Urteil des VG Düsseldorf vom 05.03.2008

VG Düsseldorf (tatsächliche sachherrschaft, öffentliches interesse, aufschiebende wirkung, beseitigung, ersatzvornahme, grundstück, anordnung, abfall, verwaltungsgericht, öffentlich)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 17 L 2199/07
Datum:
05.03.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 L 2199/07
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 900,-- Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der am 28. Dezember 2007 gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5.
Dezember 2007 hinsichtlich der Beseitigungsaufforderung wiederherzustellen und
hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme anzuordnen,
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hat keinen Erfolg. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu
Lasten der Antragstellerin aus. Die Anordnung, die auf dem Grundstück in S, S1feld 0
gelagerten Abfälle bis zum 28. Dezember 2007 einer schadlosen Beseitigung im
Abfallentsorgungszentrum Bhof zuzuführen, erweist sich bei der im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung sowohl in formeller als
auch in materieller Hinsicht als offensichtlich rechtmäßig und ihre Vollziehung ist
eilbedürftig.
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Rechtsgrundlage für die Anordnung ist § 21 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG.
Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur
Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen
Rechtsverordnungen treffen.
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Es kann offen bleiben, ob die Antragstellerin nach den gegebenen Umständen vor
Erlass der Ordnungsverfügung überhaupt hätte angehört werden müssen (vgl. § 28 Abs.
2 Nr. 1 VwVfG). Jedenfalls ist ein etwaiger Verfahrenfehler gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3,
Abs. 2 VwVfG geheilt, weil die Antragstellerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.
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Bei den in der Beseitigungsanordnung im einzelnen bezeichneten Gegenständen - 30
asbesthaltige, teilweise beschädigte Eternitplatten, einige auf dem Boden verteilte
asbesthaltige Eternitbruchstücke sowie ein Gemisch aus ca. 2 m3 Brandrückständen,
ca. 2 m3 Bauschutt, ca. 1 m3 unverbrannten und teilverbrannten Holzabfällen und aus
ca. 0,2 m3 asbesthaltigen Eternitbruchstücken - handelt es sich um Abfall im Sinne von
§ 3 Abs. 1 KrW-/AbfG. Es sind bewegliche Sachen, die jedenfalls unter die Abfallgruppe
Q 16 des Anhangs I. des KrW-/AbfG fallen, und deren sich ihr Besitzer entledigen muss
(§ 3 Abs. 4 KrW-/AbfG). Die Eternitplatten und -bruchstücke sowie das Gemisch aus
Brandrückständen enthalten Asbest und sind deshalb gegenwärtig geeignet, das Wohl
der Allgemeinheit (Gesundheit, Reinhaltung des Bodens und des Grundwassers) zu
gefährden. Dieser Gefahr kann nur durch eine schadlose Beseitigung begegnet werden.
In der Lagerung der Abfälle auf dem Gelände liegt ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 KrW-
/AbfG, weil nach dieser Vorschrift Abfälle zum Zwecke der Beseitigung nur in den dafür
zugelassenen Abfallbeseitigungsanlagen behandelt, gelagert oder abgelagert werden
dürfen. Das Grundstück in S, S1feld 0 ist keine dafür zugelassene Anlage.
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Da die Antragstellerin als Mieterin der auf dem Grundstück befindlichen Gewerberäume
einschließlich der Außenanlagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Einschreitens des
Antragsgegners die tatsächliche Sachherrschaft über die Abfälle hatte, ist sie
Abfallbesitzerin gemäß § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG und damit nach § 11 KrW- /AbfG zur
Abfallbeseitigung verpflichtet. Welchen Einfluss auf die Ordnungsverfügung die
Räumung des Grundstücks durch die Antragstellerin hätte, kann dahinstehen, weil sich
der Betrieb der Antragstellerin nach den Feststellungen des Antragsgegners nach wie
vor auf dem Gelände befindet.
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Ermessensfehler bei der Störerauswahl liegen schon deshalb nicht vor, weil andere
Ordnungspflichtige, unter denen der Antragsgegner hätte auswählen können, nicht
ersichtlich sind. Der (mutmaßliche) Abfallerzeuger, die Firma Metallbau Schlosserei K
GmbH, kann nicht herangezogen werden, weil über das Vermögen der Gesellschaft am
22. April 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die Gesellschaft aufgelöst ist.
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Herr T, der neue Eigentümer des Grundstücks, ist nicht Abfallbesitzer. Als Vermieter hat
er zwar mittelbaren Besitz (§ 868 BGB). Der Besitzbegriff des
Abfallentsorgungsgesetzes ist jedoch öffentlich-rechtlicher Art und unterscheidet sich
insoweit von demjenigen des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die öffentlich-rechtliche
tatsächliche Sachherrschaft setzt keinen Besitzbegründungswillen voraus, da im
Abfallrecht anders als im Zivilrecht nicht der Schutz des Besitzers gegen
Besitzstörungen, sondern die Verantwortlichkeit für den Abfall im Vordergrund steht.
