Urteil des VG Düsseldorf vom 04.09.2006

VG Düsseldorf: ausbildung, fristverlängerung, berechtigung, urkunde, praktikum, approbation, satzung, gerichtsakte, unterdrückung, unverzüglich

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 785/06
Datum:
04.09.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 785/06
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Dem am 00. Oktober 1945 geborenen Kläger wurde 1990 die Approbation als Arzt
erteilt; er ist seit 1990 als in eigener Praxis niedergelassener Arzt tätig. Mit formlosen
Schreiben ohne Anlagen vom 27. Dezember 1995, bei der Beklagten eingegangen am
2. Januar 1996, beantragte er, die Bezeichnung „Praktischer Arzt" führen zu dürfen. Die
Beklagte teilte ihm daraufhin mit Schreiben vom 23. Januar 1996 die sachlichen
Voraussetzungen (zweijährige spezifische ärztliche Tätigkeit) mit sowie das diese durch
Zeugnisse zu belegen seien. Bis zum Eingang der Zeugnisse werde der Antrag
zurückgestellt. Mit Schreiben vom 3. Mai 1996 erinnerte die Beklagte den Kläger an die
Vorlage der Unterlagen.
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Mit Faxschreiben vom 27. Februar 2005 erbat der Kläger von der Beklagten eine
Bestätigung, dass er die Bezeichnung praktischer Arzt führen dürfe. Die Beklagte
erwiderte mit Schreiben vom 31. März 2005, die Bezeichnung Praktischer Arzt dürfe nur
führen, wem dies durch von ihr auszustellende Urkunde erlaubt worden sei; über eine
solche Urkunde verfüge der Kläger nicht. Sein Antrag vom 2. Januar 1996 habe
mangels Vorlage von Nachweisen nicht bearbeitet werden können. Obwohl auf Grund
einer Änderung des Heilberufsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen im März
diesen Jahres eine entsprechende Beurkundung nicht mehr beantragt werden könne,
werde dem Kläger ausnahmsweise ermöglicht, bis spätestens 29. April 2005 die
fehlenden Antragsunterlagen einzureichen. Der Kläger erbat mit Schreiben vom 24.
April 2005 Entbindung von der ihm gesetzten Frist, da sich die Beschaffung der
Unterlagen verzögere. Ferner verwies er auf seine Ausbildung vor seiner Approbation
im Jahre 1990 und dass nach seiner Erinnerung die damals erweiterte Ausbildung als
„Arzt im Praktikum" genüge, um die Bezeichnung zu erlangen; die Nachweise hierüber
lägen der Beklagten vor. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 26. April 2005, dass
ihr keinerlei Unterlagen über Weiterbildungen bzw. über AIP-Tätigkeiten vorlägen und
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bat um Übersendung bis zum 29. April 2005. Mit Schreiben vom 27. April 2005 erklärte
der Kläger, derzeit Kopien derjenigen Zeugnisse zu besorgen, die er dem
Regierungspräsidenten anlässlich der Approbationserteilung im Original habe
zukommen lassen, und bat um Fristverlängerung, die die Beklagte mit Schreiben vom
29. April 2005 bis zum 30. Mai 2005 gewährte. Mit Schreiben vom 30. Mai 2005 erbat
der Kläger bei der Beklagten weitere Fristverlängerung.
Mit Bescheid vom 6. Juni 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Grund
fehlender Voraussetzungen ab, weil der Kläger keine Nachweise erbracht habe und die
Verleihung der Bezeichnung praktischer Arzt seit dem 17. März 2005 auf Grund einer
Änderung des Heilberufsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen nicht mehr möglich
sei.
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Der Kläger erhob mit Schreiben vom 17. Juni 2005 Widerspruch. Mit Schreiben seines
Bevollmächtigten vom 15. Januar 2006 begründete der Kläger seinen Widerspruch und
trug vor, die Beklagte habe seinen Antrag auf Fristverlängerung nicht ablehnen dürfen.
Tatsächlich lägen der Beklagten Bescheinigungen von Herrn Dr. med. U und Frau Dr.
med. H vor. Denn er habe die Beklagte bereits mit Schreiben vom 7. April 2005
informiert, dass dieser die erbetenen Ausbildungsnachweise bereits vorlägen. Diese
seien im Zuge der Antragstellung 1996 ausreichend gewesen und seien daher auch
übersandt worden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch
des Klägers als unbegründet zurück. Wie dem Kläger mehrfach mitgeteilt, lägen ihr die
erforderlichen Ausbildungsnachweise nicht vor und seien auch nicht innerhalb
eingeräumter Frist nachgereicht worden.
