Urteil des VG Düsseldorf vom 10.09.2001

VG Düsseldorf: aufenthalt, unterbringung, elterliche sorge, örtliche zuständigkeit, behandlung, auflage, form, jugendamt, jugendhilfe, familie

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 19 K 4096/98
Datum:
10.09.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 K 4096/98
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden, trägt die Klägerin.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der von der Klägerin ab 7. Juli
1997 aufgewendeten Kosten.
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Die Klägerin gewährt seit dem 7. Juli 1997 für die Hilfeempfängerin xxxxxxxxxxxxx Hilfe
zur Erziehung in Form der Unterbringung in einer Mädchenwohngruppe in xxxxxx
gemäß § 27 i.V.m. § 34 SGB VIII. Aus Sicht der Klägerin wurde diese Hilfe bislang nicht
aus eigener Zuständigkeit, sondern ausschließlich auf Grund vorläufigen Tätigwerdens
im Sinne von § 43 SGB I wegen unklarer Zuständigkeiten geleistet.
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Die seinerzeit noch sorgeberechtigte Kindesmutter von xxxxxx xxxxxx, xxxxxxxxxxxxxxx,
damals wohnhaft in xxxxxxxxxxxx, stellte bereits am 18. Mai 1996 einen Antrag auf Hilfe
zur Erziehung nach § 27 SGB VIII. Auf Grund dieses Antrages wurde von der Klägerin
diese Hilfeform durch Unterbringung der xxxxxxxxxxxxx in einer Familienpflegestelle
gemäß § 33 SGB VIII für die Zeit vom 16. Mai bis 31. Dezember 1996 erbracht.
xxxxxxxxxxxxx befand sich in dieser Zeit bei den Großeltern. Die Klägerin nahm ihre
Zustän-digkeit zu dieser Zeit originär an. Der Aufenthalt des Kindes-vaters,
xxxxxxxxxxxxx, war nicht bekannt. Am 16. Oktober 1996 be-gab sich xxxxxxxxxxxxx zur
Durchführung einer stationären Unter- suchung in die Landesklinik in xxxxxxx -
Jugendpsychiatrie. Im Oktober 1996 wurde der Kindesmutter durch Beschluss des
Amtsge-richts xxxxxx die elterliche Sorge entzogen und das Jugendamt der Klägerin
zum Personenrechtspfleger bestellt. Im Dezember 1996 stellte sich heraus, dass
xxxxxxxxxxxxx zu ihren Großeltern nicht würde zurückkehren können und eine
anderweitige Unterbringung in einem Heim erforderlich werden würde. Die Klägerin
stellte die Pflegegeldzahlungen an die Großeltern zum 31. Dezember 1996 for-mell ein.
Am 7. Juli 1997 wechselte xxxxxxxxxxxxx vom stationären Aufenthalt in der
Landesklinik sodann in eine Mädchenwohngruppe xxx, xxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxxx
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über. Dieser Wechsel war bereits in einem Hilfeplangespräch der Klägerin vom 7.
Januar 1997 in Aussicht genommen worden. Die bisherigen Betreuungspersonen der
Klägerin führten im Zeitraum der Unterbringung in der Jugend-psychiatrie in xxxxxxx am
7. Januar, 13. Februar, 13. März und 12. Mai 1997 weitere Gespräche mit xxxxxxxxxxxxx
(teils als Hilfeplangespräche benannt) durch. Berichte der Landesklinik über die
Entwicklung xxxxxxxxxxxxxx in der Psychiatrie am 22. April und 5. Mai 1997 wurden an
das Jugendamt der Klägerin weitergeleitet mit dem Ziel, die Unterbringung in xxxxxx
anschließen zu lassen.
Den Antrag des Personensorgerechtspflegers an die Klägerin vom 27. Juni 1997, Hilfe
zur Erziehung nach § 27 i. V. m. § 34 SGB VIII zu leisten, sandte die Klägerin an die
Beklagte mit der Bitte um weitere Veranlassung in eigener Zuständigkeit. Eine Einigung
insoweit ist nicht erfolgt.
