Urteil des VG Düsseldorf vom 08.05.2003

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, bundesamt, sudan, abschiebung, anerkennung, wiedereinreise, englisch, ausländer, niederlande, bekanntgabe

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 11 K 4863/02.A
Datum:
08.05.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 4863/02.A
Tenor:
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 25. Juni 2002 wird aufgehoben, soweit dem Kläger die
Abschiebung für den Fall einer erneuten unerlaubten Wiedereinreise in
die Bundesrepublik Deutschland angedroht worden ist; die Klage im
Übrigen wird hinsichtlich des Anspruches auf Anerkennung als
Asylberechtigter bzw. auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des §
51 Abs. 1 AuslG vorliegen, als offensichtlich- und hinsichtlich des
verbleibenden Teils als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Tatbestand:
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Der Kläger wurde am 31. Mai 2002 mit dem Zug aus den Niederlanden kommend in F
festgenommen. Bei der Kontrolle legte er den nigerianischen Pass einer anderen
Person vor.
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Aus der Abschiebehaft heraus beantragte er mit Schreiben seiner
Prozessbevollmächtigten vom 12. Juni 2002 die Anerkennung als Asylberechtigter.
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Nach Anhörung des Klägers lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab. Es stellte
fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG)
offensichtlich - und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Es
kündigte an, der Kläger werde nach Ablauf einer Woche nach Bekanntgabe der
Entscheidung aus der Haft heraus in seinen Herkunftsstaat abgeschoben. Für den Fall
der Haftentlassung forderte das Bundesamt den Kläger auf, die Bundesrepublik
Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen,
anderenfalls werde er in seinen Herkunftsstaat abgeschoben. Dem Kläger wurde ferner
die Abschiebung für den Fall einer erneuten unerlaubten Wiedereinreise in die
Bundesrepublik Deutschland angedroht.
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Das Bundesamt begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit, der Kläger habe
nicht glaubhaft gemacht, den Sudan auf Grund politischer Verfolgung verlassen zu
haben. Er stamme offensichtlich nicht aus dem Sudan, wofür schon spreche, dass er
weder Arabisch noch eine der dortigen Stammessprachen beherrsche. Im Übrigen habe
er keine Kenntnisse über den angeblichen Herkunftsstaat.
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Der Kläger hat am 23. Juli 2002 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach Klage
erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (AN 19 K
02.31545, AN 19 S 02.31544). Mit zwei Verweisungsbeschlüssen vom 16. Juli 2002 hat
das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach die Verfahren an das erkennende Gericht
verwiesen.
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Zur Begründung trägt der Kläger vor: Er sei bei seiner Anhörung durch das Bundesamt
stark traumatisiert und damit nicht handlungs- und verfahrensfähig gewesen sei. Die
Bezeichnung „Herkunftsstaat" in der Abschiebungsandrohung sei zu unbestimmt. 1991
sei er von der SPLA entführt und zwangsrekrutiert worden. Bei einer Rückkehr in den
Sudan habe er schon wegen seines Asylantrages mit Verfolgung zu rechnen und eine
Rückkehr sei ihm auch wegen der sudanesischen Haftbedingungen nicht zumutbar.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 25. Juni 2002 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten
anzuerkennen bzw. festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
vorliegen,
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hilfsweise festzustellen,
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dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 29. Juli 2002 - 11 L 2816/02.A - die aufschiebende
Wirkung der Klage angeordnet, soweit dem Kläger die Abschiebung für den Fall einer
erneuten unerlaubten Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland angedroht
worden ist. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Auch ein Antrag im Klageverfahren
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe blieb erfolglos, Beschluss vom 27. Februar
2003.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten
und der Ausländerbehörde sowie auf die der Kammer vorliegenden Auskünfte und
Erkenntnisse, auf die das Gericht hingewiesen hat, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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Die Androhung einer Abschiebung für den Fall der Wiedereinreise war aufzuheben, weil
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für eine solche Maßnahme keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist,
vgl. u.a. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2000 - 10 A 1284/00.A -.
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Die Klage ist offensichtlich unbegründet, soweit sie sich auf die Anerkennung als
Asylberechtigter bzw. die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG vorliegen, richtet. Insoweit bestehen im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts
an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen, die der Entscheidung zu Grunde liegen,
vernünftigerweise keine Zweifel und die Abweisung drängt sich geradezu auf. Der
Kläger stammt nicht aus dem Sudan und deshalb entspricht auch sein auf den Sudan
bezogenes Lebensschicksal offensichtlich nicht der Wahrheit. Er spricht nur die
englische Sprache. Bereits das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid darauf
hingewiesen, dass Englisch nirgendwo im Sudan die tatsächliche Umgangs- und
Muttersprache darstellt, sodass grundsätzlich auszuschließen ist, dass ein Sudanese
nur Englisch und keine Lokalsprache spricht. Deshalb ist die Behauptung des Klägers
in der mündlichen Verhandlung, er habe sich im Sudan nicht nur mit seiner Mutter,
sondern auch mit seinen Freunden (nur) auf Englisch unterhalten, offensichtlich
unzutreffend. Die weiteren Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung
haben eindrucksvoll bestätigt, dass er nicht gewillt ist, die Wahrheit zu sagen. So hat er
zu den Umständen seiner Einreise nach Deutschland und seiner Fahrt in die
Niederlande völlig lebensfremde Angaben gemacht. Ihm kann schlechterdings nicht
abgenommen werden, dass er hinsichtlich seiner Einreise keinerlei Angaben zu dem
Start - bzw. dem Zielflughafen machen kann. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb
der Kläger alsbald nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in die
Niederlande gereist sein will, nur weil ihm mitgeteilt worden ist, dort lebten viele
Farbige. Genauso wenig erschließt sich der Sinn seiner alsbaldigen Rückkehr nach
Deutschland nur deshalb, weil er nicht gewusst habe, wo er in den Niederlanden
bleiben sollte, denn auch in Deutschland hatte er sich zuvor angeblich nur kurz und
ohne Bleibe aufgehalten. Die tatsächlichen Umstände seiner Einreise und seines
Aufenthaltes in Deutschland bis zu seiner Festnahme bleiben damit völlig unklar und
der Kläger ist offensichtlich nicht zu einer Klärung bereit.
