Urteil des VG Düsseldorf vom 18.09.2002

VG Düsseldorf: chemie, physik, vorprüfung, beendigung, abnahme, universität, rücktritt, unverzüglich, gesundheitszustand, entschuldigung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 15 K 4120/00
Datum:
18.09.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 4120/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25,00 Euro
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die 22. Oktober 1962 geborene Klägerin wendet sich gegen das endgültige
Nichtbestehen ihrer naturwissenschaftlichen Vorprüfung für Studierende der
Zahnheilkunde.
2
Nachdem sie zunächst von 1984 bis 1990 an der Universität in F Humanmedizin
studiert hatte, nahm die Klägerin zum Wintersemester 1993/94 das Studium der
Zahnmedizin an der Universität in M auf, setzte das Studium vom Sommersemester
1994 bis zum Sommersemester 1996 an der Universität in X fort und wechselte
anschließend an die I -Universität E.
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Unter dem 24. Juni 1997 beantragte die Klägerin erstmals bei dem beklagten
Prüfungsausschuss die Zulassung zur naturwissenschaftlichen Vorprüfung. Für ihre
Prüfungsleistung im Fach Physik erhielt sie am 7. Oktober 1997 die Note "mangelhaft".
Von den Prüfungen in den Fächern Biologie und Chemie am 9. und 10. Oktober 1997
trat sie unter Vorlage eines ärztlichen Attestes zurück, das ihr einen "schweren
psychovegetativen Erschöpfungszustand" bescheinigte. Mit Bescheid vom 17. Oktober
1997 erkannte der Vorsitzende des beklagten Prüfungsausschusses den
Prüfungsrücktritt als genügend entschuldigt an.
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Nachdem die Klägerin sich unter Vorlage einer entsprechenden, vom 18. Juni 1997
datierenden ärztlichen Bescheinigung selbst für prüfungsfähig erklärt hatte, unterzog sie
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sich in Fortsetzung der naturwissenschaftlichen Vorprüfung am 6. Juli 1998 der Prüfung
im Fach Chemie. Nachdem die Prüfungsleistung der Klägerin dort mit der Note "nicht
genügend" bewertet worden war, erklärte der beklagte Prüfungsausschuss die
naturwissenschaftliche Vorprüfung der Klägerin mit Bescheid vom 7. Juli 1998 für nicht
bestanden und wies darauf hin, dass die Meldung zur Wiederholungsprüfung bis
spätestens 7. November 1998 zu erfolgen habe.
Unter Vorlage eines vom 22. Oktober 1998 datierenden nervenärztlichen Attestes, nach
dem sie an einer sekundären Phobie und einer Ess-Störung litt, machte die Klägerin bei
dem beklagten Prüfungsausschuss geltend, sie sei bis Ende Dezember 1998 nicht
prüfungsfähig. Mit Bescheid vom 4. November 1998 teilte ihr der Vorsitzende des
beklagten Prüfungsausschusses mit, dass die Erkrankung als genügende
Entschuldigung für die erneute Unterbrechung der Prüfung anerkannt werde.
6
Nachdem das Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie die Frist zur Beendigung
der Prüfung bis zum 31. März 1999 verlängert hatte, ließ der Vorsitzende des beklagten
Prüfungsausschusses die Klägerin entsprechend ihrem Antrag vom 8. März 1999 zur
Wiederholungsprüfung im März 1999 zu. Das Fernbleiben der Klägerin von der Prüfung
erkannte der Vorsitzende des beklagten Prüfungsausschusses unter dem 12. April 1999
im Hinblick auf die der Klägerin mit ärztlichem Attest vom 29. März 1999 bescheinigte
"akute Angststörung" als genügend entschuldigt an.
7
Unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung vom 9. Juli 1999 erklärte
die Klägerin sich für prüfungsfähig. Am 21. Juli 1999 verlängerte das
Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie der Klägerin die Frist zur Beendigung
der Prüfung bis zum 31. August 1999. Die Prüfung im Fach Biologie am 4. August 1999
bestand die Klägerin mit de Note "befriedigend", nachdem zu den Prüfungsterminen in
den Fächern Chemie und Physik am 30. Juli 1999 und 2. August 1999 nicht erschienen
war. Der Vorsitzende des beklagten Prüfungsausschusses erkannte mit Bescheid vom
10. August 1999 die der Klägerin für die beiden Prüfungstage in einer vom 3. August
1999 datierenden nervenärztliche Stellungnahme attestierten "massiven
Prüfungsängste" als genügende Entschuldigung für das Fernbleiben von der Prüfung
an.
