Urteil des VG Düsseldorf vom 24.01.2007

VG Düsseldorf: politische verfolgung, widerruf, folter, bundesamt für migration, anerkennung, wahrscheinlichkeit, wiederholungsgefahr, genfer flüchtlingskonvention, vorzeitige entlassung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 20 K 4697/05.A
Datum:
24.01.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 4697/05.A
Tenor:
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11.
Oktober 2005 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten
wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger, türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, wendet sich
gegen den Widerruf seiner Asylanerkennung.
2
Der am 0.0.1976 geborene Kläger reiste im Dezember 1990 aus der Türkei aus und in
die Bundesrepublik Deutschland ein. Gegen die Ablehnung seines hier nach der
Einreise gestellten Asylantrages durch das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge erhob der Kläger Klage. Durch Urteil vom 19. Mai 1995 - 18 K
2028/92.A - hob das Verwaltungsgericht Köln die verfügte Abschiebungsandrohung auf
und verpflichtete das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, den
Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
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In den Entscheidungsgründen führte das Verwaltungsgericht aus, es könne offen
bleiben, ob der Kläger politische Verfolgung vor dem Verlassen seines Heimatlandes
erlitten habe. Er habe die Türkei jedenfalls wegen drohender politischer Verfolgung
verlassen (Vorfluchtgrund). Es entspreche der ständigen Rechtsprechung der 18.
Kammer, dass diejenigen türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit,
die sich aktiv für eine kulturelle politische Autonomie der Kurden außerhalb oder
innerhalb des türkischen Staatsverbandes einsetzten, entsprechende Bestrebungen
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unterstützten oder auch nur in den Verdacht einer solchen Unterstützung geraten seien,
Gefahr liefen, im Rahmen der Strafrechtspflege verfolgt oder von Polizeimaßnahmen
betroffen zu werden; auch Kurden, die wegen ihrer engen Beziehungen zu politisch
aktiven Kurden ebenfalls diesem Umfeld zugerechnet würden, seien gefährdet. Der
Kläger habe zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht, dass er zu diesem
Personenkreis gehöre. Er habe im Verlauf des Verfahrens substantiiert und im
Wesentlichen widerspruchsfrei und nicht wechselnd vorgetragen. Er habe sich dem
Verdacht ausgesetzt, Sympathisant der PKK zu sein und habe sich als Kurde in seinem
Heimatland für die kurdische separatistische Bewegung eingesetzt. Er habe glaubhaft
dargelegt, dass er die als kurdische Freiheitskämpfer verkleideten Soldaten in von ihm
im Einzelnen erläuterte Weise durch praktische Hilfe wie Versorgung von Lebensmitteln
unterstützt hat. Die Situation in seinem Heimatdorf sei für ihn unerträglich geworden.
Ständig seien die Soldaten in das Dorf gekommen, hätten die Dorfbewohner
zusammengetrieben und ihnen vorgeworfen, den Peshmergas Essen gegeben zu
haben. Die Dorfbewohner seien auch geschlagen worden. Wegen dieses Verhaltens
müsse der Kläger im Fall seiner Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit eine Strafverfolgung gewärtigen, die als politische Verfolgung
anzusehen sei. Aber auch unabhängig davon, ob der Kläger letztlich wegen seiner
politischen Betätigung nach den Vorschriften des ATG verurteilt werden könne, sei der
Kläger als Asylberechtigter anzuerkennen, weil er jedenfalls mit der Einleitung eines
polizeilichen Ermittlungsverfahrens zu rechnen habe. Sein politisches Engagement
erfülle einen Straftatbestand und ihm drohe im Rahmen des Ermittlungsverfahrens mit
ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit asylrechtlich erhebliche Haft und Folter. In der
Türkei, insbesondere in der Polizeihaft, während der der Inhaftierte keinen Kontakt zur
Außenwelt habe, werde systematisch gefoltert.
Durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom
14. Juli 1995 wurde der Kläger auf dieses Urteil hin als Asylberechtigter anerkannt.
Zugleich stellte das Bundesamt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG fest.
5
Durch Urteil des Landgerichts E vom 00.00.2000 - XVII-00/00 - wurde der Kläger wegen
gemeinschaftlichen schweren Raubes in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7
Jahren verurteilt. Zugleich wurde die Unterbringung des Klägers in einer
Entziehungsanstalt angeordnet, weil das Gericht zum damaligen Zeitpunkt von der
Gefahr ausging, dass der Kläger wegen seiner Drogenabhängigkeit weitere
vergleichbare Straftaten begehen werde.
6
Der Verurteilung lagen im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde: Der
kokainsüchtige Kläger hatte zur Finanzierung seiner Drogensucht bei einem
Berufsspieler Schulden in Höhe von ca. 8.000 DM gemacht. Dieser drängte auf
Rückzahlung und schlug dem Kläger vor, illegale Spielclubs zu überfallen, um sich auf
diese Weise die notwendigen Geldmittel zu verschaffen. Bei einem ersten Überfall, den
er gemeinsam mit einem Mittäter ausführte, bedrohte der Kläger seine Opfer mit einer
scharfen Pistole. Insgesamt erbeuteten der Kläger und sein Mittäter bei diesem Überfall
ca. 3.500 DM. Bei einem zweiten Überfall, für den der Kläger noch zwei weitere Täter
mit angeworben hatte, erbeuteten der Kläger und seine Mitangeklagten mindestens
17.000 DM, einen Ring und ein Handy. Bei dieser Tat führten der Kläger und die
Mitangeklagten eine geladene Pistole, eine möglicherweise nicht schussfähige
Maschinenpistole, einen Totschläger und ein Elektroschockgerät mit sich.
