Urteil des VG Düsseldorf vom 07.04.2003
VG Düsseldorf: politische verfolgung, anerkennung, persönliche freiheit, drohende gefahr, flucht, christentum, wahrscheinlichkeit, haus, luftwaffe, einreise
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 9 K 3349/00.A
Datum:
07.04.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 3349/00.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Tatbestand:
1
Der am 23. März 1969 in Teheran geborene Kläger beantragte am 8. Februar 2000
seine Anerkennung als Asylberechtigter.
2
Bei seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung gab er an: Seine Ehefrau und Kinder
sowie sein Schwager hielten sich bereits in der Bundesrepublik Deutschland auf. Bei
seiner Ausreise aus dem Iran habe er Papiere (Entlassungspapiere aus der Armee,
Führerschein, Versicherungskarte, Personalausweis) zurücklassen müssen, weil die
Ausreise so plötzlich gekommen sei. Er habe in Teheran in der H-Str. / K Gasse 0 bis
Ende N gewohnt. Eineinhalb Monate vor der Ausreise habe er sich im Norden des Iran,
in Noshar, bis zum 16. Dey, einem Donnerstag, versteckt gehalten. Abends, nach
Mitternacht, seien sie nach Teheran gefahren. Von dort sei er gegen 8 Uhr am 17. Dey
mit einem Flugzeug der Iran Air ausgereist. Eingereist in die BRD sei er am 17. Dey.
Unter welchem Namen er gereist sei, wisse er nicht. In einem Kontrollhäuschen im
Flughafen habe man ihm auch einen Stempel in den Pass gedrückt. Den Pass habe
immer der Schlepper in Händen gehalten. Selbst wenn er den im Pass eingetragenen
Namen wüsste, könne er ihn nicht sagen, da er vielleicht noch mal für eine andere
Person gebraucht werde. 1353 sei er im Rang eines Gefreiten 2 in die Luftwaffe
eingetreten. Nach zwei Jahren sei er in den Rang eines Gefreiten 1 aufgestiegen. Bei
der Luftwaffe habe er sein Abitur nachgeholt. Entlassen worden sei er aus der Armee im
zweiten Monat des Jahres 1367. Er habe zwei Monate im Gefängnis gesessen, weil er
mit Kriegsverletzten gesprochen und diese gefragt habe, warum sie dort überhaupt
hingegangen seien. Solange seine Mutter bei der Luftwaffe gewesen sei, hätten sie ihm
nichts getan. Erst als seine Mutter nicht mehr dort gewesen sei, hätten sie ihn
festgenommen. Er sei damals zu sieben Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden.
Für politische Sachen gebe es ja normalerweise keine Bewährung. Aber seine Mutter
habe das bei der Luftwaffe irgendwie geregelt. Bei seiner Entlassung habe er gegen
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Unterschrift zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Haftstrafe bei einer weiteren
Strafverhängung um die seinerzeit verhängte Haftdauer erhöht würde, wenn er sich
noch einmal in irgendeiner Weise politisch betätige. Er sei auch darauf hingewiesen
worden, dass er sich nicht wundern dürfe, wenn er bei erneuter politischer Betätigung
die Todesstrafe erhalte. Während er bei der Armee noch über Politik diskutiert habe,
habe er nach seiner Entlassung seinen eigenen Weg gefunden, da sie ohnehin nur
Spielzeuge der ganzen Gruppierungen seien. Zunächst habe er sich erfolglos um einen
Job bemüht. Da er keinen gefunden habe, habe er eine Berufsausbildung zum
Heizungs-, Gas-, Wasserinstallateurs absolviert. Danach sei er selbstständig gewesen.
