Urteil des VG Düsseldorf vom 17.03.2004

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 K 6368/03
Datum:
17.03.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 K 6368/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Aufstellung von Automaten mit und ohne
Gewinnmöglichkeit in Spielhallen.
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Nach vorherigem Betrieb meldete die Klägerin die Spielstätte U, Istraße 00 in 00000 M
zum 31. Mai 2002 ab. Eine Neuanmeldung zum 1. Juni 2002 erfolgte durch die W
GmbH; zum 31. März 2003 wurden die Geräte durch die W GmbH abgemeldet. Die
Spielstätte wurde durch die Klägerin ab 1. April 2003 wieder angemeldet.
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Mit Vergnügungssteuerbescheid vom 15. Mai 2003 zog der Beklagte die Klägerin für die
in der Spielstätte U (Istraße 00, 00000 M) aufgestellten Automaten für die Zeit von April
bis Dezember 2003 zu Vergnügungssteuern in Höhe von 26.010,00 Euro heran. Dem
liegt folgende Berechnung zu Grunde: 8 Apparate mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen
x 300,00 Euro/Steuersatz pro Monat pro Apparat, 7 Apparate ohne Gewinnmöglichkeit in
Spielhallen x 70,00 Euro/Steuersatz pro Apparat pro Monat.
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Die Klägerin legte gegen die Heranziehung Widerspruch ein, der im Wesentlichen damit
begründet wurde, der Steuersatz für Geldspielgeräte in Spielstätten habe erdrosselnde
Wirkung, da ein durchschnittliches vor Ort tätiges Aufstellunternehmen weder eine
angemessene Kapitalverzinsung noch einen Unternehmerlohn erwirtschaften könne.
Dabei wird abgestellt auf die von der Forschungsstelle für den Handel, Berlin,
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erhobenen repräsentativen Daten für ein Automatenunternehmen in Nordrhein-
Westfalen. Mithin bleibe keine Wahl als auf gerichtlichem Wege, dann unter Vorlage
konkreter betriebsbezogener Daten, den Nachweis der Erdrosselungswirkung zu führen.
Der Beklagte bat mit Schreiben vom 6. August 2003, für die weitere Bearbeitung des
Widerspruchs die angeführten Zahlen durch Vorlage der betriebswirtschaftlichen
Unterlagen (Bilanzen, Steuerbescheide) zu belegen. Mit Erwiderung vom 14. August
2003 teilte die Klägerin mit, der Aufforderung, konkrete betriebswirtschaftliche
Unterlagen vorzulegen, werde nicht nachgekommen. Es komme hinsichtlich der
Feststellung der Erdrosselungswirkung der Steuer nicht auf die betriebswirtschaftlichen
Daten des einzelnen Unternehmens an; der durchschnittliche Betreiber sei maßgeblich.
Die von der Forschungsstelle für den Handel repräsentativ erhobenen
Durchschnittszahlen für Nordrhein-Westfalen seien übermittelt worden; die Ergebnisse
in M wichen nicht von dem landesweiten Durchschnitt ab.
Der gegen die Heranziehung gerichtete Widerspruch wurde durch den
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 26. August 2003 - zugestellt am 28. August
2003 - als unbegründet zurückgewiesen; dabei führte der Beklagte aus, es seien keine
konkreten Anhaltspunkte angegeben, die eine erdrosselnde Wirkung der erhöhten
Steuersätze für das in M tätige Automatenaufstellergewerbe zu begründen vermöchten.
Der Aufforderung, die Ausführungen durch entsprechende Unterlagen zu belegen, sei
nicht nachgekommen worden. Nach Inkrafttreten der Vergnügungssteuersatzung habe
keine Spielhalle in M geschlossen; daraus sei zu schließen, dass die Betreibung der
Spielhallen nach wie vor für den durchschnittlichen Unternehmer rentabel sei.
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Mit der am 29. September 2003, einem Montag, erhobenen Klage macht die Klägerin im
Wesentlichen geltend, die Vergnügungssteuersatzung sei hinsichtlich der Steuersätze
für Spielgeräte in Spielhallen verfassungswidrig, da die festgesetzten Pauschalsätze
erdrosselnde Wirkung hätten.
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Die Klägerin beantragt,
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den Vergnügungssteuerbescheid des Beklagten vom 15. Mai 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26. August 2003 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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wobei er sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide bezieht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
Bezug genommen.
