Urteil des VG Düsseldorf vom 22.10.2004

VG Düsseldorf: anspruch auf bewilligung, beihilfe, bvo, krankenversicherung, fürsorgepflicht, sachleistung, versorgung, angemessenheit, form, schwerhörigkeit

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 8108/03
Datum:
22.10.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 8108/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 20,00 Euro abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin steht als beim Finanzamt E1 tätige Beamtin im Dienst des beklagten
Landes. Unter dem 25. Juni 2003 beantragte sie u.a. die Gewährung einer Beihilfe zu
zwei von ihr erworbenen Hörgeräten der Firma Siemens mit der Bezeichnung „Prisma
2P", die sie gemäß der vorgelegten Rechnung der Firma Hörgeräte E2 aus E1 zum
Preise von 3.402,00 Euro erworben hatte. Auf diesen Antrag hin erkannte die
Oberfinanzdirektion E mit Bescheid vom 30. Juni 2003 einen Betrag in Höhe von
2.100,00 Euro als beihilfefähig an und gewährte unter Berücksichtigung des für die
Klägerin maßgeblichen Beihilfebemessungssatzes von 50 Prozent eine Beihilfe in
Höhe von 1.050,00 Euro. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10. Juli 2003
Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass bei ihr ein
Defekt im Innenohr vorliege, der selbst durch die besten gegenwärtig verfügbaren
Hörgeräte nicht soweit auszugleichen sei, dass ein normales Hören ermöglicht werde.
Die von ihr erworbenen Hörgeräte stellten unter den gegenwärtigen Gegebenheiten die
technisch bestmögliche Hörgeräte-Versorgung dar. Die im Beihilfenrecht vorgesehene
Festbetragsregelung sei unsozial, da gerade die am schwersten Betroffenen mit
höhergradiger und/oder besonders komplizierter Schwerhörigkeit von den Zuzahlungen
am härtesten betroffen seien. Gerade diese Personen benötigten nämlich die teuren
Hochleistungshörgeräte und müssten mithin die höchsten Zuzahlungen leisten. Eine
Härtefallregelung existiere nicht. Außerdem müssten sich nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2002 die Versicherten nicht mit einer
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Teilkostenerstattung zufrieden geben und müsse im Hilfsmittelsektor die Versorgung mit
ausreichenden zweckmäßigen und in der Qualität gesicherten Hilfsmitteln als
Sachleistung gewährleistet sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2003 wies die Oberfinanzdirektion E den
Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: In
der Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 Nr. 10 S. 11 BVO werde die Beihilfefähigkeit der
Aufwendungen für Hilfsmittel betragsmäßig im Rahmen einer Höchstbetragsregelung
konkretisiert. Im Rahmen dieser Anlage seien die beihilfefähigen Höchstbeträge zu den
Leistungen für Hörgeräte mit 1.050,00 Euro je Ohr festgesetzt. Diese Höchstbeträge
dienten der grundsätzlichen Gleichbehandlung der Beihilfeberechtigten und der
Verwaltungsvereinfachung. Da es sich um eine pauschalierende Betrachtungsweise
handele, gelte diese Regelung unabhängig von den konkreten Erfordernissen im
Einzelfall. Die betreffenden Höchstbeträge konkretisierten insoweit in angemessener
Form den Grundsatz der Notwendigkeit und Angemessenheit der zu beurteilenden
Aufwendungen. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht sei nicht erkennbar. Der
Mehraufwand durch die bei der Klägerin verbliebene Eigenbelastung sei nicht so
außergewöhnlich, dass die amtsangemessene Alimentation der Klägerin und ihrer
Familie auch nur vorübergehend in Gefahr geriete. Ob die Klägerin in der gesetzlichen
Krankenversicherung einen Anspruch auf Erstattung der vollen Kosten der Hörgeräte
nach sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen hätte, sei unerheblich. Als Beamtin
unterfalle die Klägerin ausschließlich dem für Beamte geltenden Beihilfenrecht.
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Die Klägerin hat am 26. November 2003 die vorliegende Klage erhoben, zu deren
Begründung sie ergänzend zu ihrem Widerspruchsvorbringen darauf hinweist, dass sie
zuzahlungsfreie Geräte ohne Erfolg getestet habe und im Übrigen bei ihr ausweislich
des vom Versorgungsamt E3 am 13. Juli 2001 ausgestellten
Schwerbehindertenausweises mit Blick auf die bestehende Schwerhörigkeit ein Grad
der Behinderung von 50 gegeben sei.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Oberfinanzdirektion E
vom 30. Juni 2003 und des Widerspruchsbescheides der Oberfinanzdirektion E vom 3.
November 2003 zu verpflichten, ihr eine weitere Beihilfe in Höhe von 651,00 Euro zu
gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Gründe des mit der vorliegenden Klage
u.a. angegriffenen Widerspruchsbescheides.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten und des Sachverhaltes im
Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen
Verwaltungsvorganges der Oberfinanzdirektion E ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Oberfinanzdirektion E vom
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30. Juni 2003 und der Widerspruchsbescheid der Oberfinanzdirektion E vom 3.
