Urteil des VG Düsseldorf vom 05.03.2001
VG Düsseldorf: sierra leone, aufschiebende wirkung, öffentliche sicherheit, positives recht, obg, verfügung, erlass, auslandsvertretung, zwangsgeld, androhung
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 L 89/01
Datum:
05.03.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
24 L 89/01
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
von Rechtsanwalt G aus I wird abgelehnt.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom
18. Dezember 2000 gegen die Zwangsgeldandrohung in der
Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2000 wird
angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,- DM festgesetzt.
Gründe:
1
I.
2
Der Antragsteller wurde nach seinen Angaben am 25. Juli 1979 in Freetown geboren
und will Staatsangehöriger von Sierra Leone sein.
3
Er reiste im Oktober 1997 nach seinen Angaben ohne Visum oder Nationalpass ins
Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Der dies
ablehnende (und hinsichtlich der ausgelösten Ausreisepflicht seit dem 8. Januar 2000
vollziehbare) Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 24. März 1998 ist bestandskräftig geworden, indem das dagegen
gerichtete Verfahren 14 K 4035/98.A durch Beschluss nach § 81 AsylVfG vom 7.
Dezember 1999 eingestellt worden ist.
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Die im Juli und im September 2000 von der Antragsgegnerin zum Zwecke der
Beschaffung von Heimreisedokumenten veranlasste Vorführungen des Antragstellers
bei der Botschaft von Sierra Leone als dem Staat, dessen Staatsangehöriger zu sein der
Antragsteller vorgibt, verliefen ergebnislos.
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Nach vorherige Aufforderung zur freiwilligen Mitwirkung unter Ankündigung sonst zu
ergreifender Zwangsmaßnahmen mit Schreiben vom 23. November 2000 erließ die
Antragsgegnerin unter dem 8. Dezember 2000 eine Ordnungsverfügung, mit der sie den
Antragsteller aufforderte, innerhalb von 4 Wochen „nach Erhalt dieser
Ordnungsverfügung" den für den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen gültigen
Nationalpass vorzulegen. Diese Verpflichtung hat die Antragsgegnerin für sofort
vollziehbar erklärt. Ferner drohte sie dem Antragsteller für den Fall nicht fristgerecht
freiwilliger Befolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 200,-- DM an und stellte klar, von
Vollstreckungsmaßnahmen Abstand zu nehmen, wenn der Antragsteller nachweise, die
gewünschten Anträge gestellt zu haben oder aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen
an der Stellung gehindert gewesen zu sein, oder falls er bei der Antragsgegnerin einen
Passersatzpapierantrag ordnungsgemäß ausfülle, unterschreibe und 4 Passfotos
vorlege. Diese Verfügung wurde dem Antragsteller persönlich am 11. Dezember 2000
gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt und zudem seinem
Verfahrensbevollmächtigten am 14. Dezember 2000 zugestellt.
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Über den dagegen am 18. Dezember 2000 eingelegten Widerspruch ist noch nicht
entschieden.
7
Der Antragsteller hat am 11. Januar 2001 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht
und macht geltend, es handele sich um einen Willkürakt; er könne nichts dafür, wenn die
Mitarbeiter der Auslandsvertretung von Sierra Leone ihn nicht als Staatsangehörigen
betrachteten. Er beantragt,
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ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Fischer aus Hemer zu
bewilligen
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für das Begehren,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 18. Dezember 2000 gegen die
Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2000 hinsichtlich der für
sofort vollziehbar erklärten Passvorlageverpflichtung wiederherzustellen und
hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
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II.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil der
Antragsteller nicht die vorgeschriebenen Formulare zum Nachweis seiner persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hat. Zudem erweist sich der Antrag
hinsichtlich des allein kostenrelevanten Teiles der Ordnungsverfügung
(Passvorlageverpflichtung) nach den folgenden Ausführungen als unbegründet, sodass
die Rechtsverfolgung nicht die nach den §§ 166 VwGO, 114 ZPO erforderlichen
Erfolgsaussichten bietet.
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Der Antrag hat nur aus dem im Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg.
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1. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung war die aufschiebende Wirkung anzuordnen,
weil sie sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig erweist. In Anbetracht dessen
bestand für das Gericht Veranlassung, trotz der Vorbewertung des Gesetzgebers in den
§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 8 Satz 1 AG VwGO NW ein Überwiegen des
öffentlichen Vollzugsinteresses anzunehmen.
