentwicklung sichern.
28
Die Vorhabenfläche liegt zwar außerhalb der zeichnerisch ausgewiesenen
Abgrabungsbereiche; dies steht aber der Zulassung des Vorhabens nicht zwingend
entgegen. Dem Ziel des GEP 99 kommt eine solche zwingende Ausschlusswirkung
nicht zu.
29
Für die Ursprungsfassung des GEP 99 hat das Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen dies - bezogen auf ein Planfeststellungsverfahren - bereits im
Jahre 2003 entschieden und sinngemäß ausgeführt: Die Ausschlusswirkung von Nr. 4
Satz 1 ist nicht mit einer hinlänglichen Zulassungswirkung der übrigen Aussagen des
Ziels 1 für Abgrabungen innerhalb der Abgrabungsbereiche verknüpft; eine solche
Verknüpfung wäre aber notwendig. Es ist nicht sicher gestellt, dass sich in den im GEP
99 festgelegten Abgrabungsbereichen die Gewinnung von Bodenschätzen gegenüber
entgegenstehenden Belangen durchsetzt. Der Annahme einer die Abwägung nach § 31
Abs. 2 WHG strikt hindernden Pflicht des Beklagten zur Beachtung von Ziel 1 Nr. 4 Satz
1 GEP 99 steht des Weiteren entgegen, dass die dieser Zielaussage zu Grunde
liegende Abwägung sich nicht auf alle für die planerische Beurteilung von
Abgrabungsvorhaben wesentlichen Abwägungsaspekte erstreckt. Eine
Planungsentscheidung, die vom Beklagten ohne - durch eigene Abwägung
auszufüllenden - Entscheidungsspielraum nur noch im Wege der Ablehnung des
Planfeststellungsantrages der Klägerin zu vollziehen ist, ist mit Ziel 1 Nr. 4 Satz 1 GEP
99 - noch - nicht gefallen. Die Zielaussagen des GEP 99 beruhen nicht auf einer
abwägenden Überwindung entgegenstehender privater Belange. Diese Belange
können daher durch die Regionalplanung nicht endgültig abgeschnitten werden.
Insbesondere Ziel 1 Nr. 4 Satz 1 GEP 99 liegt keine die berührten privaten Belange
umfassend einbeziehende Abwägung zu Grunde. Jedenfalls ist nicht hinreichend zu
erkennen, dass private Belange bei der Auswahl der Abgrabungsbereiche und damit
zugleich der räumlichen Bestimmung der Ausschlussflächen überhaupt eine Rolle
gespielt haben.
30
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Juli 2003 - 20 A 4257/99 -.
31
Durch die 32. Änderung des GEP 99, die als Reaktion auf dieses Urteil erfolgte, hat sich
nach Auffassung der Kammer im Ergebnis nichts geändert. Der textlichen Darstellung
unter Kapitel 3.12 Ziel 1 GEP 99 ist weiterhin keine die Versagung zwingend
gebietende Ausschlusswirkung für Vorhaben außerhalb der Abgrabungsbereiche
beigelegt. Die Kammer hat hierzu in ihrem Urteil vom 19. April 2007 - 4 K 3389/05 - mit
Blick auf Planfeststellungsverfahren ausgeführt:
32
Der in Kapitel 3.12 Ziel 1 Nr. 4 Satz 1 GEP 99 verwendete Begriff „nur" ist nicht im Sinne
von „ausnahmslos und immer", sondern im Sinne von „regelmäßig" zu verstehen mit der
Folge, dass die Verbindlichkeit der Aussage, was die Ablehnung der Planfeststellung
von Abgrabungsvorhaben aus mittels Abwägung von vornherein nicht abdingbaren
Rechtsgründen angeht, eingeschränkt wird. Dies folgt aus der zugehörigen im Zuge der
32. Änderung des GEP 99 überarbeiteten Erläuterung Nr. 5, in der von der Möglichkeit
einer durch private Interessen des Eigentümers bestimmten Ausnahme von der
Ausschlusswirkung in atypisch gelagerten Fällen gesprochen wird.
33
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2006 - 20 A 1612/04 -.