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Daraufhin beantragte der Personensorgerechtspfleger xxxxxx am 20. Oktober 1997 bei
dem erkennenden Gericht, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, die Kosten für die Unterbringung von xxxxxxxxxxxxx gemäß § 86 d SGB
VIII zu übernehmen (Az.: 19 L 5362/97). Dieser Antrag wurde durch Beschluss der
Kammer vom 23. Dezember 1997 abgelehnt im Wesentlichen mit der Begründung, die
Klägerin sei im Rahmen des § 43 SGB I zum vorläufigen Tätigwerden verpflichtet. Die
Prüfung der originären Zuständigkeit für die Hilfe nach § 27 i.V.m. 33 SGB VIII sei im
Hauptsacheverfahren vorzunehmen. Es spreche allerdings vieles dafür, dass die
Klägerin als mit Beginn der Leistung zuständiger Träger auch über den Aufenthalt in der
Jugendpsychiatrie in xxxxxxx hinaus für die Hilfe zuständig gewesen sein dürfte. Dies
werde unter anderem daraus gefolgert, dass die Hilfestellung auch im Verlaufe des
Aufenthalts von xxxxxxxxxxxxx in der Jugendpsychiatrie in xxxxxxx nicht gänzlich
eingestellt worden sei.
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Da sich die Klägerin und die Beklagte auch in der Folgezeit hinsichtlich der
Grundzuständigkeit und der Kostenerstattung für den Hilfefall xxxxxxxxxxxxx nicht einig
werden konnten, hat die Klägerin am 11. Mai 1998 die vorliegende Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, eine Fortsetzung der Hilfe zur Erziehung habe
über den 31.12.1996 hinaus nicht stattgefunden. Im Benehmen mit dem
Personensorgerechtspfleger xxxxxx sei definitiv vereinbart worden, dass die Hilfe im
Dezember 1996 enden solle. Wenn später noch weitere Gespräche geführt worden
seien, habe es sich hierbei jedenfalls nicht um Hilfeplangespräche gemäß § 36 SGB VIII
gehandelt. Vielmehr sei in der Hilfe und Beratung des Personensorgerechtspflegers
eine Hilfe im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 1 und § 18 SGB VIII zu sehen. Es entspreche
der Organisationsstruktur der Klägerin, dass der Personensorgerechtspfleger in erster
Linie die rechtlichen Interessen seines Pfleg-lings wahrnehme, während die persönliche
Betreuung dem allgemeinen Sozialdienst obliege. Dies könne aber unter keinen
Umständen als Hilfeplangespräch im Sinne des § 36 SGB VIII verstanden werden und
stelle daher auch keinerlei Maßnahme oder Betreuung im Sinne der § 27 ff SGB VIII dar.
Im Übrigen sei die Therapie und Behandlung in der Jugendpsychiatrie der Beklagten
eine Maßnahme der Krankenbehandlung. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass der
zuständige Krankenversicherungsträger den Aufenthalt von xxxxxx xxxxxx in der
Jugendpsychiatrie finanziell sichergestellt habe. Wenn mithin die Maßnahme der
Klägerin Ende Dezember 1996 abgebrochen und beendet worden sei, komme die
Klägerin nicht als örtlich zuständiger Leistungsträger in Betracht. Die Klägerin habe
ihren gewöhnlichen Aufenthalt nämlich mit der stationären Aufnahme in die
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Jugendpsychiatrie aufgegeben, weil klar gewesen sei, dass sie nicht habe zu den
Großeltern zurückkehren können. Da sie demzufolge einen gewöhnlichen Aufenthalt
nicht mehr gehabt habe, könne man an den gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht mehr
anknüpfen. Anknüpfungspunkt für den Leistungsbeginn könne daher nur der
tatsächliche Aufenthalt von xxxxxxxxxxxxx in xxxxxxx - mithin im Stadtgebiet der
Beklagten - sein.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die ab dem 7. Juli 1997 bis auf weiteres
aufgewendeten Kosten im Jugendhilfefall xxxxxxxxxxxxx im Rahmen der gesetz-lichen
Bestimmungen zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass xxxxxxxxxxxxx am 7. Juli 1997 auf Veranlassung
des Allgemeinen Sozialen Dienstes der Klägerin in der Mädchengruppe xxx in xxxxxx
untergebracht worden sei. Diese Hilfe habe sich an die Unterbringung bei den
Großeltern angeschlossen, daher sei die Klägerin auch für die Gewährung der Hilfe zur
Erziehung in der Mädchenwohngruppe zuständig, denn vor Beginn der Leistung habe
xxxxxxxxxxxxx ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei ihrer Mutter in xxxxxxxxxxxx gehabt.
