Urteil des VG Düsseldorf vom 14.10.2004

VG Düsseldorf: serbien und montenegro, duldung, abschiebung, bedingung, rechtswidrigkeit, nichtigkeit, kostenverteilung, ermessen, aufenthaltsbewilligung, ausbildung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 L 3103/04
Datum:
14.10.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24 Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
24 L 3103/04
Tenor:
1. Dem Antragsgegner zu 1. wird im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt, die Antragstellerin am heutigen 14. Oktober 2004
abzuschieben. Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Gerichtskosten tragen die Antragstellerin zu 3/4 und der
Antragsgegner zu 1. zu 1/4. Die außergerichtlichen Kosten des
Antragsgegners zu 1. tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner
zu 1. jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der
Antragsgegnerin zu 2. trägt die Antragstellerin.
3. Der Streitwert wird auf Euro 1.250,- festgesetzt.
Gründe:
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Der am heutigen 14. Oktober 2004 eingegangene sinngemäße Antrag,
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im Wege der einstweiligen Anordnung
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dem Antragsgegner zu 1. zu untersagen, die Antragstellerin abzuschieben, und den
Antragsgegner zu 1. zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig weiter zu dulden,
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die Antragsgegnerin zu 2. zu verpflichten, dem Antragsgegner zu 1. aufzugeben, die
Antragstellerin nicht abzuschieben und sie vorläufig weiter zu dulden,
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- der dem Wortlaut nach ferner gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls auf die Gewährung von
Abschiebungsschutz gegenüber beiden Antragsgegnern gerichtet und stellt somit kein
eigenständiges Begehren dar -,
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hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist er jedenfalls
unbegründet.
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1. Der Abschiebung der Antragstellerin durch den Antragsgegner zu 1. am heutigen
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Tage steht entgegen, daß die Antragstellerin noch im Besitz einer Duldung ist (§ 55 Abs.
1 AuslG). Denn ihr war nach telefonischer Auskunft des Antragsgegners zu 1. vom
heutigen Tage zuletzt eine Duldung mit Gültigkeitsdauer bis zum 21. Oktober 2004
erteilt worden. Diese ist auch nicht durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung
erloschen. Die der Duldung beigefügte Bestimmung, wonach diese erlösche, „sobald
Ihre Abschiebung nach Serbien und Montenegro tatsächlich möglich ist bzw. Ihr
Rückflug also gebucht und durchgeführt werden kann", ist rechtswidrig und nichtig, denn
es fehlt ihr an der erforderlichen Bestimmtheit,
s. zur Rechtswidrigkeit einer solchen Bestimmung schon Beschluß der Kammer vom 18.
September 2003, 24 L 3223/03.
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Die tatsächliche Möglichkeit der Abschiebung kann von mannigfaltigen Faktoren
abhängen,
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vgl. zu ähnlichen Klauseln VG Stuttgart, B. v. 21.05.1999, 11 K 3019/98, AuAS 1999,
182; B. v. 17.12.2001, 2 K 4525/00, InfAuslR 2002, 190.
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Im vorliegenden Fall etwa läßt sich daher nicht sagen, ob die Bedingung erst am
heutigen Tage eingetreten ist, an dem eine Abschiebung offensichtlich möglich ist, oder
nicht vielleicht schon vor Tagen oder Wochen, als eine Abschiebung vielleicht auch
schon möglich gewesen wäre. Der „bzw."-Halbsatz der Bestimmung trägt noch
zusätzlich zur Verunklarung bei. Es ist nicht erkennbar, ob er eine Erläuterung des
ersten Halbsatzes, inhaltlich also identisch sein, oder diesen einschränken oder
erweitern soll.
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Im Übrigen ergibt sich die Rechtswidrigkeit einer solchen Bedingung daraus, dass für
den Adressaten im Moment des Eintritts der Bedingung und damit des Erlöschens der
Duldung dies nicht erkennbar ist. Die Erkennbarkeit für den Adressaten ist namentlich
wegen der Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 92 Abs. 1 Nr. 1, 93 Abs. 1 AuslG und
im Hinblick auf die Notwendigkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes
unabdingbar.
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Aus der Rechtswidrigkeit folgt hier auch die Nichtigkeit, denn andernfalls würde eine
Bestimmung als wirksam anerkannt, deren Inhalt nicht bestimmt werden kann.
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2. Die Antragstellerin hat hingegen keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht,
soweit sie die vorläufige weitere Duldung (über den 21. Oktober 2004 hinaus) durch den
Antragsgegner zu 1. begehrt. Das Absolvieren einer Ausbildung, hier eines Lehrgangs
zur pharmazeutisch-technischen Assistentin, stellt keinen Duldungsgrund nach § 55
Abs. 2 Ausl dar, denn es fällt unter keinen der dort genannten Fälle. In Betracht käme -
vorbehaltlich des § 55 Abs. 4 AuslG - allenfalls eine Duldung nach § 55 Abs. 3 AuslG.
Abgesehen davon, daß die Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 AuslG nicht vorliegen
dürften, steht die Erteilung auch im Ermessen der Ausländerbehörde.
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Auch aus einem etwaigen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung würde
nach der Systematik des Ausländergesetzes ein Duldungsanspruch nicht folgen, weil
ein solches Bleiberecht sich grundsätzlich nur aus § 69 Abs. 2, 3 AuslG ergeben könnte.
Darüber hinaus ist ein solcher Anspruch auch nicht ersichtlich, denn da der Lehrgang
kein Abschiebungshindernis darstellt, kommt eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 5
i.V.m. Abs. 3, 4 AuslG nicht in Frage. Der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach §
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28 Abs. 1 Satz 1 AuslG würde § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG entgegenstehen. Ferner stellt auch
diese Vorschrift eine Ermessensvorschrift dar.
3. Soweit der Antrag sich gegen die Antragsgegnerin zu 2. richtet, ist von vornherein
nicht ersichtlich, woraus sich ein Anordnungsanspruch ergeben sollte, insbesondere da
nicht ersichtlich ist, daß die Konstellation des § 71 Abs. 5 AsylVfG gegeben sein könnte.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kostenverteilung
ergibt sich daraus, daß die Antragstellerin im Verhältnis zum Antragsgegner zu 1. zur
Hälfte und im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 2. in vollem Umfang unterlegen ist.
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Die Streitwertfestsetzung ist nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 2 GKG i.d.F. des
KostRMoG erfolgt.
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