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Am 25. August 1999 unterzog die Klägerin sich im Beisein des Vorsitzenden des
Prüfungsausschusses, Herrn Prof. Dr. I1, der Fachprüfung in Physik. Für ihre dort
gezeigte Leistung erhielt sie die Note "mangelhaft". Der für den 26. August 1999
angesetzten Prüfung im Fach Chemie blieb die Klägerin fern und legte eine vom
gleichen Tage datierende ärztliche Bescheinigung vor, nach der sie am 26. August 1999
wegen eines fieberhaften Infekts mit Gastroenteritis und Cephalgien außer Stande war,
an einer Prüfung teilzunehmen. Mit Bescheid vom 30. August 1999 erkannte der
Vorsitzende des beklagten Prüfungsausschusses den Prüfungsrücktritt der Klägerin als
genügend entschuldigt an.
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Den Termin zur Wiederholungsprüfung im Fach Chemie am 23. September 1999 nahm
die Klägerin erneut nicht wahr und legte eine vom gleichen Tag datierende ärztliche
Bescheinigung vor, nach der sie an migräneartigen Kopfschmerzen und Gastroenteritis
litt. Mit Bescheid vom 24. September 1999 erkannte der Vorsitzende des
Prüfungsausschusses das Fernbleiben der Klägerin von dem Prüfungstermin als
genügend entschuldigt an.
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Nachdem die Klägerin sich unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen
Bescheinigung vom 14. Januar 2000 für prüfungsfähig erklärt und das
Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie die Frist zur Beendigung der Prüfung
am 25. Januar 2000 bis zum 29. Februar 2000 verlängert hatte, unterzog sie sich am 16.
Februar 2000 im Beisein des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, Herrn Prof. Dr.
I1, am 16. Februar 2000 der Fachprüfung in Chemie. Ihre Prüfungsleistung wurde mit
der "mangelhaft" bewertet.
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Mit Schreiben vom 17. Februar 2000, bei dem beklagten Prüfungsausschuss am 21.
Februar 2000 eingegangen, legte die Klägerin eine vom 15. Februar 2000 datierende
ärztliche Bescheinigung vor, nach der sie an einer mit einem Antibiotikum zu
behandelnden akuten Kehlkopfentzündung litt, und machte geltend, weil sie bereits
mehrfach aus gesundheitlichen Gründen von der Prüfung zurückgetreten sei, habe sie
sich nicht getraut, das Attest während der Prüfung vorzulegen.
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Mit Bescheid vom 10. März 2000 erklärte der beklagte Prüfungsausschuss die
naturwissenschaftliche Vorprüfung der Klägerin für endgültig nicht bestanden.
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Gegen die Entscheidung erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung machte sie
geltend, wegen der ablaufenden Frist zur Beendigung der Prüfung habe sie zur
Teilnahme an der Prüfung gezwungen gesehen und in Absprache mit ihrer Ärztin
versucht, die Prüfung abzulegen. Obwohl Leistungs- und Reaktionsvermögen durch die
ihre Erkrankung sehr stark beeinträchtigt gewesen seien, habe sie es aus den bereits in
ihrem Schreiben vom 17. Februar 2000 genannten Gründen nicht gewagt, das ärztliche
Attest vorzulegen.
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Mit Bescheid vom 14. Juni 2000 wies die Bezirksregierung E den Widerspruch der
Klägerin als nicht begründet zurück und führte unter anderem aus, ausweislich des
Protokolls über die Prüfung im Fach Chemie habe sie die ihr durch den Vorsitzenden
des Prüfungsausschusses gestellte Frage, ob sie prüfungsfähig sei, mit Ja beantwortet.
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Die Klägerin hat am 4. Juli 2000 Klage erhoben.
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Sie ist der Auffassung, die angefochtene Prüfungsentscheidung sei rechtswidrig.
