Urteil des VG Düsseldorf vom 08.01.2002

VG Düsseldorf: ungerechtfertigte bereicherung, verordnung, pflichtstundenzahl, mehrarbeit, vergütung, ausführung, lehrer, vollstreckung, verminderung, behörde

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 4463/01
08.01.2002
Verwaltungsgericht Düsseldorf
26. Kammer
Urteil
26 K 4463/01
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin stand bis zum 30. September 2000 als verbeamtete Lehrerin im Dienst des
Landes Nordrhein-Westfalen. Zum 1. Oktober 2000 wurde sie aus gesundheitlichen
Gründen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. In den Schuljahren von 1998 bis 2000
leistete sie gemäß der Vorschriften der Verordnung zur Ausführung des § 5
Schulfinanzgesetz wöchentlich eine Pflichtstunde mehr ab (so genannte Vorgriffsstunde).
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2000 und 14. Februar 2001 beantragte die Klägerin auf
Grund ihrer Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand die Vergütung der bereits
abgeleisteten Vorgriffsstunden im Wesentlichen mit der Begründung, dass sie auf Grund
der erfolgten Versetzung in den Ruhestand nicht mehr in den Genuss der vorgesehenen
Pflichtstundenreduzierung vom Schuljahr 2008/2009 ankommen könne.
Die xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx teilte mit Schreiben vom 28. Februar 2001 mit, dass
nach den gesetzlichen Vorschriften ein Ausgleich nur durch entsprechende Verminderung
der Pflichtstundenzahl möglich sei, nicht aber ein finanzieller Ausgleich.
Ausnahmeregelungen hiervon seien nicht vorgesehen. Am 14. März 2001 erhob die
Klägerin hiergegen Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2001 wies die
xxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxx den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie
erneut auf die nicht bestehende gesetzliche Regelung hinsichtlich der finanziellen
Vergütung für abgeleistete Vorgriffsstunden. Eine Berufung auf ungerechtfertigte
Bereicherung des Landes könne nicht erfolgen, da die als Beamtin geleisteten
Vorgriffsstunden auf Grund der gesetzlichen Vorschriften mit Rechtsgrund erbracht worden
sind. Eine Abgeltung der geleisteten Stunden ähnlich wie die Urlaubsabgeltung im
Arbeitsrecht könne nicht erfolgen, da das Beamtenrecht solche Regelungen nicht vorsehe.
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Gegen diesen am 26. Juli 2001 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 3. August 2001
Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie ergänzend zu ihren bisherigen Darlegungen
auf die Vorschrift des § 78 a LBG und sinngemäß auf die
Mehrarbeitsvergütungsverordnung. Die Klägerin habe letztlich Mehrarbeit geleistet, die zu
entschädigen sei, was sich insbesondere unter Berücksichtigung des gesetzlich
vorgesehenen Freizeitausgleichs ergebe. Ansonsten würde eine Ungleichbehandlung
gegenüber solchen Beamten anzunehmen sein, die in den Genuss eines Ausgleichs für
Mehrarbeit kämen. Ferner bestehe eine Ungleichbehandlung gegenüber angestellten
Lehrern. Auch sei fraglich, ob § 5 Schulfinanzgesetz die hierzu erlassenen
Verwaltungsvorschriften über die Vorgriffsstunden überhaupt decke.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vom 28. Februar 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 23. Juli 2001 aufzuheben und den
Beklagten zu verpflichten, der Klägerin für die in den Schuljahren 1998 bis 2000
abgeleisteten Vorgriffsstunden eine anteilige Besoldung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide und weist ergänzend
erneut darauf hin, dass ein finanzieller Ausgleich, wie er von der Klägerin begehrt werde,
nach den Vorschriften der Verordnung zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetz nicht
vorgesehen sei. Mehrarbeit im Sinne des § 78 a LBG liegt nicht vor. Eine
Ungleichbehandlung insbesondere gegenüber angestellten Lehrern sei auf Grund der
unterschiedlichen Rechtsverhältnisse nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
des Beklagten (Beiakten Hefte 1 und 2).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vom 28. Februar 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 23. Juli 2001 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf eine finanzielle
Vergütung der von ihr in den Schuljahren 1998 bis 2000 abgeleisteten Vorgriffsstunden
(vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der Verordnung zur Ausführung des § 5
Schulfinanzgesetz (VO zu § 5 SchFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Mai
1997 (GV.NW. S. 88) in Verbindung mit den Verwaltungsvorschriften zur Verordnung zur
Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetz (AVO-Richtlinien 1997/1998 - AVO - RL) vom 23.
Mai 1997 (- III C 5.30-12-16/0-218/97 -, abgedruckt in GABl. NW. I S. 144). Die zur
Überzeugung des Gerichts von § 5 SchFG gedeckte Verordnung regelt insbesondere die
nach Schulformen differenzierte und zeitlich gestufte Erhöhung der Zahl der wöchentlichen
Pflichtstunden der Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen vom Schuljahr
1998/1999 an und die von Lehrerinnen und Lehrern im Alter von 30 bis 49 Jahren für die
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Dauer von bis zu 6 Schuljahren zusätzlich geforderte wöchentliche Pflichtstunde
(Vorgriffsstunde) sowie deren Ausgleich ab dem Schuljahr 2008/2009 durch die dann
erfolgende Reduzierung der Regelpflichtstundenzahl. Für den Fall der Klägerin als
(ehemalige) Lehrerin eines Gymnasiums ergibt sich die Erhöhung der wöchentlichen
Pflichtstundenzahl aus § 4 Satz 1 Nr. 3 der Verordnung. Die entsprechende Ermäßigung
der Pflichtstundenzahl ab dem Schuljahr 2008/2009 jeweils wiederum für eine
Pflichtstunde pro Woche ergibt sich aus § 4 Satz 2 der Verordnung. Vor dem Hintergrund
dieses tatsächlichen Ausgleichs ist eine finanzielle Vergütung nicht vorgesehen. An
Gymnasien wirkte sich diese Pflichtstundenerhöhung beispielsweise im Schuljahr
1997/1998 dergestalt aus, dass die Pflichtstundenzahl sich von 23,5 auf 24,5 Stunden
erhöhte (vgl. Auswirkungen von Pflichtstundenerhöhungen (einschließlich der
Vorgriffsstunde) auf vollzeit- und teilzeitbeschäftigte Lehrerkräfte im Schuljahr 1997/1998
gemäß Ziff. 1.1 Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 9.
