Urteil des VG Düsseldorf vom 15.08.2001

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, veranstaltung, verfügung, aufsichtsbehörde, sonntag, vollziehung, interessenabwägung, ausnahme, besucher

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 L 2138/01
Datum:
15.08.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 2138/01
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 4640/01 wird hinsichtlich der
in dem Bescheid des Antragsgegners vom 8. August 2001 in Ziffern II.,
III. und IV. getroffenen Regelungen wiederhergestellt. Im Übrigen wird
der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu drei Vierteln
und der Antragsgegner zu einem Viertel.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 DM festgesetzt.
Gründe:
1
Der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 4640/01 gegen den Bescheid des
Antragsgegners vom 8. August 2001 wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige
Vollziehung aufzuheben,
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hat im Wesentlichen keinen Erfolg.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffern I. und II. des Bescheides vom 8.
August 2001 ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat diese
Anordnung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise
begründet. Er hat hierzu darauf abgestellt, dass anderenfalls eine rechtswidrige
Veranstaltung stattfinden würde, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Nachahmung finden
würde. Diese Begründung entspricht zwar im Wesentlichen der Begründung des
angefochtenen Bescheides selbst, doch ist dies angesichts der Zeitgebundenheit der
geplanten Veranstaltung nicht zu beanstanden. Weiterer Ausführungen zur
Eilbedürftigkeit der Angelegenheit bedurfte es angesichts der anderenfalls drohenden
Erledigung durch Zeitablauf nicht.
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In der Sache kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des
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Rechtsmittels in der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nach übereinstimmender
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dann in Betracht, wenn die angefochtene
Maßnahme offensichtlich rechtswidrig ist oder wenn auf Grund einer Abwägung das
Interesse des Antragstellers an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme
gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung vorrangig zu
bewerten ist.
Hinsichtlich der in Ziffer I. des Bescheides vom 8. August 2001 getroffenen Regelung
liegen diese Voraussetzungen nicht vor.
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Der Bescheid des Antragsgegners ist insoweit nicht offensichtlich rechtswidrig; vielmehr
spricht auf der Grundlage des dem Gericht vorgetragenen Sach- und Streitstandes
vieles dafür, dass er sich im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen wird. Bei der
hier allein möglichen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die
rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der Verfügung insoweit gegeben sind.
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Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 119 Abs. 1 Satz Gemeindeordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen (GO NW). § 119 GO NW regelt das Beanstandungs- und
Aufhebungsrecht gegenüber Rats- und Ausschussbeschlüssen. Nach § 119 Abs. 1 Satz
1 GO NW kann die Aufsichtsbehörde den Bürgermeister anweisen, Beschlüsse des
Rates und der Ausschüsse, die das geltende Recht verletzen, zu beanstanden. Gemäß
§ 119 Abs. 1 Satz 2 GO NW kann sie solche Beschlüsse nach vorheriger Beanstandung
durch den Bürgermeister und nochmaliger Beratung im Rat oder Ausschuss aufheben.
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Formelle Mängel der auf der Grundlage dieser Bestimmung ergangenen Verfügung sind
nicht erkennbar. Der Antragsgegner war für den Erlass der angegriffenen
Aufhebungsverfügung zuständig, da er nach § 117 Abs. 1 GO NW die allgemeine
Aufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden führt. Der in Form einer
Dringlichkeitsentscheidung ergangene Beschluss des Rates der Antragstellerin vom 31.
Juli 2001 war durch den Bürgermeister der Antragstellerin unter dem 7. August 2001
beanstandet worden. Der Rat hat hierüber am 7. August 2001 beraten und die
Beanstandung zurückgewiesen.
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Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 8. August
2001 hinsichtlich seiner Ziffer I. auch materiell rechtmäßig ist, weil der Ratsbeschluss
vom 31. Juli 2001 über die Öffnung der Verkaufsstellen am xxxxxxxxxx 2001 in der Zeit
zwischen 0 Uhr und 5 Uhr anlässlich der sog. "xxxxxxxxx" in xxx xxxxxxx geltendes
Recht, namentlich § 14 Gesetz über den Ladenschluss (LadschlG), verletzt.