Diese ist von einem Besitzbegründungswillen unabhängig, bedingt indes die Existenz
einer qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft im Sinne des Bürgerlichen Rechts.
Ausreichend, aber auch erforderlich ist ein Mindestmaß an Sachherrschaft über die zu
entsorgenden Abfälle.
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BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1983 - 7 C 45.80 - u. 19. Januar 1989 - 7 C 82.87 -.
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In Fällen des mittelbaren Besitzes kann nicht generell entschieden werden, dass auch
der mittelbare Besitzer die Sachherrschaft ausübt. Vielmehr ist anhand des jeweiligen
Rechtsverhältnisses zu prüfen, wer die tatsächliche Sachherrschaft im konkreten Fall
ausübt. Abfallbesitzer ist der mittelbare Besitzer mithin nur dann, wenn er die
tatsächliche Sachherrschaft an dem Abfall besitzt,
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in diesem Sinne auch Breuer, in: Jarass/Ruchay/Weidemann, § 3 KrW-/AbfG, Rn. 140;
a. A. Fluck, in: Fluck (Hrsg.), § 3 KrW-/AbfG, Rn. 314, ausweislich dessen auch die
durch ein Besitzmittlungsverhältnis vermittelte geistige Herrschaft tatsächliche
Sachherrschaft begründe.
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Herrn T fehlt die erforderliche räumliche Beziehung zu den streitgegenständlichen
Sachen. Er hat weder das Recht zum jederzeitigen Betreten des Grundstücks noch darf
er mit den auf dem Grundstück befindlichen Gegenständen nach seinem Gutdünken
verfahren.
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Der Einwand der Antragstellerin, sie sei wirtschaftlich nicht in der Lage die Kosten der
Entsorgung zu tragen, steht ihrer Inanspruchnahme schon deshalb nicht entgegen, weil
sie diesen Vortrag nicht einmal ansatzweise substantiiert hat. Im Gegenteil spricht für
ihre Leistungsfähigkeit, dass es sich um eine offenbar solvente GmbH handelt.
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Bedenken gegen die Ordnungsverfügung bestehen auch insoweit nicht, als der
Antragstellerin die Beseitigung der Abfälle im Abfallentsorgungszentrum Bhof
aufgegeben wurde. Sie ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG verpflichtet, die Abfälle
dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, also dem Antragsgegner, zu überlassen,
da es sich um Abfälle zur Beseitigung im Sinne des § 10 Abs. 1 KrW- /AbfG aus
anderen Herkunftsbereichen handelt, die nicht in eigenen Anlagen beseitigt werden. Für
diesen Fall verpflichtet § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 der Satzung über die
Abfallentsorgung im Kreis X vom 16. Dezember 2002 den Abfallbesitzer, das
Behandeln, Lagern und Ablagern der Abfälle im Abfallentsorgungszentrum Bhof
vornehmen zu lassen und die Abfälle zu dieser Anlage zu transportieren. Alternative
Anlagen stehen nicht zur Verfügung (Tabelle 3 der Anlage 2 zur Abfallsatzung). Die
Firma M Kreislaufwirtschaft betreibt keine Abfallentsorgungsanlage. Der Antragstellerin
bleibt es nach der Satzung unbenommen, unter den Voraussetzungen des § 8 eine
Ausnahme vom Anschluss- und Benutzungszwang zu beantragen.
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Da von den asbesthaltigen und asbestkontaminierten Abfällen Umwelt- und
Gesundheitsgefahren ausgehen, liegt ein überwiegendes, die Anordnung des
Sofortvollzuges rechtfertigendes öffentliches Interesse vor (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
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Die Androhung der Ersatzvornahme gemäß §§ 63 Abs. 1, Abs. 4 VwVG ist ebenfalls
nicht zu beanstanden. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die
Androhung der Ersatzvornahme (§ 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 8 AG
VwGO) kommt daher nicht in Betracht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Bei der Streitwertfestsetzung
hat das Gericht die Hälfte der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme zugrunde
gelegt (§§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG).
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