Urteil des VG Düsseldorf vom 28.11.2005

VG Düsseldorf: firma, kläranlage, abschreibung, gemeindehaushalt, öffentliche ausschreibung, reparaturkosten, stille reserven, anteil, unternehmen, durchleitung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 5 K 4179/02
Datum:
28.11.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 4179/02
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten die Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt haben bzw. die Klage
zurückgenommen worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die
Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu Entwässerungsgebühren für das
Jahr 2001/2002. Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt waren sie zur Nutzung des
Grundstücks L2 Str. 146 in O berechtigt, von dem Schmutz- und Niederschlagswasser
leitungsgebunden in die öffentliche Kanalisation eingeleitet wird.
2
Der Beklagte erhebt seit dem 01. Januar 2000 eine getrennte Gebühr für die Ableitung
von Schmutz- und Niederschlagswasser. Die Benutzungsgebühr betrug 2001 pro
Kubikmeter Schmutzwasser 4,99 DM bzw. 2002 3,03 Euro und für den Quadratmeter
bebaute/überbaute und/oder befestigte Grundstücksfläche 2001 2,22 DM sowie 2002
1,43 Euro.
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Mit Bescheid vom 30. April 2002 erhob der Beklagte von der Klägerin zu 2. (im
Folgenden: Klägerin) und ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann, dem Kläger
zu 1., u.a. Entwässerungsgebühren in Höhe von 490,49 Euro für den Zeitraum vom 18.
Mai bis 31. Dezember 2001 endgültig sowie vom 01. Januar bis einschließlich 19. April
2002 vorläufig.
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Dagegen legten die Kläger am 03. Mai 2002 Widerspruch ein, der zunächst nicht weiter
begründet wurde. Allerdings führten sie in einem Schreiben an den Beklagten vom 13.
Mai 2002 aus, dass eine Kostensteigerung von über 18% bei den
Schmutzwassergebühren nicht gerechtfertigt sei. Ferner wären die Bundes- und
Landesflächen im Stadtgebiet bei der Ermittlung der zu entwässernden Gesamtfläche
unzulässigerweise nicht berücksichtigt worden. Auch lägen Überkapazitäten bei den
Kläranlagen des Beklagten vor.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2002 wies der Beklagte den Widerspruch
zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass die
Entwässerungsgebühren zutreffend kalkuliert worden seien. Der Gebührenanstieg beim
Schmutzwasser hinge maßgeblich damit zusammen, dass die Schmutzwassermengen
von Industrie und privaten Haushalten rückläufig seien. In diesem Zusammenhang
könne nicht von einer Überdimensionierung der Kläranlagen gesprochen werden,
vielmehr habe die Verwaltung sogar auf die zurückgehenden Schmutzwassermengen
reagiert und auf eine ursprünglich vorgesehene Erweiterung der Kläranlage O-Süd
verzichtet. Durch den Bau eines Verbindungskanals zwischen der Kläranlage O-Ost und
Süd sei eine ausgewogene Auslastung beider Anlagen sichergestellt worden. Die
Gebührensteigerung bei den Niederschlagswassergebühren hinge damit zusammen,
dass der ursprünglich bei der Einführung der Trenngebühr angesetzte Flächenanteil
nach der Erhebung aufgrund von Widersprüchen erheblich hätte reduziert werden
müssen. Im Übrigen würden die Bundes-, Landes- sowie Kreisstraßen im Rahmen der
Erhebung von Niederschlagswassergebühren ordnungsgemäß veranlagt.
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Dagegen haben die Kläger am 25. Juni 2002 Klage erhoben. In ihrer umfangreichen
Klagebegründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass sowohl die Kläranlage Ost als
auch die Kläranlage Süd nicht annähernd ausgelastet sei. Die letzten Ausbaustufen
beider Anlagen seien vor dem Hintergrund des bereits zum Planungszeitpunkt eindeutig
absehbaren Schrumpfens der großen und abwasserträchtigen Industriebetriebe im
Stadtgebiet des Beklagten quasi sehenden Auges erheblich zu groß geplant und
realisiert worden. Die Auslastung betrage etwa hinsichtlich der Schmutzfrachtbelastung
im äußersten Fall 76,56%, liege jedoch im Schnitt z.B. für 2002 nur bei 46,72%. Die
durch die Überdimensionierung entstehenden Mehrkosten dürften nicht die
Gebührenschuldner tragen, denn es handele sich bei den Kosten nicht um in der
Gebührenkalkulation ansatzfähige Kosten. Sie seien nicht durch die Leistungserstellung
für die allgemeinen Gebührenschuldner verursacht worden. Die Mehrkosten habe daher
der Beklagte zu tragen. Zudem sei die Aussonderung leistungsfremder Kosten nicht
rechtmäßig erfolgt, insbesondere habe der Beklagte nicht durch Vertrag mit der Firma G
GmbH ihr Teile der technisch einheitlichen Abwasserbehandlungsanlage zur Verfügung
stellen dürfen. Hierin liege eine ungerechtfertigte Begünstigung der Wirtschaft zu Lasten
der privaten Gebührenschuldner. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen,
dass der Beklagte es auch unterlassen habe, die Kosten für die Leistungserstellung an
die Firma G GmbH aus der Masse der durch die Gebühren umzulegenden Kosten
auszusondern. Dadurch habe der Benutzer der öffentlichen Einrichtung über die von
ihm zu entrichtenden Benutzungsgebühren hinaus Kosten zu tragen, die nicht durch die
Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, sondern durch die Mitbenutzung der
technisch einheitlichen Anlage durch Dritte außerhalb ihrer Widmung entstanden seien.
Darin liege ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot. Gleiches gelte für die
aus der Schlammanlieferung bzw. -abfuhr fließenden Erträge. Darüber hinaus liege
auch ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot im Hinblick auf die getrennte
7
Kostenträgerrechnung des Beklagten für die Schmutz- und
Niederschlagswasserbeseitigung vor. Den beiden Leistungsbereichen der Kläranlage
seien nicht diejenigen Kosten zugeordnet worden, die mit der Erbringung der
betreffenden gebührenpflichtigen Leistung verbunden wären, insbesondere seien die
Kläranlagenkosten nicht ordnungsgemäß zwischen Regen- und
Schmutzwasserbeseitigungskosten aufgeteilt worden. Die Bemessungsgrundlage unter
Zugrundelegung von Trockenwettertagen sei zu beanstanden. Hier habe der Beklagte
für das Jahr 2002 noch Werte einer bereits Ende 2001 geänderten Verwaltungsvorschrift
zur Ermittlung der Jahresschmutzwassermenge zugrundegelegt. Wären die geänderten
Werte als Grundlage für die Bemessung der Trockenwettertage angesetzt worden,
hätten andere Werte hinsichtlich der Schmutz- und Regenwasseranteile und damit bzgl.
der Aufteilung der Kosten zugrundegelegt werden müssen. Ferner sei die
Kostenverteilung hinsichtlich des Schmutz- und Regenwassers bei der
Mischwasserkanalisation (50,5% Schmutzwasser zu 49,5% Regenwasser) falsch
erfolgt. Dies mache die Kalkulation bereits hinfällig. Schließlich sei auch der von der
Beklagten in der Kalkulation 2001 sowie 2002 angesetzte Öffentlichkeitsanteil für die
Entwässerung der öffentlichen Straßen, Wege, Plätze ebenso wenig ordnungsgemäß
ermittelt wie der private Flächenanteil. Bezüglich der Ermittlung des
Öffentlichkeitsanteils habe das maßgebliche Ermittlungsgutachten des
Forschungsinstitutes für Wasser- und Abfallwirtschaft an der RWTH Aachen e.V. zur
Einführung der Abwassertrenngebühr aus dem Jahre 1999 die vom Tiefbauamt des
Beklagten mitgeteilten Werte über die öffentlich befestigte und bebaute Fläche
übernommen. Das Tiefbauamt habe in seinem Straßenverzeichnis mit Stand vom 12.
Mai 1999 jedoch 88 Straßen „vergessen" einzustellen. Auch seien Bundes-, Landes-
sowie Kreisstraßen nicht als öffentliche Flächen geführt. Daher sei der
Öffentlichkeitsanteil fehlerhaft. Die vom Beklagten praktizierte Art und Weise der
Ermittlung der privaten Grundstücksflächen könne ebenso keinen Bestand haben, da
die vom Forschungsinstitut ermittelten Werte auf Schätzungen beruhten und dies
unzulässig sei. Zu alledem sei auch bei der Vergabe der kaufmännischen
Geschäftsführung von der Stadtentwässerung an die B O GmbH (B) keine öffentliche
Ausschreibung erfolgt. Diese sei erforderlich gewesen, da ein sog. „In-House- Geschäft"
nicht angenommen werden könne, denn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe
der Beklagte noch nicht die Anteilsmehrheit von 51% an der B inne gehabt. Das
Fremdleistungsentgelt sei daher nicht anzusetzen. Gleiches gelte für den Auftrag zur
Erstellung und Fortschreibung eines Kanalkatasters und die Erstellung des
Verbindungskanals zwischen der Kläranlage O Ost und Süd, da beide Verträge
ebenfalls nicht ausgeschrieben worden seien. Im Übrigen würden durch die in § 5 Nr. 3
des Vertrages zwischen dem Beklagten und der Stadtwerke O GmbH über den „Kauf,
die Durchleitung und die Betriebsführung für den Sammler L3 Straße von der E Straße
bis zur Kläranlage Ost" vom 05. August 1999 festgelegten Entgelte für die Durchleitung
von Schmutzwasser durch den privatisierten Kanal, ausschließlich die privaten
Gebührenzahler belastet; es handele sich insoweit um einen unzulässigen Vertrag zu
Lasten Dritter. Sowohl Abschreibungen als auch Verzinsungen seien fehlerhaft erfolgt.
Der Beklagte schreibe nicht nur eine überdimensionierte Kläranlage, die so nie wieder
errichtet würde, ab, sondern ebenso Grundstücke und Grunddienstbarkeiten. Dies
ergebe sich aus der im WIBERA-Gutachten vom 18. Mai 1995 aufgeführten
Eröffnungsbilanz anlässlich der Errichtung der eigenbetriebsähnlich organisierten
Stadtentwässerung zum 1. Januar 1996. Ferner habe der Beklagte die für die
Verzinsung maßgeblichen Anschaffungs- und Herstellungswerte des
Sachanlagevermögens vor 1971 mittels Reindexierung von einem seinerzeit im
Mengenverfahren errechneten Wiederbeschaffungszeitwert ermittelt. Dies sei
unzulässig, da so erhöhte Verzinsungen entstünden. Im Übrigen hätte der Beklagte als
Index seinerzeit nicht den amtlichen Hochbau- sondern den Tiefbauindex zugrunde
legen müssen. Auch sei der Ansatz der kalkulatorischen Zinsen von 6,0% für 2001
sowie 5,5% für 2002 nicht gerechtfertigt. Abgesehen davon gebe es Differenzen
zwischen der Aktiva und Passiva-Seite der Bilanz. So werde eine sog. Kapitalrücklage
in Höhe von 240.471.736 DM auf der Passiva-Seite der Bilanz eingestellt, die fiktiv
durch die Errechnung der Eröffnungsbilanz auf Basis der Wiederbeschaffungszeitwerte
gebildet worden sei. Dieses Kapital sei ein rechtswidrig von dem Beklagten der
Stadtentwässerung gegebenes internes Darlehen, das letztlich durch verschiedene
Umbuchungen sogar auf 350.012.754 DM erhöht worden sei und ausschließlich den
Gebührenschuldner belaste. Auch verstoße die Einstellung eines Verlustvortrages von
4.392.241 Euro aus dem Jahr 1999 in die Gebührenkalkulation 2002 gegen § 6 Abs. 2
Satz 3 KAG. Ebenso sei die Beseitigung von Fremdwasser keine gegenüber den
Gebührenschuldnern abrechenbare Leistung. Schließlich sei insgesamt die ganze
Buchführung und Kalkulation des Beklagten aufgrund ständig wechselnder Zahlen
undurchsichtig und unverständlich. Einzelne Kostenpositionen in der Kalkulation seien
zu wenig konkret und genau. Im Übrigen gehe die Verflechtung von Politik und
Wirtschaft beim Beklagten ständig auf Kosten der privaten Gebührenzahler. Daher sei
die gesamte Gebührenkalkulation 2001 und 2002 fehlerhaft und der Gebührenbescheid
aufzuheben.
Mit Schreiben vom 26. Mai 2005 hat die Klägerin die Klage gegen die vorläufige
Festsetzung der Entwässerungsgebühren für den Zeitraum vom 20. April 2002 bis zum
31. Dezember 2002 zurückgenommen. Die Beteiligten haben, nachdem der Beklagte
den streitgegenständlichen Bescheid hinsichtlich des Klägers zu 1. aufgrund seines
Versterbens aufgehoben hat, insoweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 30. April 2002 und den Widerspruchsbescheid vom
27. Mai 2002 betreffend das Grundstück L2 Str. 146 in O insoweit aufzuheben, als darin
Entwässerungsgebühren für den Zeitraum vom 18. Mai 2001 bis zum 31. Dezember
2001 endgültig und für den Zeitraum vom 01. Januar 2002 bis zum 19. April 2002
vorläufig festgesetzt worden sind.
10
Der Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung wiederholt und vertieft er den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
14
Entscheidungsgründe:
15
Soweit die Beteiligten die Hauptsache aufgrund des Todes des Klägers zu 1.
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Gleiches gilt
für die Rücknahme der Klage durch die Klägerin zu 2. (im Folgenden: Klägerin) für den
16
Zeitraum vom 20. April 2002 bis zum 31. Dezember 2002.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
17
Der angefochtene Bescheid vom 30. April 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27. Mai 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Gebührenerhebung ist weder dem Grunde noch der Höhe
nach zu beanstanden.
18
Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu Kanalbenutzungsgebühren im
Veranlagungsjahr 2001 sowie 2002 sind die §§ 1 Abs. 1, 3, 4, 6, 7 sowie 11 der Satzung
des Beklagten über die Erhebung von Entwässerungsgebühren vom 17. Dezember
1999 (EntwGS) in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 15. Dezember 2000
(Gebührenjahr 2001), der 2. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2001 (Gebührenjahr
2002) sowie der Nachtragssatzung vom 05. August 2003, die rückwirkend zum 01.
Januar 2000 in Kraft gesetzt wurde und insbesondere § 11 der
Entwässerungsgebührensatzung mit dem Ziel der erforderlichen Übereinstimmung von
Kalkulations- und Veranlagungszeitraum zutreffend neu regelte.
19
Die Satzung steht -soweit das vorliegende Verfahren eine Überprüfung gebietet- mit den
Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG
NRW) sowie übergeordneten gebührenrechtlichen Grundsätzen in Einklang. Formelle
Bedenken gegen sie sind aus dem vorgebrachten Sachverhalt nicht ersichtlich, so dass
diesbezüglich seitens des Gerichts keine weiteren Aufklärungsmaßnahmen erforderlich
sind,
20
vgl. BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 - 9 CN 1/01, BVerwGE 116, 188ff.; OVG NRW, Urt. v.
04. November 1996 - 9 A 7237/95, m.w.N.
21
Materiell ist die Gebührensatzung ebenfalls nicht zu beanstanden.
22
Ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG liegt -
im Ergebnis - nicht vor.
23
Das Kostenüberschreitungsverbot besagt, dass das - im Prognosezeitpunkt der
Gebührenbedarfsberechnung für den kommenden Veranlagungszeitraum -
veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der über die
Gebühren zu finanzierenden Einrichtung in der Regel decken, sie aber nicht
überschreiten soll. Das heißt, in der Gebührenkalkulation
(Gebührenbedarfsberechnung), auf deren Grundlage der Gebührensatz ermittelt wird,
sind die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung (Kostenmasse - Dividend) und die
voraussichtlichen Maßstabseinheiten, auf die die Gesamtkosten zu verteilen sind
(Verteilungsmasse - Divisor), in der Weise zu veranschlagen, dass weder unzulässige
oder überhöhte Kostenansätze noch eine zu geringe Zahl von Maßstabseinheiten
angesetzt werden. Unerheblich sind dabei Kostenüberschreitungen von bis zu 3 %,
wenn die Überschreitung nicht auf bewusst oder schwer und offenkundig fehlerhaften
Kostenansätzen beruht. Zudem ist nach der ständigen Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen davon auszugehen, dass
der Gebührensatz lediglich im Ergebnis den Anforderungen des
Kostenüberschreitungsverbotes entsprechen muss. Das bedeutet, dass fehlerhafte
Kostenansätze dann keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des Gebührensatzes und
24
damit der Satzung insgesamt haben, wenn sich im Rahmen einer umfassenden Prüfung
herausstellt, dass zulässige Kostenansätze mit der Folge unterblieben oder zu niedrig
bemessen worden sind, dass sie die fehlerhaften Ansätze ausgleichen. Es ist
insbesondere zulässig, den Gebührensatz mit einer nach Abschluss der
Gebührenperiode - noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens - aufgestellten
Betriebsabrechnung zu rechtfertigen,
vgl. OVG NRW, Urt. v. 05. August 1994 - 9 A 1248/92, NWVBl. 1994, 428, 434; OVG
NRW, Beschl. v. 01. Juli 1997 - 9 A 3556/96, NWVBl. 1998, 118.
25
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist ein Verstoß gegen das
Kostenüberschreitungsverbot nicht festzustellen, so dass die der Festsetzung des
Gebührensatzes für die Gebührenjahre 2001 und 2002 zugrundeliegende
Gebührenkalkulation im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken
begegnet. Die Kosten der Verbundkläranlage des Beklagten sind gebührenfähig, da die
Kläranlage nicht überdimensioniert ist (I.). Ferner ist die Aussonderung der
leistungsfremden Kosten im Ergebnis beanstandungsfrei (II.). Gleiches gilt bezüglich der
Aufteilung der Kostenmassen für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung
(III.). Ebenso ist die Ermittlung des öffentlichen sowie des privaten Flächenanteils für die
Entwässerung im Ergebnis nicht zu beanstanden (IV.). Schließlich vermag die Klägerin
auch im Übrigen mit ihren Rügen zu den Gebührenkalkulationen nicht durchzudringen
(V.).
26
I.
27
Die auf den Betrieb der Verbundkläranlage O Süd und Ost für die Leistungserbringung
entfallenden Kosten sind als betriebsbedingt erforderliche Kosten in der
Gebührenbedarfsberechnung insgesamt ansatzfähig. Zwar werden beim Betrieb der
Anlage die vorhandenen Kapazitäten nicht voll ausgeschöpft. Die verbleibenden
Kapazitätsspielräume bilden entgegen dem Vortrag der Klägerin aber eine sachlich
gerechtfertigte Kapazitätsreserve, da die Reserven nicht auf einer Anlagenüberkapazität
im Sinne einer Überdimensionierung beruhen, sondern lediglich den
betriebsnotwendigen Auslastungsspielraum umfassen.