34
Macht der Plangeber von der Möglichkeit Gebrauch, den Verbindlichkeitsanspruch
seiner Planungsaussage dadurch zu relativieren, dass er selbst Ausnahmen formuliert,
35
wird damit nicht ohne weiteres die abschließende Abwägung auf eine andere Stelle
verlagert. Es ist ihm grundsätzlich unbenommen, selber zu bestimmen, wie weit die
Steuerungswirkung reichen soll, mit der von ihm geschaffene Ziele Beachtung
beanspruchen. Allerdings muss der Plangeber dann neben den Regel- auch die
Ausnahmevoraussetzungen mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch
wenigstens Bestimmbarkeit (vgl. § 3 Nr. 2 ROG) selbst festlegen. Erst dann handelt es
sich um verbindliche Aussagen, die nach Maßgabe ihrer - beschränkten - Reichweite
der planerischen Disposition nachgeordneter Planungsträger entzogen sind.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 20.02 -, DVBl. 2004, 251, 253.
36
Es kann offen bleiben, ob die textlichen Festsetzungen unter Kapitel 3.12
„Rohstoffgewinnung/Bodenschätze haushälterisch nutzen" Ziel 1 Nr. 2 des GEP 99 in
der Fassung seiner 32. Änderung die Belange der Abgrabungsunternehmen innerhalb
eines Bereichs für die Sicherung und den Abbau oberflächennaher Bodenschätze in
einer Weise verstärken, die dem Zielcharakter der Planaussage genügt.
37
Vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom 30. März 2006 - 4 K 4265/04 - unter Abschnitt
A, 2.1; offen gelassen in OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2006 - 20 A 1612/04 - auf Seite
32 des Entscheidungsabdrucks.
38
Diese Positivwirkung der geänderten Fassung von Kapitel 3.12, Ziel 1 Nr. 2 erfasst die
Ausschlusswirkung von Ziel 1 Nr. 4 nicht, dessen Wortlaut seit Inkrafttreten des GEP 99
unverändert geblieben ist. Denn zum einen werden in der zugehörenden Erläuterung
Nr. 5 hauptsächlich Umstände benannt, die keine Ausnahme begründen sollen, und
zum anderen räumt der Plangeber insoweit der nachgeordneten Ebene einen
Abwägungsspielraum ein, indem in der Erläuterung ausgeführt wird, über die
Möglichkeit einer durch private Interessen des Eigentümers bestimmten Ausnahme sei
„bei der abschließenden Abwägung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens" zu
befinden; Ausnahmen seien in atypisch gelagerten Fällen möglich, die anhand der
besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln seien.
39
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2006 - 20 A 1612/04 -.
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Aus den Hinweisen zu einer möglichen atypischen Fallgestaltung in der Erläuterung Nr.
5 zu Kapitel 3.12, Ziel 1 Nr. 4 in der Fassung der 32. Änderung des GEP 99 lässt sich
zudem entnehmen, dass diese Änderung keine eigene und abschließende Abwägung
der beteiligten Belange einschließlich derjenigen der Grundeigentümer vorangegangen
ist. Die Erläuterung beruft sich vielmehr zur Eingrenzung dessen, was überhaupt als
atypischer Ausnahmefall gewertet werden kann, auf das ursprüngliche Verfahren bei der
Erarbeitung des GEP, auf die seinerzeitige Anmeldung von Abgrabungswünschen
durch die Abgrabungsunternehmen und auf die Entscheidung darüber, die genannten
Bereiche in der GEP aufzunehmen oder sie unberücksichtigt zu lassen. Dass Ziel 1 Nr.
4 Satz 1 bei der ursprünglichen Aufstellung des GEP 99 eine der berührten privaten
Belange umfassend einbeziehende Abwägung zugrund lag, ließ sich jedoch seinerzeit
nicht feststellen.
41
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Juli 2003 - 20 A 4257/99 -, Seite 42 des
Entscheidungsabdrucks.
42
Mit einem die Erläuterungen ergänzenden Hinweis darauf, dass seinerzeit die
43
Unternehmer die potenziellen Abgrabungsflächen anmelden konnten und diese dann
teilweise in den GEP-Entwurf übernommen worden sind und teilweise nicht, ist dieser
Mangel nicht geheilt. Das beschreibt lediglich das - ohnehin bekannte - damalige
Verfahren, belegt aber nicht, in welcher Weise die Interessen der Unternehmen damals
oder heute individuell und im Vergleich zu konkurrierenden Belangen bewertet worden
sind. Dieser Teil der Abwägung bleibt nach wie vor dem Planfeststellungsverfahren
vorbehalten, zumindest bei der Beantwortung der Frage, ob private Belange bei der
Auswahl eines bestimmten Abgrabungsbereiches ein derartiges Gewicht haben, dass
von einer Ausnahmelage auszugehen ist.
