Urteil des VG Düsseldorf vom 10.05.2004

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, aufhebung der sperrung, hochschule, öffentliches interesse, universität, vollziehung, körperschaft, verfügung, internetseite, lehrstuhl

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 15 L 1255/04
Datum:
10.05.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 L 1255/04
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 6.
April 2004 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. März 2004
aufschiebende Wirkung besitzt, soweit der Antragstellerin dort
aufgegeben ist, "sämtliche Meinungsäußerungen hinsichtlich des BA-
Studiengangs Sozialwissenschaft" aus der Webseite www.q.htm zu
entfernen.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 6.
April 2004 gegen die in dem Bescheid des Antragsgegners vom 1. März
2004 enthaltene Zwangsmittelandrohung wird angeordnet.
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, binnen zwei Werktagen nach
Zustellung dieses Beschlusses die Sperrung des Zugangs zu der
Webseite www.q.htm (I-Universität E, Philosophische Fakultät,
Sozialwissenschaftliches Institut, Medienwissenschaften, Lehrstuhl I)
aufzuheben.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird 2.000,00 Euro auf festgesetzt.
Gründe:
1
Über das in der Antragsschrift als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§
123 Abs. 1 S. 2 VwGO) formulierte Rechtsschutzbegehren war nach den §§ 122, 88
VwGO gemäß § 123 Abs. 5 VwGO in Gestalt der aus dem Tenor ersichtlichen
Antragsfassung (§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO analog i. V. m. § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO) zu
entscheiden.
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Mit ihrem Rechtsschutzbegehren verfolgt die Antragstellerin, die als ordentliche
Professorin an der I-Universität E im Sozialwissenschaftlichen Institut der
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Philosophischen Fakultät den Lehrstuhl I für Medienwissenschaften inne hat, das Ziel,
die durch den Antragsgegner angeordnete und tatsächlich auch vollzogene Sperrung
ihres Internetauftritts auf der Homepage der I-Universität E rückgängig zu machen.
Damit wendet sie sich mit den Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes gegen - wie noch
zu zeigen sein wird - den sofortigen und zugleich faktischen Vollzug der an sie
gerichteten Aufforderung des Antragsgegners, aus dem Internetauftritt von ihm
beanstandete Äußerungen zu entfernen, und begehrt zudem die Beseitigung der
Vollzugsfolgen.
Das so auszulegende Rechtsschutzgesuch ist zulässig.
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Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO der
Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Insbesondere ist der Streit i. S. der Vorschrift öffentlich-
rechtlich, weil das ihm zu Grunde liegende Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten
dem Bereich des öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Denn der Antragsgegner stützt
seine strittigen Maßnahmen der Eingriffsverwaltung auf das in Anspruch genommene
Recht, Regelungen zur Gestaltung der Außendarstellung der Hochschule zu treffen.
Dies berührt Belange des öffentlichen Rechts, weil die Hochschule gemäß § 2 Abs. 1 S.
1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen
(Hochschulgesetz - HG) vom 14. März 2003 (GV NRW S. 190), zuletzt geändert durch
Artikel 5 des Gesetzes vom 28. Januar 2003 (GV NRW S. 36), eine Körperschaft des
öffentlichen Rechts ist und ihre öffentliche Präsentation - so auch im Medium Internet -
durch - wie hier - die Darstellung von Aufbau und Organisation der Körperschaft (§§ 18
ff. HG), von Hochschulpersonal (§§ 45 ff. HG) und Studienangeboten und sonstigen
Informationen über den Hochschulbetrieb im Interesse der Öffentlichkeit eine
Selbstverwaltungsangelegenheit (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 HG) ist, die sich auf die von ihr
wahrzunehmenden (vgl. § 3 Abs. 1 HG) öffentlichen Aufgaben bezieht.
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Soweit die Antragstellerin sich gegen die Vollziehung des an sie durch den
Antragsgegner gerichteten Gebots richtet, bestimmte Inhalte aus ihrem Internetauftritt zu
entfernen, ist das vorläufige Rechtsschutzgesuch gemäß 80 Abs. 5 S. 1 VwGO analog
mit dem Ziel statthaft, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen diesen
Verwaltungsakt i. S. des § 35 S. 1 VwVfG NRW feststellen zu lassen. Wenn auch das an
die Antragstellerin gerichtete Schreiben des Antragsgegners vom 1. März 2004 der
äußeren Form nach nicht als Bescheid verfasst ist, entspricht sein Inhalt diesbezüglich
gleichwohl den Definitionsmerkmalen des § 35 S. 1 VwVfG NRW.