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a) Zwar ist die durchzusetzende Passvorlagepflicht - nach den Ausführungen unter 2. -
ihrerseits rechtlich nicht zu beanstanden und auch sofort vollziehbar, sodass die
Voraussetzung des § 55 Abs. 1 VwVG NW gewahrt ist.
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Dass das Zwangsgeld aus dem Kanon der zugelassenen Zwangsmittel das falsche sei,
ist weder dargetan noch ersichtlich.
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Vgl. Zur Geeignetheit dieses Zwangsmittels auch: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof,
Urteil vom 11. Juli 2000, - 10 B 99.3200 -; NVwZ Beilage I 1/2001, S. 4, 5.
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Die Antragsgegnerin hat beachtet, dass sie gehalten ist, das Zwangsgeld in bestimmter
Höhe anzudrohen. Dass diese Höhe hier unangemessen sein könnte, ist wiederum
nicht auszumachen.
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b) Ob es rechtlich angängig ist, wenn der dem regelnden Teil der Ordnungsverfügungen
angefügte Hinweis der Antragsgegnerin den dort genannten Austauschmitteln
Wirkungen erst auf der Ebene der Vollstreckung beimessen will, statt sie als Erfüllung
der eigentlichen Pflicht gelten zu lassen, kann auf sich beruhen, weil dies jedenfalls
derzeit eine Beschwer nicht entfaltet.
23
Beschlüsse des Gerichts vom 19. November 1999 - 24 L 3441/99 -; vom 15. August
2000 - 24 L 2482/00 -.
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c) Die Androhung leidet jedoch unter dem Fehler, dass die in ihr zu setzende Frist
hinsichtlich ihres Beginnes nicht hinreichend bestimmt ist. Denn die Begriffe
„Aushändigung" oder „Erhalt" sind nach der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen,
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Beschluss vom 30. September 1998 - 18 B 1958/97 -,
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ungeeignet zur Fristbestimmung innerhalb einer (Abschiebungs)Androhung.
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Da es sich bei der Abwendungsfrist in einer Zwangsmittelandrohung um einen
gesetzlich
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vgl. §§ 50 Abs. 1 Satz 1 AuslG, 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NW, 13 Abs. 1 Satz 2 BVwVG;
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und begrifflich notwendigen Bestandteil der Regelung handelt, schlägt die
Unbestimmtheit dieses Teiles der Regelung auf die Rechtmäßigkeit der Androhung
durch; sie ist rechtswidrig.
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2. Hinsichtlich der für sofort vollziehbar erklärten Verpflichtung zur Vorlage eines
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gültigen Nationalpasses ist der Antrag als solcher nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig,
weil die fragliche Anordnung unzweifelhaft als verbindliche Handlungspflicht gewollt ist,
mithin Regelungsgehalt aufweist und damit ein Verwaltungsakt ist. Der Antrag hat
insoweit gleichwohl keinen Erfolg, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in
formeller Hinsicht im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, die Passvorlageverpflichtung
als solche im Ergebnis in Einklang mit dem Gesetz stehen dürfte und der Antragsteller
kein Überwiegen seines Interesses dargetan haben, vor abschließender Klärung der
Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren von der Pflicht zur Befolgung des Gebotes
freigestellt zu werden.
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Passvorlageverpflichtung durch die
Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist in formeller Hinsicht im
Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat darin nämlich neben den für
den Erlass der Verfügung als solcher sprechenden Aspekten auch erwähnt, dass im
Falle des Antragstellers die Gefahr bestehe, er könne weiterhin fortgesetzt gegen die
einschlägigen ausländerrechtlichen Bestimmungen verstoßen,
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was zudem den Straftatbestand des § 92 Abs. 1 Nr. 2 AuslG verwirklicht.
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Das genügt - ungeachtet seiner tatsächlichen Richtigkeit - den Anforderungen an eine
den Charakter als Einzelfallentscheidung ausdrückende Begründung i.S.v. § 80 Abs. 3
Satz 1 VwGO. Denn dadurch wird ein einzelfallspezifischer und über das hinter dem
Erlass der Ordnungsverfügung als solcher stehende Interesse hinausragender Aspekt
zur tragenden Erwägung gemacht;
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dies ausdrücklich betonend: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 22. Februar 2000 - 18 B 206/00 -; -
35
den Anforderungen an eine den Charakter als Einzelfallentscheidung ausdrückende
Begründung i.S.v. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Denn dadurch wird ein
einzelfallspezifischer und über das hinter dem Erlass der Ausweisungsverfügung als
solcher stehende Interesse hinausragender Aspekt zur tragenden Erwägung gemacht;
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vgl. dazu, dies hinreichen zu lassen: Beschlüsse des Gerichts vom 19. November 1999 -