An diesen Erwägungen hält die Kammer fest; sie gelten für das Verfahren auf Erteilung
einer Genehmigung oder - wie hier - eines Vorbescheides nach dem AbgrG NRW
entsprechend. Auch insoweit hat die abschließende Entscheidung auf der Ebene der
Vorhabenzulassung zu fallen (dazu noch unten B 4.); sie ist nicht bereits mit dem GEP
99 erfolgt.
44
3. Die Belange der Bauleitplanung sind beachtet (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 AbgrG NRW). Der
Flächennutzungsplan der Stadt N stellt den fraglichen Bereich als Fläche für
Abgrabungen oder für die Gewinnung von Bodenschätzen dar.
45
4. Auch die Belange des Naturhaushalts sind beachtet (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 AbgrG NRW).
Insbesondere werden durch das Vorhaben die Grundwasserverhältnisse nicht
nachhaltig geschädigt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 AbgrG NRW).
46
4.1. Der Maßstab für eine nachhaltige Schädigung der Grundwasserverhältnisse ergibt
sich aus den fachgesetzlichen Spezialvorschriften. Einschlägig sind hier die
WasserschutzgebietsVO 1995 und das Wasserhaushaltsgesetz (WHG).
47
4.1.1. Die WasserschutzgebietsVO 1995 enthält für ihre Wasserschutzzone IIIB, in der
die für die Abgrabung in Aussicht genommenen Flurstücke liegen, kein striktes
Abgrabungsverbot. Nach § 3 Abs. 4 der Verordnung i.V.m. der Anlage A, Ziffer 2,
unterliegen Abgrabungen über eine Tiefe von zwei Metern und über eine Ausdehnung
von 10 qm hinaus einer Genehmigungspflicht. Über die Genehmigung entscheidet die
zuständige Untere Wasserbehörde (§ 8 Abs. 1 WasserschutzVO 1995).
48
4.1.2. Die Wasserbehörde kann und muss die Genehmigung ablehnen, wenn eine
konkrete Prognose die Besorgnis eines Schadens für die Wasserversorgung ergibt. Auf
die Feststellung der konkreten Verhältnisse kann dabei nicht verzichtet werden. Das
wäre nur dann zulässig, wenn die einschlägigen Rechtssätze Regelungen für
bestimmte typischerweise besonders gefährliche Situationen enthalten,
49
vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Januar 1989 - 20 A 375/85 -; st. Rspr. der Kammer seit
dem Urteil vom 18. März 2004 - 4 K 2621/00 -; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl.
2007, § 34 Rdnr. 8; § 26 Rdnr. 30.
50
Dies ist hier nicht der Fall.
51
Eine an die typische Gefährlichkeit von Abgrabungen anknüpfende objektspezifische
Regelung im Sinne eines repressiven Verbotes mit Befreiungsvorbehalt ist in der
WasserschutzgebietsVO 1995 nicht enthalten. Sie ergibt sich dort insbesondere nicht
aus § 8 Abs. 2 Satz 1. Danach ist die Genehmigung bei Besorgnis einer
52
Gewässerverunreinigung zu versagen; diese „Besorgnis besteht auch dann, wenn durch
eine Mehrzahl von Einzelmaßnahmen oder aufgrund des vorhandenen
Gefährdungspotentials im Wasserschutzgebiet bzw. einzelnen Schutzzonen das Risiko
einer Gewässerverunreinigung erhöht wird". Diese Regelung knüpft nicht
objektspezifisch an bestimmte Vorgänge - wie Abgrabungen - an, sondern nennt mit
dem Hinweis auf Gewässerverunreinigungen den Gesichtspunkt, an dem sich die
Entscheidung der Wasserbehörde auszurichten hat.
Die allgemeinen wasserrechtlichen Vorschriften der §§ 6, 26, 34 WHG enthalten
ebenfalls kein grundsätzliches Rechtshindernis für potenziell grundwassergefährdende
Vorhaben. Aus der Ausgestaltung der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung als
repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ergibt sich keine Regelversagung,
53
Czychowski/Reinhardt a.a.O., § 2 Rdnr. 4.