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Vom 00.0.2001 bis zum 00.0.2006 befand sich der Kläger in den rheinischen Kliniken C
- Forensische Psychiatrie - im Therapieprogramm für drogenabhängige Straftäter. Die
Entlassung beruht auf dem Beschluss des Landgerichts L vom 0.0. 2006 - 000 StVK
00/00 -, in dem die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
und der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts E vom 00.00.2000 zur Bewährung
ausgesetzt wurde. In den Jahren zuvor hatte die Strafvollstreckungskammer mehrfach -
zuletzt mit Beschlüssen vom 0.0.2005 und vom 0.0.2005 - die Aussetzung der Reststrafe
zur Bewährung abgelehnt und die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Dem
Beschluss vom 0.0.2006 lag eine gutachterliche Stellungnahme des Vollzugsleiters der
Rheinischen Kliniken C und ein Sachverständigengutachten der Fachärztinnen Dr. H
und Dr. I zugrunde. Auf dieser Grundlage zog die Strafvollstreckungskammer den
Schluss, dass nunmehr erwartet werden könne, dass der Kläger außerhalb des
Maßregelvollzugs und außerhalb des Strafvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr
begehen werde.
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Noch vor der Entlassung des Klägers aus dem Maßregelvollzug leitete das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) auf Anregung der Ausländerbehörde des
Rhein-Sieg-Kreises ein Widerrufsverfahren ein. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde
der Kläger mit Schreiben vom 13. Juli 2005 darauf hingewiesen, dass wegen der
strafrechtlichen Verurteilung die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 S. 1, 2. Alt. AufenthG
erfüllt seien und deshalb der Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung zu §
51 Abs. 1 AuslG beabsichtigt sei. Es wurde dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben. Dieser äußerte sich durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten wie
folgt: Die Voraussetzungen für einen Widerruf lägen nicht vor. Der Widerrufstatbestand
sei nur dann erfüllt, wenn eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen wegen
zwischenzeitlicher Veränderungen im Verfolgerstaat mit hinreichender Sicherheit
ausgeschlossen werden könne. Eine derart grundlegende Veränderung sei jedoch nicht
erkennbar. Der Widerruf könne auch nicht darauf gestützt werden, dass ein Fall des § 60
Abs. 8 AufenthG vorliege. Selbst wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt
seien, könne dies nicht dazu führen, dass eine rechtskräftige Feststellung zu widerrufen
oder zurückzunehmen sei. Zudem reiche für die Anwendung von § 60 Abs. 8 AufenthG
alleine die Verurteilung wegen einer Straftat nicht aus. Es bedürfe vielmehr der
Feststellung, dass eine Wiederholungsgefahr in Bezug auf ein Verbrechen oder ein
besonders schweres Vergehen konkret zu befürchten sei.
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Mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 - zugestellt am 20. Oktober 2005 - widerrief das
Bundesamt die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten und die Feststellung,
dass die Voraussetzung des § 51 abs. 1 AuslG vorliegen. Zugleich stellte es fest, dass
die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorlägen und
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 nicht vorlägen. Zur Begründung führte das
Bundesamt in seiner Entscheidung aus: Der Widerruf werde darauf gestützt, dass
Umstände eingetreten seien, die die Anwendung des § 60 Abs. 8 AufenthG rechtfertigen
würden. Der Kläger erfülle den Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 S. 1, 2. Alt.
AufenthG. Er sei zu einer mindestens dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die
der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Wertung besage, dass Straftaten, die so
schwerwiegend seien, dass sie zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von mindestens
drei Jahren geführt hätten, typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko
verknüpft seien. Dies gelte in besonderem Maße für schwere Raubdelikte. Die
Verwirklichung dieses Straftatbestandes setze eine hohe kriminelle Energie voraus. Im
vorliegenden Fall sei zu beachten, das der Kläger die Taten in kurzen Abständen
begangen und hierbei eine schussbereite Waffe mit sich geführt habe. Die kriminelle
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Energie und das bei einem Rückfall bedrohte Rechtsgut rechtfertigten bereits die
Annahme, dass von einer hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen sei.
Zudem habe die Therapieeinrichtung in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom
00.0.2005 an die Staatsanwaltschaft E mitgeteilt, dass der Kläger therapiemüde sei. Die
Dauerbelastungserprobung habe abgebrochen werden müssen, weil vor allem in der Art
und Weise der Freizeitgestaltung Parallelen zum Leben des Klägers vor der
Unterbringung im Maßregelvollzug zu beobachten gewesen seien. Mit Beschluss vom
0.0.2005 habe das Landgericht L die Fortdauer der Unterbringung angeordnet und die
Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt, weil eine günstige Sozialprognose nicht
vorliege. Bei der zu erwartenden Rückkehr des Klägers in das Lebensumfeld, aus dem
heraus er die Straftat begangen habe, sei davon auszugehen, dass er erneut der
Versuchung unterliege, straffällig zu werden. Im Rahmen des Widerrufsverfahrens sei
auch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 AuslG zu entscheiden.
Solche Abschiebungsverbote lägen nicht vor, weil eine konkrete Gefahr für den Kläger,
bei einer Rückkehr in die Türkei der Folter oder anderen menschenrechtswidrigen
Maßnamen unterzogen zu werden, nicht ersichtlich sei. Dies gelte selbst dann, wenn
gegen den Kläger ein Strafverfahren eingeleitet werden sollte, weil die Strafverfolgung
in der Türkei inzwischen nicht mehr in einer Art und Weise erfolge, dass daran
durchgreifende rechtsstaatliche Bedenken bestünden. Nach der Strafrechtsreform seien
Folter und Misshandlung auch in Staatsschutzsachen prozessual leichter verfolgbar.
Gemäß dem Gutachten von Taylan vom 21. Juli 2005 lägen seinen Informanten keine
Informationen aus den letzten drei Jahren über Misshandlungen und Folterungen
abgeschobener Asylbewerber vor. Dem Auswärtigen Amt sei in den letzten vier Jahren
kein einziger Fall mehr bekannt geworden, in dem ein zurückgekehrter abgelehnter
Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt
worden sei.
Gegen den Bescheid hat der Kläger am 27. Oktober 2005 Klage erhoben.