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Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LadschlG dürfen Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten,
Messen oder ähnlichen Veranstaltungen abweichend von der Vorschrift des § 3 Abs. 1
(Satz 1) Nr. 1 LadschlG an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet sein.
Diese Tage werden nach § 14 Abs. 1 Satz 3 LadschlG von den Landesregierungen oder
den von ihnen bestimmten Stellen durch Rechtsverordnung freigegeben. Der Zeitraum
der Offenhaltung darf nach § 14 Abs. 2 Satz 3 LadschlG fünf zusammenhängende
Stunden nicht überschreiten, muss spätestens um achtzehn Uhr enden und soll
außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes liegen.
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Die von der Antragstellerin in dem aufgehobenen Ratsbeschluss zugelassene Öffnung
der Verkaufsstellen am Sonntag, dem xxxxxxxxxx 2001, zwischen 0 Uhr und 5 Uhr wird
von § 14 LadschlG jedoch - bei der nur möglichen summarischen Prüfung - nicht
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gedeckt. Zwar enthält § 14 LadschlG keine ausdrückliche Regelung zu dem
frühestmöglichen Beginn einer ausnahmsweise am Sonntag möglichen Ladenöffnung.
Dies dürfte aber nicht als Zulassung von Öffnungszeiten vor 6 Uhr zu verstehen sein.
§ 14 LadschlG regelt eine Ausnahme zu den in § 3 LadschlG festgelegten allgemeinen
Ladenschlusszeiten. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LadschlG müssen Verkaufsstellen an
Sonn- und Feiertagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein.
Von montags bis freitags müssen Verkaufsstellen regelmäßig vor 6 Uhr und nach 20
Uhr geschlossen sein (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LadschlG) und samstags vor 6 Uhr und
nach 16 Uhr (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LadschlG). Weitere Sonderregelungen hinsichtlich
des Endes der möglichen Öffnungszeiten bestehen für die vier Samstage vor dem 24.
Dezember und für den 24. Dezember selbst (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4, 5 LadschlG). Eine
abweichende Regelung zu dem frühestmöglichen Beginn der Ladenöffnungszeiten
enthält § 3 Abs. 1 Satz 2 LadschlG für Verkaufsstellen für Bäckerwaren, die ab 5.30 Uhr
geöffnet sein dürfen. Weitere Ausnahmen zu diesen allgemeinen Ladenschlusszeiten
enthalten §§ 4 bis 16 LadschlG, wobei der Umfang der zulässigen Abweichungen
unterschiedlich geregelt ist.
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Die Regelung der Ladenschlusszeiten ist hiernach dadurch gekennzeichnet, dass -
abgesehen von ausdrücklich geregelten Ausnahmen für bestimmte Verkaufsstellen -
deren allgemeine Öffnung vor 6 Uhr nicht zulässig ist. Auch die Öffnungsklausel des §
16 LadschlG betrifft lediglich die Möglichkeit der Verlängerung der samstäglichen
Ladenöffnungszeiten in den Abend hinein. Eine allgemeine Möglichkeit, die
Ladenöffnungszeiten zwischen Montag und Samstag auf einen Zeitpunkt vor 6 Uhr,
jedenfalls aber vor 5.30 Uhr, vorzuverlegen, sieht das Ladenschlussgesetz ausdrücklich
nicht vor.
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Damit spricht alles dagegen, dass § 14 LadschlG eine solche Möglichkeit im Falle einer
zudem nur ausnahmsweise möglichen Sonntagsöffnung zulässt. Hiergegen dürfte
schon sprechen, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 LadschlG zwar eine Abweichung von § 3 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 LadschlG zulässt, nicht aber von den übrigen Bestimmungen in § 3 Abs. 1
LadschlG,
16
so ausdrücklich auch Schunder, in: Stober (Hrsg.), Ladenschlussgesetz, 4. Aufl. 2000, §
14 Rdn. 7,
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deren Charakter als allgemeine Ladenschließungszeiten es nahe legt, sie subsidiär
auch für den Rahmen möglicher Ausnahmeregelungen heranzuziehen, soweit diese
keine spezielleren Regelungen enthalten.