54
Der Hinweis in § 6 WHG auf die Belange der öffentlichen Wasserversorgung schafft
keinen absoluten Vorrang in dem Sinne, dass ihre Gefährdung stets zu einer Versagung
der Erlaubnis oder Bewilligung führen müsste,
55
Cychowski/Reinhardt a.a.O., § 6 Rdnr. 21.
56
Insbesondere das Übermaßverbot kann es gebieten, in eine Abwägung einzutreten und
zu überlegen, ob eventuell nachteilige Wirkungen eines Eingriffs vermieden oder
ausgeglichen werden können,
57
Cychowski/Reinhardt a.a.O., § 34 Rdnrn. 4, 9.
58
Aus § 44 Abs. 2, 100 Abs. 2 LWG NRW ergibt sich nichts anderes. Aus diesen
Vorschriften kann man zwar einen gewissen Vorrang der öffentlichen
Wasserversorgung entnehmen. Sie beinhalten jedoch tatbestandlich zunächst eine
Abwägung mit anderen Interessen und Belangen. Mit der Einrichtung eines offenen
Genehmigungstatbestandes durch die WasserschutzgebietsVO 1995 hat die
Bezirksregierung E rechtlich ein insoweit zulässiges
59
- Czychowski/Reinhardt a.a.O., § 19 Rdnr. 44 -
60
präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingeführt. Damit ist die Einschätzung
verbunden, die möglichen generellen Nachteile von Nassabgrabungen in
Wasserschutzzonen könnten jedenfalls für die Verhältnisse der Zone IIIB der
Wassergewinnungsanlage I/U ausgeschlossen oder durch Nebenbestimmungen
überwunden werden. Diese den Abgrabungsvorhaben günstige Einschätzung kann nur
durch eine gesicherte Schadensprognose im Einzelfall widerlegt werden.
61
4.1.3. Für die Prognose im Einzelfall gelten die allgemeinen ordnungsrechtlichen
Grundsätze, modifiziert durch die besonderen Vorschriften des Wasserrechts. Das
Vorhaben selbst muss als Verursacher möglicher Schäden im ordnungsrechtlichen
Sinne feststehen. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind nur sehr
geringe Anforderungen zu stellen. Als Maßstab gilt der Besorgnisgrundsatz (§§ 26 Abs.
2, 34 Abs. 1 WHG). Die Besorgnis einer Verunreinigung des Grundwassers oder der
nachteiligen Veränderung seiner Eigenschaften besteht, wenn die Möglichkeit eines
Schadenseintritts nach den gegebenen Umständen und im Rahmen einer sachlich
62
vertretbaren, auf konkreten Feststellungen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu
weisen ist. Jede noch so wenig nahe liegende Möglichkeit einer Verunreinigung oder
Trinkwasserverknappung kann ausreichen. Für den Nachweis genügt eine vertretbare
Prognose auf der Basis konkreter Feststellungen. Schließlich muss die
Grundwasserbeeinträchtigung nach allgemeiner Lebenserfahrung und anerkannten
fachlichen Regeln aus einer überwiegenden Mehrheit von Gründen annähernd
voraussehbar sein. Dabei ist für einen zwingenden Versagungsgrund ein gewisses
Zeitlimit erforderlich. Die Feststellung einer Risikoerhöhung, deren Umschlag zu einem
Schadensereignis erst für eine ferne Zukunft befürchtet wird, reicht nicht aus. Ebenso
wenig genügt eine Anknüpfung an die allgemeinen Eigenschaften eines Vorhabens.
Letzteres ist eine Betrachtungsweise, die dem Tatbestand einer abstrakten Rechtsnorm
entspricht. Bei einer abstrakt-generellen Regelung ist der Normgeber gezwungen und
berechtigt, sich verallgemeinernd am Regelfall zu orientieren. Dagegen wird im Falle
eines präventiven Erlaubnisvorbehaltes der Einzelfall geprüft. Die Feststellung einer
Gefahr im Einzelfall, auch bei einem geringen Wahrscheinlichkeitsgrad, muss sich als
handfest erweisen und sich noch in einer als konkret erlebbar empfundenen Zukunft
realisieren. Risikolagen, die darüber hinaus reichen, sprengen den ordnungsrechtlichen
Rahmen.