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Die Klage ist unbegründet, soweit sie sich auf die Feststellungen von
Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG bezieht. Der Kläger hat keinerlei Gründe
vorgetragen, die dafür sprechen könnten, dass Abschiebungshindernisse im Falle der
Abschiebung in seinen Herkunftsstaat bestehen.
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Dass der Herkunftsstaat des Klägers unbekannt ist, steht der (Nicht-) Feststellung eines
Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG nicht entgegen. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1
AsylVfG ist in den Fällen des Abs. 2 der Norm, d.h. auch bei der Entscheidung über
beachtliche Asylanträge, festzustellen, ob Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG
vorliegen. Diese zwingende Vorschrift enthält in § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG nur
Ausnahmen für den Fall, dass der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird, das
Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt wird oder der
Asylantrag nach § 29 Abs. 3 AsylVfG unbeachtlich ist. Keine der gesetzlichen
Ausnahmen liegt hier vor, sodass das Bundesamt unbeschadet des noch nicht
bekannten Herkunftsstaates eine Entscheidung zum Vorliegen von
Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG treffen konnte und zu treffen hatte.
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Der gegenteiligen Ansicht des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts
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Urteil vom 27. August 2002 - 3 Bf 415/01.A -
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wonach das Bundesamt bei unbekanntem Herkunftsstaat nicht feststellen darf, dass ein
Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG nicht vorliegt, schließt sich das Gericht
nicht an. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat sich in seiner Entscheidung
nicht mit der gesetzlichen Regelung in § 31 Abs. 3 AsylVfG auseinander gesetzt und es
hat einen gesetzlich nicht vorgesehenen weiteren Ausnahmetatbestand begründet.
Soweit es darauf hinweist, angesichts des noch unbekannten Herkunftsstaates könne
keine positive oder negative Feststellung zielstaatsbezogener
Abschiebungshindernisse getroffen werden, rechtfertigt dies nicht ein Absehen von der
Entscheidung entgegen der gesetzlichen Regelung des § 31 Abs. 3 AsylVfG. Im
Übrigen können allgemeine Fragen zum Bestehen von Abschiebungshindernissen,
etwa die Feststellung einer Erkrankung, das Vorliegen von Foltermerkmalen oder ob
Abschiebungshindernisse überhaupt geltend gemacht werden, bereits ohne Festlegung
eines konkreten Staates beurteilt werden. Wird der Herkunftsstaat später geklärt, muss
dieser dem Ausländer ohnehin so rechtzeitig vor der Abschiebung mitgeteilt werden,
dass er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. Juli 2000 - 9 C 42.99 -,
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 111, S. 343.
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Die Konkretisierung des Herkunftsstaates wird zugleich mit einer abschließenden
Entscheidung darüber, ob insoweit Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG
vorliegen, verbunden sein. Die Frage, ob wegen der bestandskräftig gewordenen
negativen Feststellungen des Bundesamtes zu § 53 AuslG hinsichtlich des nicht
bezeichneten Herkunftsstaates Abschiebungshindernisse gegenüber einer späteren
Konkretisierung nur noch beschränkt geltend gemacht werden können, etwa in der
Weise, dass diese nur nach Maßgabe des § 51 VwVfG zu prüfen sind,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2002, a.a.O.,
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kann hier offen bleiben. Eine eventuelle Einschränkung ist Folge des Gesetzes und
kann nicht eine gesetzlich nicht geregelte Ausnahme von § 31 Abs. 3 S. 1 AsylVfG
rechtfertigen. Selbst im Falle der Anwendung des § 51 VwVfG könnte zudem das
Vorliegen tatsächlicher Abschiebungshindernisse ausreichend berücksichtigt werden.
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Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung, soweit noch nicht
darüber befunden ist, bestehen nicht. Diesbezüglich wird auf den Beschluss des
Gerichts vom 29. Juli 2002 - 11 L 2816/02.A - verwiesen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 3 Satz 3 VwGO, 83 b
AsylVfG.
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Die Höhe des Gegenstandswertes folgt aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
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Die Entscheidung ist unanfechtbar, soweit die Klage abgewiesen worden ist, § 78 Abs.
1 Satz 1 und 2 AsylVfG.
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