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Er trägt vor: Die Verhältnisse in der Türkei hätten sich nicht so gravierend verändert,
dass an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln nicht länger festgehalten
werden müsste. Die Feststellung des Wegfalls der Verfolgungsgefahr setze einen
grundlegenden, stabilen und dauerhaften Charakter der Veränderung voraus. Hiervon
könne bezüglich der Türkei nicht die Rede sein. Es bestehe weiterhin ein beachtlich
wahrscheinliches Verfolgungsrisiko für türkische Staatsangehörige, die sich politisch
exponiert hätten. Auf Grund von Pressemeldungen aus den letzten Monaten sei zudem
davon auszugehen, dass sich die Situation in der Türkei wieder verschlechtert habe.
Das Anti-Terror-Gesetz sei in jüngster Zeit erheblich verschärft worden.
Festgenommene erhielten später Zugang zu einem Anwalt als bisher. Außerdem werde
der Terrorbegriff willkürlich auf die verschiedensten Bereiche ausgedehnt. Zur
Begründung dieser Gesetzesverschärfung habe die türkische Regierung angegeben,
dass sie erforderlich sei, um effektiver gegen die aufständischen Kurden im Südosten
des Landes vorgehen zu können. Vor allem in den ersten Tagen des
Polizeigewahrsams und bei Überstellung in die Abteilungen zur
Terrorismusbekämpfung sei die Folter noch derart weit verbreitet, dass vorliegend nicht
mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne, dass der
Betroffene erneut Opfer solcher Maßnahmen würde. Trotz der umfassenden
Reformbemühungen, insbesondere der „Null-Toleranz-Politik" gegenüber Folter seien
solche Übergriffe weiterhin verbreitet und dem türkischen Staat zurechenbar. Bei den
bekannt gewordenen Folterfällen handele es sich nicht um bloße Einzelfälle. Vielmehr
werde die Methode systematisch angewandt. Der Sachverständige Oberdiek komme in
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seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 17. Januar 2006 zu dem Ergebnis, dass die
Reformen, die auf dem Papier stünden, bei den Sicherheitskräften und den Gerichten in
der Türkei noch nicht angekommen seien.
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration vom 11. Oktober 2005
aufzuheben,
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hilfsweise,
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festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vom Gericht
beigezogenen Therapiebericht des Direktors des Landschaftsverbandes Rheinland als
untere staatliche Maßregelvollzugsbehörde - Rheinische Kliniken C - vom 23. Januar
2007, die Stellungnahme der forensischen Überleitungs- und Nachsorgeambulanz vom
gleichen Tage, den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der Straf- und
Vollstreckungsakte betreffend den Kläger, ferner auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Ausländerbehörde sowie auf die zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Auskünfte und Erkenntnisse
Bezug genommen.
19
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
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Die materiellen Voraussetzungen für den verfügten Widerruf der Asylanerkennung und
der Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 51 Abs. 1 AuslG (heute: § 60
Abs. 1 AufenthG) besteht, liegen nicht vor.
22
Gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 S. 1 AsylVfG sind vorbehaltlich des Satzes 3 die Anerkennung
als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1
AufenthG (früher: § 51 Abs. 1 AuslG ) vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die
Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.
23
Die Vorschrift ist verfassungsgemäß,
24
vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 9 C 3.92 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG
Nr. 1.
25
Zwar enthält Art. 16a GG keinen Gesetzesvorbehalt. Das Asylgrundrecht verleiht aber
seinem Träger keinen unveränderbaren Status. Vielmehr ist sein Bestand von der
Fortdauer der das Asylrecht begründenden Umstände abhängig. Zu ihnen zählt vor
allem die Verfolgungsgefahr. Haben sich die verfolgungsbegründenden Umstände im
Herkunftsland des Ausländers geändert, gebietet Art. 16a GG nicht die
26
Aufrechterhaltung des Asylstatus. Der Gesetzgeber darf diese Grenzen des
Schutzbereichs im Wege legislatorischer Konkretisierung nachzeichnen. Das ist in § 73
Abs. 1 AsylVfG erkennbar unter Rückgriff auf die anerkannten Regeln des
Flüchtlingsrechts, insbesondere Art. 1 C Nr. 5 und 6 des Abkommens vom 28. Juli 1951
über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention GFK , BGBl II
1953 S. 559/BGBl II 1954 S. 619) geschehen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - DVBl 2006, 511.
27
§ 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung ermächtigt über
den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch zum Widerruf einer positiven Feststellung der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990,
28
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17. Januar 2005 - 4 K 553/04.A -; VG Köln, Urteil vom 10.
Juni 2005 - 18 K 4074/04.A -; VG Würzburg, Urteil vom 24. Januar 2006 - W 4 K
05.30401 -; VG Bayreuth, Urteil vom 16. März 2005 - B6 K 04.30115 -,
29
Unerheblich ist ferner, ob die ursprüngliche Feststellung des Abschiebungsverbotes
rechtmäßig oder von Anfang an rechtswidrig war. Auch bei der letztgenannten
Fallgestaltung ist § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG anwendbar,
30
vgl. BVerwG, Urteile vom 25. August 2004 - 1 C 22/03 - NVwZ 2005, 89 und vom 19.
September 2000 - 9 C 12/00 - BVerwGE 112, 80.
31
Da nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG die Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung zu widerrufen
ist, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen, setzt der Widerruf allerdings
voraus, dass sich die zum Zeitpunkt der Anerkennungsentscheidung maßgebliche
Rechtslage oder die maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur
vorübergehend so verändert haben, dass die positive Feststellung eines
Abschiebungsverbotes heute nicht mehr in Betracht käme.
32
BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - a.a.O. und Beschluss vom 15.