Er habe durchschnittlich ca. 400.000 Toman monatlich verdient. Er sei im Iran geblieben
als seine Ehefrau ausreist sei. Er habe damals nicht gewusst, dass sie schwanger
gewesen sei. Er habe auch gedacht, dass seine Frau zurückkommen könne, wenn die
Mullahs eines Tages weg seien. Auch habe er geglaubt, die Unschuld seiner Frau
beweisen zu können. Er selbst habe im Iran keine Probleme gehabt. Diese seien erst
durch seine Frau entstanden. Dessen Bruder sei im Gefängnis gewesen. Da die
Geschwister der Ehefrau das Haus der Eltern hätten verkaufen wollen, habe der
inhaftierte Bruder einen Tag Freigang bekommen, damit auch er den Notariatsvertrag
habe unterschreiben könne. Die Geschwister hätten dabei dem Gefangenen zur Flucht
verholfen. Deshalb hätten die Sicherheitskräfte immer seine Frau aufgesucht. Seine
Frau sei dann ins Gefängnis gekommen. Sein Haus und der Laden des Vaters seien als
Sicherheit nicht akzeptiert worden. Gegen Hinterlegung der Besitzurkunde des Hauses
des Vaters sei seine Ehefrau dann freigekommen. Das erste Mal als seine Frau
festgenommen worden sei, habe sein Vater die Besitzurkunde des Ladens hinterlegt,
weil sie sein - des Klägers - Haus nicht akzeptiert hätten. Der Laden sei viel mehr wert
gewesen. Als seine Ehefrau dann im Monat Tir das zweite Mal hinbestellt worden sei,
habe sie ohne Kinder kommen sollen. Als sie dort gewesen sei, sei die Besitzurkunde
wieder frei gegeben worden. Die Familie habe dann dafür ein sehr wertvolles Haus
seiner Mutter auf der Q Straße hinterlegt. Dieses Haus sei jetzt weg. Seine Ehefrau sei
dann geflüchtet. Die Sicherheitskräfte seien zu ihnen gekommen und hätten gefragt,
warum sie ihre Besitzurkunde hinterlegt hätten. Die Sicherheitskräfte hätten sich
sicherlich gedacht, dass er mit dem wegen politischer Aktivitäten geflohenen Bruder I
der Ehefrau bereits Kontakt gehabt habe, noch bevor dieser im Jahre 1368 ins
Gefängnis gekommen sei. Letztendlich hätten die Sicherheitskräfte nach seiner Ehefrau
bis zum 1. Monat des iranischen Jahres gesucht. Dann habe er das Haus verkauft und
habe sich bei seinen Großeltern bzw. bei seinem Vater aufgehalten. Er habe zwei Büros
in Teheran gehabt. Gearbeitet habe er überwiegend in seinem Hauptbüro am Platz J.
Dort sei nach ihm gesucht worden. Sie hätten sich zwar nicht zu erkennen gegeben.
Aber irgendwie habe seine Sekretärin das herausbekommen. Sie hätten sich auch nach
den Baustellen, auf denen seine Firma gearbeitet habe, erkundigt. Er selbst sei dann
immer nur noch kurz auf den Baustellen geblieben. Einmal seien sie mit einem
offiziellen Haftbefehl gekommen. Sie hätten dann alle Adressen, die dort eingetragen
gewesen seien, auch die aktuellen Adressen der Baustellen notiert und hätten dann auf
zwei Baustellen nach ihm gesucht. Nachdem er das Hauptbüro geschlossen gehabt
habe, seien Beamte gekommen und hätten dieses durchsucht und versiegelt. Er habe
danach Angst bekommen, verhaftet zu werden. Deshalb habe er seine Arbeitnehmer an
andere Arbeitgeber vermittelt und dann in seinem anderen Büro weitergearbeitet. Von
diesem Büro habe niemand, auch nicht seine Ehefrau Kenntnis gehabt. Dort habe man
ihn dann am 6. Aban (28.10.) festgenommen. Er habe sich telefonisch angekündigt
gehabt und sich dann eineinhalb bis zwei Stunden verspätet. Als er dort eingetroffen sei,
hätten bereits zwei Personen in seinem Büro gesessen. Er habe versucht zu fliehen.
Dies sei ihm jedoch nicht gelungen. Er sei von den Sicherheitskräften geschlagen
worden, weil er sich trotz Aufforderung nicht gemeldet gehabt habe und weil er versucht
habe zu fliehen. Dann hätten sie ihn mitgenommen. Er sei zur Straße N1 zum
Revolutionsgericht gebracht worden. Die Zellen seien im zweiten Untergeschoss. Die
Verhöre hätten im ersten Untergeschoss stattgefunden. Dort habe man ihn nach den
Gründen seines Verhaltens und nach seinen Verbindungen zu seinem Schwager
befragt und geschlagen. Er habe gesagt, seinen Schwager nicht zu kennen, was den
Tatsachen entspreche. Außerdem habe man ihm vorgehalten, dass er damals bereits
Probleme gemacht habe und jetzt schon wieder. Damals sei der N2
Parlamentspräsident gewesen. Dies sei ein Onkel seiner Mutter. Seine Mutter sei von
seinem Vater geschieden und erneut verheiratet. Ihr Mann sei damals Konsul in
Finnland gewesen. Man habe ihm bei den Verhören vorgehalten, dass damals N2 da
gewesen sei, um ihn frei zu bekommen, aber wer sei nun für ihn da. Er sei so
misshandelt worden, dass er eine Wunde am Kopf, den kleinen Finger kaputt und sein
rechtes Bein wohl auf Grund einer Verletzung der Bandscheibe nicht richtig habe
bewegen können. Eigentlich habe er zum Arzt gemusst, aber er sei nicht zum Arzt
gegangen, weil er Angst gehabt habe, dass man seinen Namen weitergebe. Montags
habe er dann nachgefragt. Sie hätten ihn zum Arzt bringen sollen. Am Nachmittag seien
dann zwei Leute gekommen, hätten ihm Handschellen angelegt und ihn zum Arzt
bringen wollen. (Im weiteren Verlauf der Anhörung trug der Kläger dann vor:) Samstags
und sonntags habe er den ganzen Tag geschrien, dass er zum Arzt wolle. Montags
habe er keine Kraft mehr zum Schreien gehabt. Nachmittags seien sie dann gekommen
und hätten ihn mit einem Krankenwagen abgeholt. Im Krankenwagen seien dann die
Handschellen wieder befestigt worden. Auf einer sehr breiten Straße in Teheran hätten
die Bewacher dann zu ihm gesagt, jetzt könne er den Wagen verlassen und weglaufen.
