Urteil des VG Düsseldorf vom 23.10.2001

VG Düsseldorf: togo, abschiebung, politische tätigkeit, psychiatrische klinik, vollzug, unhcr, gefahr, auskunft, asylverfahren, veranlagung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 12 L 2912/01.A
Datum:
23.10.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 L 2912/01.A
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
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Der Antrag,
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unter Abänderung des Beschlusses vom 27. August 2001 der Antragsgegnerin im Wege
der einstweiligen Verfügung aufzugeben, ihre Mitteilung an die zuständige
Ausländerbehörde, dass der Antragsteller abzuschieben ist, weil das Asylfolgeverfahren
nicht durchgeführt wird, zurückzunehmen bis über die Klage des Asylfolgeverfahrens
entschieden ist,
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 71 Abs. 1 AsylVfG ist nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren
Asylantrages auf erneuten Antrag des Asylbewerbers eine weiteres Verfahren nur
durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen.
Anderenfalls erlässt das Bundesamt gemäß § 34 AsylVfG die Abschiebungsandrohung,
wobei die zu setzende Ausreisefrist eine Woche beträgt (§ 36 Abs. 1 AsylVfG). Stellt der
Ausländer innerhalb von zwei Jahren, nachdem eine nach Stellung des früheren
Asylantrages ergangene Abschiebungsandrohung oder - anordnung vollziehbar
geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zum Erfolg führt, so bedarf es zum Vollzug
der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung. Die
Abschiebung kann erfolgen, sobald die Ausländerbehörde von Seiten des
Bundesamtes die Mitteilung erhält, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3
VwVfG nicht vorliegen.
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Diese Ausreisepflicht trifft den Antragsteller.
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Dabei bestimmt sich der im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
nach § 123 VwGO anzuwendende asylrechtliche Prüfungsmaßstab nach denselben
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Grundsätzen, wie sie das Bundesverfassungsgericht -
vgl. Beschluss vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, NVwZ 1996, 678 -
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aus Anlass seiner Überprüfung des Art. 16a Abs. 4 GG und des § 18a Abs. 4 Satz 6 in
Verbindung mit § 36 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AsylVfG für den vorläufigen Rechtsschutz
nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich aufenthaltsbeendender Maßnahmen aufgestellt hat.
Während allerdings in Erstverfahren, in denen die sofortige Vollziehbarkeit der
Abschiebungsandrohung gemäß § 75 AsylVfG zwingend davon abhängt, dass das
Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat,
Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO
diese Offensichtlichkeitsentscheidung ist,
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vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 2. Mai 1984 - 2 BvR 1413/83 -, BVerfGE
67, 43 (61), noch zu §§ 10, 11 AsylVfG a.F,
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kann in Folgeverfahren, in denen die Vollziehbarkeit der - ursprünglichen -
Abschiebungsandrohung asylrechtlich allein dann entfallen kann, wenn die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen und das Bundesamt deshalb
ein weiteres Verfahren durchzuführen hat, ein gerichtliche Eilantrag nur dann Erfolg
haben, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des
Bundesamtes, ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen, einer rechtlichen Prüfung
im Hauptverfahren wahrscheinlich nicht standhält.
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Solche erheblichen Gründe liegen hier nicht vor.
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Soweit sich der Antragsteller, der sich bereits seit August 1999 in Deutschland aufhält,
erstmals auf eine homosexuelle Veranlagung und eine Traumatisierung wegen
angeblich fluchtauslösender Ereignisse beruft, spricht viel dafür, dass er dies bereits in
seinem vorangegangenen Asylverfahren hätte geltend machen können, was eine
Berücksichtigung im vorliegenden Verfahren ausschließen würde (§ 51 Abs. 2 VwVfG).
Es sind keine nachvollziehbaren Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich, aus denen
sich entnehmen ließe, dass beide Umstände dem Antragsteller erstmals nach dem das
Erstverfahren abschließenden Urteil vom 10. April 2000 bewusst geworden sein
könnten.
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Im Übrigen kann darin auch eine Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinn des § 51
Abs. 1 Ziffer 1 VwVfG nicht gesehen werden.
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Hinsichtlich der „Traumatisierung", also einer psychischen Erkrankung, gilt Folgendes:
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Eine solche Erkrankung begründet kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4
AuslG. Dabei ist unerheblich, ob sie in Togo zu behandeln ist oder nicht, weil die auf
einem allgemein unzureichenden, dem Standard in Europa und speziell in Deutschland
nicht entsprechenden Gesundheitssystem beruhenden Leibes- und Lebensgefahren
nicht in den Schutzbereich des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK fallen; denn als
eine bewusste und gezielte Menschenrechtsverletzung eines insoweit noch
unterentwickelten Staates können sie nicht angesehen werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. September 1997 - 9 C 40.96 -.
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Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG liegen ebenfalls nicht vor. Zwar
kann die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers alsbald
nach der Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich
verschlechtern würde, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, ein
Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG darstellen, für dessen
Feststellung als zielstaatsbezogenes Hindernis die Zuständigkeit des Bundesamtes
gegeben ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, DVBl. 1998, 284 mit weiteren
Nachweisen.