28
Grundsätzlich sind im Zusammenhang mit dem Betrieb der öffentlichen Einrichtung
entstandene Kosten nur dann in der Gebührenbedarfsberechnung zu berücksichtigen,
wenn sie betriebsbedingt erfolgt sind, d.h. durch die Leistungserstellung verursacht
wurden, und wenn sie erforderlich waren,
29
vgl. Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn 54.
30
Der Grundsatz der Erforderlichkeit besagt dabei, dass der gebührenpflichtige Nutzer
einen Anspruch darauf hat, nicht mit übermäßigen Kosten belastet zu werden. Neben
einer unmittelbar für den Umfang der angesetzten Kosten bedeutsamen
kostenbezogenen Komponente des Grundsatzes der Erforderlichkeit kommt ihm auch
eine einrichtungsbezogene Dimension zu, in der entscheidend ist, ob die vorhandenen
Anlagen der Einrichtung in der ausgeführten Weise erforderlich sind,
31
vgl. OVG NRW, Urt. v. 03. September 1980 - 2 A 2258/79; OVG RhPf, Urt. v. 20.
September 2001 - 12 A 10063/01, NVwZ-RR 2002, 690; VGH BW, Urt. v. 22. Oktober
1998 - 2 S 399/97, DVBl 1999, 409; Schulte/Wiesemann in: Driehaus,
32
Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn 70f.
Im Übrigen ist ebenfalls das, aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit herzuleitende,
Äquivalenzprinzip zu beachten, nach dem Gebühren in einem angemessenen
Verhältnis zu der von der öffentlichen Hand erbrachten Leistung stehen müssen. Die
Angemessenheit der Kosten ist nur ausnahmsweise dann zu verneinen, wenn die
Kosten in für den Einrichtungsträger erkennbarer Weise eine grob unangemessene
Höhe erreichen, also sachlich schlechthin unvertretbar sind und dadurch in einem
groben Missverhältnis zu dem verfolgten legitimen Gebührenzweck stehen,
33
vgl. BVerwG, Beschl. v. 27. Mai 2003 - 9 BN 3.03, Buchholz 401.84 Nr. 98; OVG SH, Urt.
v. 30. Januar 1995 - 2 L 128/95, DÖV 1995, 474; OVG RhPf, Urt. v. 20. September 2001
- 12 A 10063/01, NVwZ-RR 2002, 690.
34
Vorliegend sind sowohl der Grundsatz der Erforderlichkeit als auch das
Äquivalenzprinzip gewahrt, da eine Überdimensionierung der Verbundkläranlage nicht
festgestellt werden kann. Bei der Beurteilung der Auslastung einer Kläranlage ist zu
differenzieren. Nicht in der Gebührenkalkulation ansatzfähig sind grundsätzlich
Anlagenüberkapazitäten, sofern sie auf eine objektiv unrichtige Einschätzung der
tatsächlichen Bedarfslage zurückgehen und diese Fehleinschätzung des Bedarfs einen
von der Gemeinde zu vertretenden Planungsfehler darstellt, der ins Gewicht fällt und
auch nicht mehr durch die allen Prognosen innewohnenden Ungewissheiten zu
erklären ist,
35
Hess VGH, Beschl. v. 05.05.1989 - 5 TH 2098/85, Gemeindehaushalt 1990, 117; ähnl.
OVG NRW, Urt. v. 5. Dezember 1973 - II A 332/71, OVGE 10 S 146; Urt. v. 26. Februar
1982 - 2 A 1667/79, Gemeindehaushalt 1983, 113; Schulte/Wiesemann in: Driehaus,
Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn 75f.; allg. zur Frage der Überdimensionierung:
Queitsch, StuGR 1997, 155, 158, ders. AbfallR 2002, 30ff.; Dittmann, NWVBl. 1997, 413,
417; Dedy, StuGR 1994, 152, 158; Kuhnert/Schroedter, Gemeindehaushalt 2002, 50f.
36
Von dieser Überkapazität zu unterscheiden ist die sachlich gerechtfertigte
Kapazitätsreserve. Die Notwendigkeit der gewählten Anlagengröße kann sich etwa
nach den anerkannten Regeln der Technik, aus Sicherheitsgründen oder aus
technischen Zwangsläufigkeiten aber auch aus wirtschaftlichen Überlegungen ergeben.
Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsbetrieben muss die Kapazität auf die
Belastungsspitze und nicht nur auf die Durchschnittsgröße ausgerichtet werden. Ferner
muss bei sachgerechter Planung auch beachtet werden, dass erfahrungsgemäß in
Folge von Betriebsstörungen und Wartungsvorgängen zeitweise nur ein Teil der
Anlagenkapazität genutzt werden kann. Da Anlagen nicht nur für den im
Planungsstadium maßgeblichen Abwasseranfall, sondern gerade für den künftigen
Bedarf geplant werden, müssen auch dem Anlagenbetrieb innewohnende
Unwägbarkeiten und mögliche Änderungen künftiger Verhältnisse berücksichtigt
werden,
37
vgl. OVG NRW, Urt. v. 05. Dezember 1973 - II A 332/71, OVGE 10 S 146; Urt. v. 26.
Februar 1982 - 2 A 1667/79, Gemeindehaushalt 1983, 113; OVG MV, Beschl. v. 14.
September 2000 - 1 M 121/99, NordÖR 2001, 172; für MVA OVG NRW, Beschl. v. 19.
März 1998 - 9 B 144/98; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6
Rn 74.
38
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Überkapazität oder lediglich eine sachlich
gerechtfertigte Kapazitätsreserve vorliegt, ist zu beachten, dass den Einrichtungsträgern
bei der Einschätzung der Angemessenheit sowohl der Maßnahme als solcher wie auch
der dafür entstandenen Aufwendungen ein weiter Beurteilungsspielraum, der
grundsätzlich nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, zusteht und
dass es sich bei der Dimensionierung einer Kläranlage um eine Prognoseentscheidung
handelt, die nicht in allen Einzelheiten an rechtlich definierten und greifbaren
Maßstäben festzumachen ist und festgemacht werden muss,
39
vgl. OVG NRW, Urt. v. 05. Dezember 1973 - II A 332/71, OVGE 10 S 146; Urt. v. 26.
Februar 1982 - 2 A 1667/79, Gemeindehaushalt 1983, 113; OVG MV, Urt. v. 13.
November 2001 - 4 K 24/99, LKV 2002, 380; OVG MV, Urt. v. 02. Juni 2004 - 4 K 38/02,
DVBl 2005, 64; OVG Nds, Urt. v. 08. August 1990 - 9 L 182/89, DÖV 1991, 338; OVG
SH, Urt. v. 17. Januar 2001 - 2 L 9/00, juris; zu Müllverbrennungsanlagen OVG NRW
Urt. v. 5. April 2001 - 9 A 1795/99 -, KStZ 2001, 213 sowie OVG NRW Beschl. v. 19.
März 1998 - 9 B 144/98; OVG RhPf, Urt. v. 20. September 2001 - 12 A 10063/01, KStZ
2002, 52.
40
Nach Auffassung der Kammer sind derartige Prognoseentscheidungen des
Satzungsgebers -wie hier bezüglich der Dimensionierung der Verbundkläranlage- in der
Regel in einem zweistufigen Verfahren zu überprüfen: Stellt sich im Nachhinein heraus,
dass sich die bei der Anlagenplanung getroffene Prognose bewahrheitet hat, so wird in
der Regel auch von einer ordnungsgemäßen Prognoseentscheidung ausgegangen
werden können. Werden daher im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum die
prognostizierten Werte erzielt, kann daraus regelmäßig im Nachhinein der
Umkehrschluss gezogen werden, dass die getroffene Prognose nicht in einer durch das
Gericht zu beanstandenden Weise fehlerhaft gewesen ist. Lediglich dann, wenn
zumindest im streitgegenständlichen Gebührenjahr feststeht, dass sich der
prognostizierte Nutzungsumfang der Anlage so nicht bewahrheitet hat, bedarf es der
genaueren Überprüfung, ob nach dem Erkenntnisstand, der dem entscheidenden
Gremium bei seiner Beschlussfassung vorlag, die Prognose so hätte getroffen werden
dürfen. Erst dann ist entscheidend, ob nach den bei der Überkapazität dargelegten
Beurteilungsmaßstäben die Prognose ordnungsgemäß zustande gekommen ist.
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Dies führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Prognoseentscheidung im
Hinblick auf die Klärwerksgröße bereits deshalb ordnungsgemäß ist, weil in dem
streitgegenständlichen Zeitraum der Jahre 2001 und 2002 die Verbundkläranlage des
Beklagten bei der vorzunehmenden Gesamtbewertung der Kläranlage Ost und Süd (1.)
nahezu ausgelastet, teilweise sogar überlastet war und im Übrigen lediglich eine
sachlich gerechtfertigte Kapazitätsreserve vorlag (2.).
42
1.
43
Die Abwasserbehandlungsanlage des Beklagten teilt sich in die Kläranlage O Ost (im
Folgenden: KA Ost) und die Kläranlage O Süd (im Folgenden: KA Süd) auf, die durch
eine Verbindungstrasse aneinander gekoppelt sind.
44
Die KA Ost klärt zu ca. 70 % Industrieabwässer und hat neben einer mechanischen
Reinigungsstufe eine zweistufige Belebungsphase, die sogenannte Hochlaststufe (A-
Stufe), in der der maßgebliche Anteil der Abwässer geklärt wird, und die hinter diese
Stufe geschaltete Schwachlaststufe (B-Stufe), in der die Restklärung der Abwässer
45
erfolgt. Die KA Ost wurde zuletzt in zwei Bauabschnitten nach entsprechender
wasserrechtlicher Genehmigung (§ 58 Abs. 2 LWG NRW a.F.) durch die
Bezirksregierung vom 07. Dezember 1987 sowie vom 11. Oktober 1993 ausgebaut. Der
Ausbau wurde 1997 abgeschlossen.
Die KA Süd wird in einem mechanischen und einem einstufigen biologischen Verfahren
betrieben. Sie klärt vornehmlich Haushaltsabwässer und nur zu 20-30%
Industrieabwässer. Die Anlage wurde nach entsprechender wasserrechtlicher
Genehmigung (§ 58 Abs. 2 LWG NRW a.F.) durch die Bezirksregierung vom 18.
November 1996 ausgebaut. Nach Änderungsgenehmigung vom 15. April 1998 wurde
der weitere Ausbau der Kläranlage nur noch verkleinert ausgeführt und Ende 2000 /
Anfang 2001 fertiggestellt.
46
Die KA Ost und Süd sind durch eine ca. 6 km lange Verbindungstrasse miteinander
verknüpft. Die Trasse besteht aus zwei Leitungen; eine Leitung transportiert einen Teil
des Schmutzwassers von der KA Süd in die KA Ost, durch die zweite Leitung wird der
gesamte Klärschlamm der KA Süd in die KA Ost transportiert. Die Verbindungstrasse
wurde Ende 1999 vollendet.
47
Aufgrund der Verbindungstrasse zwischen den beiden Kläranlagen ist die Anlage -
jedenfalls solange die Trasse in Betrieb ist- als einheitlich funktionierende
Verbundkläranlage zu bewerten. Denn die in der KA Süd ankommenden
Schmutzwasserströme werden nach einer dortigen mechanischen Reinigung zur
weiteren biologischen Klärung zu einem nicht unerheblichen Teil der KA Ost (B- Stufe)
zugeführt. Dadurch konnte beim Ausbau der KA Süd auf den -ansonsten erforderlichen-
Bau eines Belebungsbeckens, eines Nachklärbeckens, einer Flockungsfiltration sowie
eines Faulbehälters und der gesamten Schlammentwässerung verzichtet werden. Eine
Vollklärung aller bei der KA Süd anlangenden Abwässer wäre dort momentan nicht
möglich. Somit bedingen sich die in den jeweiligen Becken zu klärenden
Schmutzfrachtmengen. Ebenso ist die Schlammentwässerung der KA Süd wegen
fehlender technischer Einrichtungen nur auf der KA Ost möglich. Ist demnach eine
Trennung der beiden Kläranlagen derzeit nicht ohne weiteres durchführbar, muss auch
eine einheitliche Betrachtung erfolgen.
48
2.
49
Bei der vorzunehmenden Gesamtbewertung der KA Ost und Süd stellt sich die
Abwasserbehandlungsanlage als nahezu ausgelastet, teilweise sogar als überlastet
dar. Im Übrigen liegt lediglich eine sachlich gerechtfertigte Kapazitätsreserve vor.
50
Für die Beurteilung der Auslastung der Verbundkläranlage in den Jahren 2001/2002 ist
nicht maßgeblich von der hydraulischen Auslastung auszugehen, sondern in erster
Linie die Schmutzfrachtbelastung in den Blick zu nehmen. Denn die hydraulische
Auslastung bezieht sich auf die Jahresabwassermenge, für die die Kläranlage
ausgelegt wird, und ist somit lediglich relevant für die Auslegung der Rohrleitungen, der
Aggregate sowie der Reinigungsleistung der mechanischen Stufe und der
Absetzbecken. Hingegen ist für das Erreichen ordnungsgemäßer Reinigungsergebnisse
und die Einhaltung der wasserrechtlichen sowie der diesbezüglichen sonstigen
gesetzlichen Vorgaben, die Bewältigung der Schmutzfrachtbelastung ungleich
bedeutsamer,
51
vgl. OVG MV, Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 24/99, LKV 2002, 380.
52
Die Reinigungsleistung biologischer Abwasserreinigungsverfahren hängt im Hinblick
auf die Schmutzfrachtbelastung fast ausschließlich von der Stoffwechseltätigkeit der zur
Klärung eingesetzten Bakterien ab,
53
vgl. Klopp, in: Frimmel, Wasser und Gewässer, Handbuch, 1999, S. 409.
54
Als allgemein anerkanntes Maß für die biologisch abbaubaren Stoffe in einem Wasser
wird dabei -neben dem für die Abwasserklärung u.a. auch bedeutsamen Stickstoff-
Parameter (Nges)- der biochemische Sauerstoffbedarf (BSB5-Wert) zugrundegelegt,
55
vgl. ATV-DVWK Regelwerk Arbeitsblatt A 131 - Bemessung von einstufigen
Belebungsanlagen, Mai 2000, S. 14ff.; Klopp, in: Frimmel, Wasser und Gewässer,
Handbuch, 1999, S. 373, 409ff.; Imhoff, Taschenbuch der Stadtentwässerung, 29. Aufl.,
1999, S. 118, 123.
56
Der BSB5-Wert bezeichnet die Menge an Sauerstoff, die von Mikroorganismen
innerhalb von fünf Tagen verbraucht wird, um die organischen Verbindungen bei 20°C
oxidativ abzubauen,
57
vgl. Klopp, in: Frimmel, Wasser und Gewässer, Handbuch, 1999, S. 373; Imhoff,
Taschenbuch der Stadtentwässerung, 29. Aufl., 1999, S. 118.
58
Unter Zugrundelegung des BSB5-Wertes ergeben sich folgende Auslastungswerte der
verschiedenen Stufen der Verbundkläranlage Ost und Süd: KA A-Stufe B-Stufe Ost (mit
Verbindungstrasse von KA Süd) Bemes- Ist-Werte 2001 Bemes- Ist-Werte 2001 sung
Vergleichswert - Max.- sung Vergleichswert - Max.- bemessung (50 Tge.) Wert
bemessung (50 Tge.) Wert 90 %- 90 %- Aus- 90 %- 90 %- Aus- Wert Wert lastung Wert
Wert lastung kg/d Kg/d % kg/d kg/d kg/d % kg/d BSB5 16.800 15.590 92,80 18.875
7.820 9.811 125,46 13.139 85 %- 85 %- Aus- 85 %- 85 %- Aus- Wert Wert lastung Wert
Wert lastung kg/d Kg/d % kg/d kg/d kg/d % kg/d BSB5 15.867 13.715 86,44 18.875
7.385 8.607 116,55 13.139 Die KA Ost und Süd werden durch eine etwa 6 km lange
Trasse miteinander verbunden. Die Trasse zweigt nach der mechanischen Stufe KA
Süd ab und führt das Abwasser der B-Stufe KA Ost zu. KA Mechanische Stufe
Biologische Stufe Süd (mit Verbindungstrasse zu KA Ost) Bemes- Ist-Werte 2001
Bemes- Ist-Werte 2001 sung Vergleichswert- Max.- sung Vergleichswert- Max.-
bemessung (50 Tge.) Wert bemessung (50 Tge.) Wert 85 %- 85 %- Aus- 85 %- Aus Wert
Wert lastung Wert lastung kg /d Kg/d % kg/d kg/d kg/d % kg/d BSB5 7.300 6.084 83,34
7.863 4.610 2.570 55,75 3.157 Die Bemessungswerte in der Tabelle richten sich nach
den BSB5-Werten pro kg/Tag (d) und sind auf den Zeitpunkt nach der letzten
Genehmigung bezogen. Die Werte sind grundsätzlich als 85%- Unterschreitungswerte
angegeben. Diese werden ermittelt, in dem aus der Gesamtmenge des vorhandenen
Datenmaterials die obersten 15% der Werte vernachlässigt werden, um die
Anlagenplanung von vornherein nicht an den Spitzenauslastungen zu orientieren. Diese
Betrachtungsweise ist für die Kläranlagenplanung anerkannt,
59
vgl. etwa ATV-DVWK Regelwerk Arbeitsblatt A 131 - Bemessung von einstufigen
Belebungsanlagen, Mai 2000, S. 14ff.
60
Lediglich bei der Planung der KA Ost ist der Beklagte in Übereinstimmung mit der
61
Bezirksregierung davon ausgegangen, dass 90%-Werte zugrundegelegt werden
müssten. Auf diesen Werten beruhte nach Angaben des Beklagten auch die
wasserrechtliche Genehmigung. Die Ist-Werte für das Jahr 2001 geben in der
Vergleichswertbemessung den BSB5-Wert an, der an fünfzig Tagen im Jahr an
verschiedenen Messstellen des Beklagten entnommen wurde. Die
Bemessungshäufigkeit ist mit der Bezirksregierung abgestimmt worden und insoweit
nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der 90% bzw. 85% Berechnungsmethode gilt das
zum Bemessungswert gesagte entsprechend. Durch diese Betrachtung werden die Ist-
Werte erst mit den Planungswerten vergleichbar. Bei den Ist-Werten 2001 „Max. Wert"
handelt es sich um den höchsten Schmutzfrachtwert, der an einem der fünfzig
Probetage 2001 vom Beklagten gemessen wurde.
Ausgehend von diesen Auslastungswerten zeigt die Verbundkläranlage lediglich
sachlich gerechtfertigte Kapazitätsreserven auf. Ob hinsichtlich der KA Ost eine 90%ige
Betrachtungsweise oder lediglich eine allgemein übliche 85%ige Betrachtung
gerechtfertigt ist, kann offen bleiben, da auch die im Rahmen einer 85%-Berechnung
ermittelten (niedrigeren) Werte keine Überkapazität begründen. Dies gilt ohnehin für die
mit etwa 117% Belastung bereits überlastete B-Stufe der KA Ost. Hinsichtlich der
geringen Differenzen zwischen der tatsächlichen und der geplanten Auslastung von 14
% im Rahmen der zu ca. 86 % beanspruchten A-Stufe der KA Ost sowie von 17% bei
der zu etwa 83% belasteten mechanische Stufe der KA Süd, hält es die erkennende
Kammer im vorliegenden Fall ohne weiteres für sachgerecht, diese Mehrkapazitäten als
gerechtfertigt anzusehen. Denn es handelt sich nicht um eine Überdimensionierung,
sondern vielmehr um eine Leistungsreserve.
