Urteil des VG Düsseldorf vom 22.01.2008

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, überwiegendes öffentliches interesse, gefährdung der gesundheit, schutz der gesundheit, fehlende eröffnung, gefahr, verfügung, satzung, anwohner, erlass

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 17 L 1471/07
Datum:
22.01.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 L 1471/07
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Das Rubrum ist von Amts wegen berichtigt worden. Der Antrag richtet sich nach der
Antragsschrift gegen die Stadt E. Richtiger Antragsgegner ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2
VwGO i.V.m. § 5 Abs. 2 S. 1 AG VwGO analog jedoch die handelnde Behörde, der
Oberbürgermeister. Es handelt sich insoweit aber lediglich um eine von Amts wegen zu
berichtigende bloße Falschbezeichnung, da die Antragstellerin ihren Antrag ersichtlich
gegen den richtigen Antragsgegner richten wollte.
2
Der gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sinngemäß
gestellte Antrag der Antragstellerin,
3
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 28. Juni 2007 hinsichtlich der Untersagungsanordnungen Ziffern 1.
a) - d) wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen Ziffern 3. a) bis
d) anzuordnen,
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hat keinen Erfolg.
5
Nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen
Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt, wenn die Behörde - wie
vorliegend - nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen
Interesse angeordnet hat. Zudem haben gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 8
S. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AG VwGO)
Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden und der
Vollzugsbehörden in der Vollstreckung richten - wie die vorliegenden
6
Zwangsgeldandrohungen -, gleichfalls keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann
jedoch gemäß §§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO, 8 S. 2 AG VwGO die aufschiebende Wirkung
auf Antrag des Betroffenen wiederherstellen bzw. anordnen. Ein derartiger Antrag hat
Erfolg, wenn das private Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung das
öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Das ist der Fall, wenn der
angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, weil ein überwiegendes
öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen
Bescheides nicht bestehen kann, oder wenn das private Interesse des Antragstellers
aus sonstigen Gründen überwiegt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht
gegeben.
Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners ist im durch den Widerspruch
angegriffenen Umfang nicht offensichtlich rechtswidrig. Bei der im
Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage
spricht vielmehr alles für ihre Rechtmäßigkeit.
7
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist vorliegend derjenige
der gerichtlichen Entscheidung. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die gerichtliche
Entscheidung noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides ergeht. Ungeachtet dessen
handelt es sich bei der vorliegenden Untersagungsanordnung aber auch um einen
Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, für den mangels abweichender Anhaltspunkte im
materiell maßgeblichen Abfallrecht bei der Anfechtungsklage die mündliche
Verhandlung und - sofern eine solche nicht stattfindet- der Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung den maßgeblichen Zeitpunkt bestimmen,
8
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 23. November 1990 - 1 B
155/90 -, NVwZ 1991, 372 ff., m.w.Nw..
9
Die Anordnung, keine im Stadtgebiet E in zur Abfuhr bereitgestellten
Restabfallbehältern befindlichen a) Abfälle umzuschaufeln, zu durchsuchen oder sonst
wie zu durchmischen, b) Abfälle manuell durchzusortieren, c) Abfälle jeglicher Art dem
Restabfallbehälter zu entnehmen; davon ausgenommen sind aufliegender
großvolumiger Sperrmüll, aufliegende großflächige Pappe oder Kartonmaterialien sowie
aufliegende großvolumige Verpackungen (z. B. 5- Liter Kanister), d) Abfalltüten
aufzureißen und den losen Inhalt in den Restabfallbehälter zu entleeren, beruht auf § 7
Abs. 2 S. 3 der Satzung der Wirtschaftsbetriebe E - Anstalt öffentlichen Rechts über die
Abfallentsorgung in der Stadt E (Abfallentsorgungssatzung)
10
vom 18. Dezember 2007, (im Folgenden: AES); bis zum 31. Dezember 2007 im
gleichlautenden § 7 Abs. 2 S. 3 der Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt E
(Abfallentsorgungssatzung) vom 3. März 2000 in der Fassung der 6. Änderungssatzung
vom 13. Dezember 2006 geregelt,
11
i.V.m. § 35 Abs. 1 Abfallgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen
12
vom 21. Juni 1988, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 29. März 2007, GV
NRW S. 142 (im Folgenden: LAbfG).
13
Die Untersagungsverfügung ist formell rechtmäßig ergangen. Der Antragsgegner ist
gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 2 LAbfG i.V.m. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 der
Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZuStVO) vom 11. Dezember 2007 i.V.m. §§
14
12 Abs. 2, 4 Abs. 1 OBG NRW - sachlich und örtlich für den Erlass der Verfügung
zuständig. Die gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG erforderliche Anhörung der Antragstellerin vor
Erlass der Ordnungsverfügung ist mit Schreiben des Antragsgegners vom 23. Mai 2007
erfolgt.
Die Untersagungsanordnung ist auch materiell rechtmäßig.
15
Gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 AES ist es Unbefugten nicht gestattet, angefallene Abfälle zu
durchsuchen oder wegzunehmen. Als angefallen gelten gemäß § 7 Abs. 2 S. 4 AES
Abfälle u. a., wenn sie in zugelassene Abfallbehältnisse auf dem Grundstück
(Holsystem) zweckentsprechend eingebracht sind.
16
Zunächst bestehen bei summarischer Prüfung keine Bedenken gegen die Wirksamkeit
dieser Satzungsbestimmungen. Sie beruhen auf der ihrerseits wirksamen
landesrechtlichen Ermächtigung des § 9 Abs. 1 S. 1 und S. 2 LAbfG und halten sich
materiell im Rahmen dieser Satzungsermächtigung.