24 L 3441/99 -; vom 15. August 2000 - 24 L 2482/00 -.
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b) Auch gegen den Verwaltungsakt als solchen bestehen keine durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
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aa) In formeller Hinsicht
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(1) ist zunächst festzustellen, dass die Antragsgegnerin in ihrer Eigenschaft als
Ausländerbehörde für die Maßnahme zuständig war, zumal die Asylverfahren
bestandskräftig abgeschlossen sind.
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Dazu, dass mit Blick auf die (Vorbereitung der) Beendigung des Aufenthaltes eines
vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auch schon vor Bestandskraft des
Bundesamtsbescheides eine Zuständigkeit der Ausländerbehörde besteht vgl.
Beschlüsse des Gerichts vom 19. November 1999 - 24 L 3441/99 -; vom 15. August
2000 - 24 L 2482/00 -.
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(2) Des weiteren war vor Erlass der Verfügung vom 8. Dezember 2000 die Anhörung
des Antragstellers erforderlich,
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vgl. dazu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 2000 - 10 B 99.3200 -;
NVwZ Beilage I 1/2001, S. 4, 5/6.
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Eine diesem formellen Erfordernis noch genügende Maßnahme kann hier in der
Gesamtschau mit den aktenkundigen häufigen mündlichen Ermahnungen der
Ausländerbehörde gegenüber dem Antragsteller hinsichtlich seiner Pass- und
Mitwirkungspflichten in deren Schreiben an ihn vom 23. November 2000 gesehen
werden, worin sie den Antragsteller auf seine materiell-rechtlichen Pflichten
hingewiesen und ihm „angedroht" hatte, ihn bei neuerlicher Nichtbefolgung mit weiteren
Maßnahmen zu überziehen. Auch wenn dem Antragsteller darin der genaue Inhalt der
späteren Verfügung nicht angekündigt worden ist, bot ihm dies doch Gelegenheit, sich
zu den Gründen der Nichtbefolgung seiner Pflichten einzulassen.
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bb) In materieller Hinsicht erfordert die Rechtmäßigkeit der Passvorlageverpflichtung,
dass es für die Verpflichtung als solche eine gesetzliche Grundlage gibt (dazu (1)), dass
die Ausländerbehörde befugt ist, diese Verpflichtung durch eine Ordnungsverfügung zu
aktualisieren und dadurch der Vollstreckbarkeit mit den Mitteln des
Verwaltungszwanges zuzuführen berechtigt ist (VA-Befugnis; dazu (2)), dass die
Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt (dazu unter (3)) und
dass die allgemeinen Grundsätze für ordnungsrechtliche Verfügungen beachtet worden
sind (dazu unter (4)).
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(1) Die Pflicht, einen gültigen Nationalpass innezuhalten und auf Verlangen der
Ausländerbehörde vorzulegen ergibt sich
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(a) für Ausländer, deren bisher alleiniger Aufenthaltsgrund die Durchführung eines
Asylverfahrens ist und die sich n i c h t im Status des asylverfahrensunabhängigen
Anschlussaufenthaltes befinden, vorzugsweise aus § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylVfG. Denn
diese Bestimmung wirkt über das formale Ende des Asylverfahrens hinaus solange fort,
bis der Aufenthalt des vormaligen Asylbewerbers beendet oder mit einem neuen
asylverfahrensunabhängigen Zweck unterlegt ist;
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Baden-Württembergischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. Oktober 1998 - A 9 S
856/98 -; Beschlüsse des Gerichts vom 19. November 1999 - 24 L 3441/99 -; vom 15.
August 2000 - 24 L 2482/00 -.
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(b) Die inhaltlich gleiche Pflicht ergibt sich freilich für den Ausländer, der nicht (mehr)
dem Regime des AsylVfG unterfällt, aus den subsidiär zur Anwendung gelangenden §§
4 und 40 Abs. 1 des Ausländergesetzes (im Folgenden AuslG)
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vom 9. Juli 1990 (BGBl I 1354) in der Fassung des Gesetzes vom 25. Mai 2000 (BGBl I
742)
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auf die die Antragsgegnerin ihre hier angegriffene Ordnungsverfügung gestützt hat.