Entgegen dem Prüfungsprotokoll vom 16. Februar 2000 habe der Vorsitzende des
Prüfungsausschusses sie - und dies in Kenntnis ihrer Krankengeschichte - vor Beginn
der Prüfung nicht gefragt, ob sie sich prüfungsfähig fühle. Aus den bereits im
Widerspruchsverfahren genannten Gründen und im Hinblick auf die Tatsache, dass sie
sich am 25. August 1999 der Fachprüfung in Physik habe unterziehen müssen, obwohl
sie die ihr damals durch den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gestellte Frage
nach ihrer Prüfungsfähigkeit ausdrücklich verneint habe, habe sie das Attest über ihre
Erkrankung im Prüfungstermin nicht abgegeben und sich der Prüfung unterzogen. Im
Übrigen seien ihr am Prüfungstag verantwortliche Entscheidungen selbst nicht möglich
gewesen, weil sie unter Medikamenteneinfluss gestanden habe. Neben den ihr ärztlich
verordneten Antibiotika und Beruhigungsmitteln habe sie - auch am Prüfungstag - noch
weitere Psychopharmaka eingenommen.
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Die Klägerin beantragt,
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den beklagten Prüfungsausschuss unter Aufhebung seines Bescheides vom 10. März
2000 und der Widerspruchsentscheidung der Bezirksregierung E vom 14. Juni 2000 zu
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verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über das Ergebnis
ihrer naturwissenschaftlichen Vorprüfung nach erneuter Prüfung in den Fächern Physik
und Chemie erneut zu bescheiden.
Der beklagte Prüfungsausschuss beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, die angefochtene Prüfungsentscheidung sei rechtmäßig. Das
Ergebnis der Prüfung im Fach Chemie vom 16. Februar 2000 müsse die Klägerin gegen
sich gelten lassen, weil sie sich in Kenntnis ihrer Erkrankung der Prüfung unterzogen
habe. Um die Einschränkung ihres Leistungsvermögens am Prüfungstag habe sie
schon nach ihrem eigenen Vortrag zur Begründung des Widerspruchs gewusst. Es sei
ihr auch zumutbar gewesen, das in ihrem Besitz befindliche Attest bereits vor Beginn
der Prüfung vorzulegen. Aus eigener Erfahrung sei ihr bekannt gewesen, dass ein
begründeter Prüfungsrücktritt für den Prüfling keine negativen Konsequenzen habe. Die
- gegebenenfalls sogar missbräuchliche - Einnahme von Medikamenten könne die
Klägerin nicht entlasten, da eine Teilnahme an der Prüfung unter Einfluss von
Medikamenten in die Risikosphäre des Prüflings falle. Im Übrigen habe die Klägerin -
wie sich aus der Stellungnahme des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses vom 23.
Oktober 2000 und den entsprechenden Prüfungsprotokollen ergebe - die ihr am 25.
August 1999 und am 16. Februar 2000 jeweils vor Beginn der Prüfungen in Physik und
Chemie gestellte Frage nach der Prüfungsfähigkeit bejaht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten
Prüfungsausschusses und der Bezirksregierung E Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
24
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO)
statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der Bescheid
des beklagten Prüfungsausschusses vom 10. März 2000 in Gestalt der
Widerspruchsentscheidung der Bezirksregierung E vom 14. Juni 2000 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten; der geltend gemachte Anspruch
steht ihr nicht zu (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 2 VwGO).
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Die angefochtene Prüfungsentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 5 S. 1
und 2., i. V. m. Abs. 2 Buchst. b) der Approbationsordnung für Zahnärzte (AppOZ) in der
im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2123-2 bereinigten Fassung, zuletzt
geändert durch die Verordnung vom 10. November 1999 (BGBl. I S. 2162). Danach wird
zu einer nochmaligen naturwissenschaftlichen Prüfung nicht zugelassen, wenn das
Urteil in der Wiederholungsprüfung in zwei Fächern "mangelhaft" lautet. Diese
Voraussetzungen sind hier erfüllt, nachdem der beklagte Prüfungsausschuss die
naturwissenschaftliche Prüfung der Klägerin mit Bescheid vom 7. Juli 1998 erstmals für
nicht bestanden erklärt und ihre in der Wiederholungsprüfung in den
Vorprüfungsfächern Physik (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 AppOZ) am 25. August 1999 und Chemie
(§ 21 Abs. 1 Nr. 2 AppOZ) am 16. Februar 2000 erbrachten Leistungen jeweils mit
"mangelhaft" bewertet hat.