62
Bei einer Abwasserbehandlungsanlage ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie
jederzeit eine effektive Abwasserreinigung gewährleistet (vgl. § 7a Abs. 1 WHG). Dies
schließt ein, dass die Anlage nicht nur auf Durchschnittsgrößen ausgerichtet werden
kann, sondern auch Belastungsspitzen abfangen muss, weil sonst die
Entsorgungssicherheit nicht gewährleistet werden kann und Überwachungswerte
überschritten werden,
63
vgl. OVG MV, Beschl. v. 14. September 2000 - 1 M 121/99, NordÖR 2001, 172;
Queitsch, AbfallR 2002, 30.
64
Insbesondere hat der Beklagte nachvollziehbar ausgeführt, dass tages- oder
jahreszeitbedingt erhebliche Schwankungen in der zufließenden Schmutzfrachtmenge
möglich sind, die von der Anlage ebenfalls aufgefangen werden müssen. In diesem
Zusammenhang darf nicht verkannt werden, dass zu gering dimensionierte
Entsorgungsanlagen Haftungsfragen und Haftungsfolgen nach sich ziehen können.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass erfahrungsgemäß durch Betriebsstörungen und
Wartungsvorgänge regelmäßig nur ein Teil der gesamten Anlagenkapazität genutzt
werden kann. Schließlich sind gerechtfertigte Kapazitätsreserven grundsätzlich deshalb
sinnvoll, weil auch ständige Erweiterungen der Anlagen mit unnötigen Kosten
verbunden sein können.
65
Die Annahme einer Kapazitätsreserve steht auch im Einklang mit der obergerichtlichen
Rechtsprechung, die bei Beurteilung der Anlagenauslastung im Hinblick auf die im
Rahmen eines Kläranlagenbetriebs auftretenden Unwägbarkeiten (wie etwa die bereits
benannten Ausfallzeiten, Wartungsarbeiten sowie sich ändernde rechtliche oder
tatsächliche Gegebenheiten) einen Spielraum von im Mittel etwa 20 % jedenfalls noch
66
als angemessen angesehen hat,
vgl. OVG NRW, Urt. v. 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79, Gemeindehaushalt 1983, 113:
iErg 30 %; OVG Nds, Urt. v. 08. August 1990 - 9 L 182/89, DÖV 1991, 338: 20 %; OVG
MV, Urt. v. 13.11.2001 - 4 K 24/99, LKV 2002, 380: 10-15 %.
67
Daher sind die dargelegten Auslastungswerte von 83% bzw. 86% nicht zu beanstanden.
68
Nichts anderes ergibt sich aus der Auslastung der biologischen Stufe der KA Süd mit
lediglich 56%. Wo die Grenze zwischen einer Überkapazität und einer sachlich noch
gerechtfertigten Kapazitätsreserve zu ziehen ist, bleibt stets eine Frage des Einzelfalles
und ist u.a. von den besonderen örtlichen Verhältnissen abhängig. Die im Jahre 2001
unausgeschöpft gebliebene Kapazität von 44% innerhalb dieses Anlagenteiles kann
daher hier nicht isoliert gesehen werden, sondern ist vielmehr als Teilwert im Rahmen
des Betriebes der einheitlichen Verbundkläranlage zu bewerten. Denn über die
Verbindungstrasse stehen die KA Ost sowie Süd zum einen in einem notwendigen
Zusammenhang, da beim Ausbau der KA Süd dort auf die Errichtung einer
Flockungsfiltration zum Phosphatabbau, eines Belebungsbeckens, eines
Nachklärbeckens sowie neben einem Faulbehälter auf die Schlammentwässerung
verzichtet werden konnte (s. o. I. 1.). Aufgrund der fehlenden Möglichkeit der
Schlammentwässerung kann die KA Süd nach derzeitigem Stand nicht als isolierte
Kläranlage betrieben werden. Zum anderen stehen auch die mechanische und die
biologische Stufe innerhalb der KA Süd in einem notwendigen Zusammenhang. In der
mechanischen Stufe werden die behandlungsbedürftigen festen Stoffe eliminiert,
während in der biologischen Stufe die gelösten Stoffe abgebaut werden. Die Stufen
bauen derart aufeinander auf, dass die durch die Einleitungsgenehmigung geforderten
Reinigungsergebnisse nur durch beide Stufen zusammen erreicht werden können, denn
durch eine mechanische Reinigung alleine wird nur eine Reduzierung der
Gesamtverschmutzung um etwa 25 bis 40 % erreicht,
69
vgl. Klopp, in: Frimmel, Wasser und Gewässer, Handbuch, 1999, S. 409.
70
Von dem Beklagten wurde im Erörterungstermin vom 12. Juli 2005 nachvollziehbar
ausgeführt, dass die Klärbeckengröße der biologischen Stufe von der Größe der
vorgeschalteten mechanischen Stufe abhängig ist. Diese weist nach den obigen
Ausführungen lediglich eine gerechtfertigte Kapazitätsreserve auf. Das Zusammenspiel
der verschiedenen Stufen über die Verbindungstrasse, die ständige Gewährleistung der
vollen Klärleistung sowie die erforderliche Einhaltung der Überwachungswerte
schließen es ein, dass nicht notwendigerweise alle Stufen gleichzeitig zu 100%
ausgelastet sein müssen -dann wäre die Anlage im Übrigen gegenwärtig bereits
unterdimensioniert-. Die Überlastung der B-Stufe der KA Ost in den BSB5-Werten zeigt
auch, dass dort nicht mehr wesentlich größere Schmutzfrachtmengen von der KA Süd
abgezweigt werden können. Die Anlagenwerte der Verbundkläranlage sind daher
hinsichtlich der lediglich teilweisen Auslastung von nur 56% in einem Anlagenteil nicht
zu beanstanden, zumal ein Viertel der bei der KA Süd zulaufenden Abwassermengen
letztlich zur KA Ost abgeleitet werden und dort zu einer sehr starken Auslastung der
Anlage führen.
71
Im Übrigen ist für die Auslastung der biologischen Stufe einer Kläranlage neben dem
BSB5-Wert als weiterer bemessungskritischer Parameter u.a. der Stickstoffwert (Nges-
Wert) in Betracht zu nehmen, da auch Stickstoff aus dem Abwasser entfernt werden
72
muss, um die Überwachungswerte einhalten zu können,
vgl. Imhoff, Taschenbuch der Stadtentwässerung, 29. Aufl., 1999, S. 123.
73
Die Nges-Auslastung weist in der biologischen Stufe KA Süd für das zugrundegelegte
Jahr 2001 insgesamt als Ist-Wert 82,25 % auf (Bemessungswert: 845 kg/d;
Vergleichswert-Ist 2001: 695 kg/d). Die diesbezüglichen Mehrkapazitäten liegen mit
18% im Rahmen der nach den obigen Ausführungen nicht zu beanstandenden
Kapazitätsreserve.
74
Die Verbundkläranlage wies damit im Jahre 2001 insgesamt eine sachlich
gerechtfertige Kapazitätsreserve und keine Überkapazität auf. Daher kann von einer
ordnungsgemäßen Prognoseentscheidung des Beklagten bei der Anlagenplanung
ausgegangen werden. Denn sind im streitgegenständlichen Zeitraum die
Auslastungswerte nicht zu beanstanden, kann daraus im Nachhinein regelmäßig der
Umkehrschluss gezogen werden, dass die getroffene Prognose nicht in einer durch das
Gericht zu beanstandenden Weise fehlerhaft gewesen ist. Dies gilt auch für das Jahr
2002. Der Beklagte hat auf Nachfrage des Gerichts im Rahmen des Erörterungstermins
vom 12. Juli 2005 erklärt, die für das Jahr 2001 übermittelten Zahlen entsprächen mit
den üblichen Schwankungen den Jahreswerten der letzten Jahre. Es handele sich nicht
um ein Ausreißerjahr, in dem eine sehr hohe Klärbelastung zu verzeichnen gewesen
sei. Insoweit hat die erkennende Kammer auch keine Bedenken, für das Gebührenjahr
2002 ebenfalls von einer sachlich nicht zu beanstanden Kapazitätsreserve auszugehen.
75
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass der Beklagte auch bereits im
Planungsstadium der jeweils letzten Ausbaustufen der KA Ost bzw. Süd Maßnahmen
ergriffen hat, um die Kapazitätsreserven der Anlagen nicht zu umfangreich werden zu
lassen. So hat er in der B-Stufe der KA Ost eine geringere Beckengröße als
ursprünglich geplant verbaut und damit auf die veränderte Zusammensetzung des
Abwassers reagiert. Um die KA Ost optimaler ausnutzen zu können, wurde 1999 eine
Verbindungstrasse zwischen der KA Süd und der KA Ost fertiggestellt. Dadurch konnte
die KA Süd in ihrer letzten Ausbaustufe kleiner als zunächst vorgesehen verwirklicht
werden (Verzicht auf Flockungsfiltration zum Phosphatabbau, Belebungs- und
Nachklärbecken sowie Faulbehälter und Schlammentwässerung). Schließlich ist es
auch zweckmäßig, wenn eine Kommune beim Bau bzw. Ausbau einer Kläranlage, die
i.d.R. mit Blick auf künftige Nutzungen über mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte betrieben
wird, Kapazitätsreserven einplant und künftig zu erwartende Entwicklungen
berücksichtigt, um so eine wiederholte kostenintensive Vergrößerung der Anlage
vermeidet,
76
vgl. OVG NRW, Urt. v. 05. Dezember 1973 - II A 332/71, OVGE 10 S 146; OVG NRW,
Urt. v. 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79, Gemeindehaushalt 1983, 113.
77
Hier plant die Kommune zumindest die Ausweisung und den Anschluss weiterer
Baugebiete mit mehreren tausend Einwohnern (z.B. H, V, I, O1). Ferner ist das an die
KA Süd angeschlossene Gebiet „B1" für 8.000 Einwohner erschlossen, aber bisher nur
mit ca. 1.700 Einwohnern bewohnt. Bei der zu erwartenden weiteren Auslastung der
Kapazitätsreserven der Verbundkläranlage, kann auch aus diesem Grund nicht von
einer Überdimensionierung gesprochen werden.
78
Die durch die sachliche Kapazitätsreserve verursachten Kosten sind daher zu Recht
79
vom Beklagten in die Gebührenkalkulationen für die Jahre 2001/2002 als ansatzfähig
eingestellt worden. Diese Kosten sind weder sachlich schlechthin unvertretbar noch
stehen sie in einem groben Missverhältnis zu dem verfolgten legitimen Gebührenzweck.
II.
80
Die Aussonderung leistungsfremder Kosten ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte durch privatrechtlichen
Vertrag Teile der technisch einheitlichen Abwasserbehandlungsanlage Dritten (Firma G
GmbH) zur Verfügung gestellt hat (1.). Allerdings hat der Beklagte insoweit rechtswidrig
die Kosten für die Leistungserstellung teilweise nicht aus der Masse der durch die
Gebühren umzulegenden Kosten ausgesondert (2.). Ebenso sind die
einrichtungsfremden Kosten der Reparatur und Wartung der Straßensinkkästen zu
Unrecht in den Gebührenkalkulationen 2001 und 2002 berücksichtigt worden (3.).
Jedoch liegen die jeweiligen Kostenüberschreitungen unterhalb von 3 % und sind damit
im Ergebnis nicht zu beanstanden (4.). Schließlich sind die Erträge aus der
Schlammanlieferung ordnungsgemäß in die Kalkulation 2001 und 2002 eingestellt
worden (5.).
81
1.
82
Die Aufteilung der technisch einheitlichen Abwasserbehandlungsanlage KA Ost in
einen öffentlich-rechtlich und einen privat-rechtlich genutzten Teil ist nicht zu
beanstanden, da die öffentliche Einrichtung nicht notwendig identisch mit der
Gesamtheit aller technischen Anlagen zur Sammlung, Weiterleitung und Reinigung von
Abwässern sein muss,
83
vgl. bereits OVG NRW, Urt. v. 21. Juni 1989 - 2 A 771/84; Schmidt, StuGR 1991, 234,
235f. m.w.N.
84
Der Beklagte hat im Zuge des Vertrages vom 05. August 1999 über die „Klärung der in
die Kläranlage Ost eingeleiteten Schmutzwässer der Firma G" zwischen ihm und der
Firma G GmbH aus der ursprünglich einheitlichen öffentlichen Einrichtung der
Abwasserbehandlung einen Teilbereich konkludent ausgegliedert. Diese
Ausgliederung bezieht sich lediglich auf die Schmutzwasserbehandlung in der KA Ost;
die Sammlung und Zuleitung der Abwässer von den Betriebsstätten der Firma G GmbH
zur KA Ost erfolgt über einen seit 1999 im Eigentum der Stadtwerke O GmbH stehenden
privatisierten Zuleiter, den die Firma G GmbH aufgrund eines mit den Stadtwerken O
GmbH geschlossenen „Abwaserdurchleitungsvertrages" nutzen kann.
85
Vorliegend ist die technische Einrichtung der Abwasserbehandlung KA Ost nur insoweit
eine öffentliche Einrichtung des Beklagten im Sinne der §§ 4 Abs. 2, 6 KAG NRW als
sie durch (stillschweigende) Widmung hierzu bestimmt ist. Nur diesbezüglich gilt auch
die Satzung des Beklagten über die Erhebung von Entwässerungsgebühren vom 17.
Dezember 1999 (EntwGS) in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 15. Dezember
2000 (Gebührenjahr 2001) und der 2. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2001
(Gebührenjahr 2002). Zur öffentlichen Einrichtung des Beklagten gehört die technisch
einheitliche Abwasserbehandlungsanlage jedoch insoweit nicht, als sie aufgrund von
Vereinbarungen in Anspruch genommen wird, die eine Benutzung der Anlage aus
anderen Rechtsgründen ermöglichen. Eine solche Vereinbarung ist hier durch den
benannten Vertrag mit der Firma G GmbH geschlossen worden, aus dem sich ergibt,
86
dass die KA Ost auf privat-rechtlicher Grundlage zur Mitbenutzung zur Verfügung
gestellt wird. Insoweit liegt keine Benutzung aufgrund der Widmung der Anlage als einer
öffentliche Einrichtung vor. Bedenken gegen die Zulässigkeit eines solchen Vertrages
zur Begründung eines privat-rechtlichen Benutzungsverhältnisses, das sich auf einen
rechtlich abgrenzbaren Teilbereich der Abwasserbehandlungsanlage, der nicht für die
Zwecke der allgemeinen Grundstücksentwässerung gewidmet ist, bezieht, bestehen
nicht,
vgl. bereits OVG NRW, Urt. v. 21. Juni 1989 - 2 A 771/84; OVG NRW, Urt. v. 14. März
1985 - 2 A 2027/80-.
87
Dies gilt auch im Hinblick auf die Folgen für die Höhe der Benutzungsgebühren, die von
den Benutzern der öffentlichen Abwasseranlage erhoben werden. Die Gemeinde ist
nicht verpflichtet, sich (schon) bei der Ausgestaltung der Abwasseranlage von dem
Bestreben leiten zu lassen, die Höhe der Gebühren durch Einbeziehung möglichst
vieler Benutzer niedrig zu halten. Vielmehr steht es im weiten Organisationsermessen
der Gemeinde, ob und in welchem Umfang sie eine öffentliche Einrichtung betreibt,
88
vgl. OVG NRW, Urt. v. 21. Juni 1989 - 2 A 771/84; zur Müllentsorgung OVG NRW, Urt. v.
17. März 1998 - 9 A 1430/96, NVwZ-RR 1998, 775 m.w.N.
89
Daher kann die Klägerin der Sache nach auch nicht mit Erfolg geltend machen, ohne
die vertragliche Regelung der Benutzung der KA Ost durch die Firma G GmbH ergäben
sich für alle Benutzer, insbesondere für die privaten Gebührenschuldner, niedrigere
Gebühren. Auch können die Einzelheiten der vertraglichen Regelung mit der Firma G
GmbH und der für die gebührenpflichtigen Nutzer der öffentlichen Einrichtung geltenden
satzungsrechtlichen Bestimmungen nicht unter dem Gesichtspunkt des
Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG miteinander verglichen werden. Denn Art. 3 GG
erfordert nicht die Gleichbehandlung von Benutzern einer öffentlichen Einrichtung mit
den Benutzern einer rechtlich anderen Einrichtung, auch wenn beide Einrichtungen eine
technische Einheit bilden. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass die Firma G GmbH
durch den Beklagten anders behandelt wird als die an die öffentliche Einrichtung
angeschlossenen Grundstückseigentümer.
90
2.
91
Für die Rechtmäßigkeit der Gebührenkalkulationen 2001/2002 kommt es allerdings
maßgeblich darauf an, dass den Benutzern der öffentlichen Einrichtung keine Kosten
angelastet werden dürfen, die nicht durch die Inanspruchnahme der öffentlichen
Einrichtung, sondern durch die Mitbenutzung der technisch einheitlichen Anlagen
außerhalb ihrer Widmung entstanden sind. Die Aussonderung der Kosten der
Leistungserstellung für Dritte, hier die Firma G GmbH, ist lediglich teilweise
ordnungsgemäß erfolgt, die im Übrigen rechtswidrige Kostenüberschreitung verbleibt
jedoch innerhalb der vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in
ständiger Rechtsprechung gebilligten 3%-Grenze (siehe II. 4.).
92
Bei den von der Firma G GmbH dem Beklagten für die Klärung ihrer Schmutzwässer in
der KA Ost gem. Vertrag vom 05. August 1999 über die „Klärung der in die KA O-Ost
eingeleiteten Schmutzwässer der Firma G" zu entrichtenden Entgelten (2001: 2,61
DM/cbm; 2002: 2,46 DM/cbm) handelt es sich um Beträge, die für die kostenträchtige
Leistung der Abwasserklärung entstanden sind. Da die beim Beklagten für die
93
Behandlung dieser Abwässer entstehenden Kosten ausschließlich für die
Leistungserstellung an einen Dritten, die Firma G GmbH, und nicht für Leistungen an die
Allgemeinheit der Gebührenschuldner anfallen, liegen insoweit leistungsfremde Kosten
vor, die nicht durch die satzungsgemäße gebührenpflichtige Leistung bedingt sind und
daher ausgesondert werden müssen,
vgl. std. Rspr. OVG NRW, Urt. v. 18. August 1993 - 9 A 2239/91, NWVBl 1994, 64; OVG
NRW, Urt. v. 21. Juni 1989 - 2 A 771/84 -; OVG Brandenburg, Urt. v. 22. Mai 2003, KStZ
2003, 233, 237; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn 59b,
61, 63 m.w.N.