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Gegen die Zulassung von Öffnungszeiten vor 6 Uhr an einem Sonntag spricht ferner,
dass das Ladenschlussgesetz die für bestimmte Verkaufsstellen eröffnete Möglichkeit
auch der Nachtöffnung wie etwa in § 4 LadschlG für Apotheken und in § 6 LadschlG für
Tankstellen stets durch die Formulierung "während des ganzen Tages" kennzeichnet,
eine solche Formulierung in § 14 LadschlG aber fehlt. Ferner dürfte der Zulassung von
Nachtöffnungszeiten über § 14 LadschlG entgegenstehen, dass auch im Rahmen der
Öffnungsklausel in § 10 LadschlG für Kur- und Erholungsorte, die ebenfalls keine
Regelung zur frühestmöglichen Öffnungszeit enthält, die Ausnahmewirkung auf § 3 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 und 3 LadschlG beschränkt ist. Damit aber ist nicht nur eine abweichende
Regelung von montags bis freitags ausgeschlossen, sondern dürfte auch eine
Abweichung von den in § 3 Abs. 1 Satz 1 LadschlG im Übrigen geregelten
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Ladenschließungszeiten unzulässig sein.
Ebenso wohl Müller, in: Stober, a.a.O., § 10 Rdn. 8.
20
Gegen die Annahme, § 14 LadschlG eröffne die Möglichkeit, am Sonntag
ausnahmsweise auch eine Nachtöffnung zuzulassen, steht ferner die Zielrichtung des
Ladenschlussgesetzes. Es soll die Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen für
Arbeitnehmer in Verkaufsstellen durch kontrollfähige Regelungen sichern, das
Verkaufspersonal insbesondere vor überlangen Arbeitszeiten schützen und ihm ein
weitgehend zusammenhängendes Wochenende gewährleisten. An diesem
ursprünglichen Normzweck hat sich auch durch die zwischenzeitlichen Änderungen und
den Erlass des Arbeitszeitgesetzes im Jahre 1994 nichts geändert.
21
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. Dezember 1998 - 1 CN 1/98 -, NJW
1999, 1567; ebenso Müller, in: Stober, a.a.O., Einführung, Rdn. 36 ff.
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Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung, namentlich der Gewährleistung eines
möglichst zusammenhängenden Wochenendes, wäre es wertungswidersprüchlich,
hielte man eine Nachtöffnung zwar von Montag bis Samstag für unzulässig,
ausgerechnet für den Sonntag über § 14 LadschlG aber ausnahmsweise für möglich.
Damit würde der nach der Grundkonzeption des Ladenschlussgesetzes gegenüber den
übrigen Wochentagen durchweg erhöhte Schutz des Sonntags (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, §§ 10, 11 und 12 LadschlG) unterlaufen.
23
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Sonntagsschutz in anderen Bestimmungen,
etwa in dem Gesetz über die Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz NW), schwächer
ausgeprägt sein mag, wie die Antragstellerin geltend macht. Das Ladenschlussgesetz
regelt den Sonntagsschutz für Arbeitnehmer in Verkaufsstellen abschließend.
Einschränkungen des Sonntagsschutzes im Übrigen, die auf anderen, zumal
landesgesetzgeberischen Erwägungen beruhen, sind deshalb für die Auslegung des
Ladenschlussgesetz ohne Aussagekraft.