17
§ 9 Abs. 1 S. 1 LAbfG ermächtigt die öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträger, die
Abfallentsorgung durch Satzung zu regeln. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 LAbfG muss die
Satzung insbesondere Vorschriften darüber enthalten, unter welchen Voraussetzungen
Abfälle als angefallen gelten, welche Abfälle getrennt zu halten und in welcher Weise,
an welchem Ort und zu welcher Zeit dem öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträger die
Abfälle zu überlassen sind. Diese landesrechtliche Konkretisierungsbefugnis steht im
Einklang mit Bundesrecht. Anders als das „Ob" der Überlassungspflicht, welches der
Bundesgesetzgeber in § 13 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Förderung der
Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen -
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
18
vom 27. September 1994, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Ablösung des
AbfallverbringungsG und zur Änderung weiterer Rechtsvorschriften vom 19. Juli 2007
(BGBl. I S. 1462), im Folgenden: KrW-/AbfG,
19
in Wahrnehmung seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 74 Abs.
1 Nr. 24, 72 Abs. 1 GG abschließend geregelt hat,
20
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1999 - 7 C 27/98 -, NVwZ 2000, 71; Urteil vom 1.
Dezember 2005 - 10 C 4/04 -, NVwZ 2006, 589,
21
sind die Anforderungen an Ort und Zeit sowie Art und Weise der Überlassung weiterhin
durch die Länder regelbar. Gleiches gilt für die Voraussetzungen des Anfalls von
Abfällen und die Anforderungen an das Getrennthalten von Abfällen, die im
Bundesrecht, vgl. § 11 Abs. 2, 15 Abs. 1 S. 1 KrW-/ AbfG, ebenfalls nicht abschließend
geregelt sind.
22
§ 7 Abs. 2 S. 3 AES hält sich seinerseits im Rahmen der landesrechtlichen
Satzungsermächtigung.
23
Nach Inhalt und Zweck des Abfallrechts als Gefahrenabwehrrecht (vgl. § 35 Abs. 3
LAbfG) schließt die in § 9 Abs. 1 S. 1 und 2 LAbfG an den öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger gerichtete Ermächtigung zu generellen Regelungen der
Abfallüberlassungs- und Anfallmodalitäten zugleich auch die Normierung von Verboten
24
zur Gefahrenabwehr mit ein. Das Durchsuchen bzw. Entnehmen von Abfällen aus
Abfallbehältern stellt aber eine ein generelles Verbot der Tätigkeiten rechtfertigende
abstrakte Gefahr dar. Eine solche abstrakte, die Normierung eines satzungsrechtlichen
Verbots rechtfertigende Gefahr liegt dann vor, wenn die genannten Verhaltensweisen
bei typisierender Betrachtung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden
im Einzelfall führen können. Dass die Tätigkeiten des Durchsuchens von
Abfallbehältern und des Entnehmens einzelner Abfälle aus diesen Behältern bei
abstrakter Betrachtungsweise geeignet sind, im Einzelfall gesundheitliche
Beeinträchtigungen herbeizuführen, hat die Kammer bereits durch Urteil vom 21.
Februar 2006 - 17 K 4567/05 - mit folgender Begründung festgestellt (Namen wurden
vom Gericht anonymisiert):
„Abfall, insbesondere in Gestalt von Restmüll aus privaten Haushalten, ist mit
vielfältigen gesundheitsgefährdenden Keimen, Pilzen - insbesondere Schimmelpilzen -
und anderen mikrobiellen Stoffen biologischer Herkunft belastet. Derartige Stoffe sind
überwiegend staubgebunden bzw. als Partikel selbst luftgetragen und werden bei jeder
Bewegung des Abfalls, also auch beim Verpressen, Durchsuchen, Verteilen, Sortieren
und Entnehmen des Abfalls, als sogenannte Bioaerosole in die Umgebungsluft
freigesetzt,
25
vgl. beispielhaft die Stellungnahme des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe in der
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (ABAS) vom 20. November 2002
zum manuellen Sortieren von Abfällen außerhalb von speziellen Anlagen, Bl. 102 der
Verfahrensakte 17 L 1022/05 und www.baua.de; Dr. Linsel „Bioaerosole - Entstehung
und biologische Wirkungen" Tabelle 2 Gesundheitliche Auswirkungen von
Bioaerosolen, unter www.baua.de; Ausführungen der Frau Dr. E. vom Gesundheitsamt
des Beklagten im Erörterungstermin am 13. September 2005, vgl. Protokoll Bl. 116 ff.
der Verfahrensakte 17 L 1022/05.
26
Derartige Bioaerosole sind abhängig von ihrer Konzentration und dem Abstand einer
Person von der Emissionsquelle sowie der jeweiligen Verflüchtigungsmöglichkeit in der
Umluft geeignet, Gesundheitsbeeinträchtigungen, z.B. Allergien, Infektionen und
toxische Wirkungen, auszulösen,
27
vgl. beispielhaft, Dr. Linsel „Bioaerosole - Entstehung und biologische Wirkungen", unter
www.baua.de sowie Ausführungen der Frau Dr. E. vom Gesundheitsamt des Beklagten,
vgl. Protokoll zum Erörterungstermin vom 13. September 2005, aaO.