94
Rechnerisch kann dies durch eine Kostensonderung in der Weise geschehen, dass alle
Kosten, die ausschließlich dem einen oder dem anderen Bereich der einheitlichen
technischen Einrichtung der Abwasserbehandlungsanlage zuzuordnen sind,
voneinander getrennt, und dass Kosten, die gleichermaßen durch beide Bereiche
verursacht werden, angemessen gequotelt werden. Erhält die gebührenfinanzierte
Einrichtung -wie hier- für die Leistungserstellung Entgelte, die sich als Einnahmen,
Erträge oder Erlöse darstellen, können diese auch statt der Aussonderung der
leistungsfremden Kosten von der Summe der insgesamt ermittelten Kosten abgezogen
werden.
95
Das setzt grundsätzlich voraus, dass die Entgelte „kostendeckend" sind. Sind sie es -
wie hier- nicht, muss der überschießende Kostenaufwand zusätzlich abgesetzt werden,
sonst würden die Gebührenpflichtigen mittelbar durch die vertragliche Ausgestaltung
und gegebenenfalls auch für eine Subventionierung des Dritten in die Verantwortung
gezogen,
96
vgl. OVG NRW, Urt. v. 18. August 1993 - 9 A 2239/91, NWVBl 1994, 64; OVG NRW, Urt.
v. 21. Juni 1989 - 2 A 771/84 -; OVG Brandenburg, Urt. v. 22. Mai 2003, KStZ 2003, 233,
237 m.w.N.; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn 59 ff.
97
Die Gebührenkalkulation 2001 und 2002 nimmt die Aussonderung der vom Beklagten
der Firma G GmbH erbrachten Leistung in der Weise vor, dass die mit dem
Kostenaufwand erzielten Einnahmen auf der Ertragsseite eingestellt und damit von den
Gesamtkosten abgezogen werden. In der Gebührenkalkulation 2001 sind die aus dem
Vertrag mit der Firma G GmbH fließenden Entgelte unter der Lfd. Nr. 20 „Nebenerträge"
aufgeführt. Von den dort zusammengefassten Nebenerträgen von 3.029.621 DM
entfallen laut Mitteilung des Beklagten vom 15. August 2005 2.349.000 DM auf Entgelte
der Firma G GmbH. Die Höhe des Entgeltes ergibt sich aus der prognostizierten
Schätzung der für die Firma anfallenden Abwassermengen im Jahre 2001 von 900.000
cbm multipliziert mit dem vertraglich vereinbarten Entgelt von 2,61 DM/cbm. Die
Schätzung der jährlich zugrundegelegten Schmutzwassermengen ergibt sich dabei
nach Mitteilung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung aus der in § 2 Satz 6 des
Vertrages vom 05. August 1999 über die „Klärung der in die Kläranlage O-Ost
eingeleiteten Schmutzwässer der Firma G" zugrundegelegten jährlichen
Mindesteinleitungsmenge von 800.000 cbm zuzüglich eines nach Erfahrungswerten und
aufgrund von Gesprächen mit der Firma G GmbH gebildeten Mengenzuschlages (für
2001: 100.000 cbm; für 2002: 200.000 cbm). Der aufgrund dieser Werte errechnete
Ertrag wurde zusammen mit anderen Nebenerträgen von der Summe der sog. „direkten
Kosten" (78.247.221 DM) abgezogen. Rechnerisch ist der Beklagte in der
Gebührenkalkulation 2002 ähnlich verfahren. Er hat allerdings die Darstellungsform der
98
Kalkulation im Wesentlichen klarstellend geändert; die Kalkulation wird grundsätzlich
nur noch in ihren Kostenarten dargestellt. Die von der Firma G GmbH entrichteten
Entgelte finden sich nunmehr zusammengefasst in den „Haupterträgen" von insgesamt
7.587.611 Euro wieder. Die vom Beklagten am 15. August 2005 dem Gericht mitgeteilte
Aufschlüsselung der Position ergibt einen davon auf die Firma G GmbH entfallenden
Anteil von 1.257.778 Euro (Pos. 410002). Dieser Entgeltsumme liegt die prognostizierte
Schätzung der für die Firma im Jahre 2002 anfallenden Abwassermengen von
1.000.000 cbm multipliziert mit dem vertraglich vereinbarten Entgelt von 2,46 DM/cbm
(nachrichtlich 1,26 Euro/cbm) zugrunde. Der so errechnete Betrag wurde zusammen mit
den anderen Haupterträgen von der Summe der gesamten betriebswirtschaftlichen
Kosten (44.625.237 Euro) abgezogen.
Die Kosten für die Reinigung des Schmutzwassers in der KA O Ost je anfallenden cbm
ergeben sich aus einer internen und gesonderten Kalkulation des Beklagten. Danach
belaufen sich die Kosten für die Beseitigung von Schmutzwasser auf der KA Ost 2001
und 2002 jeweils auf 2,62 DM/cbm. Diesem Gebührensatz steht der vom Beklagten mit
der Firma G GmbH vertraglich vereinbarte Satz für die Schmutzwasserbeseitigung von
2,61 DM/cbm für 2001 sowie von 2,46 DM/cbm für 2002 gegenüber. Danach ergibt sich
für 2001 eine Differenz von 0,01 DM/cbm und für 2002 eine solche von 0,16 DM/cbm zu
den den Gebührenpflichtigen im Rahmen des Schmutzwassergebührensatzes
angelasteten Kosten für die Schmutzwasserbehandlung auf der KA Ost. Die von der
Firma G GmbH entrichteten Entgelte sind folglich in dieser Höhe nicht kostendeckend.
Unter Zugrundelegung obiger Ausführungen ergibt sich hochgerechnet auf die
prognostizierten Kubikmeter des von der Firma angelieferten Schmutzwassers eine
fehlende Kostendeckung von 9.000 DM für 2001 (900.000 cbm x 0,01 DM/cbm = 9.000
DM) bzw. 81.806,70 Euro für 2002 (1.000.000 cbm x 0,16 DM/cbm = 160.000 DM,
nachrichtlich 81.806,70 Euro). Dieser überschießende Kostenaufwand ist zusätzlich
abzusetzen, da sonst mit den Gebühren, die für die Benutzung der öffentlichen
Einrichtung erhoben werden, Kosten finanziert werden, die durch außerhalb der
öffentlichen Einrichtung liegende Zwecke verursacht werden. Der Beklagte hätte daher
vorliegend in die Gebührenkalkulation für die öffentliche Einrichtung auf der Neben-
(2001) bzw. der Hauptertragsseite (2002) nicht prognostizierte 2.349.000 DM
(nachrichtlich 1.201.025 Euro) bzw. 1.257.778 Euro, sondern zutreffend 2.358.000 DM
(2.349.000 DM + 9.000 DM = 2.358.000 DM) bzw. 1.339.584,70 Euro (1.257.778 Euro +
81.806,70 Euro = 1.339.584,70 Euro) als „fiktiven Ertrag" einstellen müssen. Insoweit ist
der zusätzliche Kostenaufwand rechtswidrig nicht über die Ertragsseite abgesetzt
worden.
99
3.
100
Die Gebührenkalkulationen für die Jahre 2001 und 2002 sind zudem insoweit nicht
ordnungsgemäß, als die Kosten der Wartung und Reparatur von Straßensinkkästen
eingestellt worden sind. Jedoch verbleiben die nicht ausgesonderten
einrichtungsfremden Kosten, innerhalb der vom Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen in ständiger Rechtsprechung gebilligten 3%-Grenze (siehe II. 4. für
den Schmutzwasser- sowie IV. 4. für den Niederschlagswassergebührensatz).
101
Die Sinkkastenanlagen dienen von ihrer bestimmungsgemäßen Funktion her
ausschließlich der Straßenentwässerung und sind insoweit Teil der öffentlichen Sache
„Straße" (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a StrWG NRW) und nicht Teil der öffentlichen Einrichtung der
Abwasserbeseitigung,
102
vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 16. August 2000 - 5 K 10377/95; Driehaus, Erschließungs-
und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 13 Rn 73ff.
103
Die Kosten der Erneuerung und Instandsetzung sind daher nicht der öffentlichen
Einrichtung der Abwasserbeseitigung zuzurechnen und können demgemäß nicht auf
die Gebührenschuldner umgelegt werden. Die in diesem Rahmen anfallenden Kosten
hat der Beklagte auf die für Schmutzwasser sowie für Regenwasser anfallenden Kosten
(siehe dazu IV. 3.) verteilt. Von den Wartungs- und Reparaturkosten der Sinkkästen
(vornehmlich Personal- und Materialkosten) entfielen auf die Kosten für die
Schmutzwasserbeseitigung im Gebührenjahr 2001 insgesamt 333.773,15 DM (davon
Personalkosten 292.359,99 DM, Lfd. Nr. 25 in der Gebührenbedarfsberechnung 2001
sowie 41.413,16 DM Wartungs- und Reparaturkosten, Lfd. Nr. 1, 2). Für das
Gebührenjahr 2002 entfielen insgesamt 163.898,75 Euro (davon Personalkosten
157.114,97 Euro und 6.783,78 Euro Wartungs- und Reparaturkosten) auf die Kosten der
Schmutzwasserbeseitigung. Diese leistungsfremden Kosten sind auszusondern und
vom Gesamtaufwand für die Schmutzwasserbeseitigung 2001/2002 abzuziehen. Dies
führt im Ergebnis jedoch nicht zu einer relevanten Kostenüberschreitung (siehe II. 4.).
104
4.
105
Die Summe der nicht berücksichtigten „fiktiven Erträge" bei den von der Firma G zu
entrichtenden Fremdleistungsentgelten (siehe II 2.) sowie die fehlerhafte
Berücksichtigung der Kosten der Wartung und Reparatur der Straßensinkkästen (siehe
II. 3.) führt jedoch weder für die Gebührenkalkulation 2001 noch für die 2002 zu einer
Überschreitung der nach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen gebilligten Toleranzgrenze von 3 %. Danach sind
Kostenüberschreitungen im Rahmen dieses Prozentwertes noch als unerheblich
anzusehen. Hierfür sprechen Praktikabilitätserwägungen. Denn es hieße das Wesen
einer mit zahlreichen Unwägbarkeiten belasteten Prognose verkennen, wenn man
bereits geringste Prognosefehler, die sich zugunsten der Gemeinde auswirken,
ausreichen lassen wollte, um den Gebührensatz und damit die Satzung insgesamt für
ungültig zu halten. Dabei ist einer missbräuchlichen Ausnutzung des
Prognosespielraums vorgebeugt, weil Kostenüberschreitungen, die auf willkürlichen,
d.h. bewusst fehlerhaften Kostenansätzen beruhen -diesen stehen gegebenenfalls
schwer und offenkundig fehlerhafte Kostenansätze gleich- von dieser Rechtsprechung
unabhängig von ihrer Höhe nicht toleriert werden,
106
vgl. OVG NRW, Urt. v. 05. August 1994 - 9 A 1248/92, NWVBl. 1994, 428, 434; OVG
NRW Beschl. v. 01. Juli 1997 - 9 A 3556/96, NWVBl. 1998, 118.
107
Die Summe der Überdeckungen für 2001 (G GmbH: 9.000 DM; Straßensinkkästen:
333.773,15 DM) liegt im Verhältnis zu den ohne diese Überschreitung gerechtfertigten
Schmutzwasserkosten von ca. 51.103.233,85 DM für 2001 ([Gebührenbedarf
Schmutzwasser] 51.446.007 DM - [G GmbH] 9.000 DM - [Straßensinkkästen] 333.773,14
DM = 51.103.233,85 DM) ersichtlich unter dem 3% Wert. Gleiches gilt für die
Überdeckung 2002. Jedoch ist hier neben den bereits ermittelten Überdeckungen (G
GmbH: 81.806,70 Euro; Straßensinkkästen: 163.898,75 Euro) noch eine Überschreitung
von insgesamt 28.746 Euro in Abzug zu bringen, da der Beklagte in der mündlichen
Verhandlung in dieser Höhe die auf die Gebührenschuldner umgelegten
kalkulatorischen Verzinsungen 2002 nicht ausreichend darlegen konnte
108
([kalkulatorische Zinsen in der Gebührenkalkulation 2002] 12.731.647 Euro - [vom
Beklagten mitgeteilte Summe der Zinsen: Schmutzwasser 6.769.228,79 Euro +
Niederschlagswasser 5.923.666,21 Euro + 10.006 Euro, die über Nebenkostenstellen
den Gebührenschuldnern gutgebracht wurden] 12.702.901 Euro = 28.746 Euro). Eine
Verteilung der 28.746 Euro auf die Schmutz- und Niederschlagswasserkosten ist hier
nicht erforderlich, weil selbst bei vollem Ansatz des Betrages bei den Kosten für die
Schmutzwasserbeseitigung die 3 %-Grenze nicht überschritten würde. Danach hätte der
Beklagte im Veranlagungsjahr 2002 gerechtfertigt insgesamt 28.286.558,55 Euro
Schmutzwasserkosten erheben dürfen ([Gebührenbedarf Schmutzwasser] 28.561.010
Euro - [G GmbH] 81.806,70 Euro - [Straßensinkkästen] 163.898,75 Euro - [überhöhte
Zinsen] 28.746 Euro = 28.286.558,55 Euro). Der um die Überdeckung reduzierte
jeweilige Gebührenbedarf Schmutzwasser dividiert durch den
Gesamtfrischwasserverbrauch (10.315.558 cbm/2001 bzw. 9.430.000 cbm/2002) ergäbe
damit einen Gebührensatz für die Schmutzwasserbeseitigung von 4,95 DM für 2001 und
3,00 Euro für 2002. Dieser ins Verhältnis zu dem erhobenen Gebührensatz gesetzt,
zeigt eine Kostenüberschreitung von 0,8% für 2001 (kalkulierte 4,99 DM zu 4,95 DM)
bzw. 1% für 2002 (kalkulierte 3,03 Euro zu 3,00 Euro). Diese Kostenüberschreitung bei
dem Schmutzwassergebührensatz ist offenkundig unerheblich und führt -zumal nichts
für eine willkürliche Kostenüberschreitung spricht- im Ergebnis nicht zu einem
beachtlichen Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot.
5.
109
Die Gebührenkalkulationen für 2001 und 2002 weisen ferner als Nebenerträge die
Kosten der Schlammabfuhr (vornehmlich Entleerung abflussloser Gruben) sowie der
Schlammanlieferung (hochbelastetes Abwasser) mittels Spezialfahrzeugen direkt an die
KA Ost (sog. rollender Kanal) auf. In der Gebührenkalkulation 2001 handelt es sich laut
Einzelaufstellung des Beklagten um 66.468 Euro sowie 178.952 Euro, für 2002 um
77.000 Euro bzw. 179.000 Euro. Die Ermittlung der jeweiligen Kosten, die den privaten
Nutzern in Rechnung gestellt werden, erfolgte im Falle der Schlammabfuhr sowie der
Schlammanlieferung aufgrund einer vom Beklagten durchgeführten Kostenkalkulation
aus dem Jahr 1998, in der eine jährliche Anpassung des für die Entsorgung von
Sedimenten und hochbelastetem Abwasser zu entrichtenden Entgeltes vorgesehen ist.
Gegenüber dieser Kalkulation des Beklagten und dem dort angesetzten
kostendeckenden Betrag (für 2001 45,95 DM/cbm) bestehen keine Bedenken. Die
Erträge wurden auch mangels anderer Anhaltspunkte in voller Höhe den
Gebührenpflichtigen zugute geschrieben.
110
III.
111
Ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot liegt auch nicht hinsichtlich der
gesonderten Kostenträgerrechnung des Beklagten für Schmutz- und
Niederschlagswasser vor.
112
Im Hinblick auf die nach unterschiedlichen Maßstäben und Gebührensätzen erfolgende
Erhebung von Schmutzwassergebühren einerseits und Niederschlagswassergebühren
andererseits bedarf es für die Ermittlung der Sätze der beiden Gebührenarten jeweils
einer gesonderten Gebührenbedarfsberechnung. Dabei dürfen dem Leistungsbereich
der Schmutzwasserbeseitigung und der Niederschlagswasserbeseitigung grundsätzlich
jeweils nur diejenigen Kosten zugeordnet werden, die mit der Erbringung der
betreffenden gebührenpflichtigen Leistung verbunden sind. Vorliegend ist nicht
113
erkennbar, dass diese Zuordnung fehlerhaft erfolgt sei. Sofern bestimmte Anlagen
sowohl der Schmutz- als auch der Niederschlagswasserbeseitigung dienen, sind die
anfallenden Anlagen- und Betriebskosten nach Grundsätzen der Kostenverursachung
auf beide Bereiche zu verteilen. Entsprechend der nach dem Landeswassergesetz
NRW sowohl für das Schmutz- wie auch grundsätzlich für das Niederschlagswasser
bestehenden Beseitigungspflicht der Gemeinden (vgl. § 53 Abs. 1, 3a Satz 1 LWG in der
Fassung v. 03. Mai 2005, bzw. § 53 Abs. 1 Satz 1 LWG a.F.) ist bei der
Kostenverursachung prinzipiell von einer Gleichrangigkeit der Beseitigung von
Schmutz- und Niederschlagswasser auszugehen,
vgl. OVG NRW, Urt. v. 15. Juli 1991 - 9 A 1635/89.
114
Im Weiteren ist nach geeigneten Bewertungsgrundsätzen unter Berücksichtigung der
jeweils anfallenden Mengen und Belastungen der beiden Abwasserarten zu gewichten,
welcher Anteil der Anlagen- und der Betriebskosten dem einen oder dem anderen
Bereich zuzuordnen ist. Hiernach besteht bei der Kostenverteilung ein weiter
Bewertungs- und Einschätzungsspielraum der Kommune, so dass es nicht etwa einer
abwassertechnisch exakten Kostenaufteilung bedarf,
115
vgl. OVG NRW, Urt. v. 15. Juli 1991 - 9 A 1635/89.
116
Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall die in der
Gebührenbedarfsberechnung 2001 und 2002 ausgewiesenen Anlagenkosten anteilig
nach Schmutz- und Regenwasserkosten zu verteilen. Dies hat der Beklagte für die
Verbundkläranlage (1.) sowie für die Kanalisation (2.) in einer das
Kostenüberschreitungsverbot nicht berührenden Weise getan.
117
1.