24
Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob die Verkaufsstelleninhaber, wie
die Antragstellerin vorträgt, in zulässiger Weise an Stelle der Ladenöffnung
Verkaufsstände errichten könnten. Dabei kann dahinstehen, ob diese Verkaufsstände
nicht ebenfalls dem Regelungsbereich des Ladenschlussgesetzes unterfallen,
namentlich im Hinblick auf § 20 LadschlG. Sollte dies der Fall sein, gelten die
bisherigen Ausführungen auch für diese Verkaufsform. Anderenfalls käme das
Ladenschlussgesetz nicht zur Anwendung, so dass sich aus der etwaigen Zulässigkeit
solcher Stände keine Folgerungen für dessen Auslegung ergäben.
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Diesen Erwägungen kann auch nicht entgegengehalten werden, dass bei
Zugrundelegung dieser Auslegung § 14 Abs. 2 Satz 3 LadschlG dazu führen würde,
dass die Öffnung generell nur zwischen 11 Uhr und 18 Uhr möglich wäre und der
Gesetzgeber dies, hätte er dies gewollt, unmittelbar gesagt hätte. Zwar gilt in Nordrhein-
Westfalen nach § 5 Abs. 1 Satz 4 Feiertagsgesetz NW als Hauptzeit des Gottesdienstes
die Zeit von 6 bis 11 Uhr. Diese landesrechtliche Definition der Hauptgottesdienstzeit ist
für die Auslegung des Ladenschlussgesetzes als Bundesgesetz jedoch ohne Belang.
Insbesondere kann aus ihr nicht abgeleitet werden, dass der Bundesgesetzgeber als
Zeit der Hauptgottesdienste ebenfalls den Zeitraum zwischen 6 und 11 Uhr verstanden
wissen wollte. Vielmehr lässt § 14 Abs. 2 Satz 3 LadschlG ausdrücklich offen, welcher
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konkrete Zeitraum hiervon erfasst wird, und überantwortet die Entscheidung hierüber
dem zuständigen Landesgesetzgeber. Eine andere Einschätzung wäre selbst dann
nicht gerechtfertigt, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 14 Abs. 2 Satz 3
LadschlG in allen Ländern die Zeit von 6 bis 11 Uhr als Hauptgottesdienstzeit
festgesetzt gewesen sein sollte, da dieser Befund nicht den Fortbestand dieser
Gesetzeslage gewährleistet hätte. Überdies zeigt nicht zuletzt § 5 Abs. 2 Satz 5
FeiertagsG NW, wonach die örtliche Ordnungsbehörde im Einvernehmen mit den
Kirchen festlegen kann, dass die Hauptzeit des Gottesdienstes bereits vor 11 Uhr endet,
dass die landesrechtlichen Regelungen keine endgültigen Festlegungen der
Hauptgottesdienstzeiten enthalten.
Weiter spricht auch nichts dafür, dass der Antragsgegner das ihm in § 119 Abs. 1 Satz 2
GO NW eröffnete Ermessen hinsichtlich der Aufhebung der in Rede stehenden
Beschlüsse fehlerhaft ausgeübt hätte. Die Ausführungen zur Geeignetheit und
Notwendigkeit der angegriffenen Verfügung lassen erkennen, dass der Antragsgegner
den ihm eröffneten Spielraum gesehen hat. Dass er diesen Spielraum überschritten
oder sachwidrige Erwägungen angestellt hätte, ist nicht zu erkennen und auch von der
Antragstellerin nicht geltend gemacht worden.
27
Die angegriffene Verfügung ist schließlich auch insoweit nicht zu beanstanden, als der
Antragsgegner auch den bestätigenden Ratsbeschluss vom 7. August 2001 aufgehoben
hat.
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Bestätigt der Rat einen vom Bürgermeister beanstandeten Beschluss eines
entscheidungsbefugten Ausschusses, so ist eine weitere Beanstandung dieses
Ratsbeschlusses durch den Bürgermeister nicht erforderlich; vielmehr kann die
Aufsichtsbehörde den Beschluss dann ohne weiteres aufheben.