Es sei besser für ihn, wenn er das Land verlasse. Ein Stück weiter würde ein
Verwandter auf ihn warten. So sei es dann auch gewesen. Dann sei er in den Norden
gegangen, wo er sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten habe. Insgesamt sei er vier
Tage inhaftiert gewesen. ( Auf Vorhalt, die Zeitangaben könnten nicht stimmen, erklärte
der Kläger:) Er habe sich bei den Zeitangaben vertan. Er sei am 6. Aban festgenommen
und am 10. Aban entlassen worden. Er könne sich auch eineinhalb bis zwei Monate im
Norden aufgehalten haben. Nach seiner Einreise habe er sich noch einen Monat bei
seiner Ehefrau aufgehalten bevor er Asyl beantragt habe.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2000, zugestellt am 17. Mai 2000, lehnte das Bundesamt für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Anerkennung des Klägers als
Asylberechtigten ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG beim Kläger nicht vorliegen und forderte
diesen unter Androhung der Abschiebung in den Iran auf, die Bundesrepublik
Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach
unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen.
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Der Kläger hat am 30. Mai 2000 Klage erhoben und zu ihrer Begründung ergänzend
vorgetragen: Er habe Unterlagen über das Verfahren der Bürgschaftshinterlegung
bezüglich des Hausobjekts in der Q Straße vorgelegt. Ein Hinweis hierauf erscheine in
dem Bescheid des Bundesamtes jedoch nicht. Er sei zum christlichen Glauben
konvertiert. Der Kläger beantragt,
5
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 12. Mai 2000 und 30. November 2001 zu verpflichten,
ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen
des § 51 AuslG gegeben sind und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG
6
vorliegen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
7
die Klage abzuweisen.
8
Sie bezieht sich zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages auf den Inhalt der
angefochtenen Entscheidungen.
9
Der Kläger hat ein Schriftstück vorgelegt, welches nach der Übersetzung ein
Räumungsprotokoll der Ordnungsorgane ist und das anlässlich der Durchführung des
Urteils mit der Nummer 00000-000, ausgestellt von der Kammer 8 des Strafurteils des
Revolutionsstaatsanwalts vom 6. Juni 1999 erstellt worden sein soll. Außerdem hat der
Kläger ein als Haftbefehl bezeichnetes Schriftstück vorgelegt. Wegen dessen Inhalt wird
auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
10
Bezug genommen wird ferner auf die Taufbescheinigung, die der Kläger zum Beweis für
seinen Glaubensübertritt vorgelegt hat.
11
Das Gericht hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzend zu
seinem Verfolgungsschicksal angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des
Protokolls Bezug genommen.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Verfahrensakten 19 K 3737/99.A und 22 K 3794/99.A sowie den
beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Bundesamtes und der Ausländerbehörde
Bezug genommen.
13
Entscheidungsgründe:
14
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
15
Der Bescheid des Bundesamtes vom 12. Mai 2000 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
16
Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß
Art. 16 a GG.
17
Ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter scheitert bereits
deswegen, weil eine Einreise auf dem Luftweg nicht zur Überzeugung des Gerichts
dargetan und bewiesen ist (§ 26 a AsylVfG).
18
Für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ohne Kontakt zu einem sicheren
Drittstaat trägt der Asylsuchende die Darlegungs- und Beweislast mit der Folge, dass
das Asylgrundrecht ausgeschlossen ist, wenn auch unter Ausschöpfung aller zur
Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten offen ist, ob der Asylsuchende auf dem
Luft- oder Landweg ins Bundesgebiet gelangt ist,
19
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
19. August 1999 - 1 A 237/96.A -.
20
So liegt der Fall hier; der Kläger hat nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan, dass
er auf dem Luftweg eingereist ist.
21
Zwar hat der Kläger solches behauptet und Zeugenbeweis hierzu angekündigt.
Tatsächlich hat er aber weder die ladungsfähige Anschrift des Zeugen benannt noch
den Zeugen im Termin zur mündlichen Verhandlung präsentiert. Der Kläger muss sich
auch entgegenhalten lassen, dass er eindeutige Beweismittel wie Flugschein, Bordkarte
und eigenen Reisepass nicht dem Bundesamt vorgelegt hat. Für die Umstände der
Einreise gelten weder die Regeln der Beweiserleichterungen, wie sie für
Tatsachenbehauptungen mit Bezug zum Herkunftsstaat gelten, noch ist es
nachvollziehbar, dass jemand ausgerechnet die Unterlagen mit dem stärksten
Beweiswert nicht vorlegt, obwohl inzwischen in einschlägigen Kreisen bekannt sein
dürfte, dass die Einreise über einen sicheren Drittstaat der Asylanerkennung regelmäßig
entgegensteht, und obwohl kein Grund vorhanden ist, Belege über den Flug zu
beseitigen oder vorzuenthalten.