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(c) Vor diesem gedanklichen Hintergrund, wonach die jeweilige Pflicht inhaltsgleich in §
15 Abs. 2 Nr. 4 AsylVfG und den §§ 4 und 40 Abs. 1 AuslG steht und deren
Aktualisierung jeweils erst über § 14 Abs. 1 OBG erfolgen muss, ist es hier ohne
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Auswirkungen auf die materielle Rechtmäßigkeit der Passvorlageverpflichtung, dass die
Antragsgegnerin die Pflicht bei der hier angegriffenen Ordnungsverfügung aus der
allgemeineren und nicht der spezielleren Norm hergeleitet hat.
Nach Ansicht des Bayerischer Verwaltungsgerichtshofes in dessen Urteil vom 11. Juli
2000 - 10 B 99.3200 -; NVwZ Beilage I 1/2001, S. 4, 5, soll es rechtlich sogar
unschädlich sein, wenn die Ausländerbehörde nur die Vorschriften des AsylVfG in der
Ordnungsverfügung anführt.
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(d) Diese Pflicht trifft den Antragsteller auch.
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Sein sinngemäßer Einwand, er könne ja nichts dafür, wenn die Auslandsvertretung von
Sierra Leone aus welchen Gründen auch immer und eben irrigerweise davon ausgehe,
er sei kein Staatsangehöriger von Sierra Leone, verfängt nicht. Denn das Risiko, seine
Staatsangehörigkeit durch Innehaltung eines gültigen Nationalpasses nachzuweisen,
obliegt eindeutig nicht etwa der Antragsgegnerin, sondern dem sich im Bundesgebiet
tatsächlich aufhaltenden Ausländer.
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(2) Die Befugnis, diese öffentlich-rechtliche Pflicht im Falle der Nichtbefolgung mit dem
Instrument des Verwaltungsaktes zu aktualisieren und der Vollstreckbarkeit zuzuführen,
ergibt sich als solche nach Auffassung des Gerichts aus der gefahrenabwehrrechtlichen
Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG;
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vgl. auch dazu Beschluss vom 19. November 1999 - 24 L 3441/99 -; dort auch zu den
Gegenmeinungen; ferner Beschluss des Gerichts vom 15. August 2000 - 24 L 2482/00 -;
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 2000 - 10 B 99.3200 -; NVwZ
Beilage I 1/2001, S. 4, 5.
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Diese Vorschrift steht der Antragsgegnerin zu Gebote. Die Aufgabe der
Ausländerbehörde ist in Nordrhein-Westfalen den kommunalen Verwaltungsträgern in
ihrer Eigenschaft als Ordnungsbehörde zugewiesen;
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§ 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Ausländerwesen vom 6. Dezember 1990
(GV NW 1990, S. 661).
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Ordnungsbehörden führen die Aufgaben der Gefahrenabwehr gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1
OBG nach den hierfür erlassenen besonderen Gesetzen und Verordnungen durch (hier
das AuslG einschließlich der Verordnungen dazu sowie das AsylVfG); soweit
Vorschriften in dem spezialgesetzlichen Bereich fehlen oder eine abschließende
Regelung nicht enthalten, eröffnet § 1 Abs. 2 Satz 2 OBG der Ordnungsbehörde auch im
Bereich der Wahrnehmung speziell zugewiesener Funktion den Rückgriff auf das
Instrumentarium des OBG.
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Da Anhaltspunkte dafür, das ganz überwiegend mit dem Genehmigungsinstrumentarium
arbeitende Ausländerrecht wolle die Aktualisierung dort normierter Pflichten im
Einzelfall durch eine auf die Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG gestützte
Ordnungsverfügung ausschließen, nicht bestehen, konnte sich die Antragsgegnerin
auch in ihrer Eigenschaft als Ausländerbehörde des § 14 OBG bedienen.
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Beschlüsse des Gerichts vom 19. November 1999 - 24 L 3441/99 -; vom 15. August
2000 - 24 L 2482/00 -.
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(3) Tatbestandlich ist diese Bestimmung insofern erfüllt, als die Nichtbeachtung einer
öffentlich-rechtlichen Ge- oder Verbotsnorm auch dann eine Gefahr für die öffentliche
Sicherheit in ihrem Schutzgut „positives Recht" darstellt, wenn der Verstoß nicht auch
als solcher straf- oder bußgeldbewehrt ist.