November 2003 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung der
von ihr begehrten weiteren Beihilfeleistung (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW sind beihilfefähig die in Krankheitsfällen zur
Wiedererlangung der Gesundheit notwendigen Aufwendungen in angemessenem
Umfang. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 10 S. 10 BVO NRW umfassen die beihilfefähigen
Aufwendungen dabei auch die Kosten für Hörhilfen, jedoch bestimmt sich gemäß § 4
Abs. 1 Nr. 10 S. 12 BVO NRW die Angemessenheit der Aufwendungen nach der Anlage
2 zu dieser Verordnung; dort wird unter Nr. 2 für Hörgeräte als beihilfefähiger
Höchstbetrag (je Ohr) ein Betrag von 1.050,00 Euro festgesetzt. Diese Regelung ist
rechtlich nicht zu beanstanden.
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Zweck der Beihilfegewährung ist lediglich, einen zusätzlichen Bedarf abzudecken, der
mit den Dienstbezügen eines Beamten nicht mehr bestritten werden kann und daher
unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Fürsorge einer Beihilfe bedarf, so dass
gegen Beschränkungen oder Ausschlüsse der Beihilfefähigkeit bestimmter Leistungen
jedenfalls dann nichts einzuwenden ist, wenn die dem Dienstherrn obliegende
Fürsorgepflicht nicht in ihrem Wesenskern verletzt wird.
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Verfassungsrechtlich ist die Grenze der dem Beamten zumutbaren Belastung im
Hinblick auf die Eigenvorsorge erst erreicht, wenn der amtsangemessene
Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist. Die Fürsorgepflicht verlangt nicht, dass
durch Beihilfe und Versicherungsleistung die Aufwendungen in Krankheitsfällen
vollständig gedeckt werden, dass der Dienstherr in jedem Fall einen Teil der
Aufwendungen übernimmt oder dass das von der Beihilfe nicht gedeckte Risiko in
vollem Umfang versicherbar ist. Das Alimentationsprinzip verbietet es dabei, dem
Beamten Risiken aufzubürden, deren wirtschaftliche Auswirkungen unüberschaubar
sind. Das ist nicht zu besorgen, wenn das nichtversicherbare finanzielle Risiko auf
einen Betrag begrenzt ist, der die amtsangemessene Lebensführung nicht
beeinträchtigt.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, NVwZ 2004, S.
628 sowie Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR
1053/98 -, NVwZ 2003, S. 720.
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Hiervon ausgehend ist nicht feststellbar, dass die Klägerin hinsichtlich des bzgl. der
erworbenen Hörgeräte auf Grund der geltenden Höchstbetragsregelung verbliebenen
Eigenanteils von 651,00 Euro in ihrer amtsangemessenen Lebensführung beeinträchtigt
sein könnte. Dies gilt um so mehr, als die Beschaffung neuer Hörgeräte grundsätzlich
nur in einem mehrjährigen Abstand erfolgt. Lediglich mit Blick auf das Vorbringen der
Klägerin sei darauf hingewiesen, dass - sollte in der Zukunft durch einen Eigenanteil
einmal eine für sie unzumutbare Härte entstehen - § 12 Abs. 5 Buchstabe c) BVO NRW
in besonderen Ausnahmefällen unter Berücksichtigung der weiteren dort angeführten
Voraussetzungen eine Erhöhung des im Einzelfall maßgeblichen Bemessungssatzes
zulässt.
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Die Klägerin kann eine ihr günstige Entscheidung schließlich auch nicht aus der von ihr
angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2002 - 1
BvL 28-30/95 - herleiten. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung allein die
formalrechtliche Frage betrifft, ob die im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung
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die Festlegung von Höchstbeträgen regelnden Rechtsgrundlagen den
verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Ermächtigung zur Festsetzung dieser
Festbeträge in Form einer Allgemeinverfügung genügen und die Frage der
Vereinbarkeit der Festbetragsfestsetzung mit den Anforderungen der Grundrechte
gerade nicht Gegenstand der Entscheidung war, hat das Bundesverfassungsgericht
zwar ergänzend darauf hingewiesen, dass ausgehend von dem im Bereich der
gesetzlichen Krankenversicherung bestehenden Sachleistungsprinzip die Versicherten
sich nicht mit einer Teilkostenerstattung zufrieden geben müssten und im
Hilfsmittelsektor die Versorgung mit ausreichenden, zweckmäßigen und in der Qualität
gesicherten Hilfsmitteln als Sachleistung gewährleistet sein müsse, so dass dann, wenn
- abgesehen von äußersten und eher zufälligen Ausnahmen - Versicherte, die Hilfsmittel
benötigten, diese nicht mehr als Sachleistung ohne Eigenbeteiligung beziehen könnten,
die festgesetzten Festbeträge nicht den Vorgaben der §§ 35, 36 SGB V entsprächen.
Jedoch sind diese Ausführungen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da im
Bereich der Beihilfe nicht das im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung
geltende Sachleistungsprinzip sondern vielmehr das Kostenerstattungsprinzip gilt, das
sich allein daran messen lassen muss, ob der Dienstherr der ihm obliegenden
Fürsorgepflicht nachgekommen ist. Dies ist vorliegend - wie ausgeführt - der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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