Februar 2006 - 1 B 120/05 -
33
Ändert sich hingegen nachträglich lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage, ist ein
Widerruf nicht gerechtfertigt. Das gilt selbst dann, wenn die andere Beurteilung auf erst
im Nachhinein bekannt gewordenen oder neuen Erkenntnissen beruht,
34
vgl. BVerwG, Urteile vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - a.a.O. und vom 19. September
2000 a.a.O. sowie Beschluss vom 15. Februar 2006 - 1 B 120/05 - ; OVG NRW, Urteil
vom 4. April 2006 - 9 A 3590/05.A -.
35
Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich der Widerruf als rechtswidrig.
36
Aufgrund des Verpflichtungsurteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 19. Mai 1995
steht zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass der Kläger nach der damals
maßgeblichen Sach- und Rechtslage gegenüber der Beklagten einen Rechtsanspruch
auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung von
Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG hatte. Diese Rechtskraftwirkung
besteht unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit
bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat oder nicht.
37
Die Rechtskraft dieses Urteils hindert die Behörde allerdings nicht an der Aufhebung
des Anerkennungsbescheids wegen späterer Änderungen der für das Urteil
maßgeblichen Sach- und Rechtslage,
BVerwG, Urteil vom 24. November 1988 - 9 C 53/97 - BVerwGE 108, 30-36.
38
Solche Änderungen sind hier jedoch nicht eingetreten.
39
Politisch Verfolgter ist, wem in seinem Heimatland bei verständiger Würdigung der
gesamten Umstände seines Falles staatliche Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion,
Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner
politischen Überzeugung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, sodass ihm nicht
zuzumuten ist, in seinem Heimatland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren.
40
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 - 9 C 36.83 - Buchholz, Sammel- und
Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 402.25 § 1
AsylVfG Nr. 7; Urteil vom 13. Januar 1987 - 9 C 53.86 -, Buchholz, a.a.0. Nr. 61; Urteil
vom 25. Oktober 1988 - 9 C 37.88 -BVerwGE 80, 321; BVerfG, Beschluss vom 10. Juli
1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 - BVerfGE 80, 315.
41
Hat er schon einmal politische Verfolgung erlitten, so kann ihm asylrechtlicher Schutz
allein wegen zwischenzeitlicher Änderungen der politischen Lage im Verfolgerstaat nur
versagt werden, wenn eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, weil es dem humanitären
Charakter des Asyls widerspräche, einem Asylsuchenden, der das Schicksal der
Verfolgung bereits einmal erlitten hat, das Risiko einer Wiederholung aufzubürden.
Deshalb sind die Anforderungen für die Anerkennung in diesen Fällen herabzustufen,
42
BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 9 C 3/92 - EZAR 214 Nr. 3
43
Als vorverfolgt ist auch anzusehen, wer unter dem Druck einer mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit drohenden Individualverfolgung ausgereist ist,
44
BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 a.a.O.
45
Diese Grundsätze müssen mit Rücksicht auf den humanitären Charakter des
Asylgrundrechts auch für den Widerruf der Asylanerkennung gelten. Der
Widerrufstatbestand ist deshalb nur erfüllt, wenn eine Wiederholung der
Verfolgungsmaßnahmen wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Verfolgerstaat
mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann,
46
BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 a.a.O.
47
Zunächst ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung und des
§ 60 Abs. 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) weiterhin vorliegen. Insbesondere kann
nicht festgestellt werden, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse in der Türkei derart
geändert hätten, dass der vorverfolgt ausgereiste Kläger vor erneuter Verfolgung
hinreichend sicher wäre.
48
Die erforderliche hinreichende Verfolgungssicherheit folgt insbesondere nicht aus den
zahlreichen in den letzten Jahren in der Türkei durchgeführten Reformen und die nicht
49
zu bestreitende deutlich verbesserte Menschenrechtslage, wie dies in dem
angegriffenen Bescheid und im Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30.
November 2005 - 4 K 3870/06.A - , auf das sich die Beklagte beruft, angenommen wird.
Zwar hat die Türkei die politischen Kopenhagener Kriterien für die Aufnahme von
Beitrittsverhandlungen nach Feststellung des Europäischen Rates hinreichend erfüllt.
Ganz konkret wurden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, die eine politische
Verfolgung durch den Staat ausschließen sollen. Namentlich sind nachdrückliche
Anstrengungen unternommen worden, die Anwendung von Folter zu unterbinden.
Dennoch kann nicht ohne Einschränkung davon ausgegangen werden dass eine
menschenrechtswidrige Behandlung durch türkische Sicherheitsorgane in der Praxis
unterbleibt,
50
vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2006 - 15 A 2202/00.A -; zu den
Reformbemühungen und zur fortbestehenden Rückkehrgefährdung vgl. auch OVG
NRW, Urteil vom 19. April 2005 - 8 A 273/04.A ; zur Rückkehrgefährdung ehemaliger
PKK-Aktivisten auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Gutachten vom 23. Februar 2006.
51
Die türkische Reformpolitik hat bislang nicht dazu geführt, dass asylrelevante staatliche
Übergriffe in der Türkei nicht mehr vorkommen. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen
Amtes vom 27. Juli 2006 hat der Mentalitätswandel noch nicht alle Teile der Polizei,
Verwaltung und Justiz vollständig erfasst. Es ist noch nicht gelungen, Folter und
Misshandlungen vollständig zu unterbinden, wobei eine der Hauptursachen dafür nach
Einschätzung des Auswärtigen Amtes in der nicht effizienten Strafverfolgung liegt. Im
Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Januar 2007, der eine erhebliche
Verbesserung der Menschenrechtslage im Vergleich zur Situation vor 2001 attestiert,
heißt es, dass der Ruf nach einschneidenderen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung mit
dem Wiedererstarken des PKK-Terrorismus lauter werde; im Osten und Südosten der
Türkei komme es weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der
terroristischen PKK und den türkischen Sicherheitskräften; in Touristenzentren würden
Terroranschläge durch PKK-nahe Organisationen verübt; trotz Maßnahmen der
Regierung gegen Folter und Misshandlungen im Rahmen der „Null-Toleranz-Politik"
und eines weiteren Rückgangs bekannt gewordener Fälle sei die Strafverfolgung von
Foltertätern immer noch unbefriedigend; nach einem u.a. von amnesty international und
pro asyl erstellten Gutachten aus Februar 2006 würden türkische Gerichte in politischen
Strafverfahren auch derzeit noch auf der Grundlage erfolterter Geständnisse verurteilen;
laut Menschenrechtsorganisationen sei davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Fälle
von Folter und Misshandlung nicht bei offiziell erfassten polizeilichen
Ingewahrsamnahmen und Inhaftierungen vorkämen; allerdings lägen darüber, in
welchem Umfang es zu inoffiziellen Festnahmen durch Sicherheitskräfte in Zivil mit
Misshandlung oder Folter komme, keine zuverlässigen Erkenntnisse vor; viele der
angezeigten Fälle hätten keinen im weitesten Sinne als politisch zu bezeichnenden
Hintergrund, sondern bezögen sich auf den Verdacht anderer krimineller Delikte, wie z.