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(4) Schließlich verstößt die dem Antragsteller auferlegte Pflicht auch nicht etwa gegen
die allgemeinen Grundsätze für gefahrenabwehrrechtliche Verfügungen.
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(a) Es wird dem Antragsteller nicht etwas rechtlich oder tatsächlich unmögliches
auferlegt. Nach der schriftlichen Mitteilung der Auslandsvertretung von Sierra Leone ist
der Antragsteller nicht Staatsangehöriger dieses Staates. Das entbindet ihn von der
Passpflicht allenfalls dann, wenn damit seine Staatenlosigkeit nachgewiesen wäre,
wovon freilich keine Rede sein kann. Vielmehr ist der Antragsteller, der selbst am
besten wissen wird, welcher andere Staat in Betracht kommt, gehalten, sich andernorts
um gültige Papiere zu bemühen.
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Zwar hat das Gericht es bereits für rechtswidrig gehalten, wenn die Ausländerbehörde
den Beginn der dem Ausländer für die Vorlage gesetzten Frist an den Zugang der
Ordnungsverfügung knüpft,
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Beschluss vom 22. August 1997 - 24 L 2795/97 -; a.A: wohl Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 2000, - 10 B 99.3200 -; NVwZ Beilage I
1/2001, S. 4, 5,
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weil auch der mitwirkungswillige Ausländer bei strikter Befolgung der Verfügung keinen
Einfluss darauf hat, wann der von ihm beantragte Nationalpass tatsächlich ausgestellt
wird, um den angedrohten Zwangsmitteln entgehen zu können.
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Dem trägt die Antragsgegnerin hier jedoch dadurch Rechnung, dass sie es zur Meidung
der angedrohten vollstreckungsrechtlichen Mittel ausdrücklich zulässt ihr nachzuweisen,
dass man sich innerhalb der gesetzten Frist um die Beschaffung bemüht hat oder
unverschuldet dazu nicht in der Lage war.
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(b) Die konkret-individuelle Verpflichtung zur Passbeschaffung ist auch nicht
unverhältnismäßig.
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Sie ist zweifelsohne als Maßnahme zur Verwirklichung des Zwecks der Bestimmungen
über die Passpflicht geeignet.
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Sie ist auch erforderlich. Denn mit seiner beharrlichen Weigerung, über die ergebnislose
Vorsprache auf der Auslandsvertretung seines vorgeblichen Heimatlandes hinaus an
der Beschaffung von Heimreisedokumenten mitzuwirken, hat der Antragsteller auch
hinreichend Anlass geboten, die abstrakt- generellen Pflichten mittels Verwaltungsaktes
so auszugestalten, dass sie notfalls zwangsweise durchgesetzt werden können.
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Zweifel an der Angemessenheit sind weder dargetan noch ersichtlich.
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(c) Schließlich schlägt der bereits konstatierte rechtliche Mangel der
Zwangsgeldandrohung auch nicht etwa bis auf die Grundverfügung durch. Denn auch
wenn die Formulierung des Tenors der Ordnungsverfügung dies nahe legen könnte, ist
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bei verständiger Auslegung die Frist kein Bestandteil der Passvorlegepflicht als solcher.
Zum einen kann man eine Passvorlagepflicht als solche gedanklich durchaus auch
ohne eine Fristbestimmung auferlegen; einer Frist bedarf es erst, wenn man ausdrücken
will, ab wann man aus der Nichtbefolgung Konsequenzen ziehen will. Zum anderen
wollte die Antragsgegnerin auch nicht etwa ausdrücken, dass sie nach Ablauf des im
Zusammenhang mit der Passvorlagepflicht genannten Termines etwa nicht mehr wollte,
dass der Antragsteller seiner Passpflicht nachkommt. Die Frist hat mithin rechtliche
Relevanz erst im Kontext der Vollstreckung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ist
nach den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG erfolgt. Das in der Sache teilweise
Obsiegen des Antragstellers wirkt sich auf die Kostenlastverteilung nicht aus, weil der
Erfolg des Antragstellers sich auf die Regelung der Ordnungsverfügung beschränkt, der
keine eigene Kostenrelevanz zukommt. Denn in std. Rechtsprechung misst das Gericht
einer als bloßem Annex zu einer anderen Regelung (GrundVA) ausgesprochenen
Zwangsmittelandrohung keine eigene Relevanz im Hinblick auf den Streitwert bei.
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