28
Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass es beim Verpressen, Durchsuchen oder
Entnehmen von Abfall in Sammelbehältern jederzeit zu einer Situation kommen kann, in
der belastende Bioaerosole in gesundheitsbeeinträchtigender Menge freigesetzt werden
und zugleich Personen - mit der Müllsortierung Beschäftigte, Anwohner oder Dritte -
diesen gesundheitsgefährdenden Emissionen ausgesetzt werden. Dabei ist zunächst
nicht zweifelhaft, dass eine Freisetzung von belasteten Bioaerosolen in
gesundheitsgefährdender Menge beim Umgang mit Abfall in der beschriebenen Weise
grundsätzlich möglich ist,
29
vgl. Dr. Linsel „Bioaerosole - Entstehung und biologische Wirkungen", aaO, dort Tabelle
2; Bericht des Labors für Arbeits- und Umwelthygiene Dr. Missel in Hannover über die
Ergebnisse der Luftkeimmessung bei der Müllsortierung und - verpressung durch die
CCSP West GmbH in Erkrath am 28. September 2005 (Bl. 58 (61f.) der GA);
30
Stellungnahme des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe in der Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (ABAS) vom 20. November 2002, aaO, der von einer
erhöhten Gefährdung der Mitarbeiter und Dritter bei der Vornahme des händischen
Sortierens von Abfall außerhalb des definierten Umfeldes von Abfallsortieranlagen
ausgeht; Protokoll des Länderausschusses für Arbeitssicherheit und Sicherheitstechnik,
Arbeitskreis „Biologische Arbeitsstoffe/ Gentechnik" vom 13./14. August 2002 zum
händischen Sortieren von Abfall außerhalb von speziellen Anlagen (Bl. 105 der GA 17 L
1022/05 sowie www.lasi.osah.de), der zu dem Ergebnis gelangt, dass zum
Arbeitnehmerschutz speziell Tätigkeiten, bei denen mit einer erhöhten Aerosolbildung
zu rechnen ist, z.B. das Aufschneiden und Entleeren von (Plastik)-säcken, Tüten etc.
oder das Umfüllen von Tonnen- und Containerinhalten, gar nicht manuell durchgeführt
werden sollten.
Entscheidende Bedeutung kommt für die Annahme der Wahrscheinlichkeit eines
Schadens im Einzelfall aber dem Umstand zu, dass die in der Satzung untersagten
Tätigkeiten - anders als im Falle der Durchführung in mit entsprechenden
Schutzeinrichtungen versehenen Abfallsortieranlagen - in einer völlig undefinierten
Umgebung erfolgen. Lage und Gestaltung der Standplätze der Restmüllbehälter sind
dabei insbesondere im Hinblick auf den Luftaustausch und die Nähe zu öffentlichen
Wegen und Plätzen von Standort zu Standort völlig verschieden. Auch die Art und
Zusammensetzung des Abfalls variiert von Woche zu Woche und Standort zu Standort.
Schließlich ist die Intensität der Belastung des Abfalls mit Keimen, Bakterien, Pilzen etc.
ihrerseits wiederum stark von den äußeren klimatischen Bedingungen
(Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit) sowie von der Zusammensetzung des Abfalls
(feuchte oder trockene Abfälle) abhängig. Daraus folgt, dass es je nach den
vorhandenen tagesaktuellen Bedingungen an jedem beliebigen Standort im Stadtgebiet
des Beklagten bei der Durchführung der streitgegenständlichen Tätigkeiten zu einer
Freisetzung einer gesundheitsbeeinträchtigenden Menge von belasteten Bioaerosolen
kommen kann, der jedenfalls der die vorgenannten Tätigkeiten ausführende Müllwerker
aber auch jeder sich zufällig in der unmittelbaren Nähe des Behälters aufhaltende
Anwohner oder Dritte ausgesetzt werden kann. Der Annahme einer abstrakten Gefahr
steht dabei nicht entgegen, dass nach den Ausführungen der Frau Dr. E. sowie des
Herrn Dipl. Ing. B. im Erörterungstermin am 13. September 2005 bei einer Vornahme der
vorgenannten Tätigkeiten in der Freiluftsituation die Konzentration der freiwerdenden
belasteten Bioaerosole infolge einer Durchmischung mit der Umgebungsluft schneller
abgebaut werden kann als in geschlossenen Räumen und in wenigen Metern Abstand
von der Emissionsquelle auf das Maß der ständig vorhandenen
Hintergrundkonzentration absinken kann. Denn es handelt sich dabei schon nicht um
einen zwingenden Kausalverlauf. Vielmehr sind das Maß und die Geschwindigkeit der
Verflüchtigung der freigesetzten Bioaerosole wiederum von den wechselnden
klimatischen und räumlichen Bedingungen am konkreten Freisetzungsort abhängig (z.B.
Windverhältnisse, geschützte Lage der Containerstandplätze) und daher nicht eindeutig
bestimmbar. Zum Ausschluss einer Gesundheitsgefahr für eine unbestimmte Anzahl von
Personen im Einzelfall ist es daher gerechtfertigt, die gefahrverursachenden Tätigkeiten
insgesamt satzungsmäßig zu untersagen."
31
Das Gericht hat auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin in Auftrag
gegebenen Untersuchungsberichte der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel (BGN)
in Mannheim,
32
vgl. BGN „Bericht über die Messung von Schimmelpilzen und Bakterien in der Luft im
33
Arbeitsbereich von Ver- und Entsorgern in der Wohnungswirtschaft" vom 7. Oktober
2002, Bl. 139 ff. BA Heft 1,
sowie des Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (Witzenhausen-
Institut),
34
vgl. Abschlussbericht 2007 des Witzenhausen- Instituts „Keimbelastungssituation im
Wohnumfeld von Geschossbebauungen mit Abfallmanagementsystem", Bl. 405 ff. GA,
35
keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden Beurteilung. Dass Abfall, insbesondere
Restmüll, mit verschiedensten luftgetragenen Mikroorganismen (z. B. Bakterien, Pilzen,
Endotoxinen, Viren und Parasiten) belastet ist, bei jedem Umgang mit Abfällen eine
Freisetzung solcher Bioaerosole erfolgt und Bioaerosole für die ihnen ausgesetzten
Personen das Risiko einer Gesundheitsbeeinträchtigung begründen, gehört wie
selbstverständlich zur Untersuchungsgrundlage dieser beiden Berichte,
36
vgl. BGN „Bericht über die Messung von Schimmelpilzen und Bakterien in der Luft im
Arbeitsbereich von Ver- und Entsorgern in der Wohnungswirtschaft" vom 7. Oktober
2002, S. 3, 16, a.a.O. und Abschlussbericht 2007 des Witzenhausen- Instituts
„Keimbelastungssituation im Wohnumfeld von Geschossbebauungen mit
Abfallmanagementsystem", S. 6, 7, 10, 13, 29 ff., a.a.O..
