Urteil des VG Düsseldorf vom 02.12.2009

VG Düsseldorf (schule, kläger, schüler, bildung, verwaltungsgericht, verordnung, aufnahme, eltern, zahl, schuljahr)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 K 3898/09
Datum:
02.12.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 3898/09
Tenor:
die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der am 00.0.1998 geborene Kläger beantragte zum Schuljahr 2009/2010 die Aufnahme
in die 5. Klasse der Schule der Beklagten, die sechszügig geführt wird.
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Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 2009 ab, weil sie
angesichts der Aufnahmeanträge, die die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze
überstiegen habe, eine Auswahl habe treffen müssen. Dabei habe sie eine Einteilung
nach Leistungsgruppen vorgenommen und innerhalb dieser Gruppen das Los
entscheiden zu lassen, wobei sie aufgrund der hohen Anmeldezahlen in der
Klassenstärke über den Richtwert hinaus gegangen sei.
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Gegen diese Entscheidung legte der Kläger unter dem 18. Februar 2009 Widerspruch
ein, den die Bezirksregierung Düsseldorf mit Bescheid vom 14. Mai 2009, zugestellt am
20. Mai 2009, zurückwies. Dabei führte sie ergänzend aus, die Beklagte habe unter
Zurückstellung pädagogischer und organisatorischer Bedenken jede der kommenden
sechs Eingangsklassen mit jeweils 29 Schülern besetzt. Die im Einzelfall
herangezogenen Entscheidungskriterien wie auch das angewandte Losverfahren seien
nicht zu beanstanden und auch ordnungsgemäß angewandt worden.
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Mit seiner am 10. Juni 2009 erhobenen Klage trägt der Kläger im einzelnen vor, die
Aufnahmekapazität an der Schule der Beklagten sei noch nicht ausgeschöpft worden.
Es sei nicht ersichtlich, welcher Leistungsgruppe er bei der Auswahlentscheidung
zugeordnet worden sei und ob die Beklagte bei der Aufnahmeentscheidung Härtefälle
berücksichtigt habe. Solche lägen nämlich bei ihm vor, weil er nach einem
Verkehrsunfall traumatisiert sei und ebenfalls wie sein Bruder die Schule der Beklagten
besuchen müsse. Im übrigen lebten seine Eltern getrennt, wobei die Schule der
Beklagten von der Wohnung beider Elternteile gut zu erreichen sei. Ferner bestünden
erhebliche Bedenken gegen ein objektiv durchgeführtes Auswahlverfahren und zwar
aufgrund einer Voreingenommenenheit der zuständigen Stufenlehrerin Frau T. Das
Aufnahmeverfahren sei auch deshalb fehlerhaft vorgenommen worden, weil nach
Absprache der Schulleiter, dem Schulträger und der Schulaufsicht für Gesamtschulen
im Stadtbezirk X den Gesamtschulen bestimmte Grundschulen zugeordnet worden
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seien und eine Anmeldung außerhalb dieser Zuordnung nicht möglich sei.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10. Februar 2009 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Düsseldorf vom
14. Mai 2009 zu verpflichten, ihn – den Kläger – im Schuljahr 2009/2010 in die
fünfte Klasse aufzunehmen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bezieht sich im wesentlichen auf die Gründe der Verwaltungsentscheidungen und
trägt im einzelnen vor, dass das Aufnahmeverfahren ordnungsgemäß durchgeführt
worden sei. Ergänzend trägt sie vor, es seien pro Klasse 29 Schüler bzw. Schülerinnen
aufgenommen worden. Dabei sei u.a. auch berücksichtigt worden, dass aufgrund der
Besonderheiten der Schulform Gesamtschule in einer Gesamtschulklasse regelmäßig in
stärkerem Maße als an einer Realschule oder an einem Gymnasium
leistungsschwächere und leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler gemeinsam zu
unterrichten seien, was folglich zu einem höheren Betreuungsaufwand seitens der
Lehrkräfte führe. Bei der Auswahl seien im übrigen auch zunächst die Anmeldungen auf
Härtefälle untersucht worden.
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Der Antrag des Klägers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, ihn vorläufig in die
Jahrgangstufe 5 der Schule der Beklagten aufzunehmen, ist durch Beschluss des
erkennenden Gerichts vom 2. Juli 2009 mangels Vorliegens eines Anordnungsgrundes
abgelehnt worden, weil der Kläger ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen
zunächst ein tatsächlich aufnahmebereites Gymnasium im Stadtteil C hätte besuchen
können (Aktenzeichen 18 L 690/09).