Damit bleibe die Zuständigkeit bei der Klägerin bestehen. Die Hilfe sei auch nicht durch
den Aufenthalt in der xxxxxxxxxxx Landesklinik in xxxxxxx unterbrochen oder beendet
worden. Auch während einer solchen Hilfegewährung müsse eine Krankenbehandlung
- auch psychotherapeutischer Art - gewährt werden können. Dafür spreche auch die
Tatsache, dass das Pflegegeld zunächst an die Pflegeeltern weiter geflossen sei.
Nachdem dies nicht mehr der Fall gewesen sei, habe bereits festgestanden, dass
xxxxxxxxxxxxx nach dem Aufenthalt in der xxxxxxxxxxx Landesklinik in jedem Falle in
eine Jugendwohngruppe wechseln werde. Dies sei im Dezember 1996 in einem
Fachgespräch der Klägerin festgelegt worden. Mithin habe festgestanden, dass die Hilfe
zur Erziehung nach der Entlassung von xxxxxxxxxxxxx aus dem Krankenhaus in Form
von Heimpflege weitergeführt werden sollte. Gegen eine Unterbrechung der Hilfe zur
Erziehung spreche zudem, das xxxxxxxxxxxxx während der gesamten Monate ihre
Aufenthalts in der Landesklinik eine engmaschige Betreuung durch das Jugendamt der
Klägerin erfahren habe. Regelmäßig alle 3 Wochen hätten Gespräche zwischen dem
Landeskrankenhaus und einer Mitarbeiterin des Jugendamtes der Klägerin Frau xxxxx
stattgefunden. Ferner habe sich eine weitere Mitarbeiterin des Jugendamtes der
Klägerin Frau xxxx um die Angelegenheit gekümmert.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
sowie der vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Klägerin und der Beklagten (Beiakten
Heft 1 - 4) ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der ihr aus der
Hilfemaßnahme xxxxxxxxxxxxx entstandenen Kosten ab 7. Juli 1997.
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Als Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Klägerin kommt § 89c SGB
VIII in Betracht. Gemäß § 89c Abs. 1 Satz 2 sind Kosten, die ein örtlicher Träger im
Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d SGB VIII aufgewendet hat, dem örtlichen
Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach den
§§ 86, 86a und 86b SGB VIII begründet wird. Da sich die Klägerin darauf beruft, gemäß
§ 43 SGB I mithin im Sinne des § 86d SGB VIII vorläufig tätig geworden zu sein, ist
erstattungspflichtig derjenige Träger, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen
Aufenthalt begründet wird.
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Die Zuständigkeit richtet sich danach, für welche Hilfeform die Klägerin Erstattung
verlangt. Zunächst gewährte die Klägerin die Erstattung der Hilfe ab 7. Juli 1997 in Form
von Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 i.V.m. § 34 SGB VIII. Diese Hilfe endet allerdings
mit der Volljährigkeit der xxxxxxxxxxxxx am 17. Oktober 1999.
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Für den Zeitraum 7. Juli 1997 bis 16. Oktober 1999 richtet sich die örtliche Zuständigkeit
für die Leistung nach § 86 Abs. 3 SGB VIII. Danach gilt § 86 Abs. 2 Satz 2 und 4 SGB
VIII entsprechend, wenn die Elternteile - wie hier - verschiedene gewöhnliche
Aufenthalte haben und die Personensorge - vorliegend seit Oktober 1996 - keinem
Elternteil zusteht.
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Gemäß § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII gilt daher: Hatte das Kind oder der Jugendliche im
Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei
keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in
dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistungen zuletzt
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
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Stellt man hinsichtlich des Beginns der Leistung hier entsprechend dem Vortrag der
Klägerseite auf den 7. Juli 1997 ab - an diesem Tag wurde xxxxxxxxxxxxx in die
Mädchenwohngruppe in xxxxxx aufgenommen -, so käme es auf den gewöhnlichen
Aufenthalt der xxxxxx xxxxxx vor Beginn des Umzugs in die Mädchenwohngruppe in
xxxxxx an.
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Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er
sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in
diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Voraussetzungen sind etwa
dann gegeben, wenn der Betreffende nicht nur vorübergehend den Mittelpunkt seiner
Lebensbeziehungen an diesem Ort hat. Die dafür erforderliche Verfestigung der
Lebensverhältnisse setzt regelmäßig voraus, dass der Aufenthalt auf Dauer angelegt ist
und eine entsprechende Dauer auch erlangt hat.
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vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 1995 Az.: 5 C 11/94 in
BVerwGE 99,158 - 166.