22
Ungeachtet dessen scheidet eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter auch
aus nachfolgenden Gründen aus:
23
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG - vormals Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG - genießen politisch
Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist, wem selbst - in seiner Person -
von seinem Heimatstaat gezielt intensive, ihn aus der übergreifenden Friedensordnung
des Staates ausgrenzende Rechtsverletzungen zugefügt worden sind oder unmittelbar
drohen, die in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale, d.h. aus Gründen, die allein in
seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in anderen,
unverfügbaren Merkmalen liegen, welche sein Anderssein prägen,
24
BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, in: DVBl. 1991, 531;
Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, in: BVerfGE 80, 315 (334 ff.);
Beschluss vom 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, in: - BVerfGE 76, 143 (157 f.);
Beschluss vom 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, in: BVerfGE 54, 341 (357 f.); BVerwG,
Urteil vom 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, in: BVerwGE 85, 139 (140 f.); Urteil vom 20.11.1990
- 9 C 74.90 -, in: InfAuslR 1991, 145 (146); jeweils zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F.,
25
Leib und Leben gefährden oder die persönliche Freiheit besonders beschränken.
26
Nach der Rechtsprechung des BVerfG setzt das Asylgrundrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG
nach seinem historischen und völkerrechtlich vorgeprägten, vom Verfassungsgeber
übernommenen Gewährleistungsinhalt grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang
zwischen Verfolgung, Flucht und Asyl voraus,
27
BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, in: BVerfGE 80, 315 (344), zu
Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F..
28
Es ist - auch nach seiner humanitären Intention - darauf gerichtet, nur dem in einer für
ihn ausweglosen Lage vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu
gewähren. Dabei steht der eingetretenen Verfolgung die unmittelbar drohende Gefahr
der Verfolgung gleich,
29
BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991, a.a.O. zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F.
30
Wer in diesem Sinne politisch verfolgt ist, genießt Asylrecht, es sei denn, dass bei einer
Rückkehr des Asylsuchenden in diesen Staat eine Wiederholung von
Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wäre,
31
BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 -, in: BVerfGE 54, 341,
32
wovon erst ausgegangen werden kann, wenn an der Sicherheit des Asylsuchenden vor
abermals einsetzender Verfolgung keine ernsthaften Zweifel bestehen,
33
so BVerwG, Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 237.80 -, in: Buchholz, Sammel- und
Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 402.24 § 28
AuslG Nr. 27.
34
Dabei obliegt es im Anerkennungsverfahren aber dem Asylbewerber, die Gründe für
seine Verfolgungsfurcht unter Angabe genauer Einzelheiten in schlüssiger Form
darzulegen. Das Gericht muss die volle Überzeugung sowohl von der
Wahrscheinlichkeit des behaupteten Verfolgungsschicksals als auch von der Richtigkeit
der zu treffenden Verfolgungsprognose erlangen,
35
BVerwG, Urteil vom 20.11.1990, a.a.O.; Urteil vom 05.11.1991 - 9 C 118.90 -.
36
Bei Tatbeständen, die erst nach dem Verlassen des Heimatstaates entstehen und eine
Verfolgungsgefahr begründen (sog. Nachfluchttatbestände), kann die nach der
humanitären Intention des Art. 16 a Abs. 1 Satz 1 GG auf Gewährung von Zuflucht und
Schutz bei Flucht aus auswegloser Lage gerichtete Asylverbürgung hingegen
tatbestandlich nicht vorliegen. Eine Erstreckung des Asylgrundrechts auf solche
Nachfluchttatbestände kann deshalb nur in Frage kommen, wenn sie nach dem Sinn
und Zweck der Asylverbürgung gefordert ist.
37
Unter diesem Gesichtspunkt ist für sog. objektive Nachfluchttatbestände, die durch
Vorgänge oder Ereignisse unabhängig von der Person des Asylbewerbers ausgelöst
werden, eine Asylrelevanz in Betracht zu ziehen, wenn dem aus anderen Gründen in
der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Asylbewerber für den Fall seiner
Rückkehr ins Heimatland Verfolgung droht. Bei solchen objektiven
Nachfluchttatbeständen fehlt zwar der kausale Zusammenhang zwischen Verfolgung
und Flucht, weil eine Flucht im eigentlichen Sinne gar nicht vorliegt. Aber es liefe im
Sinn und Zweck der Asylgewährleistung und auch ihrer humanitären Intention zuwider,
in solchen Fällen die Asylanerkennung zu versagen: Die Verfolgungssituation ist ohne
eigenes (neues) Zutun des Betroffenen entstanden; es erschiene unzumutbar, ihn
zunächst in das Verfolgerland zurückzuschicken und ihm das Risiko aufzubürden, ob er
der ihm widerfahrenden Verfolgung entfliehen und so die bislang nicht gegebene Flucht
nachholen und damit die Asylanerkennung erreichen kann,
38
vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, in: BVerfGE 74, 51, 64 f.
