Urteil des VG Düsseldorf vom 29.05.2008
VG Düsseldorf: vorläufige dienstenthebung, erneuerbare energie, verfügung, wahrscheinlichkeit, beamtenverhältnis, gestatten, führer, disziplinarverfahren, heizungsanlage, datum
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 31 K 3114/08.O
Datum:
29.05.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
31. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
31 K 3114/08.O
Tenor:
Die durch Verfügung des Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin vom
28. März 2008 angeordnete vorläufige Dienstenthebung und
Einbehaltung von 10 % der monatlichen Dienstbezüge des
Antragstellers werden ausgesetzt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1
Der Antrag des Antragstellers nach § 63 Abs. 1 LDG NRW ist begründet, da ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung des Oberbürgermeisters der
Antragsgegnerin vom 28. März 2008 (vgl. § 63 Abs. 2 LDG NRW) bestehen. Die
Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 LDG NRW sind nicht gegeben.
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Gegen den Antragsteller ist durch Vermerk vom 19. Februar 2008 ein
Disziplinarverfahren eingeleitet worden, da zureichende tatsächliche Anhaltspunkte
vorliegen, dass dieser am 16. Januar 2008 die nachfolgend aufgeführten E-Mails
antisemitischen, holocaustverherrlichenden Inhalts verfasst und an seinen Kollegen L1
gesandt hat:
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- "Ich habe vor, meine Heizungsanlage umzubauen: jeden Tag einen J... -
umweltfreundlich und vor allem: eine erneuerbare Energie, weil die wachsen ja nach.
Der Führer wäre stolz auf mich!!!"
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- "Aber am besten gefällt mir mein J....ofen, hehehehe...So wie damals und richtig
umweltfreundlich. Einer muß den Müll entsorgen."
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- "Genau, das ist der Punkt...Und durch die hohen Temperaturen rückstandsfrei. Noch
nichtmal Asche...Daher auch der Ausspruch: kannste verbrennen..."
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehen keine ernsthaften Zweifel, dass er
Verfasser dieser E-Mails ist. In der Zeit vom 15. Januar 2008, 13.49 Uhr und 16. Januar
2008, 10.57 Uhr sind 12 wechselseitige E-Mails zwischen dem Antragsteller und L1
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dokumentiert. Sie enthalten abgesehen von den antisemitischen,
holocaustverherrlichenden und nazistischen Äußerungen, die eher beiläufig
eingeflochten sind, ausschließlich Informationen privater Natur und haben
korrespondierenden Charakter, wie z. B. der Austausch über
Computerschutzprogramme um 7.06 Uhr und 7.19 Uhr am 16. Januar 2008. Dass
derartige Mails von einem Dritten verfasst worden sind, ist bei realitätsnaher
Betrachtung ausgeschlossen. Das Eindringen eines Dritten in den Dienstcomputer des
Antragstellers wäre diesem im übrigen bis zum 28. Januar 2008 - dem Tag seiner
Freistellung vom Dienst -, nicht verborgen geblieben, so dass eine entsprechende
Information des Dienstvorgesetzten durch den Antragsteller nahezu zwangsläufig
gewesen wäre. Daß dies unterblieben ist, belegt ebenfalls die Urheberschaft des
Antragstellers.
Allerdings kann im Rahmen dieses summarischen Verfahrens nicht festgestellt werden,
dass die Verfehlung des Antragstellers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. u. a.
OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2005 - 21 d A 4021/03.O -) mit der Höchstmaßnahme
zu ahnden sein wird mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 S. 1, Abs.
2 LDG NRW nicht gegeben sind. Für Verfehlungen der in Rede stehenden Art gibt es in
disziplinarer Hinsicht keine Regelmaßnahme. Es kommt auf die Umstände des
Einzelfalles an, wobei das Disziplinarmaß sich zwischen einer Gehaltskürzung (vgl.
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juni 1997 - D 17 S 24/96 -, OVG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 19. April 2007 - 80 D 6.05 -) und der Höchstmaßnahme (vgl.
Bayerischer VGH, Urteil vom 28. November 2001 - 16 D 00.2077 -, der Beamte war
vorbelastet) bewegt. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kann im gegenwärtigen
Zeitpunkt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, der Antragsteller werde aus dem
Beamtenverhältnis zu entfernen sein, nicht festgestellt werden. Dies gilt umso mehr, als
im Rahmen des sich im Anfangsstadium befindlichen Ermittlungsverfahrens
Erkenntnisse, die eine Bewertung des Persönlichkeitsbildes des Antragsteller gestatten
(§ 13 Abs. 2 LDG NRW, vgl. hierzu: BverwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12/04 -),
bislang nicht gewonnen worden sind. Bei Verfehlungen der hier in Rede stehenden Art
sind aber gerade Erkenntnisse über das Persönlichkeitsbild von erheblicher Bedeutung,
weil sie einen Schluss darauf zulassen können, auf welcher inneren Haltung
Äußerungen, wie sie der Antragsteller von sich gegeben hat, beruhen.
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Ob die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers aus dienstlichen Gründen gemäß
§ 38 Abs. 1 S. 2 LDG NRW zu rechtfertigen ist, kann offen bleiben, weil der
Oberbürgermeister sich im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nicht auf diese
Alternative gestützt hat. Dem Gericht ist es verwehrt, die Ermessensentscheidung des
Oberbürgermeisters durch eigene Erwägungen zu ersetzen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 74 Abs. 4 LDG NRW, 154 Abs. 1 VwGO.
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