Urteil des VG Düsseldorf vom 24.08.2010
VG Düsseldorf (altersgrenze, lehrer, land, begründung, verwaltungsgericht, zeitpunkt, antrag, höhe, versorgung, besoldung)
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 23 K 4606/08
Datum:
24.08.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 K 4606/08
Schlagworte:
Versorgungsabschlag, Altersteilzeit, Altersgrenze, Lehrer
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig voll-
streckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht das be¬klagte
Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die am 0. September 1943 geborene Klägerin stand als Lehrerin (zuletzt
Besoldungsgruppe A 12 der Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz – BBesG –) im
Dienst des beklagten Landes. Mit Ablauf des 31. Januar 2008 wurde sie gemäß § 45
Abs. 4 Nr. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG a.F.) auf
ihren Antrag in den Ruhestand versetzt.
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Vom 9. August 1974 bis zum 31. Januar 2004 war sie mit Ausnahme einer halbjährigen
Kindererziehungszeit mit einer unterschiedlichen Höhe von Wochenstunden
teilzeitbeschäftigt. Mit Bescheid vom 12. November 2003 bewilligte die Bezirksregierung
E der Klägerin auf ihren Antrag vom 27. Januar 2002 eine Altersteilzeit im Blockmodell
nach § 78 d LBG a.F., wobei die Arbeitsphase vom 1. Februar 2004 bis 31. Januar 2006
und die Freistellungsphase vom 1. Februar 2006 bis 31. Januar 2008 festgelegt wurde.
3
Mit Bescheid vom 18. Februar 2008 setzte das Landesamt für Besoldung und
Versorgung (LBV) die Versorgungsbezüge der Klägerin ab dem 1. Februar 2008
vermindert um einen Versorgungsabschlag von 2,41 v.H. (= 57,28 Euro) auf monatlich
2.319,37 Euro brutto fest. Die Zeit von der Versetzung in den Ruhestand bis zum Ablauf
des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin ermittelte das LBV mit
243 Tagen (= 0,67 Jahre). Diese Zeit multipliziert mit dem Minderungsfaktor von 3,6
ergab den Minderungsbetrag von 2,41 v.H..
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 17. März 2008 Widerspruch, soweit ihre
Versorgungsbezüge um einen höheren Minderungsbetrag als 1,8 v.H. (= 42,79 Euro)
vermindert worden sind. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor: Nach Art. 1 Nr. 7
des Zehnten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember
2003 (Änderungsgesetz) sei die Altersgrenze für Lehrer an öffentlichen Schulen, die
sich bislang an dem Ende des Schuljahres, das dem Schuljahr vorangegangen sei, in
dem das 65. Lebensjahr vollendet worden sei, orientiert habe, dahin geändert worden,
dass als Altersgrenze nunmehr das Ende des Schulhalbjahres gelte, in dem das
65. Lebensjahr vollendet werde. Als Übergangsvorschrift sei in Art. 7 § 7 des
Änderungsgesetzes bestimmt worden, dass es für Lehrerinnen und Lehrer, die
Altersteilzeit oder Altersurlaub bis zum In-Kraft-Treten dieses Gesetzes angetreten
hätten, bei der bisherigen Altersgrenze verbliebe. Art. 9 Satz 1 bestimme insoweit, dass
das Gesetz zwar am 1. Januar 2004, davon abweichend dessen Art. 1 Nr. 7 aber erst am
1. August 2004 in Kraft trete. Dementsprechend sei die Übergangsvorschrift des Art. 7
§ 7 des Änderungsgesetzes so zu lesen, dass es für Lehrerinnen und Lehrer, die
Altersteilzeit oder Altersurlaub bis zum 1. August 2004 angetreten hätten, bei der
bisherigen Altersgrenze verbleibe. Allein diese Auslegung sei mit dem Willen des
Gesetzgebers vereinbar. Danach habe die Altersgrenze, auf das Ende des
Schulhalbjahres verlagert werden sollen, in dem Lehrer an öffentlichen Schulen das
65. Lebensjahr vollendet hätten. Das Ende des Schuljahres sei regelmäßig der 31. Juli
und das Ende des Schulhalbjahres der 31. Januar eines jeden Jahres.