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Held/Becker/Decker/Kirchhof/Krämer/Wansleben, a.a.O., § 119 GO Anm. 9;
Rehn/Cronauge, a.a.O., § 119 GO n.F. Anm. II 1; Kallerhoff, a.a.O., S. 55, unter Hinweis
auf OVG NRW, Urteil vom 31. März 1969 - III A 868/65 -.
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So liegt der Fall hier. Mit dem Beschluss vom 7. August 2001 hat der Rat der
Antragstellerin die Dringlichkeitsentscheidung vom 31. Juli 2001 bestätigt und deren
Aufhebung ausdrücklich abgelehnt. Demzufolge teilt dieser Ratsbeschluss das
rechtliche Schicksal der vorangegangen Entscheidung; er konnte deshalb ebenfalls
nach § 119 Abs. 1 Satz 2 GO NW aufgehoben werden, ohne dass es einer nochmaligen
Beanstandung bedurfte.
31
Angesichts dieser für die Rechtmäßigkeit der Ziffer I. in dem Bescheid vom 8. August
2001 sprechenden Umstände fällt auch die allgemeine Abwägung der widerstreitenden
Interessen zu Lasten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse daran, einen
Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer, zur
Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und zur Vermeidung einer Vorbildwirkung
zu verhindern, ist höher zu bewerten als das Interesse der Antragstellerin an der
Möglichkeit zur Öffnung von Verkaufsstellen während der sog. "xxxxxxxxx". Die Kammer
sieht nicht, dass es für die Antragstellerin eine besondere, nicht hinnehmbare Härte
darstellt, wenn diese Möglichkeit nicht bestünde.
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Die Antragstellerin hat keine eigenen wirtschaftlichen Interessen an der beschlossenen
Ausnahme von den allgemeinen Ladenschlusszeiten. Soweit sie ein eigenes Interesse
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daran haben mag, dass den Verkaufsstelleninhabern die Möglichkeit eingeräumt wird,
ihre Geschäfte während der geplanten Veranstaltungen zu öffnen, ist nicht ersichtlich,
dass eine etwaige Verlegung der Veranstaltung auf einen Zeitraum während der
zulässigen Öffnungszeiten - und sei es auch zu einem späteren Datum - für die
Antragstellerin unzumutbar wäre. In diesem Zusammenhang kann auch nicht zu
Gunsten der Antragstellerin berücksichtigt werden, dass die Vorbereitungen für die
Veranstaltung schon weitgehend abgeschlossen sein dürften.
Ihrem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, welche Aufwendungen sie selbst bereits
getätigt hat. Zudem stünde der ausschlaggebenden Berücksichtigung von etwaigen
Aufwendungen der Antragstellerin im Rahmen der Interessenabwägung entgegen, dass
die Ursachen des jetzigen Termindrucks in der Beherrschungssphäre der
Antragstellerin liegen. Nach ihrem Vorbringen lag der Dringlichkeitsentscheidung vom
31. Juli 2001 ein Antrag der xxxxxx, einem Dachverband verschiedener
Interessengruppen, dem die Antragstellerin selbst angehört, vom 1. Juni 2001 zu
Grunde. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin demnach schon deutlich vor
diesem Antrag Kenntnis von der beabsichtigten Veranstaltung gehabt haben dürfte, hat
sie sich in der Folgezeit nicht um eine unverzügliche Klärung der Rechtslage bemüht.
Den von dem Antragsgegner unter dem 13. Juni 2001 erbetenen Bericht hat die
Antragstellerin erst am 29. Juni 2001 eingereicht, obwohl in der Angelegenheit schon für
den 3. Juli 2001 die Beschlussfassung im Rat vorgesehen war. Zwar hat sie auf
Ersuchen des Antragsgegners von einer entsprechenden Beschlussfassung zunächst
abgesehen. Nach ihrem von dem Antragsgegner erbetenen Bericht vom 9. Juli 2001 hat
sie jedoch wiederum zunächst nichts weiter unternommen und erst am 31. Juli 2001,
also weniger als drei Wochen vor dem Veranstaltungstermin, die später aufgehobene
Verordnung beschlossen. Auch auf die Verfügung vom 23. Juli 2001 hin, die als
fachaufsichtliche Weisung zu qualifizieren sein dürfte, ist die Antragstellerin bislang
nicht tätig geworden. Angesichts dieser wesentlich von der Antragstellerin zu
verantwortenden Verzögerungen kann der jetzt erreichte Stand der Vorbereitungen bei
der allgemeinen Interessenabwägung nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt werden.