118
Die Aufteilung der Kläranlagenkosten auf die Schmutz- und Regenwasseranteile
gemäß dem vom Beklagten errechneten Verhältnis ist vor dem Hintergrund des
Kostenüberschreitungsverbotes nicht zu beanstanden. Nach der von ihm im Rahmen
des Erörterungstermins vom 12. Juli 2005 dargelegten Methode, in welchem Verhältnis
die Kosten der Kläranlagen für die Reinigung von Schmutz- und Niederschlagswasser
zueinander stehen, ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass von den insgesamt 2001
der KA Ost zugeleiteten Abwässer 83 % auf Schmutzwasser und 17 % auf
Regenwasser bzw. von den insgesamt 2002 der KA Ost zugeleiteten Abwassermengen
85 % auf Schmutzwasser und 15 % auf Regenwasser entfallen und die Kosten der
Kläranlage nach diesem Verhältnis auf die Schmutz- und die
Niederschlagwasserbeseitigung zu verteilen sind. Methodisch entsprechend ist der
Beklagte bei den Kosten der KA Süd verfahren (2001: 73 % Schmutz- und 27 %
Regenwasseranteil; 2002: 78 % Schmutz- und 22 % Regenwasseranteil). Die
Berechnung des Regenwasseranteiles an den Kosten der Einzelkläranlagen wird nach
folgendem System vorgenommen: zunächst ermittelt der Beklagte den mittleren
Trockenwetterzufluss des jeweiligen Jahres. Dieser Wert wird dann von dem
Jahresgesamtabwasserzufluss der Kläranlagen abgezogen, was die Menge des
Regenwassers ergibt. Dabei unterstellt er, dass der mittlere Trockenwetterzufluss im
Jahr den Schmutzwasseranteil am Abwasser repräsentiert. Um zu ermitteln, welcher
Teil des Wassers, der über die Verbindungstrasse von der Einzelkläranlage Süd in die
Einzelkläranlage Ost abgeleitet wird, der Regenwasserentsorgung zuzurechnen ist, wird
täglich die Wassermenge, die von Süd nach Ost abgeleitet wird, gemessen und der
119
nach der beschriebenen Methode ermittelte Anteil des Regenwassers an dieser Menge
bei der Verteilung Schmutzwasser/Regenwasser berücksichtigt. Die Berechnung wird
für jeden Tag des Jahres durchgeführt und der prozentuale Regenwasseranteil dann
nach diesen Berechnungen ermittelt. Dabei legt der Beklagte sowohl bezüglich der
Gesamtzuflusswerte als auch bezüglich der Trockenwetterwerte die Messergebnisse
des Vorjahres zugrunde, da die Gesamtjahreswerte für das aktuelle Jahr bei der
Kalkulation noch nicht vorliegen.
Die dergestalt vorgenommene Kostenverteilung ist nachvollziehbar und nicht willkürlich
erfolgt, so dass es keine Anhaltspunkte gibt, sie bei der Verbundkläranlage
anzuzweifeln. Insbesondere ist die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der
Trockenwettertage entgegen der von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 01. August
2005 vertretenen Ansicht in nicht zu beanstandender Weise erfolgt. Die Ermittlung der
Trockenwettertage erfolgt nach den Grundsätzen, wie sie in der Verwaltungsvorschrift
des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 4. Februar 1991
(MBl. NRW 1991, 281), zur „Ermittlung der Jahresschmutzwassermenge bei Einleitung
von mit Niederschlagswasser vermischtem Schmutzwasser" niedergelegt sind. Nach Nr.
3 der Verwaltungsvorschrift sind zur Unterscheidung zwischen Trockenwettertagen und
Regentagen die Ergebnisse von einer oder mehreren Niederschlagsmessstationen im
Entwässerungsgebiet oder auf der Abwasserbehandlungsanlage heranzuziehen. Die
Festlegung des Trockenwettertages erfolgt dabei, indem Tagesmessergebnisse
herausgesucht werden, an denen folgende Niederschlagsbedingungen erfüllt sind:
Niederschlag weniger oder gleich 1,0 mm am Tag und Niederschlag weniger oder
gleich 1,0 mm am Vortag. Die Ermittlung der Trockenwettertage anhand dieser
Verwaltungsvorschrift ist nicht zu beanstanden, da sie einen sachgerechten Maßstab für
die Berechnung bietet. Soweit sich durch die Änderung der Verwaltungsvorschrift zum
12. November 2001 (MBl. NRW 2001, 1627) die Parameter für die Berechnung der
Trockenwettertage von 1,0 mm auf jeweils 0,3 mm geändert haben, berührt dies die
Rechtmäßigkeit der Kostenaufteilung der Regenwasseranteile nicht. Dies folgt schon
daraus, dass hier lediglich die Gebührenbedarfsermittlung für die Jahre 2001 und 2002
in Streit steht. Die Ermittlung der Trockenwettertage erfolgt -um aussagekräftige Daten
zu gewinnen- bezogen auf das ganze Jahr und entspricht der sachlich nicht zu
beanstandenden Regelung in Nr. 2 der benannten Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung
der Jahresschmutzwassermenge. Insoweit beruhen die für 2001 zugrundegelegten
Datensätze auf Messungen aus dem Jahre 1999 (Wassermengenbilanz für 1999 liegt im
Jahre 2000 vor und geht in die Gebührenkalkulation für 2001 ein) und die für 2002 auf
solchen aus dem Jahr 2000 (Wassermengenbilanz für 2000 liegt im Jahre 2001 vor und
geht in die Gebührenkalkulation für 2002 ein). Da bis Ende November 2001 die frühere
Fassung der Verwaltungsvorschrift (1,0 mm) galt, ist die Änderung für den
Veranlagungszeitraum 2001/2002 unerheblich. Ergänzend weist die Kammer aber
darauf hin, dass es auch nicht zu beanstanden wäre, wenn der Beklagte im Weiteren
nach wie vor für die Ermittlung der Trockenwettertage den Ermittlungswert der alten
Fassung der Verwaltungsvorschrift von 1,0 mm statt 0,3 mm Niederschlagsmenge
zugrundegelegt hätte. Denn dem Satzungsgeber stehen auch im vorliegenden
Zusammenhang weite Entscheidungsspielräume zu, wie er die Grundlagen für die
Kostenverteilung ermittelt, sofern diese sachlich nachvollziehbar sind. Die Anlehnung
an den Ermittlungswert von 1,0 mm wäre im Zusammenhang mit der Kostenverteilung
ohnehin nur ein Hilfswert, da die in der Verwaltungsvorschrift festgelegte
Ermittlungsmethode der Trockenwettertage nicht primär für die Verteilung der Regen-
und Schmutzwasseranteile auf die Kosten der Einrichtung gilt, sondern entscheidend für
die Ermittlung der Schädlichkeit des Abwassers im Sinne des
120
Abwasserabgabengesetzes ist. Darauf weist bereits die „Präambel" der
Verwaltungsvorschrift hin.
2.
121
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verteilung der Kosten der
Mischkanalisation auf die Kosten der Schmutzwasser- und
Niederschlagswasserbeseitigung im Gesamtverhältnis von 50,5 % zu 49,5 % im
Veranlagungszeitraum 2001 sowie 2002 willkürlich und nicht nachvollziehbar erfolgt
wäre. Unter Berücksichtigung der dem Beklagten bei der Bewertung der nach § 6 Abs. 1
Satz 3, Abs. 2 KAG zustehenden Spielräume ist diese Aufteilung nicht zu beanstanden.
122
Die Verteilung der Kosten des Kanalnetzes kann -ohne dass es hier einer weiteren
Vertiefung bedürfte- nach unterschiedlichen Bewertungssystemen erfolgen. Danach ist
es bei der Ableitung von Abwasser im Wege der Mischkanalisation zulässig, die
Betriebskosten und die kalkulatorischen Kosten aus Gründen der
Verwaltungsvereinfachung zusammenzufassen und nach einem bestimmten, an
plausiblen Bewertungskriterien orientierten Verhältnis, auf die Schmutzwasser- und
Niederschlagswasserbeseitigung zu verteilen.
123
Keinesfalls bedarf es auch im vorliegenden Zusammenhang einer wissenschaftlich
exakten Kostenanalyse, da dem Satzungsgeber weite Schätzungsspielräume und die
Befugnis zusteht, die Kosten nach einer vereinfachenden Betrachtungsweise
aufzuteilen. Hiernach ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kostenansatz
für die Beseitigung von Niederschlagswasser in Höhe von 49,5 % im Rahmen des
Mischwassersystems zu beanstanden wäre, zumal das Stadtgebiet des Beklagten,
insbesondere im Bereich der Mischkanalisation, eine verdichtete Bebauung mit einem
hohen Flächenversiegelungsgrad aufweist.
124
Da die Klägerin im Übrigen substantiierte Einwendungen gegen die Aufteilung der auf
Regen- bzw. Schmutzwasserableitung entfallenden Kosten in der Gebührenkalkulation
2001/2002 nicht vorgebracht hat, ist das Gericht nicht gehalten, darüber hinaus in eine
weitere Überprüfung einzutreten.
125
IV.
126
Die Klägerin hat gegenüber den Gebührenkalkulationen 2001/2002 bzgl. der
Gebührensätze für die Niederschlagswasserentsorgung ferner Bedenken hinsichtlich
der Ermittlung des Öffentlichkeitsanteils für die Entwässerung der öffentlichen Straßen,
Wege und Plätze (1.) sowie der Ermittlung des privaten Flächenanteils (2.) geltend
gemacht. Diese Bedenken sind auch unter Berücksichtigung der zu Unrecht in der
Gebührenkalkulation berücksichtigten Kosten für Straßensinkkästen (3.) im Ergebnis
nicht durchschlagend (4.).
127
1.
128
Für die Kosten der Oberflächenentwässerung von öffentlichen Straßen, Wegen und
Plätzen hat die öffentliche Hand, d. h. in der Regel der Straßenbaulastträger, mit einem
verursachungsgerechten Anteil an der Kostentragung einzustehen (sog.
Öffentlichkeitsanteil). Da die öffentlichen Abwasseranlagen insoweit von der öffentlichen
Hand selbst zu eigenen Entwässerungszwecken benutzt werden, kann die Gemeinde
129
diese Kosten im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht den sonstigen (privaten)
Nutzern der Abwasseranlage überbürden. Eine verursachungs- und anteilsgerechte
Beteiligung der öffentlichen Hand an den (Straßen-) Entwässerungskosten kann die
Gemeinde im Grundsatz auf zwei Wegen erreichen. Entweder lässt die Gemeinde bei
der Ermittlung des Gebührenbedarfs den auf die Entwässerung der öffentlichen Straßen,
Wege und Plätze entfallenden - auf plausible Weise ermittelten - Kostenanteil von vorn
herein außer Ansatz (kleinere gebührenrelevante Kostenmasse als Dividend der
Gebührensatzberechnung, wobei die Straßenflächen nicht mehr als Divisor in Betracht
kommen) oder sie nimmt auch diesen Entwässerungskostenanteil in die
Gebührenbedarfsberechnung auf, bezieht aber bei der Ermittlung des
(Niederschlagswasser-) Gebührensatzes die in die Abwasseranlage entwässernden
Flächen der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze als zusätzliche „Verteilungsmasse"
neben den sonstigen angeschlossenen Flächen ein (größere Kostenmasse als
Dividend bei entsprechend größerer Verteilungsmasse, da hier auch die Straßenflächen
als Divisor in die Gebührensatzberechnung eingehen).
Vorliegend hat sich der Beklagte für die erstgenannte Methode entschieden und lässt
bei ihrer Gebührenbedarfsberechnung von vorn herein 2001 30,89% sowie 2002
33,06% der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung als Öffentlichkeitsanteil außer
Betracht.
130
Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Grundlage für die Ermittlung der zu
entwässernden Gesamtfläche waren die Ergebnisse des Forschungsinstitutes für
Wasser- und Abfallwirtschaft an der RWTH Aachen e.V. über angeschlossene bebaute
und überbaute Grundstücksflächen vom August 1999 im Rahmen der Einführung der
Abwassertrenngebühr. Der Öffentlichkeitsanteil wurde ermittelt, indem die privat und
gewerblich genutzten befestigten und bebauten Flächen in das Verhältnis zu den
öffentlichen bebauten und befestigten Straßenfläche gesetzt wurden (vgl. S. 14 des
Gutachtens). Die für die Ermittlung des Öffentlichkeitsanteils zugrundegelegte Fläche ist
dabei ohne nähere Prüfung aus der vom Tiefbauamt übermittelten Liste der an das
Kanalnetz angeschlossenen öffentlichen Verkehrsflächen (Stand: 12. Mai 1999)
übernommen worden. Soweit die Klägerin diesbezüglich rügt, in der maßgeblichen Liste
des Tiefbauamtes fehlten Straßen der Gemeinde (vgl. Auflistung der Klägerin in Anlage
41) sowie diverse Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, so dass andere Werte dem
Öffentlichkeitsanteil zugrundezulegen seien, greift ihr Einwand dem Grunde nach zwar
teilweise durch, wirkt sich aber im Ergebnis nicht aus (siehe IV. 4.).
131
Auf gerichtliche Verfügung vom 08. September 2005 hin hat der Beklagte zu der
Behauptung der Klägerin, es fehlten in der Liste des Tiefbauamtes vom 12. Mai 1999
insgesamt 88 öffentliche Flächen, Stellung genommen. An dieser -mit Schriftsatz vom
18. Oktober 2005 nicht mehr hinreichend substantiiert bestrittenen- Stellungnahme und
der dort vorgenommenen Einordnung der Straßen (siehe u.a. Spalte 3 und 6 in der
Tabelle des Schriftsatzes des Beklagten vom 30. September 2005) hegt das Gericht
mangels anderer ersichtlicher Anhaltspunkte keine Zweifel und legt sie im Folgenden zu
Grunde. Danach ergibt sich, dass die von der Klägerin herausgesuchten Flächen
überwiegend entweder keine öffentlichen Straßenflächen sind oder nicht in die
öffentliche Kanalisation entwässern. Teilweise waren die Straßenflächen im
streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht fertiggestellt. Auch ist es -entgegen der
Ansicht der Klägerin (Schriftsatz vom 28. Februar 2003, S. 63)- nicht bedenklich,
sondern vielmehr ohne weiteres eingänglich, dass der Öffentlichkeitsanteil als
Verhältniszahl zwischen den Straßenflächen und den sonstigen angeschlossenen
132
Flächen zwischen den Jahren 2001 und 2002, schwankt. Denn ebenso wie der private
Flächenanteil sich stetig verändert, gilt dies auch für den öffentlichen Flächenanteil, da
in aller Regel Flächen jährlich entweder abgemeldet werden oder neu hinzukommen.
Allerdings fehlen in der maßgeblichen Liste des Tiefbauamtes insgesamt sechs
Straßen, die der Beklagte auch im streitgegenständlichen Zeitraum 2001/2002 nicht in
die Liste und damit auch nicht in seine Ermittlung des Öffentlichkeitsanteils eingestellt
hat (I1str., Q, S Str., S1str., Tstr., X Str.). Diese Flächen machen einen Gesamtanteil von
48.859,87 qm aus und hätten von dem Beklagten bei der Bemessung des
Öffentlichkeitsanteils berücksichtigt werden müssen. Dieser Mangel ist jedoch im
Ergebnis rechtlich nicht relevant, da die 3 %ige Toleranzgrenze bei der Kostendeckung
nicht überschritten wird (siehe IV. 4.).
133
Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 12. September 2005 rügt, es seien
verschiedene Bundes-, Landes- sowie Kreisstraßen nicht in den öffentlichen Flächen
geführt, ist dies nach der Darstellung des Beklagten vom 30. September 2005, an der
das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln hat, bis auf die Landesstraße 000n nicht
zutreffend. Der Beklagte hat plausibel und ohne weiteres nachvollziehbar dargelegt,
dass die übrigen Straßen nicht in der Liste des Tiefbauamtes unter der jeweiligen
Bezeichnung (z.B. L 1, L 2, L 3) geführt werden, da sie als Ortsdurchfahrten insoweit
über die jeweiligen Straßen im Gemeindegebiet erfasst werden (so wird etwa die L 1 als
Ortsdurchfahrt in der Liste des Tiefbauamtes über die L2 Str., die W Str. sowie die G1
Str. geführt). Hinsichtlich der weiteren Straßen (Bund, Kreis) hat der Beklagte ebenfalls
hinreichend dargelegt, dass diese Flächen zu Niederschlagswassergebühren veranlagt
werden (vgl. Schreiben des Beklagten vom 09. Juli 2002, S. 4 sowie Stellungnahme
vom 30. September 2005, S. 2 f.). Dem ist die Klägerin nicht mehr begründet
entgegengetreten. Zutreffend ist allerdings, dass die Landesstraße 000n mit 30.100 qm
in den öffentlichen Flächenanteil hätte eingestellt werden müssen, da die Zahlung einer
Ablösesumme den Beklagten nicht davon entbindet, diese Fläche gebührenrelevant in
der jeweiligen Kalkulation zugrundezulegen. In diesem Zusammenhang weist das
Gericht darauf hin, dass der verschiedentliche Vortrag der Klägerin zu Ablösesummen
im Übrigen unerheblich ist, da es für die Kostenaufteilung zwischen Kommune und
Gebührenzahler maßgeblich nur auf die als Öffentlichkeitsanteil eingestellten
Gesamtquadratmeter der bebauten und/oder befestigten Flächen ankommt.
134
2.
135
Die von dem Beklagten praktizierte Art und Weise der Ermittlung der
befestigten/bebauten/überbauten privaten Grundstücksflächen, die als
Verteilungsmasse in die Berechnung des Gebührensatzes eingegangen sind, verstoßen
ebenfalls im Ergebnis nicht gegen höherrangiges Recht.
136
Das von dem Beklagten beauftragte Forschungsinstitut an der RWTH Aachen e.V. hat
die Versiegelungsflächen aus den bis Juli 1999 zu 92,7% (24.915 Grundstücken)
ausgefüllt zurückgelaufenen Erhebungsbögen errechnet (Selbstveranlagungsverfahren)
und für die übrigen Grundstücke, deren relevante Daten zu diesem Zeitpunkt noch nicht
vorlagen, eine Schätzung der Flächen vorgenommen (vgl. S. 11, 13 des Gutachtens,
3.513 Grundstücke). Die Schätzung erfolgte nach einem im voraus feststehenden
System. Zunächst wurde auf die Grundstücksgrößen, die entweder aus den
Erhebungsbögen oder aus der Liegenschaftsdatenbank entnommen wurden,
zurückgegriffen und der Versiegelungsgrad im Wesentlichen aufgrund vorliegender
137
Luftbildauswertungen ermittelt. Die Einordnung erfolgte dann nach bestimmten
Versiegelungsklassen. Für nicht aus der Liegenschaftsdatenbank ermittelbare
Grundstücksgrößen erfolgte eine Schätzung der versiegelten Fläche auf Basis einer für
jeden Straßenschlüssel errechneten mittleren Versiegelungsfläche (im Einzelnen
Gutachten S. 13).
Die Methode, Bemessungsgrundlagen für die Feststellung von Verteilungsflächen
ebenso wie für die einzelnen Heranziehungen aufgrund von Erklärungen der Pflichtigen
zu ermitteln und bei Nichterklärung die Bemessungsgrundlagen zu schätzen, ist im
Abgabenrecht nicht ungewöhnlich und entspricht -entgegen der Ansicht der Klägerin
(vgl. Schriftsatz vom 28. Februar 2003 S. 61ff.)- geltendem Recht.