Dementsprechend sei das In-Kraft-Treten des Art. 1 Nr. 7 des Änderungsgesetzes am
1. August 2004 auf den Beginn des neuen Schuljahres 2004/2005 gelegt worden, so
dass für den Schulbetrieb ein sinnvoller Schnitt erfolgt sei. Das bedeute, dass für sie
bezüglich der Festlegung der gesetzlichen Altersgrenze noch das alte Recht
maßgeblich sei, da sie sich bereits vor dem Stichtag vom 1. August 2004 in Altersteilzeit
befunden habe. Nach dem alten Recht wäre sie somit regulär zum 31. Juli 2008 in den
Ruhestand versetzt worden, da sie am 7. September 2008 ihr 65. Lebensjahr vollendet
habe. Dementsprechend hätte auch nur ein Kürzungsbetrag für die vorzeitige
Zurruhesetzung ab dem 1. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2008 und nicht bis zu ihrem
tatsächlichen Geburtstag erfolgen dürfen.
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Den Widerspruch wies das LBV mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2008 zurück.
Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Da die Klägerin ihre Altersteilzeit erst
am 1. Februar 2004 angetreten habe, finde für sie die Neuregelung der Altersgrenze
statt.
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Zur Begründung ihrer am 26. Juni 2008 erhobenen Klage wiederholt die Klägerin ihr
Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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das beklagte Land unter Abänderung des Bescheides des Landesamtes für
Besoldung und Versorgung vom 18. Februar 2008 und dessen
Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2008 zu verpflichten, ihre
Versorgungsbezüge ab dem 1. Februar 2008 um keinen höheren
Versorgungsabschlag als 1,8 v.H. (= 42,79 Euro) zu kürzen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entscheiden § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO ).
14
Die Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide des LBV vom 18. Februar
und 23. Mai 2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung
eines geringeren Versorgungsabschlags (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Das LBV hat die Regelung über den Versorgungsabschlag nach §§ 14 Abs. 3, 85 Abs. 5
BeamtVG zu Recht auf die Klägerin angewendet. Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BeamtVG vermindert sich das Ruhegehalt um 3,6 v.H. für jedes Jahr, um das ein
Beamter auf eigenen Antrag vor Ablauf des Monats, in dem er die für ihn geltende
gesetzliche Altersgrenze erreicht, in den Ruhestand versetzt wird.
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Das LBV hat in dem angefochtenen Bescheid vom 18. Februar 2008 unter Anwendung
dieser Vorschriften den für die Klägerin maßgeblichen Versorgungsabschlag mit einem
Minderungsfaktor von 2,41 v.H. (also 57,28 Euro monatlich) ermittelt. Diese Berechnung
als solche - sowie das sonstige in dem Bescheid des LBV vom 18. Februar 2008
enthaltene Rechenwerk - wird von der Klägerin auch nicht angegriffen.
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Nicht - jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin - ist insoweit zu beanstanden, dass das
LBV die für die Klägerin maßgebliche Altersgrenze bis zum Ablauf des Monats der
Vollendung ihres 65. Lebensjahres, also zum 30. September 2008 und nicht nur zum
31. Juli 2008 ermittelt hat.
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Die für den Eintritt in den Ruhestand maßgebliche Altersgrenze ergibt sich für beamtete
Lehrer unmittelbar aus § 44 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F., der durch Art. 1 Nr. 7 des
Änderungsgesetzes neu gefasst worden ist. Danach gilt für Lehrer an öffentlichen
Schulen als Altersgrenze das Ende des Schulhalbjahres, in dem das 65. Lebensjahr
vollendet wird. Die Klägerin hat ihr 65. Lebensjahr mit Ablauf des 7. September 2008
und damit im ersten Schulhalbjahr des Schuljahres 2008/2009 vollendet. Nach § 7
Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (– SchulG ) beginnt
das Schuljahr am 1. August und endet am 31. Juli des folgenden Jahres.