39
Auch bei subjektiven Nachfluchttatbeständen, die der Asylbewerber nach Verlassen des
Heimatstaates aus eigenem Entschluss geschaffen hat, fehlt es an dem kausalen
Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht. Ihre Anerkennung als Asylgrund im
Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG kann daher nur für Ausnahmefälle in Frage kommen, an
die - im Hinblick auf Schutzbereich und Inhalt der Asylrechtsgarantie - ein besonders
strenger Maßstab anzulegen ist,
40
BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, a.a.O., S. 344.
41
Hieraus ergibt sich als allgemeine - nicht notwendig abschließende - Leitlinie, die im
Hinblick auf die verschiedenen Fallgruppen selbstgeschaffener Nachfluchttatbestände
näher zu präzisieren ist, dass eine Asylberechtigung in aller Regel nur dann in Betracht
gezogen werden kann, wenn die selbstgeschaffenen Nachfluchttatbestände sich als
Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthaltes im Heimatstaat
vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstellen, mithin als
notwendige Konsequenz einer dauernden, die eigene Identität prägenden und nach
außen kundgegebenen Lebenshaltung erscheinen. Dabei ist sowohl in materieller
Hinsicht als auch für die Darlegungslast und die Beweisanforderungen ein strenger
Maßstab anzulegen,
42
vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, in: BVerfGE 74, 51, 66,
43
was bedingt, dass dem Asylsuchenden bei einer Rückkehr in sein Heimatland bei
verständiger, objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohen muss.
44
In Anwendung dieser Maßstäbe und in Würdigung der in das Verfahren eingeführten
Erkenntnisse sowie des gesamten Vorbringens des Klägers ist der Einzelrichter zu der
Überzeugung gelangt, dass der Kläger die tatsächlichen und rechtlichen
Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anspruchs auf Asyl nicht erfüllt.
45
Zunächst hat der Kläger keine gezielt gegen seine Person gerichtete politische
Verfolgungsmaßnahme offizieller iranischer Stellen plausibel dargetan. So ist das
Vorbringen des Klägers zunächst in folgenden Punkten widersprüchlich: So hat er beim
Bundesamt zunächst angegeben, dass ihm bei der Luftwaffe solange nichts passiert sei,
wie seine Mutter dort beschäftigt gewesen sei. Erst als seine Mutter nicht mehr dort
gewesen sei, hätten sie ihn festgenommen. Später heißt es dann: Er sei damals zu
sieben Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Für politische Sachen gebe es ja
normalerweise keine Bewährung. Aber seine Mutter habe das bei der Luftwaffe
irgendwie geregelt. Diese Darstellungen schließen sich gegenseitig aus. Während er
zunächst beim Bundesamt erklärte, dass seine Ehefrau bei der ersten Inhaftierung
gegen Hinterlegung der Besitzurkunde des Hauses des Vaters freigekommen sei, sagte
er wenig später aus, dass sein Vater die Besitzurkunde des Ladens als Sicherheit
hinterlegt habe. Völlig widersprüchlich sind die Einlassungen des Klägers zu seiner
Forderung, aus der Haft ins Krankenhaus gebracht zu werden. Hierzu trug er zunächst
vor, so misshandelt worden zu sein, dass er eigentlich zum Arzt gemusst habe. Er sei
aber nicht zum Arzt gegangen, weil er Angst gehabt habe, dass man seinen Namen
weitergebe. Erst am Montag habe er dann nachgefragt. Erst am Nachmittag seien dann
zwei Leute gekommen, die ihn zum Arzt hätten bringen wollen. Später schilderte er die
Ereignisse hingegen so: Er habe samstags und sonntags den ganzen Tag geschrien,
dass er zum Arzt wolle. Montags habe er dann keine Kraft mehr zum Schreien gehabt.
Erst nachmittags sei er dann abgeholt worden.
46
Unglaubhaft ist das Vorbringen neben diesen Widersprüchen auch deshalb, weil es den
Eindruck erweckt, dass der Kläger nicht von tatsächlich Erlebten berichtet. Auf Vorhalt,
dass seine Zeitangaben nicht stimmten, korrigierte sich der Kläger im Wesentlichen
dahingehend, dass er entgegen seiner zuvor getätigten Angabe, sich vor seiner
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Ausreise eineinhalb Monate im Norden des Iran aufgehalten zu haben, sich auch zwei
Monate im Norden aufgehalten haben könne. Obgleich er wegen schwerer
Verletzungen aus einer Haft zum Krankenhaus hätte gebracht werden müssen, will er
den Krankenwagen dann verlassen haben und weggelaufen sein. Selbst wenn ihm dies
auf Grund seiner angeblichen Verletzungen noch möglich gewesen sein sollte, hätte es
doch zumindest einer nachfolgenden Behandlung dieser Verletzungen bedurft. Von
einer solchen berichtet der Kläger jedoch nicht.
Auch die vom Kläger vorgelegten Urkunden vermögen sein Vorbringen nicht zu stützen.