Dies gilt umso mehr, als der Geschehensablauf verdeutlicht, dass die Antragstellerin
sich über die rechtlichen Risiken ihres Vorgehens im Klaren sein musste. Anderenfalls
bestünde nicht zuletzt auch in vergleichbaren Fällen die Gefahr, dass eine schon im
Vorfeld mögliche, zumindest summarische Klärung der Rechtslage - etwa durch
gerichtlichen Eilrechtsschutz - so lange unterbleibt, bis infolge schon ins Werk gesetzter
Dispositionen abweichende Entscheidungen zu erheblichen Nachteilen für den
Betroffenen führen, um die hierdurch entstandenen Schwierigkeiten gegen eine für den
Betroffenen nachteilige Entscheidung anzuführen.
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Im Rahmen der Interessenabwägung ist eine Entscheidung zu Gunsten der
Antragstellerin auch nicht unter dem Aspekt gerechtfertigt, dass den übrigen Beteiligten
an der geplanten "xxxxxxxxx" bereits Aufwendungen in nicht nur unerheblichem Umfang
entstanden sein dürften. Dabei kann offen bleiben, ob diese Interessen schon deshalb
keine Berücksichtigung finden können, weil es sich nicht um die Interessen eines
Verfahrensbeteiligten handelt. Selbst wenn man sie in die Abwägung einstellt, führen
sie zu keiner anderen Entscheidung. Angesichts des Datums der geplanten
Veranstaltung dürften die bereits getätigten Aufwendungen zu einem nicht
unerheblichen Teil bereits vor der Beschlussfassung am 31. Juli 2001 über die
Nachtöffnung erfolgt sein. Vor diesem Termin aber bestand allenfalls die - rechtlich nicht
geschützte - Erwartung, dass die Antragstellerin die Nachtöffnung am xxxxxxxxxx 2001
zulassen werde. In der Erwartung einer solchen Regelung, auf deren Erlass kein
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Anspruch besteht,
vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 1988 - 1 B 52.88 -, GewArch. 1988, 344;
Schunder, in: Stober, a.a.O., § 14 Rdn. 30 m.w.N.,
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getätigte Aufwendungen sind aber ebenfalls rechtlich nicht geschützt.
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Soweit die Antragstellerin den Beschluss vom 31. Juli 2001 am 2. August 2001 bekannt
gemacht hat und damit möglicherweise einen Vertrauenstatbestand begründet hat, ist zu
berücksichtigen, dass ausweislich der Presseberichte in den Verwaltungsvorgängen
des Antragsgegners schon zu diesem Zeitpunkt die gegenteilige Rechtsauffassung der
xxxxxxxxxxxxxxxx und des Antragsgegners bekannt war, wenngleich auch zunächst
unter dem Aspekt der "ähnlichen Veranstaltung" i.S.d. § 14 LadschlG. Im Zeitpunkt der
Klärung dieser Problematik durch die Festsetzung der Veranstaltung als Jahrmarkt
(Bescheid der Antragstellerin vom 19. Juli 2001) war jedoch bereits bekannt, dass auch
gegen die beabsichtigten Öffnungszeiten rechtliche Bedenken der übergeordneten
Behörden bestanden (vgl. Pressemitteilung der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vom 16.