138
Zwar wäre es dem Beklagten nicht unmöglich gewesen, zur Ermittlung der einzelnen
Flächen jeweils Feststellungen vor Ort zu treffen und dabei rund 29.000 Grundstücke zu
überprüfen. Dazu war er aber angesichts der damit verbundenen enormen und dann
wiederum von den Gebührenpflichtigen zu tragenden Kosten nicht verpflichtet,
139
vgl. OVG NRW, Urt. v. 01. September 1999 - 9 A 5715/98; Urt. v. 21. März 1997 - 9 A
1921/95 sowie - 9 A 2008/95 ; Urt. v. 13. Mai 1970 - II A 1205/68.
140
Es ist zwar möglich, dass sich Grundstückseigentümer trotz der auf dem
Veranlagungsformular vorhandenen und unterschriftlich zu versichernder Erklärung, die
Angaben nach bestem Wissen gemacht zu haben, zu ihren Gunsten „verrechnet" und
den Anteil der befestigten Flächen zu niedrig angegeben haben. Diese trotz Kontrollen
im Einzelfall verbleibenden Ungerechtigkeiten zwischen den einzelnen
Gebührenschuldnern sind aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität aber
hinzunehmen, zumal die -von allen Gebührenpflichtigen zu tragenden- Kosten für die
Ermittlung aller Flächen vor Ort den Gerechtigkeitsgewinn im Einzelfall von vornherein
nicht rechtfertigen.
141
Im Übrigen ist der Beklagte auch nicht bei seinen Erkenntnissen zu den
angeschlossenen Flächen, die er durch Selbsterklärungen und Schätzungen anlässlich
der Einführung der getrennten Gebührenerhebung gewonnen hatte, stehen geblieben,
sondern hat sich in dem gebotenen Umfang um eine Verbesserung und teilweise
Korrektur sowie Überprüfung des vorliegenden Datenmaterials bemüht.
142
So hat er neben einer automatisierten Plausibilitätsüberprüfung der im
Selbstveranlagungswege gewonnenen Werte zusätzlich die Erhebungsbögen einzeln
auf Fehler überprüft und teilweise etwa durch gezielte telefonische Nachfrage
Missverständnisse beseitigt. Bei unplausiblen Selbsterklärungen oder
„Nullveranlagungen" erfolgte für einige Grundstücke eine Akteneinsicht beim Kanal- und
Tiefbauamt des Beklagten (vgl. Gutachten des Forschungsinstitutes an der RWTH
Aachen e.V., S. 12). Zudem wurde etwa bis 2004 das gesamte Hafengebiet aufgrund
seiner starken baulichen Veränderungen überprüft.
143
Die Schätzung ist zudem eine im Abgabenrecht zulässige Form der Ermittlung von
Bemessungsgrundlagen (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG NRW i.V.m. § 162 Abs. 1, 2 AO).
Dabei liegt es in der Natur einer Schätzung, dass das Ergebnis die tatsächlichen
Verhältnisse nicht genau abbildet, sondern vielmehr die durch sie ermittelten Größen
von den tatsächlichen Verhältnissen mehr oder weniger abweichen, ohne dass dies
bereits zur Fehlerhaftigkeit der Schätzung führt.
144
Sie ist vielmehr erst dann rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des
Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen verlässt und das Schätzungsergebnis
unschlüssig oder unwahrscheinlich ist,
145
vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: März 2004, § 162 AO Rdnr. 98f.
146
Das kann hier nicht festgestellt werden. Die Methode, die der Beklagte bei der
Schätzung der relevanten Flächen, für die die erforderlichen Daten nicht mitgeteilt
worden sind, angewandt hat, ist nicht zu beanstanden. Dass das Ergebnis grob
fehlerhaft gewesen ist, kann ebenfalls nicht festgestellt werden.
147
Der Beklagte hat zudem einen methodischen und sachgerechten Weg beschritten, auf
dem er seine ursprünglich gewonnenen Kenntnisse über die gebührenrelevanten
Flächen im Stadtgebiet in den Zweifelsfällen verbessert und korrigiert, in denen eine
Datenüberprüfung auch im Massenverwaltungsgeschäft im Interesse einer
gleichmäßigen Gebührenerhebung angebracht ist. Er beachtet bei der Erhebung der
Abwassergebühren in dem gebotenen Umfang den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1
Grundgesetz (GG), der sich im Abgabenrecht im Sinne der Forderung nach
Belastungsgleichheit ausprägt, indem er bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen
das Prinzip der (Selbst-) Deklaration systematisch durch das kontrollierende
Verifikationsprinzip ergänzt.
148
Vgl. BVerfG, Urt. v. 27. Juni 1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 ff., insb. S. 271ff.
149
Insoweit ist auch die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des privaten
Flächenanteils und die letztlich zugrundegelegten Flächen nicht zu beanstanden.
Soweit sich bei der Überprüfung des Hafengebietes Ende 2004 herausgestellt hat, dass
eine bereits 2001 befestigte und wohl auch bebaute Fläche von 46.943 qm nicht in den
Flächenanteil zur Ermittlung des Niederschlagswassers eingestellt wurde, führt dies im
Ergebnis nicht zu einer Kostenüberschreitung (siehe IV. 4.). Daher kann offen bleiben,
ob diese Flächen bereits bei der Gebührenkalkulation 2001/2002 hätten berücksichtigt
werden müssen.
150
3.
151
Der Beklagte hat die mit der Wartung und Reparatur der Straßensinkkästen
verbundenen Kosten fehlerhaft in die Gebührenkalkulation eingestellt, da diese Kosten
nicht der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung zuzurechnen sind (vgl. II. 3.).
Dabei hat er die in diesem Rahmen anfallenden Kosten auf die für Schmutzwasser
(siehe dazu II. 3.) sowie für Regenwasser anfallenden Kosten verteilt. Von den
Wartungs- und Reparaturkosten der Sinkkästen (vornehmlich Personal- und
Materialkosten) entfielen auf die Kosten für die Niederschlagwasserbeseitigung im
Gebührenjahr 2001 insgesamt 344.337,83 DM (davon Personalkosten 268.683,98 DM,
Lfd. Nr. 25 in der Gebührenbedarfsberechnung 2001 sowie 75.653,85 DM Wartungs-
und Reparaturkosten, Lfd. Nr. 1, 2). Für das Gebührenjahr 2002 entfielen insgesamt
232.619,99 Euro (davon Personalkosten 169.157,69 Euro und 63.462,30 Euro
Wartungs- und Reparaturkosten) auf die Kosten der Niederschlagwasserbeseitigung.
Diese leistungsfremden Kosten sind auszusondern und vom Gesamtaufwand für die
Niederschlagswasserbeseitigung 2001/2002 abzuziehen. Dies führt im Ergebnis jedoch
nicht zu einer Kostenüberschreitung (siehe IV. 4.).
152
4.
153
Die Summe der nach den vorstehenden Darlegungen zu Ziff. IV. 1. und 2. nicht
berücksichtigten Flächen von 125.902,87 qm sowie der unter Ziff. IV. 3. fehlerhaft bei
den Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung berücksichtigten Wartungs- und
Reparaturkosten der Straßensinkkästen führt jedoch im Ergebnis weder für die
Gebührenkalkulation 2001 noch für die Kalkulation 2002 zu einer Überschreitung der
nach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen gebilligten Toleranzgrenze von 3 %.
154
Ein unter Einbeziehung dieser Flächen und unter Abzug des Kostenaufwandes für die
Straßensinkkästen ermittelter Gebührensatz für die Niederschlagswasserentsorgung ist
jedenfalls unter Berücksichtigung dessen, dass der Satzungsgeber den kalkulatorischen
Zinssatz für die Jahre 2001/2002 rechtmäßig auch höher hätte ansetzten dürfen,
beanstandungsfrei, da eine Kostenüberschreitung im Ergebnis nicht vorliegt. Dies gilt
zunächst ohne weiteres für das Veranlagungsjahr 2001 ([durch Gebühren zu deckende
Kosten der Niederschlagswasserentsorgung] 21.587.596 DM - 344.337,83 DM
[Sinkkästenabzug] = 21.243.258,17 DM / 9.853.788,80 qm [erhöhter Flächenanteil] =
2,16 DM, d.h. Überschreitung durch den kalkulierten Gebührensatz von 2,22 DM um
etwa 2,8%). Für das Veranlagungsjahr 2002 ergibt sich zunächst eine die 3%-Grenze
geringfügig übersteigende Kostenüberschreitung. Neben den auf der Kostenseite in
Abzug zu bringenden Wartungs- und Reparaturkosten für die Straßensinkkästen, sind
nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die kalkulatorischen Zinsen 2002
insgesamt um 28.746 Euro zu hoch kalkuliert worden (vgl. II. 4) und ebenso abzuziehen.
Danach ergibt sich eine Kostenüberschreitung von 3,6% ([durch Gebühren zu deckende
Kosten der Niederschlagswasserentsorgung] 12.868.894 Euro - 232.619,99 Euro
[Sinkkästenabzug] - 28.746 Euro [überhöhte Zinsen] = 12.607.528,01 Euro /
9.155.902,80 qm [erhöhter Flächenanteil] = 1,38 Euro, d.h. Überschreitung durch den
kalkulierten Gebührensatz von 1,43 Euro um etwa 3,6%). Dabei brauchte die Kammer
eine Verteilung der überhöht angesetzten Zinsen von 28.746 Euro auf die Schmutz- und
Niederschlagswasserkosten nicht vorzunehmen, weil selbst bei vollem Ansatz des
Betrages im Rahmen der Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung im
Endergebnis eine Überschreitung der 3 %- Grenze nicht vorliegt. Denn es ist zu
berücksichtigen, dass die Position „kalkulatorische Zinsen" nicht nur im
Veranlagungsjahr 2001, sondern auch im Jahr 2002 höher hätte kalkuliert werden
können, da der Satzungsgeber statt eines Zinssatzes von 6,0% für 2001 und 5,5% für
2002 auch ohne weiteres den von der Rechtsprechung gebilligten Zinssatz von 7,61 %
für 2001 und 7,57% für 2002 hätte zu Grunde legen dürfen (vgl. dazu näher V. 3. b bb).
Wäre der um Beiträge und Zuschüsse Dritter zu mindernde Anschaffungs- bzw.
Herstellungswert mit diesem höheren Satz verzinst worden, wäre der entsprechende
Kostenansatz in der jeweiligen Kalkulation ebenso höher ausgefallen. Ausgehend
davon hätten die jeweils zugrundegelegten kalkulatorischen Zinsen noch um
2.736.559,93 DM im Jahr 2001 (1,61 Prozentpunkte; [auf das Niederschlagswasser
entfallender Zinsbetrag] 10.198.360 DM / [Zinssatz 2001] 6,0 x [zulässige
Zinssatzobergrenze] 7,61 = 12.934.919,93 DM - 10.198.360 DM = 2.736.559,93 DM)
sowie um 2.229.452,56 Euro im Jahr 2002 (2,07 Prozentpunkte; [auf das
Niederschlagswasser entfallender Zinsbetrag] 5.923.666,21 Euro / [Zinssatz 2002] 5,5 x
[zulässige Zinssatzobergrenze] 7,57 = 8.153.118,77 Euro - 5.923.666,21 Euro =
2.229.452,56 Euro), höher kalkuliert werden können. Dies ist der ermittelten
Kostenüberschreitung gegen zu rechnen,
155
vgl. OVG NRW, Urt. v. 24. Juli 1995 - 9 A 2251/93, NWVBl. 1995, 470 ff.; zuletzt OVG
NRW, Beschl. v. 18. März 2005 - 9 A 4650/02.
156
Der unter Berücksichtigung der obigen Darlegungen ermittelte Gesamtaufwand für die
Niederschlagswasserbeseitigung ist somit im jeweiligen Gebührenjahr um diese
Beträge zu erhöhen. Danach sind für 2001 insgesamt 23.826.842,70 DM maßgeblich.
Dividiert durch den zuletzt angegebenen erhöhten Flächenanteil ergibt sich ein
Gebührensatz für die Niederschlagswasserbeseitigung von 2,43 DM gegenüber dem
kalkulierten Satz von 2,22 DM für 2001 ([um Sinkkästen reduzierter Gebührenbedarf]
21.243.258,17 DM + [1,61 % Zinsspielraum] 2.736.559,93 DM / [erhöhter Flächenanteil]
9.853.788,80 qm = 2,43 DM [möglicher Gebührensatz]). Für das Jahr 2002 ergeben sich
insgesamt 14.729.277,54 Euro zu deckende Kosten, was einen zulässigerweise
kalkulierbaren Satz von 1,62 Euro gegenüber dem Satz von 1,43 Euro ergibt ([um
Sinkkästen sowie um überhöhten Zinsbetrag reduzierter Gebührenbedarf]
12.607.528,01 Euro + [2,07 % Zinsspielraum] 2.229.452,56 Euro / [erhöhter
Flächenanteil] 9.155.902,80 qm = 1,62 Euro [möglicher Gebührensatz]). Damit bleibt der
Gebührensatz jeweils deutlich unter dem möglichen kalkulierbaren Satz. Liegt daher
bereits ersichtlich eine Kostenüberschreitung nicht vor, brauchte die Kammer dem
Hinweis des Beklagten im Schreiben vom 30. September 2005 (S. 2), er habe in die
Liste des Tiefbauamtes vom 12. Mai 1999 auch noch nicht fertiggestellte öffentliche
Straßen zugunsten der privaten Gebührenschuldner in einem Umfang von 87.711 qm
eingestellt, nicht nachzugehen und auch nicht zu ermitteln, wann die Straßen
fertiggestellt wurden. Jedoch wird darauf hingewiesen, dass diese Flächen, soweit sie
im relevanten Zeitraum 2001/2002 noch nicht gebührenwirksam fertiggestellt waren, mit
den zu Unrecht über 125.902,87 qm nicht eingestellten Flächen überdies gegen zu
rechnen wären.
157
V.
158
Auch die übrigen Angriffe der Klägerin gegen die Gebührenkalkulationen 2001 und
2002 führen nicht zum Erfolg ihres Begehrens.
159
1.
160
Soweit die Klägerin Bedenken gegen die Ansatzfähigkeit von Fremdkosten geltend
macht, da weder die Vergabe der kaufmännischen Geschäftsführung der
Stadtentwässerung im Jahr 2000 an die B O GmbH (im Folgenden: B) (a) noch die
Vergabe der Erstellung und Fortschreibung des Kanalkatasters an ein Ingenieurbüro (b)
noch die Erstellung eines Verbindungskanals zwischen den Klärwerken O Ost und Süd
(c) ausgeschrieben worden sei, greifen ihre Einwände nicht durch.
161
a) Die Vergabe der kaufmännischen Geschäftsführung der Stadtentwässerung an die B
wurde von dem Beklagten nicht ausgeschrieben. Es spricht einiges dafür, dass der
Dienstleistungsauftrag in Umsetzung der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni
1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher
Dienstleistungsaufträge europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen, da entgegen
der Ansicht des Beklagten auch sog. „In-House-Vergaben" an gemischtwirtschaftliche
Unternehmen, sofern nicht die Ausnahmen nach § 100 Abs. 1, 2 GWB eingreifen,
ausgeschrieben werden müssen. Insbesondere macht es keinen Unterscheid, mit
welchem Geschäftsanteil die öffentliche Hand an der gemischtwirtschaftlichen
162
Unternehmung beteiligt ist und insoweit über das Unternehmen eine Kontrolle „wie über
eine eigene Dienststelle" ausüben kann. Denn die Voraussetzungen für eine „In-House-
Vergabe" kann nach der jüngsten klarstellenden Rechtsprechung des EuGH (Fall „Stadt
Halle") grundsätzlich bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen nicht erfüllt sein, da
schon die nur minderheitliche Beteiligung eines privaten Gesellschafters am
Auftragnehmer eine ähnliche Kontrolle des öffentlichen Auftraggebers über den
Auftragnehmer „wie über eine Dienststelle" ausschließt,
vgl. EuGH, Urt. v. 11. Januar 2005 - C-26/03 (Fall „Stadt Halle"); durch diese
Entscheidung wurde die vormalige sog. „Teckal-Entscheidung" (EuGH, Urt. v. 18.
November 1999 - C-107/98), nach der ein öffentlicher Auftraggeber eine Vergabe an ein
Unternehmen dann nicht ausschreiben müsse, wenn er über dieses Unternehmen eine
Kontrolle „wie über eine Dienststelle" ausübe (Kontrollkriterium) und das Unternehmen
seine Tätigkeit im wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber verrichte
(Wesentlichkeitskriterium) (vgl. auch BGH Beschl v. 12. Juni 2001 - X ZB 10/01, DVBl.
1607), u.a. dahingehend präzisiert, dass diese Grundsätze grundsätzlich nur noch dann
gelten könne, wenn der Auftrag etwa an eine 100%ige Eigengesellschaft oder eine
Gemeinschaftsunternehmung vergeben werde, die zu 100% von -auch mehreren-
öffentlichen Auftraggebern (Kommunen) gehalten würde; vgl. auch EuGH, Urt. V. 13.
Oktober 2005 - C-458/03 (Fall „Stadtwerke Brixen"); ausf. zur Problematik
Vetter/Bergmann, EuZW 2005, 589ff.; Pape/Holz, NJW 2005, 2264ff.;
Hausamnn/Bultmann NVwZ 2005, 377ff.; Müller- Kabisch/Manka, Gemeindehaushalt
2005, 158ff.; zur vormaligen Rechtslage Byok, NJW 2001, 2295, 2298f.
163
Letztlich vermag die Frage einer fehlerhaften Ausschreibung hier jedoch auf sich
beruhen. Denn das Fehlen einer Ausschreibung führt grundsätzlich nach wie vor nicht
zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages,
164
- vgl. OVG NRW, Beschl. v. 19. Januar 1990 - 2 A 2171/87; Urt. v. 30. Januar 1991 - 9 A
765/88 und Teilurt. v. 15. Dezember 1994, NWVBl. 1995, 173, 175; OVG Nds, Urt. v. 22.
Januar 1999 - 9 L 1803/97, NVwZ 1999, 1128; an dem Grundsatz, dass ein zwischen
Auftraggeber und Auftragnehmer geschlossener Vertrag im Regelfall auch dann
wirksam bleibt, wenn das Vergabeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden
ist, hat sich durch die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben an das
Vergabeverfahren zunächst in Form der sog. haushaltsrechtlichen Lösung von 1993 und
ab 1999 in Form der wettbewerbsrechtlichen Lösung über das GWB nichts geändert,
weil die europarechtlichen Regelungen nach wie vor vornehmlich dem Schutz
(potentieller) Bieter dienen; vgl. für die heutige Rechtslage insbesondere §§ 114 Abs. 2
Satz 1 und 115 Abs. 1 GWB, § 13 Vergabeverordnung sowie Bechthold, Kartellgesetz /
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Kommentar, 3. Aufl., 2002, vor § 97 und zu
§ 114 Rdnr. 3 sowie Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6, Rdnr. 196; vgl. auch
Pape/Holz, NJW 2005, 2264, 2267.
165
Aus einem solchen Vertrag herrührende Kosten sind daher in der
Gebührenbedarfsberechnung grundsätzlich ansatzfähig, da die an das Unternehmen zu
zahlenden Fremdleistungsentgelte tatsächliche Kosten darstellen.