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Die Aufforderung des Antragsgegners an die Antragstellerin, die in dem Bescheid vom
1. März 2004 benannten Inhalte aus ihrem Internetauftritt zu entfernen, ist als Gebot
einer Handlung eine Regelung i. S. der Verwaltungsaktsdefinition, da sie bei objektiver
Betrachtung ersichtlich darauf abzielt, die Antragstellerin als Adressatin des
Anschreibens zu einem entsprechenden Tun rechtlich zu verpflichten. Für diese
Sichtweise spricht auch, dass der Antragsgegner die Aufforderung mit der Ankündigung
ihrer zwangsweisen Durchsetzung verbunden hat. Sein Hinweis, er werde den Zugriff
Dritter auf die Internetseite der Antragstellerin durch deren Sperrung unterbinden, wenn
sie der Aufforderung nicht innerhalb der genannten Frist Folge leiste, entspricht rechtlich
der Androhung i. S. des § 69 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land
NRW (Verwaltungsvollstreckungsgesetz - VwVG NRW) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 19. Februar 2003, (GV NRW S. 156), die der Antragstellerin
durch das Gebot auferlegte - im Rechtssinne unvertretbare - Handlung durch die
Anwendung unmittelbaren Zwangs (§ 62 VwVG NRW) zu vollstrecken.
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Das an die Antragstellerin gerichtete Gebot stellt als Regelung auch keine bloß
hochschulinterne Organisationsmaßnahme dar, sondern entfaltet gemäß § 35 S. 1
VwVfG NRW Außenwirkung. Die Anordnung zielt auf die mit eigenen Rechten
versehene Stellung der Antragstellerin als Mitglied der Hochschule, weil sie als
Professorin i. S. der §§ 45 ff. HG zum Hochschulpersonal gehört, deshalb Mitglied der
Hochschule (vgl. § 11 Abs. 1 HG) ist und als solches nach der Antragserwiderung die
Befugnis besitzt, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs die öffentliche Präsentation
der Hochschule selbst zu gestalten.
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Gegen das Gebot des Antragsgegners, die in dem Bescheid vom 1. März 2004
benannten Inhalte aus ihrer Internetpräsentation herauszunehmen, hat die
Antragstellerin auch gemäß den §§ 68 ff. VwGO Widerspruch erhoben. Als solcher ist ihr
an den Antragsgegner gerichtetes Schreiben vom 6. April 2003 rechtlich zu werten, mit
dem sie zum Ausdruck gebracht hat, dass sie seiner Anordnung nicht Folge leisten wird
und die Aufhebung der Sperrung ihres Internetauftritts begehrt.
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Soweit die Antragstellerin sich gegen die sofortige Vollziehung des Handlungsgebots
als Grundlage der Sperrung der Internetseite wendet, ist hier analog § 80 Abs. 5 S. 1
VwGO allein das zu ihren Gunsten auch tenorierte Feststellungsbegehren statthaft. Eine
gerichtliche Wiederherstellung des Suspensiveffekts des Rechtsbehelfs (§ 80 Abs. 5 S.
1 Alt. 2 VwGO) scheidet diesbezüglich aus, weil dem Widerspruch der Antragstellerin
gegen das betreffende Handlungsgebot diese Wirkung bereits kraft Gesetzes zukommt
(§ 80 Abs. 1 VwGO). Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung seiner
Entscheidung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO nicht angeordnet. Trifft aber die
Behörde - wie hier der Antragsgegner mit der Sperrung der Internetseite -
Vollzugsmaßnahmen, ohne dass die zu Grunde liegende Verfügung gemäß § 80 Abs. 2
VwGO sofort vollziehbar ist, entspricht es dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Artikel
19 Abs. 4 GG), dem Rechtsschutzsuchenden in analoger Anwendung des § 80 Abs. 5
S. 1 VwGO die Möglichkeit zu eröffnen, die aufschiebende Wirkung seines
Rechtsbehelfs gerichtlich feststellen zu lassen,
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vgl. nur Kopp / Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 13. Auflage 2003,
zu § 80 Rdnr. 181.
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Soweit die Antragstellerin sich gegen die Zwangsmittelandrohung des Antragsgegners
wendet, der gegenüber als Vollstreckungsakt ein Rechtsbehelf gemäß § 80 Abs. 2 S. 1
Nr. 3 VwGO i. V. m. § 8 AG VwGO NRW kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung
entfaltet, ist das Rechtsschutzgesuch gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO als Antrag
auf Anordnung des Suspensiveffekts statthaft. Mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1
VwGO verbunden werden kann nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO der schließlich als gestellt
anzusehende Antrag auf Beseitigung der Vollzugsfolgen.
12
Das danach zulässige vorläufige Rechtsschutzgesuch ist auch begründet.
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Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO analog folgt
dies schon aus dem Umstand, dass - wie oben aufgeführt - der Widerspruch der
Antragstellerin gegen die Anordnung des Antragsgegners, bestimmte Seiten aus ihrem
Internetauftritt zu entfernen, aufschiebende Wirkung entfaltet und der Antragsgegner
diesen Suspensiveffekt des Rechtsbehelfs durch die Vollstreckung seines
Handlungsgebots missachtet hat.
14
Auch das gegen die Zwangsmittelandrohung gerichtete vorläufige Rechtsschutzgesuch
ist begründet.