B. die Verfolgung von Drogendelikten. Es sei der Regierung noch nicht gelungen, Folter
und Misshandlung vollständig zu unterbinden.
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Nach einer Meldung der FAZ vom 7. September 2006 kommt das Antifolterkomitee des
Europarats in einem auf einer Delegationsreise beruhenden Bericht zu dem Schluss,
dass das Gesamtbild "nicht vollkommen beruhigend" sei, obwohl in türkischen
Gefängnissen und auf Polizeiwachen nur noch "ausnahmsweise" gefoltert werde.
Insgesamt habe die Delegation des Europarats sowohl bei ihren Treffen mit
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Gefangenen als auch in den Gesprächen mit Ärzten, Anwälten und
Menschenrechtsorganisationen eine "positive Entwicklung" festgestellt. Die gemeldeten
Fälle von Misshandlungen hätten in den vergangenen Jahren erheblich abgenommen.
Die Delegation habe nur von einem Fall erfahren, bei dem - Mitte 2004 - im
Polizeihauptquartier von Adana auf die Foltermethode zurückgegriffen worden sei,
Beschuldigte an den Armen aufzuhängen und ihnen Elektroschocks zu versetzen. In
allen drei Provinzen habe es indes "einige Anschuldigungen" gegeben, wonach es in
Polizeiwachen immer noch zu "körperlicher Misshandlung" gekommen sei. Eine Reihe
von Beschwerden habe es auch mit Blick auf Festnahmen und öffentliche
Demonstrationen gegeben. Die schlimmsten Beschwerden über Fälle von
Misshandlung beträfen das "Quetschen von Geschlechtsteilen in Verbindung mit
schweren Schlägen" in drei Polizeiwachen. Andererseits sei aber deutlich geworden,
dass die Rechte der Beschuldigten auf anwaltliche Betreuung oder die Fristen und
Verfahren für den Aufenthalt in polizeilichem Gewahrsam im Regelfall eingehalten
würden.
Der EU-Fortschrittsbericht der Kommission vom 9. November 2006 attestiert der Türkei
zwar Fortschritte auch im Bereich der Justiz und der Menschenrechte. Die Türkei müsse
aber in einigen Bereichen die Menschenrechtslage wesentlich verbessern. Noch immer
werde - insbesondere außerhalb regulärer Haft - in der Türkei gefoltert, berichtet die
Kommission. Die Einhaltung der Menschen- und Minderheitenrechte besonders in den
Kurdengebieten im Südosten werde nach wie vor nicht europäischen Maßstäben
gerecht. Die Unabhängigkeit der Justiz sei inzwischen auf dem Papier gewährleistet, in
der Praxis gebe es jedoch Einschränkungen. Ferner wird festgestellt, dass sich das
Wiederaufflammen der Gewalt in einigen Teilen der Südosttürkei negativ auf die
Menschenrechtslage ausgewirkt habe.
54
Vgl. EU-Fortschrittsbericht, 2,1, S. 10 f und 2.2, S. 13, 15, 25 und 4.23, S. 69, 71
55
Von einer verfestigten und nachhaltigen Veränderung der Sicherheitslage in der Türkei
mit der Folge hinreichender Verfolgungssicherheit für einen ehemals unter
Verfolgungsdruck ausgereisten kurdischen Flüchtling bei Rückkehr in die Türkei kann
bei dieser Auskunftslage nicht gesprochen werden,
56
ebenso: VG Düsseldorf, Urteile vom 19. September 2006 - 26 K 3635/06.A - , vom 28.
Juni 2006 - 20 K 5937/04.A - und vom 12. Mai 2006 - 26 K 1715/06.A -.; a.A. VG
Düsseldorf, Urteil vom 30. November 2006 - 4 K 3870/06.A - und VG Ansbach, Urteil
vom 15. August 2006 - AN 1 K 06.30232 - Juris.
57
Dies gilt auch im konkreten Fall des Klägers, der nach den Feststellungen im
rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vor seiner Ausreise im Jahre 1990
dem Verdacht ausgesetzt war, Sympathisant der PKK zu sein, weil er als Guerillas
verkleidete Soldaten u.a. mit Lebensmitteln versorgt hat. Er ist demnach seinerzeit den
örtlichen Sicherheitsbehörden individuell in das Blickfeld geraten und deshalb
möglicherweise auch heute noch individuell registriert. Selbst wenn man in
Übereinstimmung mit dem oben zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom
30. November 2006 davon ausgehen will, dass der türkische Staat gegenwärtig nicht
mehr individuell gegen jeden vorgehen kann und will, der damals wegen des Verdachts
der Unterstützung der PKK mit Lebensmitteln und Ähnlichem aus dem Heimatdorf
vertrieben worden ist, und dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, bei der Abschiebung
oder der Einreise im Zuge der dabei stattfindenden Vernehmung Opfer einer
58
Misshandlung oder der Folter zu werden, so ist doch festzuhalten, dass die seinerzeitige
Registrierung über die Jahre hinweg und auch außerhalb der östlichen Landesteile der
Türkei noch zu einer Befragung führen kann, etwa bei einer Kontrolle an den
Zugangsstraßen zu den von Kurden bewohnten Stadtviertel in der Westtürkei oder in
diesen Stadtvierteln selbst. Über die Wahrscheinlichkeit bei einer solchen Befragung
gefoltert oder misshandelt zu werden, lässt sich mangels gesicherter Erkenntnisse kaum
eine Prognose treffen. Es verbietet sich deshalb die Annahme hinreichender
Verfolgungssicherheit des Klägers bei einer Rückkehr ins Heimatland.