13
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid des Beklagten vom 15. Mai 2003 in der
Fassung des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 26. August 2003 ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Vergnügungssteuerbescheid findet seine Rechtsgrundlage in der Satzung über die
Erhebung von Vergnügungssteuer in der Stadt M. (Vergnügungssteuersatzung) vom 11.
Dezember 2002. Diese Satzung ist formell ordnungsgemäß zu Stande gekommen;
Bedenken sind insoweit weder geltend gemacht worden noch von Amts wegen
ersichtlich.
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Die Regelungen der Vergnügungssteuersatzung bilden für die erfolgte Heranziehung
der Klägerin eine wirksame Rechtsgrundlage.
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Die Vergnügungssteuersatzung ist zunächst kompetenzgemäß erlassen worden. Nach
Art. 105 II a GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen
Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich
geregelten Steuern gleichartig sind. Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 II a GG
erfasst dabei nicht die herkömmlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, selbst wenn sie
dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausschöpfen wie Bundessteuern. Zu
diesen traditionellen Kommunalsteuern gehört die Vergnügungssteuer,
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2001, NVwZ 2001, 1264, 1265.
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Mit dem Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Vergnügungssteuer vom 26.
November 2002 (GV. NW. Seite 611 folgende) hat der Landesgesetzgeber NRW zum
Ende des Jahres 2002 das Gesetz über die Vergnügungssteuer vom 14. Dezember
1965, zuletzt geändert am 1. Juli 1988, aufgehoben. Die Befugnis zur Erhebung der
Vergnügungssteuer wird nunmehr in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise durch § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW auf die Gemeinden übertragen. Gemäß § 3
Abs. 1 Satz 1 KAG NRW können die Gemeinden Steuern erheben. Die dem
gemeindlichen Satzungsgeber zugewachsene Besteuerungsgewalt eröffnet diesem
einen weit reichenden Spielraum zur Ausgestaltung, Veränderung oder auch
Fortentwicklung der Steuer. Derartige steuerrechtliche Regelungen sind unter dem
Blickwinkel der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung solange
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, als sie die herkömmlichen, die jeweilige
Steuer kennzeichnenden Merkmale wahren.
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§ 8 Abs. 2 Nr. 1 der Vergnügungssteuersatzung der Stadt M lautet:
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„Die Steuer beträgt je Apparat und angefangenen Kalendermonat bei der Aufstellung
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1. in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen (§ 1 Nr. 5 a) bei
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a) Apparaten mit Gewinnmöglichkeit 300,00 Euro
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b) Apparaten ohne Gewinnmöglichkeit 70,00 Euro."
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Diese Sätze der erhobenen Spielautomatensteuer überschreiten nicht die nach Art. 12 I
GG zulässige Grenze eines Eingriffs in die Berufsfreiheit. Die Vergnügungssteuer hat
nur dann eine unzulässige erdrosselnde Wirkung, wenn sie dazu führt, dass die
betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen
wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf des
Spielautomatenaufstellers ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu
machen,
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vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 1998 - 8 B 228.97 -, BVerwG, Urteil vom 22.
Dezember 1999 - 11 CN 1/99 -, NVwZ 2000, Seite 936 folgende.
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Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und schließt
sich nicht dem Bundesfinanzhof (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2000 - II R 36/98 -) an,
wonach die Spielgerätesteuer einen verfassungswidrigen Verbotscharakter bereits dann
hat, wenn auf Grund dieser Steuer das Aufstellen von Spielgeräten mit
Gewinnmöglichkeiten in Spielhallen für einen durchschnittlichen Betreiber in aller Regel
unwirtschaftlich ist, d.h. keine angemessene Kapitalverzinsung und keinen
Unternehmerlohn mehr abwirft.
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In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Steuererhebung als
mittelbare Regelung der Berufsausübung durch gewichtige Interessen der Allgemeinheit
gerechtfertigt ist. Es erscheint angemessen und verhältnismäßig, wenn die
Allgemeinheit durch eine Steuer an dem Aufwand für das Vergnügen des Spielens
beteiligt wird, auch wenn dadurch die Rentabilitätsgrenze der Gewinnspielapparate
herabgesetzt werden sollte. Insbesondere durch die erhöhte Steuererhebung für
Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeiten in Spielhallen kann der Verursachung von
Allgemeinlasten vorgebeugt werden.
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Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass die Besteuerung es
unmöglich werden ließe, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen
Grundlage der Lebensführung zu machen. Die Klägerin spricht zwar von erdrosselnder
Wirkung, dabei handelt es sich aber lediglich um unsubstantiierte Behauptungen, die
durch keine tatsächlichen Umstände, Anhaltspunkte oder Unterlagen belegt werden, die
die Kammer zu einer näheren Prüfung der vorgelegten Zahlen veranlassen könnten.