4.2. Im Vorbescheidverfahren werden diese Fragen allerdings nicht voll durchgeprüft.
Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur des abgrabungsrechtlichen Vorbescheids.
63
Er ist ein schriftlicher Bescheid, der vor Einreichung des Genehmigungsantrages zur
Genehmigungsfähigkeit oder zu Einzelfragen des Vorhabens erteilt wird, § 5 Abs. 1 Satz
1 AbgrG NRW. Die Voranfrage kann - anders als im Bauordnungsrecht -
zulässigerweise als allgemeine Anfrage dahin gestellt werden, ob auf dem Grundstück
überhaupt abgegraben werden darf. Gegenstand einer solchen allgemeinen Anfrage
kann insbesondere die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens sein.
64
Vgl. Linke, Abgrabungsgesetz des Landes NRW, 2. Aufl. 2005, Rdnrn. 139 f. und 143.
65
Es begegnet ebenfalls keinen Bedenken, wenn - wie durch die Klägerin geschehen -
neben der planungsrechtlichen auch die wasserrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens
zum Gegenstand der Voranfrage gemacht wird. Für die Reichweite und
Bindungswirkung eines derartigen Vorbescheides ist dann aber zu beachten, dass die
Genehmigungsbehörde nicht über die nach Wasserrecht erforderlichen
Genehmigungen mitentscheidet; denn das Wasserrecht gehört nicht zu den
Rechtsmaterien, hinsichtlich derer die Abgrabungsgenehmigung nach § 7 Abs. 3 AbgrG
NRW Konzentrationswirkung entfaltet. Auf das Erfordernis wasserrechtlicher
Genehmigungen muss der Beklagte die Klägerin lediglich hinweisen, ohne selbst über
diese Genehmigungen zu entscheiden (§ 7 Abs. 4 AbgrG NRW). Auch mit Blick auf § 2
Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 AbgrG NRW enthält der Vorbescheid lediglich ein „vorläufiges
positives Gesamturteil" des Inhalts, dass einer Genehmigungserteilung für das gesamte
Vorhaben keine von vorneherein unüberwindbaren rechtlichen Hindernisse
entgegenstehen,
66
vgl. (für den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid) OVG NRW, Urteil vom 6. April
1989 - 21 A 952/88 -, RdL 1990, 319 = NWVBl. 1990, 91.
67
Selbst im abschließenden Verfahren auf Erteilung der abgrabungsrechtlichen
Genehmigung prüft die Genehmigungsbehörde zwar, ob die Voraussetzungen für die
68
Erteilung der wasserrechtlichen Genehmigung vorliegen, entscheidet darüber aber nicht
mit Bindungswirkung. Dies bleibt vielmehr einem gesonderten Verfahren bei der
zuständigen Wasserbehörde vorbehalten (Separationsmodell).
Vgl. Linke, Abgrabungsgesetz des Landes NRW, 2. Aufl. 2005, Rdnrn. 102 f. und 253.
69
4.3. Konkrete Gefahren für die Wasserversorgung durch das Vorhaben der Klägerin in
dem vorbezeichneten Sinn (oben 4.1.) sind nicht nachgewiesen. Erst recht sind keine
konkreten Gefahren erkennbar, die bereits im Vorbescheidverfahren die Aussage
zuließen, dass die Erteilung einer Genehmigung nach der WasserschutzgebietsVO
1995 schlechterdings ausgeschlossen ist (oben 4.2.). Die gutachterlichen
Stellungnahmen zu den einschlägigen fachlichen Fragen gehen zwar auseinander;
hinreichende Anhaltspunkte für die zu fordernde konkrete Gefahr ergeben sich aber
auch dann nicht, wenn man der für die Klägerin ungünstigeren Sicht folgt.
70
Die Klägerin hat ein hydrogeologisches Gutachten der U1 GmbH vom 12. Juni 2006
(Beiakte H. 3 zu 4 K 5658/06) vorgelegt. Danach wird zwar durch die Entfernung der
Deckschichten die potentielle Grundwassergefährdung erhöht; bei sach- und
fachgerechtem Abbaubetrieb ist aber ein relevanter Schadstoffeintrag ausgeschlossen,
insbesondere findet kein Düngemitteleintrag durch Landwirtschaft statt (S. 16). Nach
Wiederverfüllung mit den dafür vorgesehenen überwiegend bindigen Böden erhöht sich
sogar die Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung im Vergleich mit den jetzt
vorhandenen geringmächtigen und gemischtkörnigen Deckschichten (S. 16 f.).
