Urteil des VG Düsseldorf vom 27.08.2002

VG Düsseldorf: ärztliche verordnung, bvo, beihilfe, vitamin, fürsorgepflicht, lebenshaltung, versorgung, besoldung, heilmittel, vollstreckung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 6990/01
Datum:
27.08.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 6990/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht das
beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der am 00. September 0000 geborene Kläger stand als Steueramtsrat im Dienst des
beklagten Landes. Er trat mit Ablauf des 31. Dezember 1996 wegen Dienstunfähigkeit in
den Ruhestand. Ausweislich der ärztlichen Stellungnahme des Arztes für Orthopädie Dr.
(CS) L in N vom 5. September 2001 leidet der Kläger an chronischen, diffusen,
degenerativen Veränderungen der gesamten Wirbelsäule, der Knie-, Hüft- und
Schultergelenke. Wegen einer Magenüberempfindlichkeit verträgt der Kläger keine
konventionellen Antirheumatika. Der ihn behandelnde Arzt Dr. L verordnete deshalb das
Mittel „Spondyvit Kapseln". Die Rechnung über 453,70 DM vom 30. April 2001 reichte
der Kläger mit Antrag vom 6. Juli 2001 beim Landesamt für Besoldung und Versorgung
Nordrhein-Westfalen - LBV - zur Gewährung einer Beihilfe ein. Das LBV lehnte mit
Bescheid vom 3. August 2001 die Gewährung einer Beihilfe mit der Begründung ab,
dass Vitaminpräparate nur dann beihilfefähig seien, wenn der Arzt sie wegen einer
Erkrankung verordnet habe, die auf einem Vitaminmangel beruhe. Hiergegen wandte
sich der Kläger mit Schreiben vom 26. August 2001 und 6. September 2001. Mit
Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2001, dem Kläger am 9. Oktober 2001 zugestellt,
wies das LBV den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde darauf
hingewiesen, dass das Vitaminpräparat geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu
ersetzen und deshalb beihilferechtlich nicht anerkannt werden könnte. Eine
Vitaminmangelerkrankung sei vom Arzt nicht bestätigt worden.
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Der Kläger hat am 2. November 2001 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter
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verfolgt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, dass durch die Behandlung mit
Spondyvit sein Risiko, durch Rheumamittel ernste Nebenwirkungen zu erleiden,
vermindert werden könne.
Der Kläger beantragt,
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das beklagte Land unter entsprechend teilweiser Aufhebung des
Beihilfefestsetzungsbescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung
Nordrhein-Westfalen vom 3. August 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
derselben Behörde vom 2. Oktober 2001 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe zu dem
Präparat Spondyvit in Höhe von 162,38 Euro (entspricht 317,59 DM) zu bewilligen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen der Verwaltungsentscheidungen .
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Mit Beschluss vom 18. Juli 2002 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als
Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges des beklagten Landes
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann der Berichterstatter als Einzelrichter entscheiden.
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Die Klage ist abzuweisen.
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Die Beihilfeentscheidung des beklagten Landes in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine
Beihilfe zu den Aufwendungen für das Vitaminpräparat Spondyvit Kapseln. In der Roten
Liste ist das Präparat unter „Vitamine" (Nr. 84140) aufgeführt. Es enthält Alpha-
Tocopherole (Vitamin E).
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Rechtliche Grundlage ist § 4 Abs. 1 Nr. 7 Beihilfenverordnung - BVO - vom 27. März
1975 (GV NRW S. 332), zuletzt geändert durch Verordnung vom 27. April 2001 (GV
NRW S. 219). Zwar ist das Präparat entsprechend § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 BVO vom Arzt
schriftlich verordnet worden. Dass die Einnahme des Präparats aus ärztlicher Sicht
erforderlich ist, setzt diese Regelung voraus, weil ohne ärztliche Verordnung ohnehin
keine Beihilfe zu gewähren wäre; die im Widerspruchsverfahren vom Kläger vorgelegte
ärztliche Bescheinigung vom 5. September 2001 ist deshalb für die Frage der
Beihilfefähigkeit der strittigen Aufwendungen ohne Belang.
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Das Produkt ist deshalb nicht beihilfefähig, weil es ein reines Vitaminpräparat ist und
geeignet ist, das in pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln (Öle, Nüsse,
Getreidekeimlinge, Gemüse, Milch, Butter) vorkommende Vitamin E, die Tocopherole,
zu ersetzen. Zu den beihilfefähigen Mitteln gehören nicht Mittel, die geeignet sind, Güter
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des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Um als Heilmittel für eine kranke Person anerkannt
zu werden, ist entsprechend dem Sinn und Zweck der beihilferechtlichen Regelungen,
nämlich nur notwendige Aufwendungen in angemessenem Umfang in Krankheitsfällen
zu bezuschussen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO), in der Regel zu fordern, dass durch den
ärztlich verordneten Gebrauch des Mittels bei ständiger Benutzung Heilerfolge erzielt
werden können und der Gebrauch mithin wesentlicher Bestandteil der Heilbehandlung
ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1970 - II C 101.67 -, DöD 1970, 210 (211).