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Dabei ist bereits fraglich, ob
nach der vorliegenden ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. C vom 12. Oktober 2001
eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des psychischen
Zustandes des Antragstellers, der selbst die Notwendigkeit der Inanspruchnahme
ärztlicher Hilfe erst nach mehreren negativen gerichtlichen Entscheidungen (zuletzt vom
27. August 2001) und fünf Tage vor Stellung eines neuen Antrags gesehen hat, im Falle
fehlender nervenärztlicher Betreuung nach der Rückkehr nach Togo mit hinreichender
Sicherheit zu prognostizieren ist. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Überprüfung, weil
nach dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen davon ausgegangen werden muss,
dass psychische Erkrankungen auch in Togo behandelt werden können.
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So gibt es in Aného (30 Km von Lomé) eine psychiatrische Klinik.
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Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 26. Februar 1999 an das VG Augsburg (Az.:
514-516.80/26833).
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Die Versorgung mit Medikamenten in Lomé selbst wird als ausgezeichnet beschrieben.
Die Medikamente werden aus Frankreich importiert und sind durch Subventionen häufig
wesentlich billiger als in Deutschland oder Frankreich. Nicht vorhandene Medikamente
können in wenigen Tagen besorgt werden.
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Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 10. Februar 1999, S. 15.
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Gegenteilige Auskünfte sind nicht ersichtlich. Nach Einschätzung des Instituts für
Afrikakunde erfolgt die Behandlung von psychisch Kranken in Togo allerdings im
Regelfall durch traditionelle Methoden, die zwar nicht westlicher Schulmedizin
entsprächen, gerade auf dem Gebiet der Psychiatrie jedoch den soziokulturellen
Verhältnissen in Togo besser angepasst seien und - was den Behandlungserfolg
angehe - sich den Methoden westlicher Schulmedizin durchaus als ebenbürtig erweisen
würden, jedenfalls aber nicht typischerweise mit einer Gefahr für Leib oder Leben des
Erkrankten verbunden seien.
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Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 28. Januar 1998 an das VG Mainz.
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Anhaltspunkte, dass der Antragsteller zu einer Finanzierung nicht in der Lage ist, liegen
nicht vor; er selbst hat hierzu nichts vorgetragen.
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Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, dass die Grundlage für seine
Traumatisierung in Togo durch fluchtauslösende Ereignisse geschaffen worden seien
und deshalb eine sinnvolle Behandlung dort nicht möglich sei, ist darauf hinzuweisen,
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dass nach dem rechtskräftigen Urteil vom 10. April 2000 im Verfahren 12 K 7740/99.A
von einer fehlenden Vorverfolgung auszugehen ist.
Ob die geltend gemachte Suizidgefährdung der Durchführung einer Abschiebung
entgegenstehen kann, wird von der zuständigen Ausländerbehörde bei einem Vollzug
der Abschiebung zu prüfen sein. Gefahren für Leben und Gesundheit, die sich nicht aus
den im Herkunftsland des Asylbewerbers herrschenden Bedingungen ergeben, sind
asylrechtlich gemäß § 53 AuslG i.V.m. § 31 Abs. 3 AsylVfG irrelevant. Die aus den
besonderen Belastungen einer Abschiebung resultierende Reiseunfähigkeit und
Selbstmordgefahr sind regelmäßig nur vorübergehend hindernde Umstände, wie sie
typischerweise mit dem Vollzug einer Abschiebung verbunden sind. Die mit dem
Vollzug der Abschiebung betraute Behörde hat von Amts wegen in jedem Stadium der
Durchführung der Abschiebung tatsächliche Abschiebungshindernisse zu beachten und
gegebenenfalls durch ein (vorüber-gehendes) Absehen von der Abschiebung durch
Erteilung einer Duldung gemäß § 55 AuslG abzuwehren oder durch eine entsprechende
tatsächliche Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.
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BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1998, 2 BvR 185/98; InfAuslR 1998, 241-242.
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Die erstmals geltend gemachte homosexuelle Veranlagung vermag ebenfalls - sofern im
Hinblick auf § 51 Abs. 2 VwVfG überhaupt noch berücksichtigungsfähig - ebenfalls
keine Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinn des § 51 Abs. 1 Ziffer 1 VwVfG zu
begründen. Nach dem vom Antragsteller vorgelegten Text des insoweit einschlägigen
Artikel 88 des togoischen Strafgesetzbuches ist nicht die homosexuelle Veranlagung als
solche strafbar, sondern sind das nur unzüchtige oder sittenwidrige Handlungen mit
einem Individuum des gleichen Geschlechts. Bislang ist aber weder vom Antragsteller
vorgetragen, dass er - anders als der der Entscheidung des BVerwG vom 15. März 1988
(BVerwGE, 79, 143) zu Grunde liegende Fall - ausschließlich auf homosexuelle
Triebbefriedigung festgelegt ist und deshalb zwangsläufig mit einer „Entdeckung"
rechnen muss, noch ergibt sich entsprechendes aus der Bescheinigung des Dr. I vom
19. Oktober 2001, in dem lediglich von einer „sexuellen Präferenz" die Rede ist. Für die
fehlende Ausschließlichkeit spricht auch die Tatsache, dass der Antragsteller vor seiner
Ausreise in Togo offensichtlich nicht wegen homosexueller Handlungen aufgefallen und
schon gar nicht bestraft worden ist; denn nach eigenem Bekunden hat er „in Unkenntnis
der Strafbarkeit" für die Begründung einer Lebensgemeinschaft in Togo eine
Ledigkeitsbescheinigung beantragt. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf
hingewiesen, dass dieser Antrag nicht vorgelegt ist und somit noch nicht einmal
festgestellt werden kann, ob sich hieraus für togoische Behörden ergibt, welche Art von
Bindung der Antragsteller eingehen möchte.