Insgesamt haben die Gutachter keine Bedenken gegen das Abgrabungsvorhaben (S.
22).
71
Die vom Beklagten eingeholten ablehnenden Stellungnahmen halten dem allgemein
die mit Abgrabungen typischerweise verbundenen Gefahren entgegen. Dies trifft auf die
Stellungnahme „aus wasserschutzzonenrechtlicher Sicht" vom 11. September 2006
(Verwaltungsvorgänge Bl. 163) ebenso zu wie auf die Stellungnahme der O
Aktiengesellschaft (O AG) vom 9. Februar 2005 (Verwaltungsvorgänge Bl. 70).
Konkrete, gerade durch das Vorhaben der Klägerin ausgelöste Gefahren zeigen sie
nicht auf. Es bleibt bei der Besorgnis - lediglich - einer abstrakten Gefahr.
72
Eine bereits im gegenwärtigen Verfahrensstadium beachtliche, von dem Vorhaben
ausgehende konkrete Gefahr für die Wasserversorgung ergibt sich schließlich auch
nicht aus der vorgesehenen Abgrabungstiefe. Zwar wird in der ergänzenden
Stellungnahme zum von der Klägerin vorgelegten hydrogeologischen Gutachten vom
14. September 2006 eine Abgrabungstiefe von maximal 63,0 m üNN für bedenkenfrei
gehalten (Verwaltungsvorgänge Bl. 166). Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass
jedwede Unterschreitung dieser Tiefe mit konkreten Gefahren für die Wasserversorgung
verbunden ist, führt dies im Vorbescheidverfahren aber noch nicht auf einen
Versagungsgrund. Es entspricht nicht dem Charakter des Vorbescheidverfahrens mit
dem anzustrebenden „vorläufigen positiven Gesamturteil" (oben 4.2.), die Abbautiefe
schon jetzt zentimetergenau festzulegen. Dies bleibt vielmehr dem
Genehmigungsverfahren nach der WasserschutzgebietsVO 1995 vorbehalten. Die in
dem Gutachten enthaltene Angabe der geplanten Abbautiefe mit 62,5 m üNN (S. 1)
wäre dann ggf. zu korrigieren, um einen etwaigen Versagungsgrund auszuräumen.
73
5. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Belange
der Landschaft, des Bodenschutzes und der Erholung ebenfalls beachtet sind (§ 3 Abs.
74
2 Nr. 2 AbgrG NRW).
6. Andere öffentliche Belange stehen im gegebenen Einzelfall nicht entgegen (§ 3 Abs.
2 Nr. 3 AbgrG NRW).
75
6.1. Substantiierte Einwendungen in diese Richtung hat der Beklagte nicht vorgebracht.
Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Ortsbild beeinträchtigt würde oder die
Erschließung nicht gesichert wäre.
76
6.2. Immissionsschutzrechtliche Bedenken bestehen angesichts der Entfernung zur
Wohnbebauung nicht (Stellungnahme des Staatlichen Umweltamtes L vom 9. Februar
2006, Verwaltungsvorgänge Bl. 121).
77
6.3. Es bestehen auch keine straßenrechtlichen Bedenken wegen der Nähe der
Abgrabung zur ehemals geplanten Trasse der A00, da diese Planung inzwischen
aufgegeben wurde (Beiakte H. 4 Bl. 29). Im übrigen schließt die
Abgrabungsgenehmigung lediglich die erforderlichen Verwaltungsentscheidungen nach
dem StrWG NRW, nicht aber nach dem FStrG des Bundes ein (§ 7 Abs. 3 AbgrG NRW).
Soweit daher wegen der Nähe zur Bundes-Autobahn A00 eine Genehmigung nach § 9
Abs. 1 Satz 2 FStrG erforderlich sein sollte, müsste der Beklagte hierauf lediglich gemäß
§ 7 Abs. 4 AbgrG NRW hinweisen.