Im vorgelegten Räumungsurteil ist von einem Strafurteil des Revolutionsstaatsanwaltes
vom 16. März 1378 (6. Juni 1999) die Rede. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen
Amtes vom 22. Dezember 1997 wurden mit dem Gesetz zur Errichtung von allgemeinen
und Revolutionsgerichten vom Juli 1994 alle Revolutionsstaatsanwaltschaften
abgeschafft. Das Gesetz sah eine Umsetzungsfrist von fünf Jahren vor. Bis zu diesem
Zeitpunkt sollten die alten Zuständigkeits- und Verfahrensregeln parallel zu den neuen
Regelungen so angewandt werden, dass in einem bestimmten Gerichtsbezirk entweder
nach den alten oder nach den neuen Vorschriften verfahren wurde. In Teheran fanden
bereits seit Mai 1995 die neuen Regelungen Anwendung.
48
Der Haftbefehl weist Fälschungsmerkmale auf. So sind die Stempel rechts unten,
einschließlich Teile der Paraphe in die Urkunde hineinkopiert worden. Die restliche Teil
der Paraphe wurde nachgezeichnet. Der Text des Haftbefehls enthält erhebliche
syntaktische und grammatikalische Fehler.
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Darüber hinaus hat der Kläger auch nichts vorgetragen, aus dem auf ein
Verfolgungsinteresse bzw. Interesse an seiner Habhaftwerdung aus politischen
Gründen seitens der iranischen Behörden geschlossen werden kann. Der Kläger hat
noch in der mündlichen Verhandlung erklärt, im Iran keine Schwierigkeiten aus
politischen Gründen gehabt zu haben. Ein Teil seiner und der Geschwister seiner
Ehefrau leben im Iran unbehelligt. Es wäre nicht verständlich, warum die
Sicherheitskräfte gerade den Kläger festnehmen wollten, nur um über ihn an seine
Ehefrau und über diese sodann an den Bruder der Ehefrau heranzukommen.
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Dem Kläger stehen als politisch unverfolgt ausgereiste Person auch nicht objektive oder
subjektive Nachfluchtgründe zur Seite, die nach Sinn und Zweck der
Asylrechtsbegründung eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG
gebieten.
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Der Kläger hat exilpolitische Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland nicht
entwickelt.
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Auch seine Konversion zum christlichen Glauben sowie die Asylantragstellung selbst
rechtfertigen eine Anerkennung des Klägers nicht.
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Die Konversion zum christlichen Glauben erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland.
Hier ließ sich der Kläger am 27. August 2000 taufen. Es ist von ihm nicht vorgetragen,
dass dieser Schritt bereits seinen Ursprung zu einer Zeit hatte, als er sich noch im Iran
aufhielt. Es sind auch keine Ereignisse aus dem Iran geschildert, die einen solchen
Schritt nahe legten. Bezüglich dieses Nachfluchtgrundes ist jedenfalls auffällig, dass der
Kläger zwar erwähnt, sich habe taufen lassen, jedoch nicht seine Vorbereitung auf
dieses Sakrament schildert. Nach seinen Angaben unterhält der Kläger heute nur
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sporadischen Kontakt zu Christen und zur evangelischen Kirche in der Dstraße in E.
Letztmalig will er eine dieser Versammlungen christlicher Iraner vor Weihnachten 2002
besucht haben. Weihnachten selbst will er eine Kirche zum stillen Gebet aufgesucht
haben. Damit hat der Kläger jedenfalls nur innerhalb einer sehr eingeschränkten
Öffentlichkeit seinen Glauben gelebt. Es daher bereits fraglich, ob Stellen des
iranischen Staates bisher überhaupt von seinem Glaubenswechsel Kenntnis erlangt
haben.
Zudem lässt sich aus dem Übertritt des Klägers zum Christentum ohnehin eine
hinreichende Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht herleiten. Zwar gilt insoweit
allgemein: Der Abfall vom (islamischen) Glauben (Apostasie) ist zwar nicht im
(staatlichen) iranischen Strafrecht unter Strafe gestellt, wird aber - zurückgehend
insbesondere auf Khomeini - als „Hochverrat" behandelt, weil nach islamischer
Vorstellung kein Unterschied zwischen Staat und Glaubensgemeinschaft besteht,
sodass ein männlicher Konvertit hinzurichten ist, wenn ein entsprechendes
Rechtsgutachten eines hochrangigen Mullahs vorliegt, welches dann die Grundlage für
die Gefolgsleute dieses Mullahs ist, um den Betroffenen töten zu dürfen.
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Vgl. hierzu Nds. OVG, Urteil vom 26.10.1999 - 5 L 3180/99 -, S. 17 f. der
Urteilsausfertigung, m.w.N.