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Am 23. Februar 2006 hat der Kläger Klage erhoben. Mit Schreiben vom 8. Mai 2006 legt
der Kläger Kopien von zwei Zeugnissen über seine Tätigkeit als Arzt im Praktikum vom
1. November 1989 (Dr. med. U) und vom 14. August 1990 (Dr. med H) vor. Er behauptet,
er habe die zugrunde liegenden Originale als Anlage eines Schreibens der
Bezirksregierung E vom 25. Juli 2005 am 4. August 2005 erhalten und sofort nach Erhalt
an die Beklagte weitergeleitet. In den Akten der Beklagten seien die Zeugnisse aus
nicht nachvollziehbaren Gründen nicht enthalten. Die Beklagte habe rechtswidrig keine
weitere Fristverlängerung gewährt. Materiell erfülle er die Anforderungen zur Führung
der Bezeichnung.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Juni 2005 und des
Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2006 zu verpflichten, ihm ein Zeugnis zu
erteilen, welches zur Führung der Bezeichnung „Praktischer Arzt" berechtigt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, die vom Kläger erstmals im Verfahren nachgewiesene Ausbildung aus der
Zeit des Klägers als AIP erfülle sachlich nicht die Voraussetzungen, unter denen bis
zum 17. März 2005 die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung „Praktischer Arzt"
erworben werden konnte, da schon die nach ihrer Satzung aus dem Jahre 1996
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erforderliche Mindestzeit von 24 Monaten, davon mindestens 6 Monate in einem
zugelassenen Krankenhaus, nicht erreicht sei. Der Kläger habe überhaupt nur 15,5
Monate und überhaupt keine Ausbildung in einem Krankenhaus nachgewiesen. Dem
Antrag des Klägers aus Ende 1995 seien keine Unterlagen beigefügt gewesen. Im
übrigen treffe der Vortrag des Klägers zu den Umständen der Erlangung der Zeugnisse
wohl nicht zu, da das Schreiben der Bezirksregierung E vom 25. Juli 2005 Bezug
nehme auf ein Schreiben des Klägers vom 7. Juli 2005 und nicht auf dessen Schreiben
vom 28. April und 30. Mai 2005.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Erteilung eines Zeugnisses, mit dem ihm die Berechtigung zur Führung der
Bezeichnung „Praktischer Arzt" verliehen wird, § 113 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung
wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die angefochtenen Bescheide und analog § 117
Abs. 5 VwGO auf die Klageerwiderung der Beklagten vom 5. Juli 2006 sowie den
gerichtlichen Hinweis vom 10. August 2006 verwiesen, denen der Kläger in der Sache
nicht substantiiert entgegen getreten ist.
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Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte die Bezeichnung „Praktischer Arzt" aus den
Gründen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden vom 14. Februar 2006
möglicherweise bereits seit dem 1. Januar 2003 nicht mehr verleihen durfte, hat die
Klage deshalb keinen Erfolg, weil der Kläger weder bis zum Außerkrafttreten des IV.
Abschnitts des Heilberufsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (in der Fassung
vom 9. Mai 2000 = HeilbG NW 2000) am 17. Mai 2005 noch innerhalb ihm von der
Beklagten nachgelassenen Frist einen vollständigen und bescheidungsreifen Antrag
vorgelegt hat. Aufgrund des ersatzlosen Wegfalls des IV. Abschnitts des HeilbG NW
2000 mit Wirkung zum 17. März 2005 durfte die Beklagte nach dem 17. März 2005 nur
noch solche Anträge in der Sache positiv bescheiden, die am 16. März 2005
bescheidungsreif, insbesondere vollständig, waren. Zur Überzeugung der Kammer sind
der Beklagten die Zeugnisse nicht vor dem Ablauf der dem Kläger gesetzten Fristen
(letztmals bis zum 30. Mai 2005), sondern erstmals im gerichtlichen Verfahren
zugegangen. Die Kammer sieht keinen Anlass, an der Vollständigkeit der von der
Beklagten geführten, ihr vorgelegten Verwaltungsakte zu zweifeln. Im Gegenteil
bestätigt der vorgefundene Schriftwechsel aus dem Jahr 1996, dass die Beklagte
mehrfach den Kläger an die Vorlage der Zeugnisse erinnert hat. Hierzu hätte kein
Anlass bestanden, wenn der Kläger mit dem Antrag bereits Zeugnisse vorgelegt hätte.
Dies hat der Kläger auch zu keiner Zeit ernsthaft behauptet. Die Kammer ist auch ferner
davon überzeugt, dass der Beklagten die Zeugnisse nicht vor dem 30. Januar 2006
zugegangen sind. Die Beklagte hat keinerlei objektiv erkennbares Interesse an einer
Unterdrückung ihr bekannter Unterlagen zum Nachteil des Klägers. Sie hat sich
vielmehr nach (zur Überzeugung der Kammer erstmaliger) Kenntniserlangung durch
Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 8. Mai 2006 unverzüglich sachlich mit
den Nachweisen auseinandergesetzt. Dies wäre auch mit dem Widerspruchsbescheid
erfolgt, wenn die Nachweise bis dahin vorgelegen hätten. Bezeichnenderweise war der
Kläger mit der Widerspruchsgründung nicht in der Lage, den Namen des Dr. U richtig zu
schreiben (Dr. U), woraus die Kammer im Zusammenhang aller Fakten schließt, dass
ihm die Zeugnisse damals selbst nicht vorlagen.
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Ungeachtet dessen hat die Klage selbstständig tragend auch deshalb keinen Erfolg,
weil die Kläger die materiellen Anforderungen des vormaligen § 54 Abs. 3 Satz 3
HeilbG NW 2000 bzw. des gleich lautenden § 52 Abs. 3 Satz 3 Heilberufsgesetz NW
(Fassung 1994) nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einer mindestens sechsmonatigen
Tätigkeit in zugelassenen Krankenhäusern, die § 54 Abs. 3 Satz 3 lit. A HeilbG NW
2000 insoweit in materieller Übereinstimmung mit der EU-Richtlinie 93/16 (ebenda Titel
IV, Art. 31 Abs. 1 lit. c Satz 2 ) fordert. § 55 Abs. 1 Satz 1 HeilbG NW 2000 entbindet den
Kläger nicht von diesen materiellen Anforderungen, sondern regelt lediglich eine
zeitliche Abweichung von § 54 Abs. 2 HeilbG NW 2000, wonach die Ausbildung nach
bestandenem Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung zu absolvieren war. Die Tätigkeit
als AIP erfolgte vor diesem Zeitpunkt und wäre daher ohne § 55 Abs. 1 Satz 1 HeilbG
NW 2000 nicht berücksichtigungsfähig.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die weiteren
Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 Abs. 2 und 1 VwGO, 709 ZPO.
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