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Die Beschwerde des Klägers gegen diese Entscheidung ist durch Beschluss des OVG
NW vom 5. August 2009 (Aktenzeichen 19 B 1146/09) zurückgewiesen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet. Die ablehnenden Entscheidungen sind rechtmäßig und
verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte des Kindes auf Erziehung und Bildung
(vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen - Verf NRW -,
Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Grundgesetz – GG -) bzw. der Eltern, die Erziehung und Bildung
ihres Kindes zu bestimmen (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Verf NRW, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG),
schließen den Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Bildungswesen unter zumutbaren
Bedingungen ein und dabei insbesondere das Recht, zwischen den bestehenden
Schulformen zu wählen.
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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse
vom 8. August 1994 - 19 B 1459/94 - m.w.N., vom 1. Oktober 1997 - 19 A 6455/96 -
und vom 18. Dezember 2000 - 19 B 1306/00 -.
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Die Schulformwahlfreiheit findet allerdings ihre Grenze in den im Rahmen der
staatlichen Schulaufsicht (vgl. Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 3 Satz 2 Verf NRW)
vorgegebenen eignungs- und leistungsbezogenen Zugangsvoraussetzungen und ferner
dort, wo die Aufnahme des betreffenden Schülers zu einer Gefährdung des Bildungs-
und Erziehungsauftrages der aufnehmenden Schule führen würde, weil deren Kapazität
erschöpft ist.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. August 2000 - 19 B 1177/00 - und
18. Dezember 2000 19 B 1306/00 -.
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Letzteres ist hier der Fall; die Kapazität der Schule des Beklagten ist ausgeschöpft.
Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SchulG entscheidet der Schulleiter/die Schulleiterin über die
Aufnahme eines Schülers in die Schule innerhalb des vom Schulträger hierfür
festgelegten allgemeinen Rahmens. Dieser ist hier durch den Schulträger dahingehend
konkretisiert worden, dass in der Schule der Beklagten sechs (Eingangs-)Klassen
eingerichtet werden. Diese Vorgabe ist für die Schulleiterin bindend; sie ist nicht befugt,
darüber hinauszugehen.
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Gemäß § 93 Abs. 2 Nr. 3 SchulG werden die Klassengrößen durch Rechtsverordnung
bestimmt. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 lit. b) der Verordnung zur Ausführung des
§ 93 Abs. 2 SchulG beträgt der Klassenfrequenzrichtwert auf der Gesamtschule 28. Für
diese Schulform gilt ab vierzügig eine Bandbreite von 27 bis 29, die um eine Schülerin
oder einen Schüler überschritten werden kann; eine weitere Überschreitung ist bei
Fallkonstellationen, die hier nicht gegeben sind, möglich. Der
Klassenfrequenzhöchstwert wurde auf 29 Schüler und damit auf den nach der
Verordnung maximal zulässigen Wert der Bandbreite festgelegt.
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Zwar liegt es im Ermessen des jeweiligen Schulleiters, diesen höchstzulässigen Wert
der Bandbreite um eine Schülerin oder einen Schüler zu überschreiten. Von dieser
Ermächtigung hat die Beklagte fehlerfrei deshalb abgesehen, weil der
Betreuungsaufwand in einer Gesamtschule wegen der erheblichen Bandbreite
zwischen den leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schüler so groß ist, dass
eine Begrenzung der Klassenstärken sachgerecht und daher mit Blick auf § 114 VwGO
nicht zu beanstanden ist.
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Das hier unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten dennoch eine Aufnahme des
Klägers auf die Schule der Beklagten zwingend notwendig sein sollte, um unzumutbare
Härten zu mindern bzw. nicht auftreten zu lassen, ist hier schon deshalb nicht
ersichtlich, weil der Kläger derzeit nach dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung
eine Realschule besucht.