37
In seiner Einschätzung des Vorliegens einer abstrakten Gefahr sieht sich die Kammer
im Gegenteil dadurch bestätigt, dass der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe
(ABAS) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in die von ihm erstellten
Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) zwischenzeitlich ausdrücklich
auch das manuelle Sortieren von Abfällen außerhalb von speziellen
Abfallbehandlungsanlagen einbezogen hat. Die TRBA geben den aktuellen Stand der
sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, hygienischen sowie
arbeitswissenschaftlichen Anforderungen bei Tätigkeiten mit Biologischen
Arbeitsstoffen wieder und dienen der Konkretisierung der Anforderungen der
Biostoffverordnung an Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten. In der im
Juli 2007 veröffentlichten neuen TRBA 214 - Abfallbehandlungsanlagen einschließlich
Sortieranlagen in der Abfallwirtschaft -,
38
vgl. www.baua.de,
39
wird das manuelle Sortieren von Abfällen außerhalb von speziellen
Abfallbehandlungsanlagen in Ziffer 3.4 als das „Sortieren vermischter Abfälle an
zentralen Behälterstandplätzen in Wohnanlagen und Gewerbebetrieben z. B. als
Dienstleistung zur Reduktion des Abfallvolumens" näher definiert. Für die der Ziffer 3.4
unterfallenden Tätigkeiten legt Ziffer 5.10 zum Schutz der Beschäftigten erweiterte
persönliche Schutzmaßnahmen und -ausrüstungen, wie z. B. geeigneten Atemschutz
und sprüh- und staubdichte Einwegkleidung, fest. Das manuelle Öffnen von Säcken, z.
B. von Sortiergut vor der Abfallsortierung, ist darüber hinaus gemäß Ziffer 5.5.3. der
TRBA 214 an ständigen Arbeitsplätzen in geschlossenen Bereichen ganz
auszuschließen.
40
Der Regelungsbefugnis der öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträger zur
Gefahrenabwehr steht entgegen der Ansicht der Antragstellerin die Überlassungspflicht
des § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG nicht entgegen. Zwar erwächst gemäß § 15 Abs. 1 S. 1
41
KrW-/AbfG erst ab dem Zeitpunkt der Überlassung der Abfälle die mit der
Überlassungspflicht der Abfallerzeuger bzw. -besitzer korrespondierende
Entsorgungsverpflichtung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach §§ 4 - 6
und §§ 10 - 12 KrW-/AbfG. Der Zeitpunkt der Überlassung dient mithin der Abgrenzung
der Pflichtenkreise nach dem KrW-/AbfG,
vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1997 - 7 C 58/06-, NJW 1998, 1004; Weidemann
in: Jarass/Ruchay/Weideman, Stand: 1. März 2007, § 13 Rn 53 f..
42
Diese Regelungen betreffen aber ihrerseits nur einen Teilausschnitt der
abfallrechtlichen Rechte und Pflichten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers.
Sie berühren nicht seine darüber hinausgehende Befugnis, auch schon im vor der
Überlassung liegenden Zeitraum, in dem er noch nicht selbst entsorgungspflichtig ist,
besondere Regelungen zur Gefahrenabwehr zu treffen. Es kann daher dahin stehen, ob
Abfälle nach den Regelungen der Abfallentsorgungssatzung der Wirtschaftsbetriebe E -
Anstalt öffentlichen Rechts (WBE-AöR) bereits mit ihrer zweckentsprechenden
Einbringung in die zugelassenen Abfallbehältnisse, vgl. § 7 Abs. 2 S. 4 AES, d.h. mit
ihrem Anfall, zugleich auch überlassen sind,
43
vgl. zu diesem Problemkreis: Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 4. Mai 2006 -11
K 1924/05-; VGH BW, Urteil vom 27. März 2007 -10 S 1684/06-, juris; noch nicht
veröffentlichte Entscheidung des BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007 -7 C 42.07-,
www.bundesverwaltungsgericht.de/pressemitteilungen .
44
Denn jedenfalls besteht ab dem Zeitpunkt des Anfalls im Sinne der
Abfallentsorgungssatzung jederzeit die Möglichkeit eines Zugriffs Dritter auf die Abfälle
und damit eine das Einschreiten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers
rechtfertigende abstrakte Gefahr.
45
Das satzungsrechtliche Verbot des § 7 Abs. 2 S. 3 AES fügt sich entgegen der
Auffassung der Antragstellerin auch widerspruchsfrei in die übrigen
Satzungsregelungen ein.