15
Gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung
eines Rechtsbehelfs anordnen, wenn das Interesse des Rechtsschutzsuchenden an der
aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs das öffentliche Interesse an der
sofortigen Vollziehung der Entscheidung überwiegt. Dies ist hier der Fall, weil sich die
Zwangsmittelandrohung als offensichtlich rechtswidrig erweist und an der sofortigen
Vollziehung eines solchen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse besteht. Die
Zwangsmittelandrohung ist rechtlich zu beanstanden, weil die der Antragstellerin durch
den Antragsgegner gesetzte Frist zur Befolgung des Handlungsgebots von weniger als
7 Tagen die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht wahrt. Eine
solche Verkürzung von Rechtsbehelfsfristen ist nur zulässig, wenn die zu vollstreckende
behördliche Entscheidung gemäß § 80 Abs. 2 VwGO sofort vollziehbar ist. An der
Anordnung der sofortigen Vollziehung des Handlungsgebots gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr.
4 VwGO fehlt es aber hier.
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Damit ist lediglich ergänzend auszuführen, dass sich die der Antragstellerin auferlegte
und zulässig angefochtene Verpflichtung, die beanstandeten Seiten aus ihrem
Internetauftritt zu entfernen, auch nicht rechtmäßig vollstrecken lässt, weil sie ihrerseits
rechtswidrig ist. Die Verpflichtung der Antragstellerin findet selbst ungeachtet der Frage
nach der Ermächtigungsgrundlage in der Rechtsordnung keine Stütze. Dies gilt
unbeschadet sonstiger rechtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung schon
deshalb, weil keine rechtliche Regelung ersichtlich ist, die die Antragstellerin mit den
beanstandeten Äußerungen verletzt haben könnte und es damit an der
Grundvoraussetzung für jedes gegen sie gerichtete Einschreiten fehlt. Mangels einer
durch die I-Universität E rechtsförmlich erlassenen Ordnung zur Nutzung der Homepage
der Universität ergibt sich der rechtliche Rahmen für ihre zulässige Nutzung aus der
Zweckbestimmung des Internetauftritts, der durch die im Zusammenhang mit der
Nutzung durch die Körperschaft geübte Verwaltungspraxis mit geprägt wird, sowie aus
den allgemein geltenden Rechtsvorschriften. Dass die Antragstellerin gegen letztere
verstoßen hat, hat weder der Antragsgegner dargetan noch ist dies sonst ersichtlich.
Insbesondere spricht nichts dafür, dass die Antragstellerin mit den beanstandeten
Stellungnahmen zum derzeitigen Zuschnitt des Studiengangs Sozialwissenschaften
Umstände offenbart hat, die ihrer dienstlichen Pflicht zur Verschwiegenheit unterlegen
haben. Die durch den Antragsgegner aufgestellte Behauptung, die Darstellung der
beanstandeten Seiten in dem Internet habe zur Folge, "... der Öffentlichkeit einen
unangemessenen Einblick in höchst sensible innere Angelegenheiten der Universität zu
gewähren ...", belegt ein solches Vergehen jedenfalls nicht.
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Auch ist nichts dafür substantiiert vorgetragen, dass die Antragstellerin mit den
beanstandeten Seiten Inhalte in ihren Internetauftritt gestellt hat, die von der sonstigen
Praxis der Nutzung der Homepage durch berechtigten Mitglieder Hochschule i. S. einer
vom Antragsgegner behaupteten "Fehlverwendung" der Homepage rechtserheblich
abweicht. Das der Darstellung der Hochschule im Internet nach Auffassung des
Antragsgegners zu Grunde liegende "übergeordnete Konzept" hat er nicht dargelegt.
Nach der Antragserwiderung finden sich vielmehr in der dortigen "... Außendarstellung
von Lehrstühlen, Instituten usw. Elemente, die mit einer konservativen Auffassung von
Präsentation von Hochschule nur schwerlich vereinbar sind ....", die aber akzeptiert
werden, "... weil sie die Vitalität moderner Kommunikationsformen widerspiegeln ...". Da
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die beanstandeten Äußerungen der Antragstellerin zu den Lehrbedingungen in den
Medienwissenschaften jedenfalls einen Bezug zu den Inhalten des Studiengangs
Sozialwissenschaften aufweisen und damit im Zusammenhang stehen mit der durch die
Homepage der Hochschule bezweckten Darstellung ihres Aufgabenbereiches i. S. des
§ 3 Abs. 1 HG, mögen die Äußerungen der Antragstellerin entsprechend der Auffassung
des Antragsgegners tatsächlich als Mittel der Auseinandersetzung um die
Studienbedingungen einen unangemessenen Einblick in sensible innere
Angelegenheiten der Universität gewähren, rechtlich zu beanstanden sind sie nach der
derzeitigen Rechtslage indes nicht.
Nach allem ist auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO begründet, die Aufhebung
der Vollziehung anzuordnen, weil die zu Grunde liegende Verfügung des
Antragsgegners nicht vollziehbar und zudem rechtswidrig ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 2 GKG. Von dem danach maßgeblichen
Regelstreitwert war angesichts des vorläufigen Charakters des Verfahrens hier als
angemessen lediglich die Hälfte in Ansatz zu bringen.
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