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Ob diese Neufassung der Vorschrift auch für die Klägerin gilt oder ob die vorhergehende
Gesetzesfassung auf sie angewendet werden muss, ist Art. 9 und Art. 7 § 7 des
Änderungsgesetzes zu entnehmen, die sich mit dem Inkrafttreten des
Änderungsgesetzes und einer Übergangsbestimmung für diejenigen Lehrer befassen,
die Altersteilzeit oder Altersurlaub bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes
angetreten haben. Diese gesetzlichen Vorschriften sind für das Landesamt für
Besoldung und Versorgung bei der späteren Berechnung und Festsetzung der der
Klägerin zustehenden Versorgungsbezüge bindend.
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Gemäß Art. 7 § 7 des Änderungsgesetzes verbleibt es für Lehrerinnen und Lehrer, die
Altersteilzeit oder Altersurlaub bis zum In-Kraft-Treten dieses Gesetzes angetreten
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haben. Nach Art. 9 Abs. 1 des Änderungsgesetzes tritt das Gesetz am 1. Januar 2004 in
Kraft. Da die Klägerin ihre Altersteilzeit erst am 1. Februar 2004 und somit nach In-Kraft-
Treten dieses Gesetzes angetreten hat, wird die Klägerin von dieser
Übergangsvorschrift nicht erfasst. Für sie verbleibt es danach gerade nicht bei der
bisherigen Altersgrenze. Für sie gilt vielmehr bereits die sich unmittelbar aus § 44 Abs. 1
Satz 2 LBG a.F. ergebende Altersgrenze.
Ein anderes Ergebnis rechtfertigt sich auch nicht aufgrund des Art. 9 Abs. 2 des
Änderungsgesetzes, der in Abweichung von der grundsätzlichen Regelung zum In-
Kraft-Treten des Gesetzes bestimmt, dass die Vorschrift des Art. 1 Nr. 7 erst am
1. August 2004 in Kraft tritt. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 7
§ 7 des Änderungsgesetzes, der das darin geregelte Übergangsrecht lediglich an das
In-Kraft-Treten dieses Gesetzes und nicht etwa an das abweichende In-Kraft-Treten
einer einzelnen Bestimmung des Gesetzes knüpft. Darüber hinaus steht dieses
Ergebnis im Einklang mit Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift des Art. 7 § 7 des
Änderungsgesetzes, mit der in erster Linie dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes
der Beamten, die sich bereits zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des
Änderungsgesetzes in Altersteilzeit befanden, Rechnung getragen werden soll. Der
Gesetzgeber hat jene Lehrerinnen und Lehrer, die Altersteilzeit oder Altersurlaub nicht
nur beantragt, sondern bereits angetreten haben, ganz bewusst von der Neuregelung
ausgenommen, weil in diesen Fällen auf der Grundlage der genehmigten Teilzeit
weitreichende erhebliche dienstliche und private Lebensplanungen erfolgt sind,
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vgl. Landtags-Drucksache 13/4757, S. 54.
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Es hätte der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und dem Grundsatz des
Vertrauensschutzes geradezu widersprochen, wären diese Lehrerinnen und Lehrer
nicht von der Neuregelung ausgenommen, sondern in den Dienst sozusagen
"zurückberufen" worden. Durch Bewilligung und Antritt der Altersteilzeit hat sich das
Vertrauen auf den Bestand der bisherigen gesetzlichen Regelungen über die
Altersgrenze derart konkretisiert, dass diesen Lehrkräften ein erhöhtes Maß an
Vertrauensschutz zuzugestehen ist. Demgegenüber konnte sich die Klägerin zum
Zeitpunkt des Antritts ihrer Altersteilzeit, in dem ihr die Anhebung der Altersgrenze zum
Zeitpunkt ihres Eintritts in den Ruhestand infolge der bereits erfolgten
Gesetzesänderung bekannt war oder zumindest bekannt sein musste, hinreichend auf
die geänderte Rechtslage einstellen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Regelung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
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