46
Es läuft zunächst nicht der den Abfallerzeugern bzw. -besitzern durch § 4 Abs. 5 i.V.m. §
8 AES auferlegten Pflicht zur Getrennthaltung von Abfällen zuwider. Nach diesen
Vorschriften haben die Benutzungspflichtigen Abfälle, insb. Glas, Papier, Kartonagen,
Grünabfälle, Bioabfälle, Metall und Leichtstoffverpackungen getrennt zu halten und in
die dafür ausschließlich vorgesehenen Behältnisse auf dem Grundstück (Holsystem)
bzw. in die entsprechenden, im Stadtgebiet zur Verfügung gestellten Sammelcontainer
(Bringsystem) einzubringen. Das - bußgeldbewehrte - Getrennthaltungsgebot ist nach
seinem Wortlaut sowie Sinn und Zweck auf die Sicherstellung eines möglichst
„sortenreinen" Anfalls der Abfälle in den von der WBE- AöR zur Verfügung gestellten
Sammelbehältern der Hol- und Bringsysteme ausgerichtet. Eine darüber
hinausgehende - mit § 7 Abs. 2 S. 3 AES in Widerspruch stehende - Pflicht der
Benutzungspflichtigen, unter Verstoß gegen das Trennungsgebot fehlerhaft in die
zugelassenen Sammelbehälter eingebrachte Abfälle wieder auszusortieren, begründet
§ 8 S. 1 AES seinem Regelungsgehalt nach dagegen gerade nicht. Hiermit in Einklang
steht, dass § 15 AES es der WBE- AöR nicht ermöglicht, die Abfuhr eines Behälters
wegen einer gegen das Trennungsgebot verstoßenden Befüllung abzulehnen.
Folgerichtig knüpft § 24 Abs. 1 Nr. 4 AES das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit
tatbestandlich nicht an das Vorhandensein eines mit Fehlbefüllungen versehenen
47
Abfallbehälters, sondern bereits an die zeitlich vorausgehende fehlerhafte Einbringung
von Abfall durch den Abfallerzeuger bzw. -besitzer selbst an.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin zwingt auch § 15 Abs. 6 AES den
Benutzungspflichtigen nicht zu einem Verstoß gegen das satzungsrechtliche Verbot des
§ 7 Abs. 2 S. 3 AES. Soweit die WBE-AöR im Einzelfall die Abfuhr eines nicht
entsprechend den Bestimmungen der § 15 Abs. 1 bis 5 AES gefüllten oder
bereitgestellten Abfallbehälters ablehnt und damit zugleich vom Benutzungspflichtigen
die nachträgliche Umsetzung der Vorgaben des § 15 Abs. 1 bis 5 AES verlangt, muss
der Benutzungspflichtige zwar auf den Behälterinhalt, d.h. auf angefallene Abfälle,
zugreifen. Er handelt dabei aber nicht unbefugt i.S.v. § 7 Abs. 2 S. 3 AES. Denn mit der
im konkreten Einzelfall getroffenen Ermessensentscheidung der WBE-AöR, die Abfuhr
eines Abfallbehälters abzulehnen, ermächtigt sie zugleich den Benutzungspflichtigen
einzelfallbezogen zu den zur Herstellung der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 bis 5
AES erforderlichen Zugriffen auf den angefallenen Abfall. Diese Einzelfallentscheidung
gewährleistet zugleich auch die ausreichende Berücksichtigung der mit einem Zugriff
des Benutzungspflichtigen auf den Behälterinhalt verbundenen Gefahr einer
Gesundheitsbeeinträchtigung.
48
Soweit die Antragstellerin schließlich darauf verweist, dass § 7 Abs. 2 S. 3 AES einer
Entnahme selbst von versehentlich von Mietern in die Abfallbehälter eingeworfenen
Wertgegenständen entgegen stehe, so verkennt sie, dass derartige Gegenstände nicht
den Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG erfüllen und mithin nicht vom
Wegnahmeverbot des § 7 Abs. 2 S. 3 AES erfasst werden.
49
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Antragsgegners nach §
7 Abs. 2 S. 3 AES i.V.m. § 35 Abs. 1 LAbfG sind ebenfalls gegeben. Die Antragstellerin
hat angefallene Abfälle durch ihre Mitarbeiter ohne Befugnis durchsucht bzw.
weggenommen.
50
Dabei sind die Tätigkeiten der Mitarbeiter der Antragstellerin, die zum Erlass der
Ordnungsverfügung geführt haben, im vorliegenden Verfahren nicht mehr streitig. Sie
ergeben sich dessen ungeachtet aber auch glaubhaft aus den vom Antragsgegner
vorgelegten Fotoaufnahmen vom 30. März 2007.
51
Indem die Mitarbeiter der Antragstellerin den Inhalt von Restabfallbehältern mit einer
Schaufel umgeschaufelt haben, um tiefer im Behälter befindliche Abfallschichten an die
Oberfläche zu holen, Abfälle mit den Händen durchwühlt haben, einzelne Abfalltüten
aus den Behältern herausgenommen haben, um an darunter liegende Abfallschichten
zu gelangen, einzelne Abfalltüten aufgerissen und ihren Inhalt lose in die Abfallbehälter
entleert haben sowie schließlich Abfälle von Hand durchsortiert und nicht nur
aufliegende großflächige bzw. großvolumige Abfälle den Behältern entnommen haben,
haben sie in den Restmüllbehältern befindliche Abfälle durchsucht und weggenommen.
52
Im Zeitpunkt der Erbringung der untersagten Tätigkeiten sind die Abfälle von den
Mietern der Wohnanlagen auch mit Entledigungswillen als Restabfall, d.h.
zweckentsprechend, in die zugelassenen Restabfallbehältnisse auf den Grundstücken
eingebracht worden und somit i.S.v. § 7 Abs. 2 S. 4 AES angefallen.
53
Soweit die Untersagungsanordnung sich ihrem Wortlaut nach auf „in zur Abfuhr
bereitgestellten Restabfallbehältern befindliche" Abfälle bezieht, führt dies nicht zu einer
54
Beschränkung ihres Geltungsbereichs auf am Abfuhrtag von den Benutzungspflichtigen
zur Leerung bereitgestellte Behälter, vgl. § 16 AES. Unter Berücksichtigung der zur
Auslegung des Regelungsgehalts der Ordnungsverfügung heranzuziehenden
Begründung des Antragsgegners erstreckt sich die Untersagungsanordnung auf alle
Abfälle, die sich in von der WBE-AöR zugelassenen und zur Verfügung gestellten, also
von dieser bereitgestellten Abfallgefäßen befinden, mithin auf alle i.S.v. § 7 Abs. 2 S. 4
AES angefallenen Abfälle. Von diesem Regelungsgehalt ist auch die Antragstellerin
selbst ersichtlich ausgegangen.