Dezember 1996 (- Z B 5-22/11-894/96 -, GABl. NW. I S. 7). Gleichzeitig mit der
Pflichtstundenerhöhung sind verschiedene Entlastungsregelungen erlassen worden.
Dabei handelt es sich um die entsprechenden Schulformen betreffenden Maßnahmen (wie
zum Beispiel die Reduzierung des Prüfungsaufwandes, die Begrenzung des Aufwandes in
Klassenpflegschaften, die Reduzierung der Zahl von Konferenzen, die Reduzierung von
Verwaltungsaufwand, der Abbau des Verwaltungsaufwandes, die Verminderung des
Einarbeitungsaufwandes bei neuen Richtlinien und Lehrplänen, die Straffung des
Genehmigungsverfahrens bei Sonderurlaub, die rationelle Gestaltung und Begrenzung des
Aufwandes zur Erstellung von Statistiken und die Reduzierung der Mehrbelastung bei
Einsatz bei mehreren Dienstorten. Unerheblich für die rechtliche Würdigung im konkreten
Fall ist es, wenn sich entsprechende Maßnahmen im Einzelfall nicht gezielt einem
Betroffenen und auf finanziellen Ausgleich klagenden Lehrer zuordnen lassen. Denn
auszugehen ist davon, dass durch die so genannten Vorgriffsstunden lediglich die Zahl der
wöchentlich zu erbringenden Unterrichtspflichtstunden um eine Stunde erhöht worden ist.
Allerdings ist damit nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 78 Abs. 1
Beamtengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz - LBG)
überschritten worden. Nach Satz 1 dieser Vorschrift beträgt die regelmäßige Arbeitszeit im
Jahresdurchschnitt 38,5 Stunden in der Woche. Gegen diese Regelung ist durch die
Verpflichtung zur Ableistung der Vorgriffsstunden nicht verstoßen worden. Denn hiermit ist
nicht die vorgenannte regelmäßige Arbeitszeit erhöht worden, sondern lediglich das Maß
der Unterrichtsverpflichtung als ein Teil der in diesem Rahmen zu erbringenden
Dienstleistung.
Vgl. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 11. Juli 2001 - 1 K 7406/98 -; ähnlich
bereits Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 1989 - 2 NB 2/89 -,
NVwZ 1990, 771 f.
Denn die Arbeitsleistung der Lehrer erfasst nur zu einem Teil die Unterrichtsverpflichtung;
im Übrigen erfasst die Arbeitszeit beispielsweise die Unterrichtsvorbereitung, das
Korrigieren von Klausuren, die Teilnahme an Schulkonferenzen und Elternbesprechungen
und dergleichen.
Vor diesem Hintergrund greift auch nicht zu Gunsten der Klägerin die Regelung des § 78 a
LBG ein. Denn danach ist ein Beamter verpflichtet, grundsätzlich ohne Entschädigung über
die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche
Verhältnisse es erfordern. Nach Satz 2 ist einem Beamten bei einer Beanspruchung von
mehr als 5 Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus für die geleistete
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Mehrarbeit eine entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Unter bestimmten
Voraussetzungen sieht § 78 a Abs. 2 die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung nach § 48
Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) in Verbindung mit der Verordnung über die Gewährung
von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV) vom 13. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3494;
BGBl. 1999 I S. 2198) vor. Um eine hiernach zu vergütende Mehrarbeit handelt es sich aber
wie gesagt bei der Ableistung der Vorgriffsstunden bei Lehrern nicht.
Auch die Regelungen über die (Vergütung von) Altersteilzeit (vgl. nur § 78 d LBG) sind
vorliegend auf Grund der grundsätzlich unterschiedlichen Sachverhaltsgestaltung nicht
anzuwenden, ohne dass es hierzu weiterer Ausführungen in der Sache bedarf.
Das Gericht vermag weiterhin keine an Art. 3 Abs. 1 GG zu messende (willkürliche)
Ungleichbehandlung zwischen verbeamteten und angestellten Lehrern zu erkennen, da
diesbezüglich auf Grund sachlicher Differenzierungskriterien unterschiedliche
Rechtsvorschriften bestehen. Auch ist nicht zu beanstanden, wenn in Einzelfällen
(ehemalige) Beamte nicht (mehr) in den Genuss der Ermäßigung der Pflichtstundenzahl
kommen, da jede gesetzliche Regelung abstrakt-generell ergeht und damit auf Grund von
konkreten Besonderheiten im Einzelfall nicht jeden Betroffenen gleich behandeln kann.
Vgl. zur Nichtvergütungspflicht für Vorgriffsstunden auch: VG Düsseldorf, Urteile vom 18.
September 2001 - 26 K 7061/00 - und vom 9. November 2001 - 26 K 3641/01 -; VGH
Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Oktober 1998 - 4 S 425/98 -, ZBR 1999, 232 f. (die
Begrenzung der Ableistung der Vorgriffsstunden auf Lehrer ab dem 30. Lebensjahr
bejahend).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708
Nr. 11, 711 ZPO.