Der Beweisantrag der Klägerin stellt sich insoweit als unzulässiger
Ausforschungsbeweis dar. Die von der Klägerin aufgeführten Daten - erhoben von der
Forschungsstelle für den Handel, Berlin - beziehen sich auf ein durchschnittliches
Automatenunternehmen in Nordrhein- Westfalen, sind mithin für das Gebiet der Stadt M
nicht repräsentativ. Für die Frage der Erdrosselungswirkung der Steuersätze ist auf das
Gebiet der satzungsgebenden Gemeinde abzustellen, da sich die Verhältnisse von
Gemeinde zu Gemeinde (Einwohnerzahl, Finanzkraft, Anzahl der Spielhallen u.ä.)
unterschiedlich gestalten.
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Aus der Gesamtschau ergibt sich für die Kammer das Bild, dass die Gesichtspunkte
deutlich überwiegen, die gegen Erdrosselungswirkung sprechen. Dies zeigt zunächst
die Entwicklung der Zahl der Spielhallen und Geldspielgeräte/Unterhaltungsgeräte: Mit
Stand 14. Oktober 2002 gab es in M 13 Spielhallen mit 114 Geldspielgeräten/ 98
Unterhaltungsgeräten; Stand 25. Februar 2004 waren es 11 Spielhallen mit 94
Geldspielgeräten/66 Unterhaltungsgeräten. Ein Vergleich dieser Zahlen vor und nach
Inkrafttreten der Vergnügungssteuersatzung mit den als erdrosselnd gerügten Sätzen
zeigt, dass die Anzahl jeweils nur unwesentlich zurückgegangen ist, sich die
Steuersätze mithin nicht erdrosselnd ausgewirkt haben. Im Vergleich mit umliegenden
Städten sind in M darüber hinaus die meisten Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit in
Spielhallen - bezogen auf die Einwohnerschaft - vorhanden; dies spiegelt wider, dass es
sich um einen wirtschaftlich rentablen Standort handelt. Aus den einzelnen
Verwaltungsvorgängen betreffend die jeweiligen Kläger sind keine Anhaltspunkte dafür
zu erkennen, dass sich die Steuersätze in der festgesetzten Höhe für die Kläger
erdrosselnd auswirken: Die Spielhallen sind zum Teil erst unter der Geltung der neuen
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Vergnügungssteuersatzung angemeldet worden, es sind kaum Stundungsanträge
gestellt worden, desgleichen sind bezogen auf die Anzahl der Spielhallen bei der
Kammer nur wenige Anträge auf Aussetzung der Vollziehung bzw. Klagen
eingegangen. Dieses Bild ergibt sich durchgängig für die in der mündlichen
Verhandlung vom 17. März 2004 beteiligten Gemeinden. Für speziell die Klägerin gilt
darüber hinaus, dass sie durch Schreiben des Beklagten vom 6. August 2003 gebeten
worden ist, die angeführten Zahlen durch Vorlage der betriebswirtschaftlichen
Unterlagen zu belegen, dieser Aufforderung ausweislich ihres Schreibens vom 14.
August 2003 jedoch nicht nachgekommen ist.
Ferner haben in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 auf der Grundlage
des Kommunalisierungsmodellgesetzes insgesamt 23 nordrhein- westfälische
Kommunen von der eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, von den
vorgegebenen Steuersätzen des Vergnügungssteuergesetzes NRW abzuweichen; dies
führte zu Steuersätzen für Apparate mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen in Dortmund
von 230,00 Euro, Essen 240,00 Euro, Köln 245,00 Euro, Düsseldorf 250,00 Euro. Bei
den am Modellversuch beteiligten Kommunen konnte ein Rückgang der aufgestellten
Geld- und Unterhaltungsspielgeräte durchgängig nicht festgestellt werden. Der
geringfügige Rückgang der Geräte bei einer Gesamtbetrachtung der Modellkommunen
unterschied sich nicht signifikant von der Entwicklung der Zahlen entsprechender
Spielapparate bei den nicht am Modellversuch beteiligten Gemeinden. Die Anzahl der
Geldspielgeräte in Spielhallen ist von Anfang 1998 bis 31. Dezember 2001 in den an
dem Modellversuch beteiligten Kommunen lediglich um 5,1% zurückgegangen; die
Anzahl der Unterhaltungsgeräte in Spielhallen nur um 4,7%.