Schließlich ist die Antragstellerin auch nicht zu dem streitgegenständlichen Umgang mit
den angefallenen Abfällen befugt, § 7 Abs. 2 S. 3 AES. Der Begriff der Befugnis ist im
Hinblick auf den der Gefahrenabwehr dienenden Sinn und Zweck der
Satzungsregelung allein öffentlich- rechtlich, d.h. abfallrechtlich auszulegen. Auf die
zivilrechtlichen Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es in diesem
Zusammenhang nicht an. Unbefugt ist in diesem Sinne daher jeder, der nicht öffentlich-
rechtlicher Entsorgungsträger oder ein von diesem Beauftragter ist. Unerheblich ist
daher insbesondere, dass die Kunden der Antragstellerin die streitgegenständlichen
Dienstleistungen durch den Abschluss von privatrechtlichen Verträgen zivilrechtlich
gestattet haben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin zwingt die
Überlassungspflicht des § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG nicht zu einer abweichenden
rechtlichen Beurteilung. Es kann auch an dieser Stelle offen bleiben, ob die Abfälle im
Zeitpunkt der Dienstleistungserbringung durch die Antragstellerin bereits durch die
Abfallerzeuger bzw. -besitzer an die WBE-AöR überlassen sind, § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-
/AbfG. Denn selbst dann, wenn die Abfallerzeuger bzw. -besitzer durch den Einwurf der
Abfälle in die zugelassenen Restabfallgefäße, § 7 Abs. 2 S. 4 AES, ihrer
Überlassungspflicht noch nicht nachgekommen sein sollten, stünde die fehlende
Eröffnung der Entsorgungsverpflichtung der WBE-AöR nach § 15 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG
der Zulässigkeit des gefahrenabwehrrechtlichen Einschreitens des Antragsgegners
nicht entgegen. Wie bereits oben dargelegt, ist die Befugnis zum
gefahrenabwehrrechtlichen Einschreiten nicht auf den Zeitraum nach der Überlassung
von Abfällen beschränkt. Mithin kann die Antragstellerin aus einer eventuell
fortbestehenden Überlassungspflicht der Abfallerzeuger bzw. -besitzer, in deren Auftrag
sie tätig wird, nichts gegen die ihr gegenüber ergangene Untersagungsverfügung
herleiten.
55
Bereits die vorliegenden Verstöße der Antragstellerin gegen die Satzungsvorschrift des
§ 7 Abs. 2 S. 3 AES selbst rechtfertigen das Einschreiten des Antragsgegners durch die
angefochtene Ordnungsverfügung vom 28. Juni 2007. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte
Ausübung des Entschließungsermessens sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind
keine Umstände ersichtlich, die ausnahmsweise verhindern, dass sich die von der
Satzungsregelung erfasste abstrakte Gefahr durch die Tätigkeit der Antragstellerin
realisieren kann. Aus dem Abschlussbericht des Witzenhausen- Instituts von August
2007 über die zweitägige Luftkeimmessung bei Tätigkeiten der Antragstellerin in E
ergibt sich, dass mit ihren Dienstleistungen grundsätzlich eine Emission von
überwiegend luftgetragenen Mikroorganismen, insbesondere Schimmelpilzen,
verbunden ist, der die Mitarbeiter und zugleich auch andere Personen, die im Zeitpunkt
der Erbringung der Dienstleistung den entsprechenden Bereich betreten oder passieren,
grundsätzlich ausgesetzt werden können,
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vgl. Abschlussbericht „Keimbelastungssituation im Wohnumfeld von
Geschossbebauungen mit Abfallmanagementsystem" des Witzenhausen- Institut von
57
August 2007, S. 20 ff., a.a.O., sowie Ausführungen zu den Arbeitsschutzstandards in der
Leistungsbeschreibung „Konventionelles Abfallmanagement" der Antragstellerin S. 4,
Bl. 11 BA Heft 1; BGN, „Bericht über die Messung von Schimmelpilzen und Bakterien in
der Luft im Arbeitsbereich von Ver- und Entsorgern in der Wohnungswirtschaft" vom 7.
Oktober 2002, S. 14 ff., a.a.O..
Die Antragstellerin stellt ihren Mitarbeitern daher auch grundsätzlich umfangreiche
technische und organisatorische Schutzmittel, wie z. B. Atemschutz, Schutzkleidung,
Hygienepläne u.ä., zur Verfügung,
58
vgl. Leistungsbeschreibung „Konventionelles Abfallmanagement" der Antragstellerin, S.
4, Bl. 11 BA Heft 1.