166
Eine Einschränkung für die Ansatzfähigkeit geschuldeter Fremdleistungsentgelte gilt nur
mit Blick darauf, dass es sich um vertragsgemäße, betriebsnotwendige (d. h. mit der
Leistungserbringung verbundene) Kosten handeln muss, deren Bemessung letztlich
nicht zu einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, das ein gröbliches und
167
augenfälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung verbietet, führt,
vgl. OVG NRW, Urt. v. 14. Dezember 2004 - 9 A 4187/01, S. 12 f. UA.
168
Ausgehend von diesen Erwägungen sind die in Ansatz gebrachten Kosten für die
(Fremd-) Leistungen der B insgesamt berücksichtigungsfähig. Denn die eingestellte
Entgeltleistung des Beklagten ist nicht grob unangemessen, da ein solches
Missverhältnis zur Leistung der B nicht ersichtlich ist. Mit der kaufmännischen
Buchführung wird eine arbeitsintensive Dienstleistung entgolten, deren Kosten
maßgeblich durch die Gehälter der Mitarbeiter bestimmt wurden. Es ergeben sich mithin
keine Anhaltspunkte dafür, dass das Entgelt überhöht wäre, weil sich die Löhne und
Lohnnebenkosten der B, wie der Beklagte im Schreiben vom 07. Oktober 2005 an das
Gericht dargelegt hat, nach den Vereinbarungen im Bundesmanteltarif- und
Bundesvergütungsvertrag, abgeschlossen zwischen dem Bund Deutscher Entsorger
und der damaligen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Transport, bemessen. Im
Übrigen ist von der Klägerin hierzu nichts Gegenteiliges mehr substantiiert vorgetragen
worden.
169
b) Die Vergabe zur Erstellung und Fortschreibung eines Kanalkatasters des Beklagten
wurde ebenfalls nicht ausgeschrieben. Es kann vorliegend offen bleiben, ob hier eine
europaweite Ausschreibung hätte erfolgen müssen. Zwar spricht bei den über 200.000
Euro liegenden Auftragssummen jedenfalls ab 1997 (vgl. § 2 Vergabeverordnung -VgV-
i.d.F. vom 29. September 1997 i.V.m. § 2 Abs. 2 Verdingungsordnung für freiberufliche
Leistungen -VOF- v. 12. Mai 1997) einiges dafür, dass diese Dienstleistungsaufträge („O
4 u. 5") in Umsetzung der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die
Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge
europaweit hätten ausgeschrieben werden müssen. Jedoch führt das Fehlen einer
Ausschreibung -wie bereits unter V.1.a)- dargelegt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit
des abgeschlossenen Vertrages.
170
Auch diese in Rede stehenden Kosten sind berücksichtigungsfähig. Denn die
eingestellte Entgeltleistung des Beklagten ist nicht grob unangemessen, da ein solches
Missverhältnis zur Leistung des beauftragten Ingenieurbüros nicht ersichtlich ist. Es gibt
auch keine Hinweise, dass die vorgeschriebene Art der Auftragsvergabe im Ergebnis
zur Abgabe eines günstigeren Angebotes geführt hätte, denn die Vergabe erfolgte auf
Grundlage der Honorarordnung für Leistungen der Architekten und Ingenieure (HOAI).
An dieser Angabe des Beklagten im Schriftsatz vom 07. Oktober 2005 sieht die Kammer
keinen Anlass zu zweifeln. Im Übrigen ist die Klägerin dem auch nicht mehr substantiiert
entgegengetreten.
171
c) Zu der Rüge der Klägerin, der Verbindungskanal zwischen den beiden Kläranlagen
Süd und Ost sei nicht ausgeschrieben worden, hat der Beklagte im Schreiben vom 27.
April 2005 dargelegt, dass der Kanal 1998 öffentlich ausgeschrieben und an den
wirtschaftlichsten Bieter vergeben worden sei. An dieser Aussage zu zweifeln, sieht die
Kammer ebenfalls keinen Grund.
172
2.
173
Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22. Juni 2005 (dort S. 26) der Sache nach
meint, durch die in § 5 Nr. 3 des Vertrages zwischen dem Beklagten und der Stadtwerke
O GmbH über den „Kauf, die Durchleitung und die Betriebsführung für den Sammler L3
174
Straße von der E Straße bis zur KA Ost" vom 05. August 1999 festgelegten Entgelte für
die Durchleitung von Schmutzwasser durch den privatisierten Kanal, würden
ausschließlich die privaten Gebührenzahler belastet, geht der Einwand fehl. Laut
Mitteilung des Beklagten vom 27. April 2005 (dort S. 11) wird nur das nach den
Leitsätzen für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten bemessene Entgelt für die
Durchleitung des städtischen Schmutzwassers (ca. 4.000.000 cbm bei Vertragsschluss;
0,19 DM/cbm) in die Gebührenkalkulation eingestellt (z.B. 2001 unter der Pos. 6
„Betriebsausgaben"). Die Kosten für die private Durchleitung des Abwassers der G
GmbH zur KA Ost trägt die Firma selbst. An den Kosten der öffentlichen
Abwasserbeseitigung durch diesen Kanal beteiligt sich die öffentliche Hand über ihren
Öffentlichkeitsanteil, so dass keine ausschließliche Belastung allein der privaten
Gebührenpflichtigen eintritt oder von einem -wie die Klägerin meint- einseitigen „Vertrag
zu Lasten Dritter" gesprochen werden kann.
3.
175
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte in seiner Gebührenkalkulation die
kalkulatorische Abschreibung auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten (a)
und die kalkulatorischen Zinsen nach Nominalzinsen auf der Basis von
Anschaffungsrestwerten (b) berechnet hat.
176
Diese Berechnungsweise der kalkulatorischen Kosten ist nach der ständigen und jüngst
nochmals bestätigten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes für das Land
Nordrhein-Westfalen, der sich die erkennende Kammer anschließt, zulässig,
177
vgl. OVG NRW, Urt. v. 13. April 2005 - 9 A 3120/03; OVG NRW, Urt. v. 01. September
1999 - 9 A 3342/98, NVwZ-RR 2000, 383ff.; OVG NRW, Urt. v. 05. August 1994 - 9 A
1248/92, NVWBl 1994, 428; OVG NRW, Urt. v. 27. Oktober 1992 - 9 A 835/91, NWVBl
1994, 99.
178
a) Nach § 6 Abs. 2 Satz 4 KAG gehören zu den ansatzfähigen Kosten auch
Abschreibungen, die nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer oder Leistungsmenge
gleichmäßig zu bemessen sind. Mit der Abschreibung, als Teil der sog. kalkulatorischen
Kosten, soll der Wertverzehr von langlebigen Gütern des Anlagevermögens, die über
mehrere Perioden zur Leistungserstellung genutzt und abgenutzt werden, erfasst
werden. Dabei rechtfertigt sich die Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten
aus dem Gedanken der reproduktiven Substanzerhaltung, welche lediglich erfordert,
dass die Gemeinde entsprechend ihrer auf Dauer angelegten Pflicht zur Gewährleistung
der Leistungserbringung am Ende der Nutzungsdauer der Anlage die erforderlichen
Haushaltsmittel für die Wiederbeschaffung bereitstellt,
179
vgl. ausf. OVG NRW, Urt. v. 01. September 1999 - 9 A 3342/98, NVwZ-RR 2000, 383ff.
180
Danach erweist sich der vom Beklagten gewählte Ansatz der Abschreibungen in der
Gebührenkalkulation 2001 und 2002 nicht als überhöht, da weder die
Ermittlungsmethode des Wiederbeschaffungszeitwertes (aa) noch der bei der
Abschreibung der Verbundkläranlage zugrundegelegte Wert (bb) Bedenken unterliegt.
Nicht maßgeblich sind auch die von der Klägerin vorgebrachten Einwände hinsichtlich
der Problematik der Abschreibung von Grunddienstbarkeiten (cc).
181
aa) Die Ermittlung des Wiederbeschaffungszeitwertes ist vorliegend nicht zu
182
beanstanden. Die Gemeinden sind in der Regel nicht verpflichtet, zu dessen Ermittlung
den genauen Anlagenwert durch Einholung eines Gutachtens festzustellen. Denn dies
ist nicht nur ggf. unpraktikabel, sondern auch mit erheblichen Kosten für die
Gebührensschuldner verbunden, so dass der Satzungsgeber ebenso andere geeignete
Berechnungsmethoden anwenden darf,
vgl. OVG NRW, Urt. v. 27. Oktober 1992 - 9 A 835/91, NWVBl 1994, 99.
183
Zur Ermittlung kann dabei nicht nur das so genannte Indexverfahren angewandt werden,
bei dem der ursprüngliche Anschaffungswert jährlich mit einem amtlichen Preisindex,
der die Preisentwicklung seit der letzten Anpassung wiedergibt, vervielfältigt wird,
sondern auch das so genannte Mengenverfahren, bei dem sämtliche
Vermögensgegenstände zu einem Bewertungsstichtag nach Art und Menge ermittelt
und mit den zu dem genannten Zeitpunkt geltenden Einheitspreisen multipliziert
werden,
184
vgl. dazu insges. OVG NRW, Urt. v. 24. Juli 1995 - 9 A 2251/93, NWVBl 1995, 470.
185
Der Beklagte hat den Wiederbeschaffungszeitwert bis zum Jahre 1971 nach dem
Mengenverfahren ermittelt (vgl. WIBERA-Gutachten v. 28. Mai 1971) und für die ab 1971
angeschafften Anlagegüter den tatsächlichen historischen Herstellungs- bzw.
Anschaffungswert, der jährlich mit einer Steigerungsrate entsprechend dem amtlichen
Preissteigerungsindex (Indexverfahren) vervielfältigt wird, zugrunde gelegt (vgl.
Schreiben des Beklagten vom 27. April 2005, S. 12). Da nach ständiger
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen beide
Ermittlungsmethoden als geeignet angesehen werden, unterliegt es keinen Bedenken,
wenn der Beklagte zur Ermittlung des der Abschreibung zugrundegelegten
Wiederbeschaffungszeitwertes derart vorgegangen ist,
186
vgl. OVG NRW, Urt. v. 24. Juli 1995 - 9 A 2251/93, NWVBl 1995, 470.
187
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Abschreibung der Verbundkläranlage
nicht überhöht und muss daher nicht verändert werden. Denn die Verbundkläranlage ist
nach obigen Ausführungen nicht überdimensioniert, sondern weist lediglich eine
gerechtfertigte Leistungsreserve auf, die nicht zu beanstanden ist (ausf. oben I. 2.).
Insoweit stellt sich die von der Klägerin gestellte Frage, ob eine Anlage, die in dieser
Größe aufgrund ihrer vermeintlichen Überkapazität nicht wieder erstellt werden würde,
nach dem Wiederbeschaffungszeitwert abgeschrieben werden dürfe, vom Ansatz her
bereits nicht. Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass auch bei
Berücksichtigung des Gedankens der reproduktiven Substanzerhaltung die
Abschreibung nicht der Vorfinanzierung künftiger Aufwendungen, sondern der
Abgeltung gegenwärtiger Kosten, nämlich der Erfassung des auf Abnutzung
beruhenden Wertverzehrs der erstellten Gesamtanlage in der jeweiligen
Kalkulationsperiode dient,
188
vgl. OVG Nds, Urt. v. 16. November 1967 - III OVG A 111/65, DVBl. 1968, 311; OVG SH,
Urt. v. 29. Oktober 1991 - 2 L 144/91, NVwZ-RR 1993, 158.
189
Denn der Benutzer zahlt Gebühren nicht, um eine „Anwartschaft" auf die Herstellung
einer neuen Anlage zu „erwerben", sondern als Gegenleistung für den
nutzungsbedingten Wertverlust der vorhandenen Anlage und des darin gebundenen
190
Kapitals.
cc) Ebenfalls nicht durchgreifend sind die Einwände der Klägerin hinsichtlich der
vermeintlichen Abschreibung von Grundstücken bzw. Grunddienstbarkeiten. Aus den
Berechnungen der kalkulatorischen Abschreibungen für das Jahr 2001 sowie 2002 und
den dort aufgeführten Kostenarten ergibt sich ohne weiteres, dass der Beklagte keine
Grundstücke gebührenrelevant abschreibt. In diesem Zusammenhang weist die
Kammer darauf hin, dass die Aufführung von Grundstücken als Anlagevermögen auf der
Aktiva-Seite der vorläufigen Eröffnungsbilanz der Stadtentwässerung zum 01. Januar
1995 (WIBERA-Gutachten v. 18. Oktober 1995) keine Rückschlüsse darauf ermöglicht,
dass der Beklagte diese gebührenwirksam abschreibt. Ob indes die -vom Beklagten im
Schreiben vom 27. April 2005 (dort S. 12) mitgeteilte- Abschreibung von
Grunddienstbarkeiten zu Recht erfolgt ist, kann offen bleiben. Die nicht bestrittene
Abschreibungshöhe beträgt lediglich 551,- Euro pro Jahr und bleibt damit -sollte die
Einstellung zu Unrecht erfolgt sein- ersichtlich, auch unter Berücksichtigung der bereits
ermittelten Kostenüberschreitung (siehe II. 4 und IV. 4.), unterhalb der Bagatellgrenze
von 3%.
191
b) Der Ansatz der kalkulatorischen Zinsen in den Gebührenbedarfsberechnungen für die
streitigen Jahre 2001 sowie 2002 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Ermittlung des
Anschaffungsrestwertes als Basis der Zinsberechnung abzüglich des aus Beiträgen und
Zuschüssen aufgebrachten Eigenkapitalanteils unterliegt in dem hier vorliegenden Fall
keinen Bedenken (aa), ebenso ist der von dem Beklagten angenommene
Nominalzinssatz von 6,0% für 2001 und 5,5% für 2002 in vollem Umfang gerechtfertigt
(bb). Schließlich sind die Ausführungen der Klägerin bezüglich der vermeintlich nicht
nachvollziehbaren „Umbuchungen", „stillen Reserven" oder „internen Darlehen" des
Beklagten in den Bilanzen der Stadtentwässerung unerheblich (cc).
192
aa) Zur Berechnung der Herstellungs- bzw. Anschaffungswerte ist der Beklagte ab dem
Jahre 1971 von den tatsächlichen (historischen) Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten
ausgegangen (vgl. Schreiben des Beklagten vom 27. April 2005, S. 12 und vom 04.
November 2005). Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden, da sie von den
tatsächlich aufgewendeten Kosten ausgeht und diese zugrundelegt,
193
vgl. OVG NRW, Urt. v. 24. Juli 1995 - 9 A 2251/93, NWVBl 1995, 470.
194
Gleichfalls nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte die Herstellungs- und
Anschaffungswerte bei rund 96% der bis zum Jahr 1971 in Betrieb genommenen
Anlagen oder Anlagenteile durch Rückrechnung von einem bis dahin im Wege des
Mengenverfahrens errechneten Wiederbeschaffungszeitwert ermittelt hat (vgl. WIBERA-
Gutachten v. 28. Mai 1971, S. 2). Grundsätzlich ist es zwar bei der Ermittlung des
Anschaffungs- bzw. Herstellungswertes allein sachgerecht, die tatsächlich
aufgewandten Kosten zu Grunde zu legen, weil eine Rückrechnung vom
Wiederbeschaffungszeitwert über Indizes in einer Vielzahl von Fällen nicht den gleichen
Grad an Genauigkeit beanspruchen kann. In den Fallgestaltungen aber, in denen ein
Rückgriff auf die tatsächlichen Anschaffungswerte nicht oder nur in eingeschränktem
Maße möglich ist (z. B. wegen nicht mehr vorhandener Unterlagen) und daher in Folge
des Ausmaßes der ohnehin erforderlichen Schätzungen mit noch größeren
Unsicherheiten als bei dem Mengenverfahren gerechnet werden muss, anerkennt das
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen ausnahmsweise das Mengenverfahren als
eine zur Bestimmung des Anschaffungswertes geeignete Methode,
195
vgl. OVG NRW, Urt. v. 24. Juli 1995 - 9 A 2251/93, NWVBl 1995, 470, 472.
196
Die Voraussetzungen, unter denen hiernach eine Feststellung des historischen
Herstellungs- bzw. Anschaffungswertes durch die Rückrechnung von den
Wiederbeschaffungskosten erfolgen kann, sind beim Beklagten gegeben. Zwar mag es
zweifelhaft sein, ob die seinerzeit vom Ersteller des Gutachtens gegebene Begründung
für den Verzicht auf die Ermittlung der tatsächlich für die Herstellung bzw. Anschaffung -
insbesondere beim Kanalnetz sowie den Hausanschlüssen- aufgewandten Kosten der
Anlagegüter („unverantwortlich große Schwierigkeiten und erheblicher Zeitaufwand";
„bei rd 1/3 der Anlagen -nämlich aus den Zugangsjahren vor 1948- ... unbrauchbare[n]
Ergebnisse", WIBERA-Gutachten vom 28. Mai 1971, S. 2, 15) im Lichte der zuletzt
zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung tragfähig wäre. Dies kann jedoch offen
bleiben. Denn dem Beklagten ist es heute jedenfalls nicht mehr möglich, die
tatsächlichen Anschaffungskosten für Anlagenzugänge vor dem Jahr 1971 zu erfassen.
Er verweist insoweit auf den lückenhaften Aktenbestand, der es ihm nach aktuellem
Sachstand unmöglich mache, eine auch nur im Ansatz vollständige Ermittlung der
tatsächlichen Anschaffungskosten vorzunehmen (vgl. Schriftsatz vom 04. November
2005, S. 2). Ist das Aktenmaterial demnach nur noch unzureichend vorhanden, ist nicht
gewährleistet, dass es den spezifischen Anforderungen für eine genaue Ermittlung des
Anschaffungswertes genügt. Im Zusammenhang mit der Lückenhaftigkeit des
Aktenmaterials ist darauf hinzuweisen, dass für nordrhein-westfälische Kommunen
jahrzehntelang auch keine Veranlassung bestand, die Abrechnungsunterlagen über neu
erstellte Kanäle aus Gründen der Gebührenkalkulation in einer Weise zu archivieren
und aufzubereiten, dass jederzeit eine verlässliche Zusammenstellung der
Anschaffungswerte erfolgen konnte, denn nach der bis Mitte 1994 maßgeblichen
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen unterlag es
keinerlei Bedenken, auch für die kalkulatorische Verzinsung auf den
Wiederbeschaffungszeitwert der Anlage abzustellen,
197
vgl. OVG NRW, Urt. v. 27. Oktober 1992 - 9 A 835/91, NWVBl. 1994, S. 99ff.; insoweit
Aufgabe dieser Rspr. durch OVG NRW, Urt. v. 05. August 1994 - 9 A 1248/92, NVWZ
1995, 1233ff.