Ein Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG kommt
auch nicht aus anderen Gründen in Betracht.
59
Allerdings ist die Anerkennungsentscheidung nicht nur bei Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse im Heimatland, sondern auch dann zu widerrufen, wenn die
Voraussetzungen für eine Anerkennung deshalb nicht mehr vorliegen, weil der
Ausländer nach der Anerkennung den Tatbestand des § 60 Abs. 8 AufenthG, dessen
Satz 1 hier allein in Betracht kommt, verwirklicht hat. Nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG
findet Abs. 1 dieser Vorschrift keine Anwendung, wenn der Ausländer aus
schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er
wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer
Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Diese Bestimmung
schließt nicht nur den Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG,
sondern auch denjenigen auf Asyl nach Art. 16a Abs. 1 GG aus.
60
Vgl. zu der Vorgängervorschrift § 51 Abs. 3 AuslG: BVerwG, Urteil vom 30. März 1999 -
9 C 31.98 - BVerwGE 109, 1.
61
Die Ermächtigung zum Widerruf in derartigen Fällen ergibt sich bereits aus dem
Wortlaut des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, demzufolge die Anerkennung als
Asylberechtigter und die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG
unverzüglich zu widerrufen sind, "wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr
vorliegen". Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn dem Ausländer infolge der Änderung
der maßgeblichen Verhältnisse im Herkunftsstaat keine Verfolgung mehr droht, sondern
auch wenn inzwischen von ihm nach Maßgabe von § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG eine
Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder für die Allgemeinheit
ausgeht.
62
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Dezember 2003 - 8 A 3766/03.A -
63
Die Entziehung des asylrechtlichen Abschiebungsschutzes in derartigen Fällen ist
zulässig, weil der betreffende Ausländer durch die Abschiebungshindernisse nach § 60
Abs. 2 bis 7 AufenthG (früher: § 53 AuslG) geschützt ist und die Stellung als politischer
Flüchtling nicht mit einer besonderen Bestandskraft oder einem erhöhten
Vertrauensschutz ausgestaltet ist,
64
vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 9 C 12/00 - EZAR 214 Nr. 13 (zu § 51
Abs. 3 AuslG 1990).
65
Die rechtskräftige Verurteilung führt aber nur dann zum Widerruf der Asyl- und
Flüchtlingsanerkennung, wenn eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht,
66
vgl. hierzu näher BVerwG, Urteil vom 16. November 2000 - 9 C 6.00 - BVerwGE 112,
185.
67
Das bedeutet, dass in Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit durch neue
vergleichbare Straftaten des Ausländers ernsthaft drohen muss; die lediglich entfernte
Möglichkeit weiterer Straftaten genügt nicht,
68
BVerwG, Urteile vom 16. November 2000 a.a.O. und vom 1. November 2005 a.a.O.
69
Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten ernsthaft droht, sind
die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe
der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer
Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ebenso wie
die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zu dem
maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Dabei ist die der gesetzlichen Regelung
zugrunde liegende Wertung zu beachten, dass Straftaten, die so schwerwiegend sind,
dass sie zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren geführt haben,
typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko verknüpft sind. Dies gilt in
besonderem Maße für schwere Rauschgiftdelikte, namentlich den illegalen
Heroinhandel, der regelmäßig mit einer hohen kriminellen Energie verbunden ist und in
schwerwiegender Weise Gesundheit und Leben anderer Menschen gefährdet. Allein
der Umstand, dass der Ausländer die Freiheitsstrafe verbüßt hat, lässt nicht auf einen
Wegfall des Wiederholungsrisikos schließen. Denn rechtskräftige Verurteilungen im
Sinne des § 51 Abs. 3 2. Alternative AuslG führen regelmäßig zur Verbüßung der
Freiheitsstrafe, da eine Aussetzung ihrer Vollstreckung zur Bewährung nach § 56 StGB
wegen der Strafhöhe von vornherein nicht in Betracht kommt. Würde der bloße mit der
Strafverbüßung verbundene Zeitablauf regelmäßig zum Wegfall des
Ausschlussgrundes führen, liefe die Vorschrift praktisch weitgehend leer. Dies gilt zumal
in Asylverfahren, da es hier - anders als bei der Anfechtung einer rein
ausländerrechtlichen Abschiebungsandrohung - im Falle eines Rechtsstreits
maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung ankommt (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).
70
BVerwG, Urteil vom 16. November 2000 a.a.O.
71
Auch der Umstand, dass der Täter zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt hat und die
Vollstreckung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt worden
ist, genügt für sich allein nicht ohne weiteres, um eine Wiederholungsgefahr zu
verneinen. Zwar sind die Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 Abs. 1 StGB von
tatsächlichem Gewicht und stellen bei der Prognose ein wesentliches Indiz dar,
72
vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48
AuslG 1990 Nr. 10; BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. März 2000 - 2 BvR 2120/99 -
DVBl 2000, 697.
73
Eine Vermutung für das Fehlen einer Rückfallgefahr im Sinne einer
Beweiserleichterung begründen sie indes nicht.
74
Abgesehen davon, dass die für die Anwendung des § 51 Abs. 3 AuslG zuständigen
Behörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose über die
75
Wiederholungsgefahr zu treffen haben und an die Feststellungen und Beurteilungen der
Strafgerichte rechtlich nicht gebunden sind,
vgl. zu § 56 StGB BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 C 17.94 - a.a.O. S.