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Seit Mitte Oktober 1996 bis zur Aufnahme in die Mädchenwohngruppe befand sich
xxxxxxxxxxxxx in der Landesklinik in xxxxxxx in der Jugendpsychiatrie zur stationären
Behandlung. In aller Regel dürfte die Behandlung eines Jugendlichen in der
Jugendpsychiatrie nicht dazu geeignet sein, dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu
begründen, weil eine derartige Unterbringung der Art nach nur auf einen
vorübergehenden Zeitraum angelegt ist. Anders könnte es im vorliegenden Falle
deshalb beurteilt werden, weil xxxxxxxxxxxxx ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei den
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Großeltern aufgegeben hatte. Nach übereinstimmender Einschätzung aller Beteiligter
war nämlich schon Ende des Jahres 1996 klar geworden, dass eine Rückkehr in den
Haushalt der Großeltern auf keinen Fall in Betracht zu ziehen wäre. Die Beteiligten
gingen vielmehr davon aus, dass xxxxxx xxxxxx nach dem Aufenthalt in der
Landesklinik in xxxxxxx in eine Einrichtung wie die Mädchenwohngruppe in xxxxxx
würde umsiedeln müssen. Ist aber - wie hier - die Existenz eines sonstigen
gewöhnlichen Aufenthaltes nicht mehr gegeben und besteht hinsicht-lich des
zukünftigen gewöhnlichen Aufenthalts völlige Unklarheit, spricht in einer derart offenen
Situation Einiges dafür, den ge-wöhnlichen Aufenthalt auch in einer Einrichtung wie der
Jugendpsychiatrie anzunehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der
Betreffende - wie hier xxxxxxxxxxxxx - über 8 Monate mit zunächst offenem Ende dort
aufgehalten hat, sodass von einer gewissen Verfestigung der Situation auszugehen ist.
Diese Frage bedarf aber keiner Entscheidung.
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Eine Erstattungspflicht der Beklagten besteht nämlich weder dann, wenn xxxxxxxxxxxxx
in der Jugendpsychiatrie in xxxxxxx einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen konnte
noch für den Fall, dass ihr dies nicht möglich war. Nimmt man einen gewöhnlichen
Aufenthalt in xxxxxxx an, findet die Vorschrift des § 89e Abs. 1 SGB VIII (Schutz der
Einrichtungsorte) Anwendung. Das bedeutet: Richtet sich die Zuständigkeit nach dem
gewöhnlichen Aufenthalt der El-tern, eines Elternteils, des Kindes oder - wie hier - des
Jugendlichen und ist dieser in einer Einrichtung, einer anderen Familie oder sonstigen
Wohnform begründet worden, die der Erziehung, Pfle-ge, Betreuung, Behandlung oder
dem Strafvollzug dient, so ist der örtliche Träger zur Erstattung der Kosten verpflichtet, in
dessen Bereich die Person vor der Aufnahme in eine Einrichtung, eine andere Familie
oder sonstige Wohnform den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Da es sich bei der
Landesklinik in xxxxxxx um eine Einrich-tung zur Behandlung im Sinne dieser Vorschrift
handelt, kann also auf den gewöhnlichen Aufenthalt, wenn er - wie hier - mit dem
Einrichtungsort zusammenfällt, nicht abgestellt werden. Maßgeblich ist sodann der Ort,
in dessen Bereich die Person - hier also xxxxxxxxxxxxx - vor der Aufnahme in diese
Einrichtung, mithin in die Jugendpsychiatrie in xxxxxxx - ihren gewöhnlichen Aufenthalt
hatte. Dies ist unzweifelhaft bis Oktober 1996 bei den Großeltern in xxxxxxxxxxxx
gewesen, d. h. im Stadtgebiet der Klägerin.
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Folgt man dieser Betrachtungsweise kommt also eine Zuständigkeit der Beklagten nicht
in Betracht.
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Geht man davon aus, dass der gewöhnliche Aufenthalt nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I in
einer Einrichtung wie der Jugendpsychiatrie auch in dem vorliegenden Falle nicht
begründet werden kann, richtet sich die Zuständigkeit nach den in Bezug genommenen
Vorschriften der §§ 86, 86a, 86b SGB VIII. In § 86 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbsatz SGB VIII
heißt es: „Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten 6 Monate keinen
gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen
Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung". Knüpft mithin in
diesem Fall die Zuständigkeit nicht an den gewöhnlichen, sondern den tatsächlichen
Aufenthalt an, gilt ebenfalls die Vorschrift des § 89e SGB VIII - hier aber Absatz 2. Ist
danach ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden, sind die
Kosten von dem überörtlichen Träger zu erstatten, zu dessen Bereich der
erstattungsberechtigte örtliche Träger gehört. Zwar benennt die Vorschrift hier nicht
ausdrücklich den tatsächlichen Aufenthalt als subsidiären Anknüpfungspunkt.