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Das Mittel muss der gesundheitlichen Rehabilitation dienen; es muss im Einzelfall
notwendig und geeignet sein, den angestrebten Heil- oder Linderungszweck zu
erreichen,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1983 - 2 C 36. und 37.81 -, DVBl. 1984, 429.
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Über diese Frage befindet zunächst der Arzt, der das Heilmittel verordnet. Zwar führt Dr.
L in seiner fachärztlichen Bescheinigung vom 5. September 2001 aus, dass durch die
Behandlung mit Spondyvit-Kapseln gute therapeutische Erfahrung gemacht worden sei.
Indes ist das Vitaminpräparat nicht wegen eines Vitamin-E-Mangels verschrieben
worden, sondern wurde als Antirheumatikum eingesetzt. Zu diesem Zweck ist es aber
nicht wissenschaftlich anerkannt. In der Roten Liste sind zahlreiche Antirheumatika
aufgeführt, das Mittel „Spondyvit Kapseln" befindet sich nicht darunter. Wenn es beim
Kläger zu einer Besserung seiner Schmerzen führt, so ist das Ergebnis zu begrüßen,
wäre aber auch durch die Aufnahme Vitamin E enthaltener Lebensmittel ebenso
erreichbar. Für die Einordnung als beihilfefähiges Mittel kommt es auf die objektive
Eigenart und Beschaffenheit des betreffenden Mittels an, nicht dagegen darauf, ob es im
Einzelfall auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurer Ausführung beschafft
worden wäre. Maßgeblich ist allein, ob der Gegenstand nach seiner objektiven Eigenart
und Beschaffenheit auch von einem Gesunden im Rahmen der allgemeinen
Lebenshaltung üblicherweise benutzt werden kann,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 1991 - 2 C 23.89 -, DöD 1991, 203 (204); VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 24. April 1996 - 4 S 3208/94 -, DöD 1997, 37 f.; OVG NW, Urteil
vom 17. Juli 1990 - 12 A 1054/88 -; OVG NW, Beschluss vom 7. Juli 1998 - 12 A
5885/96 -.
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Das Präparat Spondyvit kann unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen auch
von einem gesunden Menschen üblicherweise im Rahmen der allgemeinen
Lebenshaltung benutzt werden und ist damit von der Beihilfefähigkeit nach § 4 Satz 1
Nr. 7 b) BVO ausgeschlossen. Mit der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 7 b BVO werden in
zulässig typisierender Weise Aufwendungen in Krankheitsfällen, derentwegen der
Beihilfeberechtigte einer ergänzenden Hilfeleistung des Dienstherrn bedarf, von Kosten
der allgemeinen Lebenshaltung abgegrenzt, zu deren Bestreitung grundsätzlich die
amtsgemäße Besoldung bzw. Versorgung sowie allgemein zugängliche Hilfen,
jedenfalls aber nicht die Beihilferegelung vorgesehen sind.
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Vgl. BVerwG, a.a.O. (mit weiteren Nachweisen).
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Die Fürsorgepflicht des Beklagten (§ 85 des Landesbeamtengesetzes - LBG -), die zu
den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums rechnet (Art. 33 Abs. 5 GG),
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verpflichtet den Beklagten nicht zu der vom Kläger erstrebten Leistung. § 88 LBG und
die auf dieser Vorschrift beruhende Beihilfenverordnung vom 27. März 1975 (GV NRW
S. 332) enthalten in diesem Zusammenhang die speziellen Regelungen.
Weitergehende Beihilfeansprüche können allenfalls dann begründet sein, wenn die
Fürsorgepflicht in einem Einzelfall gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre,
vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1983 - 2 C 36.81 -, DVBl. 1984, 429 f.; OVG NW,
Beschluss vom 7. Juli 1998 - 12 A 5885/96 - m. w. N..
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Eine bloße Beseitigung oder Milderung von Folgen und Auswirkungen einer
Behinderung in den verschiedenen Lebensbereichen, etwa auf beruflichem,
wirtschaftlichem oder privatem Gebiet, oder mittelbare Folgekosten, die zudem ihrer Art
nach den Bereich der allgemeinen Lebensführung berühren, verpflichtet jedoch noch
nicht zur Beihilfegewährung unter Rückgriff auf die Fürsorgepflicht,
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vgl. OVG NW, a. a. O.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711
Zivilprozessordnung.
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