41,
76
haben sie auch sonstige, den Strafgerichten möglicherweise nicht bekannte oder von
ihnen nicht beachtete Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Sie können deshalb
sowohl aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage als auch aufgrund einer anderen
Würdigung zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen. Dies kann gerade
bei einer Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StGB deshalb in
Betracht kommen, weil hier - anders als bei der auch vom Gesetzgeber im Rahmen der
Ausweisungstatbestände berücksichtigten Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56
StGB (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG) - schon wegen der maßgeblichen
Bedeutung der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt (§ 454 Abs. 1 Satz 2 und 4
StPO) naturgemäß eher Resozialisierungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen.
Zudem geht es bei der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung um die Frage, ob die
vorzeitige Entlassung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der
Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB), während die asyl- und
ausländerrechtliche Beurteilung eine längerfristige Gefahrenprognose erfordert,
77
vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 16. November 1992 - 1 B 197.92 - InfAuslR 1993,
121.
78
Bei dieser Gefahrenprognose kann das Gericht neben den Strafakten und dem
Vollstreckungsheft sowie einem aktuellen Bundeszentralregisterauszug auch
inzwischen entstandene ausländerrechtliche Vorgänge und gegebenenfalls Auskünfte
der Bewährungshilfe heranziehen. Bei seiner Abwägung hat es unter anderem neben
der Sozialprognose, die der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zugrunde liegt,
auch die in der Tat zum Ausdruck gekommene kriminelle Energie und das Gewicht des
bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, vor allem die Gefährlichkeit der abgeurteilten
Tat, zu würdigen. Es hat sich auch damit auseinander zusetzen, ob der Kläger in
dasselbe soziale Umfeld zurückgekehrt ist, aus dem heraus er die Tat begangen hat,
und welche Auswirkungen dies gegebenenfalls auf die Wahrscheinlichkeit einer
Wiederholungsgefahr hat.
79
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist eine konkrete Wiederholungsgefahr zu
verneinen. Maßgeblicher Auslöser für die begangene Straftat des Klägers waren die aus
der Drogensucht entstandenen Schulden im Berufsspielermilieu, der aus diesem
Umfeld ausgeübte Druck, die Schulden zurückzuzahlen und der Druck, sich die zur
Finanzierung der Drogensucht weiterhin erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen.
Es handelte sich mithin um einen typischen Fall der Beschaffungskriminalität, die
allerdings in der konkreten ausgeübten Form einer erheblichen kriminellen Energie
bedurfte und Skrupellosigkeit offenbarte. Die äußeren Faktoren, die zur Begehung der
Straftat führten, haben sich erheblich gewandelt. Aber auch der Kläger erscheint in
seiner Persönlichkeit gefestigt und gewillt zu sein, das vor der Inhaftierung bzw.
Unterbringung geführte Leben zu ändern. Von seiner kriminellen Vergangenheit und
von zukünftigem Drogenkonsum hat er sich nach Einschätzung der Vollzugseinrichtung
im Therapiebericht vom 23. Januar 2007 glaubhaft distanziert. Der Kläger ist während
des gesamten Therapiezeitraums drogenfrei und alkoholabstinent gewesen. Er hat sich
mit seiner dissozialen Persönlichkeitsentwicklung, seiner Sucht und seiner Neigung
80
zum Glücksspiel auseinandergesetzt und Erkenntnisse über sich gewonnen. Er hat in
der Therapie, wie er in Belastungserprobungen zeigen konnte, gelernt, mit seiner
Suchterkrankung umzugehen, ist sich des Rückfallrisikos bewusst, in seinem
Abstinenzvorsatz gefestigt und insgesamt in seiner Persönlichkeit stabilisiert. Er ist nach
der Entlassung nicht in das frühere soziale Umfeld zurückgekehrt, sondern in seine
Familie und den Freundeskreis gut eingebunden. Er geht einer regelmäßigen Arbeit
nach, hat eine feste Partnerin und will seine Verlobte heiraten, sobald diese eine
Einreise- bzw. Aufenthaltserlaubnis erhält. Arbeitgeber und Familie wissen um die
Problematik der Spiel- und Drogensucht, so dass insoweit keine durchgreifenden
Konflikte zu erwarten sind. Therapeuten und Bewährungshelfer beschreiben den Kläger
als äußerst zuverlässig, pünktlich, und den jetzigen Lebensumständen und dabei
auftretenden Anforderungen gewachsen.
Wörtlich heißt es zusammenfassend im Therapiebericht der
Maßregelvollzugseinrichtung vom 23. Januar 2007:
81
„Herr Q. hat im Rahmen seiner Möglichkeiten seine Zukunft von hier aus so realistisch
geplant, wie es ihm möglich war, so dass von einer günstigen Ausgangsbasis bzgl. der
Legal- Sozial- und Suchtprognose ausgegangen werden kann. Im Verlauf der
Behandlung konnte Herr Q. in zunehmend intensiveren Belastungserprobungen zeigen,
dass er es schafft unter den jetzigen Lebensumständen Anforderungen gewachsen zu
sein, ohne erneut in den Drogenkonsum zurückzufallen. Herr Q. hat sich von seiner
kriminellen Vergangenheit und zukünftigem Drogenkonsum glaubhaft distanziert."
82
Und an anderer Stelle:
83
„Die Lebensbereiche Arbeit, Wohnen und Freizeit hatte Herr Q. für sich im Rahmen der
bestehenden Dauerbelastungserprobung so vorbereitet und gestaltet, dass von einer
günstigen Ausgangsbasis bzgl. der Legal- Sozial- und Suchtprognose ausgegangen
werden kann. Der Rehabilitations- und Integrationsprozess des Herrn Q. ist mit ihm
soweit vorbereitet, dass er aus unserer Sicht mit den Mitteln des Maßregelvollzugs keine
weiteren Verbesserungen mehr erreichen konnten."