Juli 2001 [Blatt 70 der Verwaltungsvorgänge] und Artikel in der xxx vom 17. Juli 2001
[Blatt 68 der Verwaltungsvorgänge]). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die
Antragstellerin schon durch die Verfügung des Antragsgegners vom 3. Juli 2001 über
dessen gegenteilige Rechtsauffassung informiert war. Angesichts dieser zeitlichen
Abläufe ist - von weiteren Bedenken abgesehen - nicht ersichtlich, dass die
Aufwendungen zur Vorbereitung der Veranstaltung in nennenswertem Umfang in
Ausübung eines rechtlich geschützten Vertrauens auf den Bestand der Verordnung vom
31. Juli 2001 getätigt worden sind. Diese Grenzen der Schutzwürdigkeit der Interessen
Dritter schließen es aber aus, sie zu Gunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen.
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Ferner ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass das von der
Antragstellerin dargelegte umfangreiche Programm der "xxxxxxxxx" von der Aufhebung
der Verordnung vom 31. Juli 2001 nicht berührt wird. Dass dieses Programm davon
abhängen sollte, dass die Geschäfte geöffnet sind, ist weder von der Antragstellerin
dargetan noch anderweitig ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist zudem zu
beachten, dass auch der Vorschrift des § 14 LadschlG die Vorstellung zu Grunde liegt,
dass durch eine hiernach zulässige Sonntagsöffnung ein anderweitig begründeter
Besucherverkehr auch für die Verkaufsstelleninhaber nutzbar gemacht werden soll.
Nicht aber sollen durch die Öffnung der Verkaufsstellen die Besucher für die sonstigen
Veranstaltungen angezogen werden.
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Vgl. zu Letzterem Schunder, in: Stober, a.a.O., § 14 Rdn. 9 ff.
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Soweit die Antragstellerin vorgetragen hat, die Polizei habe Bedenken hinsichtlich der
Versorgung der Besucher im Falle der Schließung der Geschäfte erhoben, ist die
tatsächliche Basis dieser Bedenken für das Gericht nicht ersichtlich. Dies gilt umso
mehr, als Gaststätten von den Regelungen des Ladenschlussgesetzes nicht betroffen
sind und ein anderweitiger dringender Versorgungsbedarf zwischen 0 Uhr und 5 Uhr
nicht erkennbar ist. Überdies liegt es in der Hand der Antragstellerin durch
entsprechende Vorkehrungen im Vorfeld gegenüber potenziellen Besuchern
hinreichend klarzustellen, dass die Verkaufsstellen nicht geöffnet sein werden, sowie
ggf. für eine Erweiterung der ansonsten geplanten Versorgungsgelegenheiten Sorge zu
tragen.
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Die in Ziffern II., III. und IV. des Bescheides vom 8. August 2001 getroffenen Regelungen
sind demgegenüber offensichtlich rechtswidrig.
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Die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 GO NW liegen hinsichtlich der in Ziffer II.
getroffenen Regelung nicht vor.
43
Nach dieser Vorschrift kann die Aufsichtsbehörde, wenn die Gemeinde die ihr kraft
Gesetzes obliegenden Pflichten und Aufgaben nicht erfüllt, anordnen, dass die
Gemeinde innerhalb einer bestimmten Frist das Erforderliche veranlasst. In Abgrenzung
zu den durch § 119 GO NW eröffneten Möglichkeiten der Beseitigung rechtswidriger
Beschlüsse durch die Aufsichtsbehörde regelt § 120 GO NW damit die Fälle, in denen
die Verpflichtung der Gemeinde zu einem Tun oder Unterlassen besteht. Vergleichbar
mit dem Verhältnis von Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. allgemeiner
Leistungsklage betrifft § 120 GO NW damit in Abgrenzung zu § 119 GO NW die
Situationen, in denen die bloße Aufhebung eines Ratsbeschlusses nicht ausreicht, um
die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten und Aufgaben sicherzustellen.