Erstattungspflichtig ist in diesem Falle, bei Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts der
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maßgeblichen Person, generell aber der überörtliche Träger. Dies entspricht auch dem
Sinn und Zweck der Vorschrift über den Schutz der Einrichtungsorte. Denn andernfalls
würde der Schutzzweck der Vorschrift des 89e SGB VIII in all diesen Fällen leer laufen,
wenn mangels gewöhnlichen Aufenthalts lediglich der tatsächliche Aufenthalt gegeben
ist. Da die Einrichtungsorte auch unabhängig von dieser Schutzvorschrift letztlich
Mehrkosten durch ihre Einrichtungen in dem jeweiligen Sozialbereich zu tragen haben,
kann die Vorschrift des Abs. 2 nur in dieser Form als Auffangregelung interpretiert
werden.
vgl. so auch Mrozynski, Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) 3. Auflage München
1998, zu § 89e Rz. 3;
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Heilemann in - LPK - SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, 1. Auflage 1998 zu § 89e Rz. 3;
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Wiesner in Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe 2.
Auflage München 2000 zu § 89e Rz. 9;
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andere Auffassung: Schellhorn SGB VIII/SGB VIII, 2. Auflage Neuwied 2000, zu § 89e
Rz. 12.
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Geht man mithin mit der Rechtsauffassung der Klägerin vom maßgeblichen Zeitpunkt
(Beginn der Leistung) von der Unterbringung der xxxxxxxxxxxxx in der
Mädchenwohngruppe in xxxxxx beginnend am 7. Juli 1997 aus, kommt nach dem oben
Gesagten unter keinem denk-baren rechtlichen Gesichtspunkt die Beklagte als
erstattungs-pflichtiger Träger in Betracht.
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Geht man - der Rechtsauffassung der Beklagten folgend - davon aus, dass die
Hilfemaßnahme Ende Dezember des Jahres 1996 nicht eingestellt worden war, wofür
im vorliegenden Fall einiges spricht, so ergäbe die Vorschrift des § 86 Abs. 2 Satz 4
SGB VIII in der Rechtsfolge ebenso wenig, dass die Beklagte als zuständiger Träger die
Kosten zu übernehmen hätte. In diesem Falle wäre nämlich derjenige örtliche Träger
zuständig, in dessen Bereich xxxxxxxxxxxxx vor Beginn der Leistung zuletzt ihren
gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätte. Geht man von einer einheitlichen Maßnahme
vom Beginn der ersten Hilfeleistung, nämlich der Unterbringung in der Pflegefamilie der
Großmutter, bis hin zur Hilfe durch Übernahme der Kosten für die Mädchenwohngruppe
aus, so ist auf den gewöhnlichen Aufenthalt von xxxxxxxxxxxxx vor der Unterbringung
bei den Großeltern abzustellen. Diesen hatte sie allerdings unstreitig bei ihrer Mutter in
xxxxxxxxxxxx, mithin im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Also wäre auch in
diesem Falle jedenfalls nicht die Beklagte der kostenpflichtige Träger.
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Soweit die Klägerin vom Beklagten darüber hinaus die Kostenerstattung für die Hilfe ab
dem 17. Oktober 1999 gemäß § 89c i.V.m. § 41 SGB VIII geltend macht, ist ebenfalls
Anknüpfungspunkt der gewöhnliche Aufenthalt gemäß § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII.
Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit für Leistungen an junge Volljährige gilt § 86a
SGB VIII, einschlägig ist hier der Abs. 4. Darin heißt es u. a.: „Geht der Hilfe für junge
Volljährige nach § 41 SGB VIII eine Hilfe nach den §§ 27 bis 35a SGB VIII voraus, so
bleibt der örtliche Träger zuständig, der bis zu diesem Zeitpunkt zuständig war". Da
nach dem oben Gesagten unter dem Gesichtspunkt des Erstattungsverfahrens zu
keinem Zeitpunkt die Beklagte örtlich zuständiger Träger gewesen ist, kommt eine
Erstattungspflicht der Beklagten auch bei der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB
VIII nicht in Betracht. Die oben gemachten Ausführungen werden insoweit in Bezug
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genommen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO
abzuweisen.
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