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Gegen erdrosselnde Wirkung der Steuersätze in der festgesetzten Höhe spricht auch
die hierzu bislang ergangene Rechtsprechung: Der Hess. VGH hat in seinem Beschluss
schon vom 14. März 1996 - ZKF 1996, 232 folgende - ausgeführt, Steuersätze für
Spielapparate mit Gewinnmöglichkeit von 400,00 DM je Kalendermonat und Gerät bei
Aufstellung in Spielhallen und von 160,00 DM bei Aufstellung in Gaststätten
begegneten im Hinblick auf das Erdrosselungsverbot keinen durchgreifenden
Bedenken. Mit Urteil vom 22. Dezember 1999 hat das Bundesverwaltungsgericht - 11
CN 1/99 - (NVwZ 2000, 936 folgende) eine Steuer je Kalendermonat für Automaten in
Spielhallen mit Gewinnmöglichkeit in Höhe von 600,00 DM als nicht erdrosselnd
erachtet und ausgeführt, die Voraussetzungen, dass die Besteuerung es unmöglich
werden lasse, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage
der Lebensführung zu machen, seien nicht gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat
durch seinen Beschluss vom 3. Mai 2001 - NVwZ 2001, 1264 folgende - betont, der
Charakter der Steuer als einer Aufwandsteuer werde nicht dadurch geändert, dass diese
als Pauschsteuer mit einem monatlichen Betrag von 500,00 DM je Gerät erhoben
werde.
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Eine weitere Vergleichsberechnung indiziert, dass den in der
Vergnügungssteuersatzung festgesetzten Beträgen für Apparate - insbesondere mit
Gewinnmöglichkeit - in Spielhallen keine erdrosselnde Wirkung zukommt: Geht man
von den von der Forschungsstelle für den Handel, Berlin, erhobenen repräsentativen
Daten für ein Automatenunternehmen in Nordrhein-Westfalen aus, so ergibt sich für ein
einzelnes Geldspielgerät in einer Spielstätte pro Monat als Kasse 1.732,00 Euro. Bei
Berücksichtigung der vorgeschriebenen Mindestquote von 60% Spielergewinn folgt,
dass die Spieler mindestens 4.330,00 Euro pro Gerät im Monat als Einsatz aufbringen.
Ein monatlicher Steuersatz von 300,00 Euro macht 17,32% des Erlöses und 6,92% des
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gesamten Spieleinsatzes aus. Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1.
April 1971 (BVerfGE 31, 8 folgende) lagen erheblich höhere Werte von 22,05% bzw.
8,82% zu Grunde. Zudem bedeutet ein monatlicher Erlös von 1.732,00 Euro gegenüber
dem damals Festgestellten von 69,54 Euro eine Erhöhung um das 24,9-fache, während
die Steigerung des Steuersatzes von damals 15,34 Euro auf jetzt 300,00 Euro dahinter
mit dem 19,55- fachen zurückbleibt.
Der in der Vergnügungssteuersatzung der Stadt M vom 11. Dezember 2002 normierte
hohe Steuersatz von 300,00 Euro für Apparate mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen ist
schließlich durch einen besonderen Lenkungszweck gerechtfertigt. Eine
steuerrechtliche Regelung, die Lenkungswirkungen in einem nicht steuerlichen
Kompetenzbereich entfaltet, setzt keine zur Steuergesetzgebungskompetenz
hinzutretende Sachkompetenz voraus. Der kommunale Satzungsgeber ist deshalb zur
Regelung von Lenkungssteuern zuständig, mag die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck
sein, sofern die Finanzfunktion der Steuer nicht durch die Lenkungsfunktion verdrängt
wird. Die Steuerbefugnis der Länder umfasst wesensmäßig das Recht, auf den Umfang
einer vom Bundesgesetzgeber erlaubten Tätigkeit irgendwie Einfluss zu nehmen und
als Nebenzweck neben dem rein fiskalischen Zweck der Einnahmeerzielung auch
andere Zwecke zu verfolgen,
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2001, NVwZ 2001, 1264 folgende.