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Nach der Verfassungswirklichkeit im Iran hätte der Beigeladene wegen seines Übertritts
vom Islam zum christlichen Glauben (Apostasie) aber nur dann politische Verfolgung zu
befürchten, wenn er bisher über den verfassungsrechtlich geschützten Bereich des
religiösen Existenzminimums hinaus nach außen erkennbar und nachhaltig mit Erfolg
eine missionarische Tätigkeit in herausgehobener Position entfaltet hätte oder eine
solche bei einer Rückkehr in den Iran entfalten würde.
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So die st. Rspr. des OVG NRW, Beschlüsse vom 03.08.1998 - 9 A 1496/98.A - , vom
29.05.1996 - 9 A 4428/95.A - und vom 22.08.1997 - 9 A 3289/97.A -; ähnlich Bayer.
VGH, Beschlüsse vom 05.03.1999 - 19 ZB 99.30678 - und vom 25.04.1996 - 19 AA
96.30865 -; Nds. OVG, a.a.O.; OVG Schl.-H., Beschluss vom 09.02.00 - 2 L 238/98 -.
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So hat das Auswärtige Amt in einer Auskunft vom 13. Juli 1999 an das VG Regensburg
ausgeführt, nach dem kodifizierten iranischen Strafrecht gebe es keine gesetzlichen
Vorschriften, die den Übertritt vom Islam zum Christentum unter Strafe stellten.
Allerdings könne der Abfall vom islamischen Glauben nach dem Koran von jedem
Moslem verfolgt werden. Der iranische Staat ergreife also selbst keine Maßnahmen,
toleriere jedoch inoffiziell entsprechende Repressalien durch fanatische Moslems.
Voraussetzung für die Gefährdung eines Konvertierten sei jedoch, dass die Konversion
zum Christentum den iranischen Stellen bekannt sei und diese auch ein Interesse an
dem Betreffenden hätten. Nach den dortigen Erfahrungen führten erst ein in der
iranischen Öffentlichkeit vorgetragenes Bekenntnis oder vor allem missionarische
Tätigkeiten zu einer Gefährdung, wobei eine Prognose der Reaktion nicht möglich sei.
Es seien Fälle bekannt, bei denen konvertierte Moslems problemlos im Iran leben
könnten, in anderen Fällen wiederum seien Konvertierte hart bestraft worden. Dabei
spiele es keine Rolle, ob die Betreffenden erst in Deutschland Mitglied einer christlichen
Gemeinde geworden seien. Diese Einschätzung ergibt sich auch aus dem Lagebericht
des Auswärtigen Amtes vom 18. April 2001 (S. 18), wonach die traditionell im Iran
vertretenen armenischen Christen und Zoroastrier in die Gesellschaft integriert und
keinerlei staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt seien. Auch diejenigen
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anderen christlichen Kirchengemeinden, die ihre Arbeit ausschließlich auf die
Angehörigen der eigenen Religion beschränkten, würden vom Staat nicht systematisch
behindert. Demgegenüber seien der Gefahr staatlicher Verfolgung Mitglieder solcher
religiöser Minderheiten, denen zum Christentum konvertierte Moslems angehörten,
ausgesetzt, die selbst Missionierungsarbeit betrieben. Eine solche Gefahr bestehe für
alle missionierenden Christen, egal, ob geborene oder konvertierte. Dabei richteten sich
diese Maßnahmen bisher aber ganz überwiegend gezielt gegen Kirchenführer und
solche, die in der Öffentlichkeit besonders aktiv seien, nicht aber gegen einfache
Gemeindemitglieder. Bei einem Übertritt im Ausland sei die Gefahr einer Verfolgung im
Iran wesentlich geringer, weil den iranischen Behörden überhaupt bekannt werden
müsse, dass die betreffende Person konvertiert sei (vgl. hierzu auch Auswärtiges Amt,
Auskunft vom 7. Mai 2001 an VG Regensburg) und sich gegenüber anderen
ausdrücklich zum Christentum bekenne. Zudem bestehe auch für diesen Personenkreis
eine echte Gefährdung nur dann, wenn er sich aktiv nach außen zum Christentum
bekenne und insbesondere missionarisch tätig werde. Nach allem geht auch das
erkennende Gericht davon aus, dass die Gefahr staatlicher Verfolgung, wie im
Lagebericht des Auswärtigen Amtes ausgeführt, nur für den Fall angenommen werden
kann, dass Christen, unabhängig davon, ob es sich um geborene oder konvertierte
handelt, Missionierungsarbeit betreiben. Die in diesem Zusammenhang geschilderten
Beispielsfälle weisen darüber hinaus lediglich Pfarrer oder allgemein Priester, also
Repräsentanten der christlichen Gemeinden, als Opfer von Gewalttaten aus, sodass
auch die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Missionierungsarbeit den jeweiligen
Apostaten aus der Gruppe der einfachen Gemeindemitglieder herausheben muss, um
als Objekt von Gewaltmaßnahmen überhaupt in Betracht zu kommen. Diese Annahme
wird durch die Ausführungen des Auswärtigen Amtes in dem genannten Lagebericht
ausdrücklich bestätigt, wonach sich die staatlichen Verfolgungsmaßnahmen bisher
ganz überwiegend gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders aktive,
nicht aber gegen einfache Gemeindemitglieder gerichtet hätten. Eine hiernach über den
schlichten Übertritt zum Christentum hinausgehende herausragende missionarische
Tätigkeit kann im Falle des Klägers aber gerade nicht festgestellt werden.