59
Die tatsächliche Ergreifung dieser Schutzmaßnahmen führt aber ihrerseits nicht zu
einem vollständigen Ausschluss der Konkretisierungsgefahr der von der
Abfallentsorgungssatzung erfassten Gefahren im Hinblick auf die Mitarbeiter der
Antragstellerin. Denn den ergriffenen technischen und organisatorischen
Schutzmaßnahmen ist - wie allen Schutzmaßnahmen - eigen, dass sie zwar der
Minimierung eines vorhandenen Gefahrenpotentials dienen. Einen vollständigen
Ausschluss dieser Gefahren können Schutzmaßnahmen aber grundsätzlich nicht
bewirken. Aus diesem Grunde sieht Ziffer 6.1. der TRBA 214 i.V.m. § 11 Abs. 2
BioStoffV auch eine regelmäßige Überprüfung der Funktion und Wirksamkeit von
technischen Schutzmaßnahmen vor. Ungeachtet dessen wirken sich diese allein
mitarbeiterbezogenen Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die Gefährdung dritter
Personen, z. B. Anwohner und Passanten, überhaupt nicht aus. Schließlich ist keine
Schutzmaßnahme der Antragstellerin ersichtlich, die bereits auf die Einschränkung oder
Verhinderung der Emission der schädlichen Bioaerosole selbst ausgerichtet wäre. Eine
andere Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung des Abschlussberichts des
Witzenhausen- Instituts von August 2007 geboten. Zwar gelangt diese Untersuchung zu
der Einschätzung, dass unter Berücksichtigung aller Faktoren davon ausgegangen
werden könne, dass von der Tätigkeit des Abfallmanagements für die Anwohner und
Passanten im Wohnumfeld von Geschossbebauungen kein hygienisch-
mikrobiologisches Risiko ausgehe. Aus den festgestellten Untersuchungsergebnissen
lässt sich zur Überzeugung des Gerichts jedoch gerade kein verallgemeinernder
Schluss auf eine Ungefährlichkeit der untersagten Tätigkeiten ziehen. Denn insoweit
handelt es sich schon nicht um eine repräsentative Untersuchung. Zwar erfolgte die
Luftkeimmessung - anders als die Messungen der Berufsgenossenschaft für
Lebensmittel in Mannheim von Juli 2002 und des Labors Dr. Missel in Erkrath am 28.
September 2005 - unmittelbar an mehreren von der Antragstellerin bewirtschafteten
Wohnanlagen im Stadtgebiet des Antragsgegners. Diese Messung ist dennoch
ungeeignet, eine aussagekräftige Tatsachengrundlage für die Bewertung des
Emissionsumfangs und der Expositionsgefahr des einzelnen Mitarbeiters bzw. dritter
Personen für den gesamten zeitlichen und räumlichen Tätigkeitsbereich der
Antragstellerin zu schaffen. Angesichts der stark variierenden Gestaltung der einzelnen
Containerstandorte, der im Verlaufe des Jahres völlig unterschiedlichen klimatischen
Bedingungen und ihrer Auswirkung auf die Bildung bzw. Vermehrung von Bakterien,
Pilzen etc. in dem seinerseits nach Art und Zusammensetzung stets variierenden
Restmüll ist die vorliegende, auf einen Mitarbeiter und zwei Arbeitstage beschränkte
Luftkeimmessung hierfür ihrem Umfang nach nicht ausreichend. Dies zeigt sich schon
daran, dass bereits die Messergebnisse dieser beiden einzelnen Untersuchungstage
deutlich voneinander abweichen. So lag sowohl die gemessene
60
Schimmelpilzkonzentration als auch die Bakterienemission am ersten
Untersuchungstag deutlich über den Messergebnissen des zweiten
Untersuchungstages. Ungeachtet dessen ergaben sich bereits bei diesen zweitägigen
Messungen sowohl mit dem PGP- System als auch bei den Kurzzeitmessungen mit dem
Impaktions- Luftkeimsammelgerät MAS-100 in 2 bis 5 Metern Entfernung von den
Abfallbehältern einzelne Spitzenwerte von über 50.000 Koloniebildenden Einheiten
Schimmelpilze pro Kubikmeter Luft (KBE/m³) gegenüber einer durchschnittlichen
Hintergrundkonzentration von 2.670 KBE/m³. Bei der zusätzlich zur Erfassung von
kurzzeitig andauernden Immissionsspitzen eingesetzten Korrelierten Partikelzählung
ergaben sich sogar Immissionsspitzen von bis zu ca. 300.000 KBE/m³. Diese
festgestellten Messwertspitzen können aber gerade nicht als kurzzeitige Ausreißer
vernachlässigt werden. Sie zeigen vielmehr, dass es bei den Tätigkeiten der
Antragstellerin zu besonders hohen Belastungssituationen kommen kann, die
insbesondere im Hinblick auf ungeschützte Dritte geeignet sind,
Gesundheitsbeeinträchtigungen herbeizuführen. Von besonderer Bedeutung ist
insoweit, dass der Luftkeimmessung nicht einmal alle vom Antragsgegner untersagten
Tätigkeiten zugrunde lagen. Der messtechnisch begleitete Mitarbeiter hat ausweislich
der Tätigkeitsbeschreibung im Abschlussbericht Ziffer 3.1. gerade solche Tätigkeiten
nicht ausgeführt, die zu einem Zugriff auf tiefer in den Abfallbehältern befindliche
Abfallschichten führen, wie etwa das Umschaufeln der Abfälle oder ein Herausholen
von Beuteln aus dem Behälter. Damit sind aber gerade die Tätigkeiten, die zu einer
besonders starken mechanischen Einwirkung auf den Abfall und mithin zu einer
gegenüber den gemessenen Tätigkeiten deutlich stärkeren Ablösung von
Schmutzpartikeln führen, nicht Gegenstand der vorgelegten Luftkeimmessung gewesen.
Vor diesem Hintergrund bilden die bereits bei weniger intensiven Zugriffen auf den
Abfall erfassten Emissionsspitzen nicht das vollständige Emissionspotential der
untersagten Tätigkeiten ab. Die humanmedizinische Bewertung der Messergebnisse
unter Ziffer 6. erfolgte schließlich ersichtlich nur im Hinblick auf die Fragestellung, ob für
Bewohner von Wohnanlagen das Risiko eines Eintrags der durch die Tätigkeit der
Antragstellerin ausgelösten Keimemissionen in ihre Wohnungen besteht und daraus
eine Erkrankungsgefahr resultiert, geht aber auf die Frage der Gefährdung der
Beschäftigten, Anwohner oder Dritter bei einem direkten Kontakt mit den Emissionen
unmittelbar an den Behälterstandplätzen nicht ein.
Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensbetätigung im übrigen sind nicht
ersichtlich. Insbesondere hat der Antragsgegner ausweislich der Begründung seiner
Untersagungsverfügung die Möglichkeit eines milderen Mittels als der vollständigen
Untersagung der streitgegenständlichen Tätigkeiten geprüft. Dass der Antragsgegner
eine konkrete Schutzanordnung, die den mit den Tätigkeiten der Antragstellerin
verbundenen Gefahren mit gleicher Wirksamkeit begegnet wie die vollständige
Untersagung, dabei ermessensfehlerhaft nicht in seine Abwägung einbezogen hat, hat
die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Anhaltspunkte hierfür sind für das Gericht
aber auch nicht ersichtlich.
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Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsanordnung wird schließlich nicht dadurch in
Frage gestellt, dass der Antragsgegner die Unterbindung der satzungsrechtlichen
Verstöße seiner Begründung nach auf § 21 Abs. 1 KrW-/ AbfG gestützt hat. Denn das
Gericht hat grundsätzlich umfassend zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen
Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob
ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen
Rechtsgrundlage rechtmäßig ist. Ein solches Auswechseln der Rechtsgrundlage wird
62
auch bei Ermessensentscheidungen nicht grundsätzlich als unzulässig angesehen. Die
Heranziehung anderer als der im Bescheid genannten Rechtsgrundlagen ist dem
Gericht nur dann verwehrt, wenn die anderweitige rechtliche Begründung zu einer
Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führen würde,
vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1989 - 4 C 40/88 -, BVerwGE 82, 185; Urteil vom 21.
November 1989 - 9 C 28.89-, DVBl. 1990, 490; OVG NRW, Urteil vom 22. Februar 2005
- 15 A 1065/04-, NVwZ-RR 2006, 86 alle m.w.N..
63
Dafür, dass die Verfügung des Antragsgegners durch den Austausch der
Ermächtigungsnorm eine Wesensveränderung erfahren haben könnte, ist nichts
ersichtlich. § 35 Abs. 1 LAbfG enthält eine in ihrem Umfang und den Voraussetzungen §
21 Abs. 1 KrW-/AbfG entsprechende allgemeine Anordnungsbefugnis, die zur
Durchsetzung des LAbfG und der auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsvorschriften
wie der vorliegenden Satzungsregelung Anwendungsvorrang genießt.
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Gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen gemäß §§ 55 Abs. 1, 57 Abs.
1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken.
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Bei diesen Gegebenheiten geht die im übrigen vorzunehmende Interessenabwägung im
engeren Sinne zu Lasten der Antragstellerin aus. An der Vollziehung der angegriffenen
Verfügung besteht ein erhebliches öffentliches Interesse. Es ist zu befürchten, dass sich
durch das weitere Durchsuchen und Wegnehmen der Inhalte von Restabfallgefäßen in
dem vom Antragsgegner untersagten Umfang durch Mitarbeiter der Antragstellerin die
abstrakten Gesundheitsgefahren, die durch die Abfallentsorgungssatzung bekämpft
werden sollen, bis zum Eintritt der Bestandskraft der Ordnungsverfügung realisiert
haben werden. Besteht aber im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zur Abwehr
der Realisierung einer Gefahr für ein gewichtiges Schutzgut die Notwendigkeit eines
sofortigen Eingreifens, so folgt bereits hieraus die Unbeachtlichkeit der
vorausgegangenen Behandlung der Sache durch die zuständige Behörde. Aus diesem
Grund bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob der Antragsgegner vor Erlass der
Ordnungsverfügung nebst Anordnung der sofortigen Vollziehung über einen längeren
Zeitraum in Kenntnis der satzungswidrigen Tätigkeiten der Antragstellerin untätig
geblieben ist oder nicht. Demgegenüber ist das private Interesse der Antragstellerin an
der Fortführung der untersagten gewerblichen Betätigung unter Gefährdung der
Gesundheit Dritter nicht schutzwürdig. Dies insbesondere, als der Antragstellerin
vorliegend nicht die Möglichkeit genommen wird, überhaupt Leistungen im Rahmen des
von ihr angebotenen sogenannten konventionellen Abfallmanagements zu erbringen.
Ihr verbleiben vielmehr ungeschmälert die beiden Tätigkeitsbereiche der Mieterberatung
sowie der Standplatzreinigung. Lediglich im Tätigkeitsbereich der Kontrolle und
Nachsortierung der Müllgefäße wird der Umfang ihrer Dienstleistung durch die
Untersagungsanordnung auf die Sichtkontrolle der Gefäße und die Entnahme von
großflächigen aufliegenden Pappen, Kartonagen und Sperrgut sowie aufliegenden
großvolumigen Verpackungen beschränkt. Der Schutz der Gesundheit Dritter ist ohne
weiteres höher einzuschätzen als die hierin liegende Beschränkung der Tätigkeit der
Antragstellerin.
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In Anbetracht der Vollziehbarkeit der Untersagungsanordnungen besteht kein Anlass, in
Bezug auf die Zwangsmittelandrohungen Ziffer 3. a) bis d) vom Regelvorrang des
Vollziehungsinteresses nach § 8 S. 1 AG VwGO abzuweichen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG, wobei das Gericht im vorliegenden Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich die Hälfte des in der Hauptsache
maßgeblichen Streitwertes von 20.000 Euro (gemäß Ziffer 2.4.2 des Streitwertkatalogs
2004) zugrunde legt.
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