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Aus den Verwaltungsvorgängen, die dem Erlass der Vergnügungssteuersatzung zu
Grunde liegen, ist zu entnehmen, dass Ermittlungen über die in M vorhandene Anzahl
der Spielhallen sowie die Anzahl der Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit durchgeführt
worden sind. Bei dieser Erhebung wurde festgestellt, dass in der Stadt M bedeutend
mehr Spielgeräte in Spielhallen aufgestellt sind als bezogen auf die Einwohnerzahl in
den umliegenden Städten. Der Rat der Stadt M hat sich daher entschlossen, mit der
Vergnügungssteuer neben der Einnahmeerzielung im Sinne einer Eindämmung der
Spielgeräte lenkend tätig zu werden. Die Höhe des Steuersatzes ist mithin durch das
Ziel gerechtfertigt, der Verbreitung der Spielsucht entgegenzuwirken. Das Lenkungsziel
besteht in dem Bestreben, ein Verhalten, das Folgekosten für die Gemeinschaft
verursachen kann, unattraktiver zu machen. Der Anreiz zum Besuch einer Spielhalle
kann dadurch hervorgerufen oder verstärkt werden, dass eine solche gerade in der
Nachbarschaft und leicht erreichbar vorhanden ist. Der beabsichtigte Lenkungszweck
erweist sich umso mehr als zulässig, als bereits bei den Beratungen zur
Satzungsgebung angedacht wurde, die Vergnügungssteuer wieder zu senken, wenn die
Anzahl der Apparate in Spielhallen in der Stadt M auf ein durchschnittliches Maß
zurückgegangen ist.
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Zu den die Vergnügungssteuer als Aufwandsteuer kennzeichnenden Merkmalen gehört
ferner, dass sie auf den Benutzer der Veranstaltung abwälzbar sein muss. Die
Überwälzbarkeit einer Steuer bedeutet jedoch nicht, dass dem Steuerschuldner die
rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag - etwa
wie einen durchlaufenden Posten - von der vom Steuergesetz der Idee nach als
Steuerträger gemeinten Person auch ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung ist ein
wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den
Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines
Unternehmens auch dann zu wahren,
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2001, NVwZ 2001, 1264 folgende.
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Für die gebotene kalkulatorische Abwälzbarkeit genügt es, dass der Steuerpflichtige
nach Einstellung der Steuer in seine Selbstkosten durch geeignete Maßnahmen -
Umsatzsteigerung oder Senkung sonstiger Kosten - die Wirtschaftlichkeit seines
Unternehmens aufrechterhalten kann,
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vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 1998 - 8 B 228.97 -.
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Diese Voraussetzung ist zumindest solange gegeben, wie der Spielereinsatz nicht nur
den Steuerbetrag und die sonstigen notwendigen Unkosten für den Betrieb des
Spielgerätes deckt, sondern in der Regel sogar noch Gewinn abwirft,
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. April 1971, BVerfGE 31, 8, 20.
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Die Steuer ist grundsätzlich auf die Spieler abwälzbar; dies ergibt sich im Einzelnen aus
den Erwägungen, die dazu geführt haben, erdrosselnde Wirkung zu verneinen. Zwar
stehen bei Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit die zulässige Höhe des Einsatzes und
die statistische Gewinnchance fest, der Unternehmer kann die Wirtschaftlichkeit seines
Unternehmens aber durch andere Maßnahmen aufrecht erhalten; so ist der Kammer
nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2004 z.B. bekannt, dass
die Geldspielgeräte zum Teil nur zu 27% der Öffnungszeiten benutzt werden.
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Die Erhebung nach dem Steuermaßstab der Stückzahl an Spielautomaten mit
Gewinnmöglichkeit ist auch im Hinblick darauf nach wie vor verfassungsgemäß, dass
heute durch den Einbau von entsprechenden Zählwerken eine exakte Erfassung der
Einspielergebnisse möglich ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Form der
Steuererhebung vor dem Hintergrund, dass die Spielautomatensteuer historisch als eine
am Maßstab der Apparatestückzahl orientierte Pauschalsteuer entstanden ist und
angesichts des weiten Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgeber bei der Beachtung
des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG zusteht, im Hinblick auf
die Einfachheit der Steuererhebung aus Gründen der Praktikabilität für zulässig
erachtet,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1999 - 11 CN 1/99 -, NVwZ 2000, 936 folgende.
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Die Kammer folgt dieser Rechtsauffassung, wonach die Erhebung der
Spielautomatensteuer nach dem Steuermaßstab einer Stückzahl an Automaten auch in
Ansehung heute bestehender Möglichkeiten zur exakten elektronischen Erfassung der
Einspielergebnisse nach wie vor dem Prinzip der Steuergerechtigkeit entspricht,
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vgl. zur Zulässigkeit der Pauschsteuer auch BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2001, NVwZ
2001, 1264 folgende; VG Hannover, Urteil vom 13. Februar 2002, ZKF 2002, 275;
Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 14. November 2001, ZKF 2002, 108.
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Die Klage war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1, 2
VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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