Auch die Asylantragstellung führt nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer
politischen Verfolgung (des Klägers) im Iran,
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so auch OVG NW, Beschluss vom 16.04.1999 - 9 A 5338/98.A -; OVG NW, Urteil vom
30.04.1992 - 16 A 1193/91.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.10.1992 - A 14
S 725/91 -.
61
So führt das Deutsche Orient-Institut in seinem Gutachten vom 19. Juli 1989 an das VG
Bremen aus, dass die iranischen Behörden wussten und auch heute wissen, dass in
Folge der ausländerrechtlichen Lage in Westeuropa die Stellung eines Asylantrags
häufig die einzige Möglichkeit ist, eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen (ebenso
Deutsches Orient-Institut vom 7. Dezember 1992 an VG Würzburg und vom 28. August
1992 an VG Kassel). Auch das Auswärtige Amt berichtet in seinen Lageberichten, es
könne davon ausgegangen werden, dass den iranischen Behörden bekannt sei, dass
die überwiegende Zahl der iranischen Asylbewerber lediglich aus unpolitischen
Gründen versuche, in Deutschland mittels einer Asylantragstellung einen dauernden
Aufenthalt zu erreichen. Auch das Diakonische Werk Stuttgart kommt in seiner Auskunft
vom 2. Januar 1992 an das VG Schleswig zu dem Ergebnis, dass die Tatsache der
Asylantragstellung allein kaum Verfolgungsmaßnahmen nach sie ziehe, wenn es
gelinge, die Verhörperson davon zu überzeugen, dass die Asylantragstellung
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ausschließlich der Umgehung der ausländerrechtlichen Bestimmungen der
Bundesrepublik Deutschland gedient habe. Für die Richtigkeit dieser Auffassung gibt
der Kläger selbst ein Beispiel. Nachdem er im Jahre 1995 in den Iran zurückgekehrt
war, ist er keiner politischen Verfolgung ausgesetzt gewesen, obgleich er sich bereits
vor seiner Rückkehr in Deutschland bei Demonstrationen und anderen Veranstaltungen
als Monarchist zu erkennen gegeben hatte und die Sicherheitskräfte hiervon nach
seinen Angaben ein Videoband besessen haben sollen.
Im Hinblick auf das bisher Gesagte vermag das Gericht schließlich auch bei einer
Gesamtwürdigung aller vom Kläger vorgetragenen Umstände eine
Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran nicht zu erkennen.
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Die Klage hat auch keinen Erfolg, soweit der Kläger die Feststellung nach § 51 Abs. 1
AuslG begehrt.
64
Da die Voraussetzungen des Asylbegehrens nach Art. 16 a Abs. 1 GG und des
Feststellungsanspruchs nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Verfolgungshandlung,
des geschützten Rechtsgutes und des politischen Charakters der Verfolgung
deckungsgleich sind,
65
vgl. Urteil des BVerwG vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -; Urteile des OVG NW vom
30. April 1992 - 16 A 1193/91.A - und vom 4. Juni 1992 - 16 A 2543/91.A -,
66
gelten die eingangs der Entscheidungsgründe genannten Grundsätze zur Annahme
einer politischen Verfolgung in gleicher Weise, und zwar auch hinsichtlich des
anzulegenden Maßstabes der beachtlichen Wahrscheinlichkeit,
67
vgl. Beschluss des BVerwG vom 13. August 1990 - 9 B 100.90 -, NVwZ-RR 1991, 215
zur gleich lautenden Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a.F.
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Der Kläger hat des Weiteren keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten auf
Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Denn ungeachtet der
Frage, ob im Rahmen der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG
sowohl verfolgungsunabhängige als auch verfolgungsabhängige, d.h. im Rahmen des
Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. § 51 Abs. 1 AuslG bereits berücksichtigte bzw. zu
berücksichtigende Umstände, eine Rolle spielen können,
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vgl. OVG NW, Beschluss vom 9. Oktober 1992 - 18 E 955/92.A -; BVerfG, Beschluss
vom 3. April 1992 - 2 BvR 1837/91 -,
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scheitert ein solcher Anspruch bereits daran, dass es - wie oben näher ausgeführt - an
einem glaubhaften oder verfolgungsrelevanten Vortrag des Klägers fehlt und er damit
auch nicht glaubhaft dargelegt hat, dass ihm die in § 53 AuslG genannten Gefahren bei
einer Abschiebung in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
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Auch die auf Aufhebung von Ziffer 4 des angegriffenen Bescheides gerichtete Klage ist
unbegründet, weil diese rechtlich nicht zu beanstanden ist und der Kläger dadurch nicht
in seinen Rechten verletzt wird. Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung
beruhen auf §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit §§ 50, 51 Abs. 4 AuslG.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
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