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Angesichts dieser Rechtslage und der Ausschöpfung der - in nicht zu beanstandender
Weise begrenzten - Kapazitäten der Schule bei der Bildung der sechs neuen
Eingangsklassen zum Schuljahr 2009/2010 ist fraglich, ob noch eine Überprüfung der
von der Beklagten vorgenommenen Aufnahmeentscheidung möglich ist, oder ob sich
ein Aufnahmeanspruch im Falle rechtswidriger anderweitiger Aufnahmeentscheidungen
dann herleiten lässt, wenn ein Verweis auf die Kapazitätserschöpfung im Hinblick auf
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dann herleiten lässt, wenn ein Verweis auf die Kapazitätserschöpfung im Hinblick auf
die Rechtsschutzgewährung in Art. 19 Abs. 4 GG zu einem unerträglichen Ergebnis
führen würde.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2000 - 19 B 1306/00 -;
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 9. August 2000 - 1 L 1512/00 -.
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Diese Frage kann hier dahinstehen; denn den vorliegenden Unterlagen ist nichts dafür
zu entnehmen, dass die Beklagte das ihr bei der zu treffenden Aufnahmeentscheidung
eingeräumte Auswahlermessen zu Lasten des Klägers fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. §
114 VwGO). Der Beklagte hat seine Ablehnungsentscheidung darauf gestützt, dass die
Zahl der Anmeldungen die Zahl der verfügbaren 174 Plätze überstiegen habe und sie
daher letztlich nach Berücksichtigung von Härtefällen und nach Bildung zweier
Leistungsgruppen ein Losverfahren durchgeführt habe.
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Diese vom Schulleiter herangezogenen Auswahlkriterien sind nicht zu beanstanden.
Sie gehören zu den in § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Ausbildung und die
Abschlussprüfung in der Sekundarstufe I (APO – S I) explizit niedergelegten Kriterien.
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Dafür, dass diese Kriterien nicht oder nur fehlerhaft angewandt worden seien, fehlen in
Anbetracht der von der Beklagten hierzu dargelegten Details jegliche Anhaltspunkte.
Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers zu dem Vorliegen eines Härtefalls wird in
entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen in dem
Beschluss des OVG NW vom 11. August 2009 (19 B 1146/09) verwiesen. Der Umstand
dass die Schule der Beklagten sowohl vom Wohnort seiner Mutter als auch seines
Vaters gut zu erreichen ist, begründet als solcher keinen Härtefall. Auch die
Nichtberücksichtigung der Trennung seiner Eltern ist nicht zu beanstanden. Denn
solche Situationen sind heutzutage eher alltäglich und müssen daher nicht mehr als
besonderer Einzelfall gewertet werden, weil ansonsten Schüler aus Familien, in denen
eine Betreuung des Kindes noch zu Hause möglich ist, Chancen einbüßen, auf die
jeweilige gewünschte Schule aufgenommen zu werden.
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Soweit der Kläger die Bildung von Leistungsgruppen und seine ordnungsgemäße
Zuordnung zu einer bestimmten Leistungsgruppe bezweifelt, entspricht das nicht den
dem Gericht vorgelegten Unterlagen. Denn danach gehörte der Kläger mit einem
Notendurchschnitt von 2,4 zur Leistungsgruppe der Schüler mit einem
Notendurchschnitt bis 2,6. Daran ändert auch sein Vortrag nichts, dass er unter
Außerachtlassung der Kopfnoten einen Notendurchschnitt von 2,5 erzielt habe. Denn
damit bliebe er auch mit diesem Notendurchschnitt in der entsprechenden
Leistungsgruppe.
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Das danach von der Beklagten durchgeführte Losverfahren ist entsprechend § 1 Abs. 2
der Verordnung über die Ausbildung und über die Abschlussprüfung in der
Sekundarstufe I dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Dass dieses Losverfahren im
einzelnen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, wird nicht substantiert
behauptet. Soweit der Kläger eine Voreingenommenheit der Stufenleiterin behauptet,
kann dahinstehen, ob eine solche Voreingenommenheit tatsächlich bestanden hat.
Denn substantiierte Einzelheiten, wie sch diese – behauptete – Voreingenommenheit
tatsächlich ausgewirkt und in welcher Weise sie ihren Niederschlag gefunden haben
sollte, werden nicht angegeben und können daher rechtlich nicht überprüft werden.
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Der Vortrag des Klägers zu der Zuordnung von Grundschulen im Stadtbezirk X zu
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entsprechenden Gesamtschulen ist hier deshalb rechtlich ohne Belang, weil Kriterien
dieser Art bei der hier vorgenommenen Auswahlentscheidung keine Rolle gespielt
haben und schon von daher in diesem konkreten gerichtlichen Verfahren keiner
rechtlichen Überprüfung zugänglich sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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