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Die Bewertung der Prüfungsleistungen in den Fächern Chemie und Physik erweist sich
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auch unter Berücksichtigung der gegen sie durch die Klägerin erhobenen Einwände als
rechtsfehlerfrei.
Der Chemieprüfung vom 16. Februar 2000 haftet der geltend gemachte Verfahrensfehler
nicht an. Ohne Rechtsnachteil für die Klägerin kann dabei offen bleiben, ob der
Vorsitzende des Prüfungsausschusses die Klägerin entsprechend dem über die Prüfung
gefertigten Protokoll vor Beginn der Prüfung danach gefragt hat, ob sie gesundheitlich in
der Lage sei, sich der Prüfung zu unterziehen. Abgesehen davon, dass die gegenteilige
Behauptung der Klägerin nach Lage der Akten schon unglaubhaft ist, weil sie dieses
Begründungselement für die Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung ohne
nachvollziehbaren Grund erst in das Verfahren eingeführt hat, nachdem sie durch das
Gericht mit Verfügung vom 13. Juli 2000 auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihrer Klage
hingewiesen worden ist, ein dieser Rüge entsprechender Vortrag aber in dem
"Rücktrittsschreiben" vom 17. Februar 2000 ebenso fehlt wie in der
Widerspruchsbegründung, ist die Abnahme der Prüfung auch dann nicht
verfahrensfehlerhaft, wenn die Frage nach dem gesundheitlichen Befinden der Klägerin
vor Beginn der Prüfung unterblieben ist. Entgegen ihrer Rechtsauffassung gehört es
nicht zu den prüfungsrechtlichen Obliegenheiten eines Prüfungsausschusses, sich über
die gesundheitliche Konstitution des Prüflings vor Beginn einer Prüfung zu unterrichten.
Es ist vielmehr regelmäßig Aufgabe des Prüflings, gesundheitlich bedingte Einwände
gegen die Abnahme der Prüfung selbst zu erheben,
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vgl. etwa, Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 6. August 1996, 6 B
17/96, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Buchholz), 421.0 Prüfungswesen Nr. 371.
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Dass den Prüfungskandidaten von dieser Pflicht weder das Wissen eines
Prüfungsausschusses um seine zurückliegenden Erkrankungen entbindet noch ein
etwaiges Ausbleiben einer sonst üblichen Nachfrage nach dem aktuellen
gesundheitlichen Befinden, liegt auf der Hand. Wer zur Prüfung erscheint und sich ihr
rügelos unterzieht, bringt durch sein Verhalten zum Ausdruck, dass er prüfungsbereit ist.
Hier gilt dies umso mehr als die Klägerin sich unter Vorlage einer vom 14. Januar 2000
datierenden ärztlichen Bescheinigung selbst prüfungsbereit erklärt hatte. Abgesehen
davon wäre aber auch eine rechtswidrig unterbliebene Frage nach ihrem
Gesundheitszustand für die Abnahme der Prüfung im Fach Chemie nicht kausal
gewesen. Eine entsprechend gestellte Frage nach ihrer Prüfungsfähigkeit hätte die
Klägerin offensichtlich bejaht. Nach ihrem eigenen Vortrag im Verwaltungsverfahren
hatte sie sich angesichts der Vielzahl ihrer Prüfungsrücktritte nämlich "nicht getraut", das
ihr am Tag vor der Prüfung ausgestellte Attest über die Kehlkopferkrankung vor oder
während der Chemieprüfung vorzulegen.
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Auch ist der Klägerin die Berufung auf eine im Zeitpunkt der Abnahme der
Chemieprüfung vorliegende Erkrankung verwehrt. Das Recht des Prüflings, eine
Prüfung krankheitsbedingt nicht ablegen zu müssen, folgt ungeachtet eigener
Regelungen der Prüfungsordnung hierzu aus dem das gesamte Prüfungsrecht
beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG),
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BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1981, 7 C 30 und 31/80, Buchholz, 421.0
Prüfungswesen Nr. 157.