78
6.4. Bauplanungsrechtlich ist das Vorhaben ebenfalls zulässig (dazu sogleich unter B).
79
B. Der Anspruch der Klägerin ist nicht nach § 7 Abs. 3 AbgrG NRW ausgeschlossen.
80
1. Nach dieser Vorschrift schließt die Abgrabungsgenehmigung gewisse andere
Verwaltungsentscheidungen ein. Sie kann somit nur erteilt werden, wenn diese
eingeschlossenen Verwaltungsentscheidungen rechtmäßig erteilt werden können. Für
den Vorbescheid gilt dasselbe, soweit die mit der Voranfrage gestellten Fragen reichen.
Da die Klägerin mit ihrer Voranfrage vom 30. Juni 2006 insbesondere die
planungsrechtliche Zulässigkeit zur Prüfung gestellt hat, kann der Vorbescheid nur dann
positiv erteilt werden, wenn die nach §§ 63 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BauO NRW an
sich erforderliche und in der Abgrabungsgenehmigung eingeschlossene
Baugenehmigung unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten erteilt werden könnte.
Dies ist aber der Fall.
81
2. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 35 Abs.
1 BauGB.
82
2.1. § 35 BauGB ist anwendbar. Abgrabungen unterfallen dem Vorhabenbegriff des
BauGB (§ 29 Abs. 1). Für eine überörtliche Bedeutung des Vorhabens nach § 38
BauGB ist nichts ersichtlich; insbesondere hat der Beklagte im Verwaltungsverfahren
keine anderen Gemeinden beteiligt. Auch die Klägerin geht von der Anwendbarkeit des
§ 35 BauGB aus.
83
2.2. Aufgrund seiner Standortgebundenheit ist das Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 3
BauGB im Außenbereich privilegiert.
84
3. Die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten öffentlichen Belange stehen dem Vorhaben
nicht entgegen.
85
3.1. Es entspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplanes (§ 35 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1, oben A 3.).
86
3.2. Die Wasserwirtschaft ist nicht konkret gefährdet (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB,
oben A 4.).
87
3.3. Schädliche Umwelteinwirkungen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB) werden nicht
hervorgerufen (oben A 6.2.). Auch die weiteren in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten
Belange stehen nicht entgegen.
88
3.4. Das Vorhaben widerspricht nicht den Zielen der Raumordnung (§ 35 Abs. 3 Satz 2
BauGB, oben A 2.)
89
3.5. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB steht dem Vorhaben schließlich ebenfalls nicht
entgegen, da es gerade innerhalb der im Flächennutzungsplan dargestellten
Abgrabungszone ausgeführt werden soll.
90
4. Die Darstellungen des GEP 99 stehen dem Vorhaben auch nicht als sonstiger
öffentlicher Belang entgegen (§ 35 Abs. 1 BauGB).
91
4.1. Trotz fehlender Zielqualität sind diese Darstellungen im gegebenen
Zusammenhang allerdings zu berücksichtigen.
92
Gegen die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der den Grundwasserschutz
betreffenden Aussagen des GEP 99 ist, abgesehen von der fehlenden Zielbindung,
nichts zu erinnern,
93
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 28. März 2004 - 4 K 2621/00 -.
94
Ohne die Zielbindung gelten sie als Grundsätze der Raumordnung für die
Landesplanung (§§ 3 Nr. 3, 4 Abs. 2, 2 Abs. 2 Nrn. 8, 9 ROG). Die Gültigkeit der
Aussagen eines Regionalplanes wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine
Planaussage geringere Bindungen erzeugt, als ihr der Planungsträger (eigentlich) hat
beilegen wollen,
95
vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. April 2003 - 4 BN 25.03 -, BauR 2004, 285.
96
Die wenigstens beschränkte Wirkung entspricht überdies dem mutmaßlichen Willen der
an der Erstellung und Verabschiedung des Gebietsentwicklungsplanes beteiligten
Gremien und Behörden (vgl. entsprechend § 47 VwVfG). Sie ist der Klägerin günstiger
als die primär gewollte strikte Zielbindung.
97
Vgl. bereits Urteil der Kammer vom 14. Oktober 2004 - 4 K 180/02 -.
98
4.2. Der Grundsatz der Raumordnung, Abgrabungsbereiche nur dort zuzulassen, wo der
Regionalplan sie zulässt, steht aber als öffentlicher Belang dem Vorhaben der Klägerin
nicht entgegen.