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Hinsichtlich der erstmals im März 2000 geltend gemachten Gefährdung wegen einer
Teilnahme an Demonstrationen anlässlich der EXPO in Hannover am 25. Oktober 2000
teilt das Gericht die Auffassung des Bundesamts in dessen angefochtenen Bescheid,
dass einer Berücksichtigungsfähigkeit § 51 Abs. 3 VwVfG entgegensteht. Auch liegen
keine Anhaltspunkte vor, dass sich der Antragsteller durch eine mit Gewaltanwendung
verbundene Betätigung von der Masse der übrigen Demonstranten besonders
abgehoben haben und dadurch besondere Aufmerksamkeit erregt haben könnte. Das
Gericht folgt im Übrigen der Einschätzung des UNHCR, dass nach nunmehr fast einem
Jahr die Ereignisse auf der EXPO in Togo nicht mehr ihre ursprüngliche Bedeutung
haben. Sie sind mittlerweile aus der Berichterstattung der togoischen Presse
verschwunden und bei Personen, die selbst nicht durch Gewaltanwendung aufgefallen
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sind, besteht jedenfalls jetzt keine hinreichende Gefahr von Verfolgungsmaßnahmen
mehr.
Vgl. UNHCR, Auskunft an das VG Hamburg vom 16.08.2001 - Az.: C-387, 100 TOG, JZ.
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Auch wenn dies nach Meinung des UNHCR nicht mit einem Interessenverlust der
togoischen Regierung an Personen, die als „Nestbeschmutzer" aufgetreten sind,
gleichzusetzen ist,
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vgl. UNHCR a.a.O.,
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so ist jedenfalls davon auszugehen, dass nicht jeder, der auf der EXPO an einer der
Demonstrationen teilgenommen hat, noch allein deshalb in das Blickfeld der togoischen
Sicherheitsbehörden geraten wird. Es kann deshalb dahinstehen, ob der vorgelegte
Bericht des togoischen Dolmetschers B über Ereignisse im November 2000 den
Tatsachen entspricht oder nicht.
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Was die übrige politische Betätigung des Antragstellers (Teilnahme an Veranstaltungen
von Flüchtlingsorganisationen und der UFC) betrifft, so geht das erkennende Gericht in
Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ständig davon aus, dass
die bloße Teilnahme an Demonstrationen und sonstige untergeordnete politische
Tätigkeit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung nicht begründet.
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Auch das Verfassen und Absenden von Briefen an den togoischen Staatspräsidenten,
in denen an dessen Politik Kritik geübt wird - hier der Brief des Antragstellers vom 10.
Oktober 2001 - verursacht regelmäßig - so auch hier - nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung der jeweils als Verfasser benannten Personen.
Abgesehen davon, dass nicht festgestellt werden kann, welchen Inhalt die abgesandten
Briefe tatsächlich haben und ob sie in Togo überhaupt jemand zu Kenntnis nimmt, gibt
es inzwischen eine derartige Fülle von solchen Schriftstücken - es gibt kaum einen
Asylbewerber, der nicht mindestens ein derartiges Schreiben alleine oder mit anderen
unterzeichnet -, dass damit im Einzelfall nicht mehr von einer besonders
herausragenden Tätigkeit, die nach der Rechtsprechung Voraussetzung für die
Annahme einer hinreichend wahrscheinlichen Gefährdung ist, ausgegangen werden
kann. Auch den in Togo verantwortlichen Machthabern dürfte inzwischen klar sein, dass
derartige Briefe mit immer wiederkehrendem, vergleichbarem Inhalt vielfach in der
Absicht geschrieben werden, die Aussichten in einem anhängigen Asylverfahren zu
verbessern. Für letzteres spricht hier sowohl das nur eine Woche vor Antragseingang
liegende Datum des Schreibens als auch die Tatsache, dass der vorgelegte
Absendebeleg erst am Abend vor Antragseingang ausgestellt wurde und zwar nicht am
Wohnort des Antragstellers sondern an dem Ort der Niederlassung seiner
Verfahrensbevollmächtigten. Letztlich spricht die Tatsache, dass der nach eigenem
Bekunden unter einem Angstsyndrom leidende Antragsteller ein solches Schreiben
knapp zehn Tage vor dem ihm benannten Ausreisetermin abgesandt hat bzw. hat
absenden lassen, nachhaltig gegen eine eigene Verfolgungsfurcht.
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Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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