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Dieser gebietet, dass ein Prüfling erhebliche, auf Krankheit beruhende irreguläre
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Beeinträchtigungen seiner Leistungsfähigkeit während der Prüfung nicht hinnehmen
muss, wenn sie seine Chancen auf einen erfolgreichen Prüfungsabschluss mindern,
nicht seiner eigenen Risikosphäre zuzurechnen sind und der Rücktritt von der Prüfung
unter Berufung auf die Prüfungsunfähigkeit unverzüglich gegenüber der
Prüfungsbehörde erklärt wird,
zu Letzterem vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1995, 6 C 16/93, Entscheidungen
des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 99, S. 172 ff.
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Entgegen den genannten Voraussetzungen hat die Klägerin ihren Rücktritt von der
Prüfung nicht unverzüglich erklärt; ein Anspruch auf Anerkennung des mit Schreiben
vom 17. Februar 2000 erklärten Prüfungsrücktritts als genügend entschuldigt i. S. des §
16 Abs. 3 AppOZ steht ihr deshalb nicht zu. Der prüfungsrechtliche
Gleichheitsgrundsatz verbietet es nämlich dem Prüfling regelmäßig, erst das
Prüfungsergebnis abzuwarten und dann zu entscheiden, ob er es gegen sich gelten
lassen will oder nicht,
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vgl. zum Ganzen nur: Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2, Prüfungsrecht, 3.
Auflage 1994, Rdnr. 89 und 195 jeweils mit weiteren Nachweisen.
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Gemessen daran ist die Klägerin ihrer Rügepflicht nicht rechtzeitig nachgekommen. Sie
hat sich vielmehr in Kenntnis ihres Gesundheitszustandes der Prüfung unterzogen und
ihre Prüfungsunfähigkeit erst am Tag nach der Prüfung geltend gemacht. Dass ihr eine
diesbezügliche Rüge nicht schon vor dem Prüfungstag oder aber während der Prüfung
möglich und zumutbar war, ist weder substantiiert dargetan noch ersichtlich, nachdem
sie bereits seit dem Tag vor der Prüfung über eine ärztliche Bescheinigung über ihren
Gesundheitszustand verfügte. Soweit die Klägerin - auch insoweit wiederum erstmals im
gerichtlichen Verfahren und mithin nicht glaubhaft - geltend macht, sie sei infolge der -
im Übrigen ärztlich in dieser Weise offensichtlich nicht verordneten - Einnahme von
Psychopharmaka am Tag der Prüfung nicht in der Lage gewesen, eigenverantwortliche
Entscheidungen zu treffen, ist dieser Vortrag - zu Gunsten der Klägerin als wahr
unterstellt - ungeeignet, dem Klagebegehren zum Erfolg zu verhelfen. Abgesehen
davon, dass sie die Folgen einer derart unkontrollierten Einnahme psychisch wirksamer
Substanzen selbst zu vertreten hat, spricht auch nichts dafür, dass es der Klägerin
tatsächlich verwehrt war, dem beklagten Prüfungsausschuss ihren Rücktritt in der Zeit
zwischen dem Erhalt des Attestes und dem Beginn der Prüfung telefonisch oder
mündlich zu erklären. Ebenso ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin während der
Prüfung in einer Weise gesundheitlich beeinträchtigt war, die den Prüfungsausschuss
hätte veranlassen müssen, die Prüfung abzubrechen. Das Prüfungsprotokoll belegt
insoweit lediglich, dass sie die fachlichen Anforderungen an das Bestehen der Prüfung
nicht erfüllt hat.
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Nach den oben dargelegten Grundsätzen rechtlich unerheblich ist schließlich auch der
Einwand der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der Beurteilung ihrer im Fach Physik
am 25. August 1999 erbrachten Prüfungsleistung. Abgesehen davon, dass die
Behauptung, sie sei an diesem Tag geprüft worden, obwohl sie die Frage nach der
Prüfungsunfähigkeit verneint habe, dem Prüfungsprotokoll widerspricht und - weil
wiederum erstmals zur Begründung der Klage aufgestellt - in entsprechender
Anwendung der zuvor dargelegten Erwägungen schon unglaubhaft ist, ist die Klägerin
mit diesem Einwand im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen. Diesbezüglich fehlt es
ebenfalls an einer unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung
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zeitnah zum Prüfungstermin erhobenen Rüge.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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