99
Die Frage, ob ein öffentlicher Belang einem nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten
Abgrabungsvorhaben entgegensteht, ist eine Frage, die eine Abwägung voraussetzt,
100
und zwar nicht eine planerische Abwägung, sondern eine nachvollziehende, die
allgemeine gesetzliche Wertung für den Einzelfall konkretisierende Abwägung
zwischen dem jeweils berührten öffentlichen Belang und dem Interesse des
Antragstellers an der Verwirklichung des privilegierten Vorhabens.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 57.84 -, BRS 47 Nr. 5.
101
Diese Abwägungsentscheidung im Einzelfall fällt zugunsten der Klägerin aus. Die
Darstellung der BSAB an anderer Stelle im GEP setzt sich gegenüber dem Vorhaben
der Klägerin nicht durch.
102
4.2.1. Von erheblicher Bedeutung für die Abwägung ist es, dass der
Flächennutzungsplan der Stadt N den Vorhabenstandort ausdrücklich als Bereich für
Abgrabungen darstellt.
103
Die Übereinstimmung mit dem Flächennutzungsplan als solche genügt allerdings nicht,
um dem Vorhaben der Klägerin bei der Abwägung Vorrang einzuräumen. Der
Flächennutzungsplan hat keine positive Kraft,
104
vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1968 - IV C 18.66 -, NJW 1969, 68.
105
Gleichwohl hat die Darstellung des Flächennutzungsplanes erhebliches Gewicht. Sie
wertet zum einen die privaten Interessen der Klägerin auf, für deren Belange
Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes streiten, und führt andererseits dazu, dass den
öffentlichen Belangen ein geringeres Gewicht zukommt. Denn mit der Darstellung im
Flächennutzungsplan ist dokumentiert, dass nach dem weiterhin maßgeblichen
Planungswillen der Gemeinde in ihrem Stadtgebiet weiterhin an dieser Stelle
Abgrabungen erwünscht sind. Die Regelwirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB,
wonach öffentliche Belange bei einer Ausweisung an anderer Stelle im
Flächennutzungsplan oder als Ziel der Raumordnung entgegenstehen, kann unter
diesen Umständen nicht eintreten; zwischen Flächennutzungsplan und GEP 99 besteht
ein bisher nicht ausgeräumter Widerspruch. In einem Kollisionsfall zwischen
Regionalplan und Bauleitplan beanspruchen beide Pläne gleichzeitig rechtliche
Wirksamkeit; der Bauleitplan ist nicht etwa obsolet,
106
vgl. BayVGH, Urteil vom 16. November 1993 - 8 B 92.3559 -, NVwZ 1994, 705.
107
Ein Ziel der Regionalplanung würde allein die Beachtenspflicht nach § 4 Abs. 1 ROG
auslösen, die mit einem Anpassungsverlangen nach § 33 Abs. 1 LPlG NRW - das hier
nicht ausgesprochen worden ist - durchgesetzt werden könnte.
108
Daraus ergibt sich, dass nicht einmal Ziele der Regionalplanung dem bestehenden
Flächennutzungsplan vorgehen würden. Für einen bloßen Grundsatz der Raumplanung
kann dies umso weniger gelten.
109
4.2.2. Hinzu kommt, dass der in Rede stehende Grundsatz der Raumordnung
vornehmlich wasserwirtschaftliche Belange schützt. Diese werden ohnehin noch
Gegenstand eines wasserrechtlichen Verfahrens sein.
110
4.2.3. Unter diesen Umständen setzt sich das im Außenbereich privilegierte Vorhaben
der Klägerin durch. Zu der Privilegierung kommt hinzu, dass der Erweiterung einer
111
bestehenden Abgrabung gegenüber öffentlichen Belangen in der Regel ein stärkeres
Gewicht beizumessen ist als dem Vorhaben eines standortmäßig noch ungebundenen
Betriebs.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 57.84 -, BRS 47 Nr. 5 (S. 22).
112
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
113
Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Rechtssache hat wegen der aufgeworfenen Fragen zu Wirkungen und Reichweite
der Ausweisung von BSAB im GEP 99 in der Fassung seiner 32. Änderung
grundsätzliche Bedeutung.
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