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Dieser Fall ist hier nicht gegeben. Den Dringlichkeitsbeschluss vom 31. Juli 2001 und
den bestätigenden Ratsbeschluss vom 7. August 2001 hat der Antragsgegner gestützt
auf § 119 Abs. 1 Satz 2 GO NW in Ziffer I. seiner Verfügung aufgehoben. Damit ist
dieser Beschluss, so lange die Verfügung wirksam bzw. vollziehbar ist, als rechtlich
nicht existent anzusehen; die Kassation durch die Aufsichtsbehörde beseitigt ihn
vollständig, ohne dass es insoweit noch eines Tätigwerdens der Gemeinde bedürfte. Im
Übrigen fehlte der hier ausgesprochenen Verpflichtung der Antragstellerin - selbst wenn
man sie allgemein nach § 120 GO NW für zulässig hielte - nach der in Ziffer I.
getroffenen und vollziehbaren Regelung der materielle Gegenstand. Eine Aufhebung
der bereits aufgehobenen Verordnung durch die Gemeinde ginge ins Leere, bliebe das
Anfechtungsstreitverfahren ohne Erfolg. Sie würde dagegen aber auch ein begründetes
Anfechtungsbegehren vereiteln, weil die Aufhebung durch die Gemeinde selbst über
eine etwaige Kassation der Aufhebungsverfügung hinaus Bestand hätte.
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Soweit hinter der in Ziffer II. des Bescheides getroffenen Regelung das Bestreben des
Antragsgegners stehen mag, den durch die Bekanntmachung der Verordnung
hervorgerufenen Rechtsschein der Gültigkeit zu beseitigen, hat dies in der Regelung
keinen ausreichenden Niederschlag gefunden, da diese sich nach ihrem eindeutigen
Wortlaut auf die Aufhebung der Verordnung durch die Gemeinde und nicht etwa auf die
Bekanntmachung der Aufhebungsentscheidung des Antragsgegners bezieht. Im
Übrigen wird dem diesbezüglichen Anliegen des Antragsgegners durch §§ 33, 36
Ordnungsbehördengesetz Rechnung getragen.
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Die Rechtswidrigkeit der in Ziffer II. getroffenen Regelung führt schließlich auch zur
Rechtswidrigkeit der in Ziffern III. und IV. getroffenen Regelungen. Sowohl die
Androhung der Selbstvornahme nach § 120 Abs. 2 GO NW als auch die angeordnete
Berichtspflicht setzen ein nach § 120 Abs. 1 GO NW zulässiges Vorgehen der
Aufsichtsbehörde voraus. Wie oben ausgeführt, mangelt es hieran jedoch.
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Soweit die Antragstellerin hilfsweise die Aufhebung der sofortigen Vollziehung begehrt
und das Gericht hierüber im Hinblick auf Ziffer I. des Bescheides vom 8. August 2001 zu
entscheiden hat, ist auch dieser Antrag unbegründet. Eine solche Aufhebung kommt
allenfalls dann in Betracht, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung an formellen
Mängeln leidet, namentlich wenn die von § 80 Abs. 3 VwGO geforderte Begründung
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fehlt.
Vgl. die Übersicht über den diesbezüglichen Streitstand bei Kopp/Schenke,
Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 80 Rdn. 148; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO,
11. Aufl. § 80 Rdn. 93.
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Wie oben ausgeführt, liegen derartige Mängel jedoch nicht vor.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei war zu
berücksichtigen, dass der Antragsgegner zwar in Bezug auf drei von vier
Regelungsgegenständen seines Bescheides unterlegen ist, die Entscheidung in der
Sache in Ziffer I. des Bescheides aber den Hauptgegenstand des Streites ausmacht.
Insoweit aber ist die Antragstellerin unterlegen.
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Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und orientiert sich
an dem Streitwertkatalog in der Fassung von Januar 1996, dort Abschnitt II., Ziffer 19.5
(abgedruckt etwa bei Kopp/Schenke, a.a.O., zu § 189). Angesichts der mit dem Antrag
begehrten Vorwegnahme der Hauptsache sieht das Gericht von einer Reduzierung des
Streitwerts ab (vgl. Streitwertkatalog Abschnitt I Ziffer 7. Satz 2).
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