84
Für das erkennende Gericht bietet sich - auch nach persönlicher Anhörung des Klägers
in der mündlichen Verhandlung - das Bild einer geläuterten Persönlichkeit. Das Gericht
nimmt dem Kläger ab, dass ihm die Vergangenheit eine Lehre war und dass er alle Kraft
daran setzen wird, keine Drogen mehr zu konsumieren. Damit dürfte aber auch die
Gefahr erneuter Straftaten von vergleichbarem Gewicht gering sein, wenngleich - worauf
im Therapiebericht ebenfalls hingewiesen wird - wie bei allen Suchterkrankungen ein
erhöhtes Restrisiko besteht. Der Einzelrichter, der dem Kläger in der mündlichen
Verhandlung eindringlich vor Augen geführt hat, dass er selbst bei einem für ihn
günstigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens sozusagen „lebenslang" unter
Bewährung steht und ein erneutes Abrutschen in die Drogen oder Spielerszene
unweigerlich nicht nur Bestrafung, sondern auch den Widerruf der Asyl- und
Flüchtlingsanerkennung zur Folge haben dürfte, hatte hierbei den Eindruck, dass sich
der Kläger seiner Situation bewusst war und bereit ist, nach allen Kräften daran zu
arbeiten, dass er nicht mehr drogen- und/oder strafrückfällig wird. Bezeichnend für den
Willen des Klägers ist, dass er sich eingangs der Therapie - trotz Vorbehalten und
Bedenken seitens der Vollzugseinrichtung, die eine Therapie wegen fehlender
Sprachkenntnisse nicht für sinnvoll erachtete - die unabdingbaren Voraussetzungen für
einen Erfolg der Therapie selbst erarbeitete. Denn der Kläger hat auf eigene Initiative
85
und innerhalb relativ kurzer Zeit ausreichende Deutschkenntnisse erworben, um die
Therapie überhaupt durchführen zu können. Festzuhalten ist auch, dass der Kläger
glaubwürdig Reue sowie Scham- und Schuldgefühle empfindet, was mit dem
vorhandenen Unrechtsbewusstsein ebenfalls dazu beitragen sollte, dass sich der
Kläger in Zukunft straffrei führen wird. Im Prognosegutachten der Sachverständigen Dr.
H und Dr. I vom 12. Juli 2006 heißt es diesbezüglich:
„Bei einem durchaus vorhandenen Unrechtsbewusstsein wurde Empathie mit den
Opfern nur in Ansätzen deutlich, was zum Teil daher rührt, dass sie von Herrn Q in
einem grundsätzlich gewaltbereiten Spielermilieu angesiedelt werden. Andererseits
schilderte er nachvollziehbar tief empfundene Scham- und Schuldgefühle seinem
Freund gegenüber, den er zur Teilnahme an dem Überfall überredet hatte. In diesem
Zusammenhang wirkte sein Wunsch, anderen Menschen kein Leid mehr zufügen zu
wollen, in keiner Weise aufgesetzt, sondern von ehrlicher Überzeugung getragen".
86
Im Prognosegutachten der Sachverständigen Dr. H und Dr. I vom 12. Juli 2006 wird
weiter ausgeführt:
87
„Herr Q ist, bevor er kokain- und spielsüchtig wurde, nicht mit delinquentem Verhalten
aufgefallen. Auch in den Jahren der Behandlung im Maßregelvollzug mit schließlich
umfassenden Lockerungen ist er bei Abstinenz nicht erneut straffällig geworden. Die
Delinquenz des Probanden steht in direktem Zusammenhang mit seiner Sucht, so dass
Abstinenz die absolute Voraussetzung für ein künftiges straffreies Leben ist."
88
Die Gutachterinnen weisen im Folgenden zwar darauf hin, dass sich verlässliche
Aussagen immer nur für einen begrenzten Zeitraum und ein definiertes Setting stellen
ließen. Hieraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass die erforderliche
längerfristige Gefahrenprognose,
89
vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. November 1992 a.a.O.,
90
zuungunsten des Klägers ausfallen müsste. Die Gefahrenprognose kann naturgemäß
nicht sämtliche möglichen und denkbaren Ereignisse der Zukunft einbeziehen und
verwertbar machen. Eine nicht voraussehbare, vom Kläger nicht gewünschte Änderung
der Lebensumstände mag möglicherweise dazu führen, dass der Kläger rückfällig wird.
Eine konkrete Wiederholungsgefahr folgt hieraus jedoch nicht, zumal die
Gutachterinnen auch darauf verweisen, dass eine dissoziale Persönlichkeitsstörung bei
dem Kläger nicht vorliege, was prognostisch günstig zu werten sei. Ein herzloses
Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer, eine deutliche und andauernde
Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und
Verpflichtungen, oder die Neigung, vordergründige Rationalisierungen für eigenes
Fehlverhalten anzubieten, erfülle der Kläger nicht, was prognostisch als günstig zu
werten sei. Die Tatsache, dass der Kläger vorher strafrechtlich nie aufgefallen ist, wird
von den Gutachterinnen ebenfalls als prognostisch günstig eingeschätzt, weil dies dafür
spreche, dass tatsächlich die konflikthafte Situation ausschlaggebend gewesen sei. Der
Kläger habe bis zu seiner Festnahme in einem stabilen Beschäftigungsverhältnis
gestanden und als zuverlässiger Mitarbeiter gegolten. Betrachte man den
Behandlungsverlauf und den persönlichen Eindruck bei den Begutachtungen, so stehe
das delinquente Verhalten des Klägers in direkter Verbindung mit seiner Kokain- und
Spielsucht.
91
Ist aber davon auszugehen, dass der Kläger seine Suchterkrankung „im Griff hat" und
seine Persönlichkeit sowie sein Verhalten in den nächsten Jahren durch flankierende
therapeutische Maßnahmen zunehmend eine Stabilisierung erfahren wird, kann auch
nicht die konkrete Gefahr bejaht werden, dass der Kläger wiederholt straffällig wird.
92
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b Abs. 1 AsylVfG.
93
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
94
95