198
Angesichts der Lückenhaftigkeit der Unterlagen des Beklagten, wäre eine Aufstellung
der Anschaffungskosten allein auf der Grundlage eines ggf. noch im Einzelfall
vorhandenen Aktenmaterials mit deutlichen Unsicherheiten behaftet. Zahlreiche
Positionen könnten nur noch grob geschätzt werden. Selbst wenn eine Rekonstruktion
der Anschaffungswerte anhand der greifbaren Unterlagen noch verlässlich möglich
wäre, so ginge dies zweifellos nur mit einem sehr hohen personellen Aufwand. Unter
Effizienzgesichtspunkten ist der Einsatz kommunaler Ressourcen für die
Informationsgewinnung und Kontrolle aber nur so lange sinnvoll, wie der betriebene
Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu den erzielten Ergebnissen, also
letztlich der Gebührengerechtigkeit, steht. Denn Verbesserungen der Genauigkeit von
Kalkulationsergebnissen, die mit wirtschaftlich unvertretbarem Verwaltungsaufwand
einhergehen, liegen nicht im Interesse der Gebührenschuldner,
199
vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6, Rn. 170; Gawel: Gemeindehaushalt 1998,
S. 97, 98.
200
Ist dem Beklagten danach ein Rückgriff auf die tatsächlichen Anschaffungs- bzw.
201
Herstellungswerte nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, konnte er ausnahmsweise
für die Zeit vor 1971 der Verzinsung die Anschaffungs- und Herstellungswerte zu
Grunde legen, die er durch Rückrechung von dem im Wege des Mengenverfahrens
ermittelten Wiederbeschaffungszeitwert gewonnen hatte. Dabei durfte er auch -
entgegen der Ansicht der Klägerin im Schriftsatz vom 24. November 2005- von den
Schätzungen des Gutachtens über die Anlagenbewertung der Stadtentwässerung O
vom 28. Mai 1971 ausgehen, denn es liegen im Ergebnis keine hinreichend substantiiert
geltend gemachten Anhaltspunkte für eine zu beanstandende Berechnung vor. Zwar ist
der als Ausgangswert verwendete Wiederbeschaffungszeitwert zum Zwecke der
Ermittlung des Anschaffungs- bzw. Herstellungswertes nicht um die Kostenanteile, die
nur bei einer Wiederherstellung, regelmäßig aber nicht bei einer erstmaligen
Herstellung anfallen, reduziert worden. Dies ist jedoch -sofern man eine Reduzierung in
diesem Fall überhaupt für erforderlich hielte- unbeachtlich. Denn die damaligen Werte
dürften selbst schon sehr niedrig angesetzt worden sein, da der Gutachter der WIBERA
in seinem Gutachten vom 28. Mai 1971 (dort S. 16) aus betriebswirtschaftlicher Sicht
darauf hingewiesen hat, dass es kaum möglich sei, eine angemessene
Erneuerungsrücklage mit den so ermittelten Anschaffungs- und Herstellungswerten zu
bilden. Ungeachtet dessen ist aber auch nicht durchgreifend bedenklich, weiterhin von
den nicht reduzierten Werten auszugehen, weil eine aus heutiger Sicht durchzuführende
Neubewertung der Anlagengüter unter Berücksichtigung eines angemessenen Abzuges
zu keinen sachgerechteren Ergebnissen führen würde. Denn eine erneute Ermittlung
dieser Werte würde mit größeren Ungenauigkeiten behaftet sein, als sie bei
Zugrundelegung der damaligen gutachterlichen Ergebnisse zu Tage treten. Sie müsste
über die Preisentwicklung der letzten 30 Jahre hinweggreifen, um mit ihrer Schätzung
einsetzen zu können, während die seinerzeitige Bewertung eine deutlich zeitnähere und
damit präzisere Einschätzung erlaubte. Angesichts dieser unvermeidlichen
Bewertungsunschärfen erscheint der Kammer ausnahmsweise eine Reduzierung der
damals gewonnenen Ergebnisse nicht geboten.
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 21. November 2005 darauf hinweist, es hätte für
die Reindexierung nicht der amtliche Hochbauindex, sondern der Tiefbauindex
zugrunde gelegt werden müssen, greift dieser Einwand schließlich nicht durch, da ein
amtlicher Tiefbauindex nicht geführt wurde und daher keine diesbezüglichen Werte
vorlagen (vgl. Gutachten der WIBERA vom 28. Mai 1971, S. 15). Im Übrigen ist es nicht
unzulässig, sofern -wie hier- spezifische Indizes fehlen, auf bereichsverwandte
zurückzugreifen,
202
vgl. OVG NRW, Urt. v. 24. Juli 1995 - 9 A 2251/93, NWVBl. 1995, 470, 472.
203
bb) Der in der Gebührenkalkulation 2001 sowie 2002 zugrundegelegte kalkulatorische
Zinssatz ist auch nicht zu hoch angesetzt. Denn der Zinssatz bestimmt sich nicht nach
den in der jeweiligen Gebühren(-erhebungs-)periode am Kapitalmarkt (voraussichtlich)
herrschenden Verhältnissen. Es handelt sich vielmehr um eine kalkulatorische
Verzinsung des in der Anlage langfristig gebundenen Kapitals, das sich im gesamten
Restbuchwert widerspiegelt; dieser Wert erfasst Anlagegüter unterschiedlichsten Alters
und damit Kapitalbindungen unterschiedlichster Dauer. Da der kalkulatorischen
Verzinsung die Funktion zukommt, einen Ausgleich für die finanziellen Belastungen zu
bieten, die die Gemeinden für die Aufbringung des in der Anlage langfristig gebundenen
Kapitals zu tragen haben,
204
vgl. zu dieser Funktion des kalkulatorischen Zinses: OVG NRW, Urt. v. 01. September
205
1999 - 9 A 3342/98 -, KStZ 2000, 90ff.,
sind für die Höhe des Zinssatzes die langfristigen Durchschnittsverhältnisse am
Kapitalmarkt maßgebend. Diese Verhältnisse können nach der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen am langjährigen Durchschnitt der
Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten
abgelesen werden,
206
vgl. hierzu OVG NRW, Urt. v. 13. April 2005 - 9 A 3120/03 m.w.N.
207
Die Zinskalkulation ist mithin zu messen an den langfristigen Durchschnittsrenditen
dieser Emissionen, die bei Kalkulationserstellung bekannt waren, d.h. unter
Berücksichtigung der Renditen, die in den vergangenen Jahrzehnten bis hin zum
Vorvorjahr des Jahres, für das die Gebühren kalkuliert und erhoben werden sollen,
angefallen waren. Dieser langjährige Durchschnittswert darf nach der zitierten
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein- Westfalen um bis zu 0,5 %-
Punkte erhöht werden, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass wegen der die
Anlagezinsen regelmäßig übersteigenden Kreditzinsen ein etwaiger Fremdkapitalanteil
zu einem höheren Zinssatz zu berücksichtigen ist.
208
Dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen wie dem erkennenden Gericht sind
die Sätze der in Rede stehenden Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere
inländischer öffentlicher Emittenten seit dem Jahre 1955 bekannt. Die Sätze aus den
Jahren 1955 bis 2002 ergeben sich aus einer von der Deutschen Bundesbank
erstellten, dem erkennenden Gericht in einem früheren Klageverfahren mitgeteilten
Übersicht vom 12. Januar 2004.
209
Ausgehend von den durchschnittlichen Emmissionsrenditen der genannten
Finanzanlagen von 1955 bis zu dem Vorvorjahr des Jahres, für das die Gebühren
kalkuliert und erhoben werden sollen, ergeben sich unter Einbeziehung des Zuschlages
von 0,5 %-Punkten für die Gebührenkalkulation für die streitigen Veranlagungsjahre
2001 und 2002 die folgenden zulässigen Zinssätze von 7,61 % für 2001 und 7,57% für
2002. Ersichtlich sind die in den streitigen Gebührenkalkulationen berechneten
kalkulatorischen Zinsen von 6,0% für 2001 und 5,5% für 2002 daher nicht zu
beanstanden.
210
cc) Schließlich sind die Ausführungen der Klägerin betreffend der angeblich nicht
nachvollziehbaren Ausweisung von Werten bzw. Umbuchungen in den Bilanzen der
Stadtentwässerung, insbesondere die wiederholt angesprochene Problematik der
Gewährung eines „internen Kredites" vom Beklagten an die Stadtentwässerung im Zuge
der Ausgliederung in eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung zum 01. Januar 1996 hier
nicht erheblich. Ob sich der Beklagte selbst -wie die Klägerin meint- rechtswidrigerweise
unter Einbezug der in der Eröffnungsbilanz der Stadtentwässerung vom 01. Januar 1996
auf der Passiva-Seite ausgewiesenen Kapitalrücklage von etwa 240 Mio. DM ein
„internes Darlehen" über insgesamt 350.012.754 DM (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom
22. Juni 2005, S. 28f. und v. 28. Februar 2003, S. 11ff., 17ff.) gegeben hat, bedarf keiner
Entscheidung. Diese Frage ist gebührenrechtlich irrelevant. Für die Überprüfung einer
Gebührenkalkulation ist insoweit allein entscheidend, dass die Abschreibungen und
Verzinsungen ordnungsgemäß nach den oben dargelegten Maßstäben (vgl. V. 3.)
erfolgt sind. Nicht von Belang sind diesbezüglich buchhalterische Werte in Bilanzen,
etwa der Vergleich der Aktiv- mit der Passiv-Seite bzw. eventuelle „Umbuchungen",
211
„stille Reserven" oder „interne Darlehen". Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte
habe die Basis von Abschreibungen und Verzinsungen nicht jährlich um die
entsprechenden Abschreibungswerte bereinigt, vermag die Kammer unter
Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen nicht nachzuvollziehen.
4.
212
Die Einstellung der Kostenunterdeckung von 4.392.241 Euro in die
Gebührenkalkulation 2002 ist ebenso wenig zu beanstanden. Nach § 6 Abs. 2 Satz 3
Hs. 2 KAG sollen Kostenunterdeckungen innerhalb der nächsten drei Jahre nach Ende
des Kalkulationszeitraumes ausgeglichen werden. Ansatzfähige Kostenunterdeckungen
im Sinne der Bestimmung sind nur solche, die ungewollt, d.h. lediglich schätzungs- bzw.
prognosebedingt sind, sei es etwa, dass die tatsächlichen Kosten höher als die
kalkulierten gewesen sind (unvorhersehbare Kostensteigerung) oder die tatsächliche
Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung -Summe der Maßstabseinheiten-
niedriger als die kalkulierte Nutzungsmenge gewesen ist (z.B. Ausfall eines
Großnutzers wegen Insolvenz oder Betriebsverlagerung). Nicht ansatzfähig sind
dagegen Unterdeckungen, bei denen Kostenpositionen bewusst nicht in die Kalkulation
eingestellt wurden und der Ortsgesetzgeber die Unterdeckung „sehenden Auges" und
billigend in Kauf genommen hat,
213
vgl. insgesamt OVG SH, Urt. v. 24. Juni 1998 - 2 L 22/96, NVwZ 2000, 102; OVG S-A,
Urt. v. 16. Dezember 1998 - 2 S 370/96, NVwZ-RR 1999, 676; die abweichende
Auffassung des OVG Münster, Urt. v. 03. Februar 1997 - 9 A 3016/94, NVwZ-RR 1998,
390, erging vor dem Hintergrund der bis Ende 1998 geltenden Fassung des § 6 Abs. 2
Satz 3 KAG, die einen Ausgleich von Verlustvorträgen nicht vorsah.
214
Die in Rede stehende Kostenunterdeckung aus dem Jahr 1999 ist von dem Beklagten
2002 und damit innerhalb des zulässigen dreijährigen Rahmens in die Kalkulation
eingestellt worden. Laut Schreiben des Beklagten vom 27. April 2005 war maßgeblicher
Grund für die 1999 entstandene Unterdeckung, dass entgegen den Erwartungen
Bauprojekte, deren Fertigstellung erst für spätere Zeiträume in Aussicht gestellt worden
seien, früher als geplant errichtet worden wären. Dadurch seien für Anlagegüter mit
einem Anlagevermögen von ca. 69 Mio. DM Abschreibungen und Verzinsungen früher
wirksam geworden. Diese Einlassung des Beklagten ist nachvollziehbar, so dass das
Gericht -entgegen der nicht substantiierten Darlegung der Klägerin- keinen Anlass hat,
diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Insbesondere ist die am Ende des Gebührenjahres
1999 auftretende Kostenunterdeckung ungewollt erfolgt, da der Beklagte ersichtlich
davon ausging, die abzuschreibenden und zu verzinsenden Anlagegüter würden erst zu
einen späteren Zeitpunkt fertiggestellt. Insoweit lag eine prognosebedingte
Fehleinschätzung hinsichtlich der „Einbuchung" von Anlagegütern in die aktuelle
Kalkulation vor, die der Beklagte nicht vorhersehen konnte.
215
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 22. Juni 2005 (dort S. 32) rügt, die Höhe des
2002 eingestellten Verlustvortrages differiere im Ergebnis zwischen den in der
Gebührenkalkulation 2002 zugrundegelegten 4.392.241 Euro und den 6.111.708 Euro
als in der Betriebabrechung für das Jahr 1999 ausgewiesenen Unterdeckung, greift
dieser Hinweis nicht durch. Der Betrag von 6.401.229,15 Euro beziffert die
Unterdeckung aus dem Gebührenjahr 1999 ([Betriebsabrechung 1999] 83.253.463 DM -
[Kostenaufwand Gebührenkalkulation 1999] 70.733.747 DM = 12.519.716 DM
nachrichtlich 6.401.229,15 Euro). Die Differenz zwischen dieser Unterdeckung aus dem
216
Jahr 1999 zu der in der Gebührenkalkulation 2002 mit 4.392.241 Euro berücksichtigten
Unterdeckung ergibt sich aus dem bereits in Höhe von rund einem Drittel abgezogenen
öffentlichen Anteil, den der Beklagte zu Recht selbst getragen hat. Im Hinblick auf die
Ermittlung des Öffentlichkeitsanteils an der Entwässerung hat die Kammer im Ergebnis
keine schwerwiegenden Bedenken, die die Gewichtung von rund 1/3 „öffentlichem" und
2/3 „privatem" Anteil an der Kostentragung der Einrichtung in Frage stellten (vgl. IV 1.).
5.
217
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 01. August 2005 rügt, die Beseitigungskosten
des Fremdwassers innerhalb der öffentlichen Einrichtung könnten keine gegenüber den
Gebührenschuldnern abrechenbare Leistung darstellen, ist dies insoweit unrichtig, als
es sich um in die Kanalisation von außen eindringendendes Grund- und Quellwasser
handelt, denn diesbezüglich handelt es sich um betriebsbedingte „Fehleinleitungen".
Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es in nennenswertem
Umfang sonstige „Fehleinleitungen" gibt. Hinsichtlich der Ermittlung der
Schmutzwassereinleitungsmengen der bei dem Beklagten ansässigen Industriebetriebe
ist die von ihm gewählte Methode der (überwiegenden) Selbstveranlagung nicht zu
beanstanden (vgl. insoweit zur Zulässigkeit solcher Schätzverfahren IV. 2.). Im Übrigen
hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Großeinleiters
G GmbH ergänzt, dass die Firma über eine eigene Mengenmesseinrichtung auf dem
Betriebsgelände verfüge, die regelmäßig von dem Beklagten abgelesen würden.
218
6.
219
Rügt die Klägerin schließlich allgemein, dass einzelne Kostenpositionen in den
Gebührenbedarfsberechnungen 2001 und 2002 zu wenig konkret und genau seien, ist
dazu festzustellen, dass dies auch nicht die Aufgabe einer solchen Berechnung ist. Sie
hat nicht den Sinn, die einzelnen Kostenpositionen anhand ins einzeln gehender
Kostenbelege zu spezifizieren, sondern die verschiedenen Kostenarten, soweit sie ihrer
rechtlichen Natur nach zusammengefasst werden können, darzustellen. Dafür, dass
hiernach die jeweiligen Kostenpositionen der Berechnung über die bereits dargelegten
Punkte fehlerhaft ermittelt sein könnten, gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere hat
die Klägerin dazu nichts Haltbares und Konkretes vorgetragen.
220
7.
221
Soweit die Klägerin in ihren umfangreichen Schriftsätzen weitere Fragen und oftmals
rein spekulative Einwendungen in den Raum wirft, ohne dazu ausreichend und
insbesondere substantiiert vorzutragen, sieht das Gericht diesbezüglich mangels
erkennbarer Relevanz für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gebührenkalkulation
keine weiteren Aufklärungsmaßnahmen von Amts wegen als erforderlich an. Dies gilt
maßgeblich für die vorgebrachte Verflechtung von Wirtschaft und Politik in der Stadt des
Beklagten, in der die Klägerin eine Allianz ausschließlich zu Lasten der privaten
Gebührenschuldner erblickt. Zu der von ihr geforderten weiteren Differenzierung bei der
Gebührenerhebung zwischen privaten und gewerblichen Nutzern bzw. nach dem
Verschmutzungsgrad des Abwassers ist der Satzungsgeber nicht verpflichtet,
222
vgl. BVerwG, Urt. v. 12. Juni 1972 - VII B 117.70, Buchholz 1.1 Nr. 132.
223
Hinsichtlich der Höhe der Kostenansätze ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sie
224
weitgehend auf kalkulatorischen Schätzungen über die Kostenaufwendungen im
bevorstehenden Veranlagungszeitraum beruhen, für die es notwendigerweise einen
gewissen Spielraum geben muss, den das Gericht zu respektieren hat. Es ist nicht
Aufgabe des Gerichts, selbst eine Schätzung vorzunehmen, es hat vielmehr
grundsätzlich das vom Rat gebilligte Ergebnis der Schätzung hinzunehmen. Zwar sind
die Verwaltungsgerichte im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes verpflichtet, jede
mögliche Aufklärung des Sachverhalts zu versuchen, sofern die Aufklärung nach
Auffassung des Gerichts für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist.
Aufklärungsmaßnahmen brauchen jedoch nur zu erfolgen, soweit sie sich dem Gericht
aus dem Sachverhalt oder den beigezogenen Unterlagen aufdrängen. Dies ist hier über
die erörterten Fragen hinaus nicht der Fall.
Ist damit die Gebührenkalkulation 2001 und 2002 im Ergebnis nicht zu beanstanden, ist
der festgesetzte Gebührensatz für die Erhebung von Schmutz- und
Niederschlagswassergebühren insoweit rechtmäßig und die Gebührensatzung
ordnungsgemäß. Die Gebühr ist durch die Inanspruchnahme der Abwasseranlagen des
Beklagten seitens des betroffenen Grundstücks dem Grunde nach entstanden. Auf
Grundlage des für die Erhebung der Schmutz- und Niederschlagswassergebühren
maßgeblichen Satzungsrechts ist die Gebühr auch in der berechneten Höhe nach dem
jeweiligen Gebührensatz in § 6 EntwGebS für das Jahr 2001 bzw. 2002 angefallen.
Anhaltspunkte für eine Fehlberechnung der Höhe der Gebühren gibt es nicht. Die
Klägerin ist auch gem. § 7 EntwGS Gebührenschuldnerin der im streitgegenständlichen
Zeitraum auf das Grundstück entfallenden Gebühren.
225
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 159, 161 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708
Nr. 11, 711 ZPO.
226
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4
VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 VwGO).
227
228