Urteil des VG Düsseldorf vom 11.09.2002

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 6 L 3572/02
Datum:
11.09.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 L 3572/02
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Der Deichverband X, vertreten durch seinen Deichgräf C1, wird
beigeladen, weil durch die Entscheidung seine rechtlichen Interessen
berührt sind.
Gründe:
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Die Entscheidung durch den Vorsitzenden beruht auf § 80 Abs. 8 VwGO. Danach kann
in dringenden Fällen der Vorsitzende entscheiden. Die Entscheidung ist dringlich, da
mit den Arbeiten auf Grund der Plangenehmigung bereits begonnen worden ist und da
die Arbeiten nach Mitteilung des Deichgräfen des beigeladenen Deichverbandes
voraussichtlich in einigen Tagen abgeschlossen sein werden. Wegen der Dringlichkeit
sind die Antragsgegnerin und der Deichgräf des beigeladenen Deichverbandes
telefonisch angehört worden.
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Der Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage (6 K 6051/02) gegen die Plangenehmigung der
Antragsgegnerin vom 19.06.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom
23.08.2002 wiederherzustellen,
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hat keinen Erfolg.
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Der im Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht wegen Fehlens einer
Vollziehungsanordnung unstatthafte Antrag ist dadurch statthaft geworden, dass die
Antragsgegnerin nach Kenntniserlangung von der Klageerhebung durch Bescheid vom
10.09.2002 nachträglich die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Der Bescheid ist dem
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Gericht vorab durch Telefax bekannt gegeben worden.
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Antragsteller, die nicht Adressaten der
Plangenehmigung sind, antragsbefugt sind. Hierzu müssten sie geltend machen, durch
die angegriffene Plangenehmigung in ihren Rechten verletzt zu werden.
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Die Antragsteller machen im Wesentlichen geltend, dass die durch die angefochtene
Plangenehmigung angestrebte Verbesserung des Hochwasserschutzes nicht
ausreichend sei. Verbesserungen des Hochwasserschutzes können mit der
Anfechtungsklage gegen die Plangenehmigung sowie mit dem vorgelagerten
vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO jedoch nicht erreicht werden.
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Ferner machen sie geltend, dass durch die „Deichertüchtigungsmaßnahmen", die
Gegenstand der Plangenehmigung sind, erst der untertägige Steinkohleabbau in dem
fraglichen Bereich ermöglicht werde, der Gegenstand der bergrechtlichen
Zulassungsentscheidungen ist, gegen die sich die Antragsteller in dem Verfahren 3 L
2843/02 des Gerichts wenden. Sie vertreten die Auffassung, dass die deichrechtlichen
Fragen in den bergrechtlichen Zulassungsverfahren abschließend hätten mitgeregelt
werden müssen. Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsansicht zutrifft. Im vorliegenden
Verfahren ist sie nicht entscheidungserheblich. Durch die für sofort vollziehbar erklärten
bergrechtlichen Zulassungsentscheidungen ist eine jedenfalls derzeit wirksame
Rechtsgrundlage für den untertägigen Steinkohleabbau geschaffen worden. Die für die
wasserrechtlichen - damit auch deichrechtlichen - Streitigkeiten zuständige Kammer des
Verwaltungsgerichts ist nicht befugt, die Rechtmäßigkeit der bergrechtlichen
Zulassungsentscheidungen zu überprüfen. Sie hat vielmehr, solange nicht hinsichtlich
der bergrechtlichen Entscheidungen vorläufiger Rechtsschutz gewährt wird, davon
auszugehen, dass der untertägige Steinkohleabbau weiter vorangetrieben wird. Sie hat
ausschließlich nach Maßgabe der wasserrechtlichen Vorschriften zu prüfen, ob von der
im vorliegenden Verfahren streitigen wasserrechtlichen Plangenehmigung sofort
Gebrauch gemacht werden darf. Auch wenn die „Deichertüchtigungsmaßnahmen" eine
zwingende Folge des Steinkohleabbaus sind, beurteilt sich im vorliegenden Verfahren
die Frage einer denkbaren Rechtsverletzung der Antragsteller ausschließlich danach,
ob unter wasserrechtlichen Gesichtspunkten die Plangenehmigung Rechte der
Antragsteller verletzt. Ungeachtet der Frage, inwieweit erfolgreiche Rechtsbehelfe
gegen künftige Deicherhöhungsmaßnahmen zur Folge haben können, dass sich die
bergrechtlichen Zulassungsentscheidungen als undurchführbar erweisen können, geht
es im vorliegenden Falle darum, dass nach den nachvollziehbaren Angaben in der
Plangenehmigung und nach den von dem beigeladenen Deichverband übermittelten
Unterlagen Schädigungen und Senkungen des Deiches unabhängig von einer weiteren
Durchführung des Steinkohleabbaus bereits auf Grund des derzeit erreichten Abbaus
zwingend eintreten werden.
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Die Zulässigkeit des Antrages mag letztlich auf sich beruhen, weil er jedenfalls in der
Sache keinen Erfolg hat. Gem. §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO kann das
Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen gem. § 80 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 VwGO mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen
Verwaltungsakt wiederherstellen, wenn das Interesse des betroffenen Dritten an der
aufschiebenden Wirkung der Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Das Interesse des Betroffenen überwiegt
regelmäßig, wenn die angefochtene Entscheidung offensichtlich rechtswidrig ist.
Ansonsten bedarf es einer offenen Interessenabwägung, die das Gericht im Rahmen
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einer eigenen Ermessensentscheidung vorzunehmen hat.
Im vorliegenden Fall kann eine abschließende Bewertung der Rechtmäßigkeit der
streitigen Plangenehmigung wegen des summarischen Charakters des Verfahrens nicht
erfolgen. Die Plangenehmigung ist jedenfalls nicht ersichtlich rechtswidrig. Es spricht im
Gegenteil mehr für als gegen die Rechtmäßigkeit der Plangenehmigung. Bei der somit
vorzunehmenden Interessenabwägung ergeben sich keine schützenswerten Interessen
der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
Wie oben bereits ausgeführt, ist es nicht möglich, mit dem vorliegenden Verfahren den
von den Antragstellern bekämpften Steinkohleabbau zu unterbinden. Die mit der
Plangenehmigung zugelassenen Deichertüchtigungsmaßnahmen dienen unmittelbar
ausschließlich dem zeitlich dringlichen Hochwasserschutz unmittelbar vor Beginn der
Jahreszeit, in der häufig mit hohen Wasserständen am Rhein zu rechnen ist. Der Deich
weist unwidersprochen bereits jetzt Rissbildungen als Folge von Bergsenkungen auf.
Wie sich aus den dem Gericht vorgelegten Messergebnissen der Deutschen Steinkohle
AG aus dem Jahr 2002 ergibt, sind darüber hinaus in den Monaten Juli bis September
2002 weitere Senkungen im Deichbereich eingetreten. Wie die Antragsgegnerin in der
streitigen Plangenehmigung und in dem Bescheid über die Anordnung der sofortigen
Vollziehung vom 10.09.2002 nachvollziehbar angegeben hat, ist in der näheren Zukunft
mit weiteren Senkungen in einer Größenordnung bis zu 0,24 m in dem Deichbereich zu
rechnen, in dem die Deicherhöhung weiter durchgeführt werden soll. Bei dieser
Sachlage wäre es pflichtwidrig, wenn der beigeladene Deichverband und die
Deichaufsichtsbehörden nichts unternähmen, um jedenfalls zumindest den
Rissschäden entgegenzuwirken und eine Erhöhung nach Maßgabe der Senkung des
Geländes vorzunehmen. Auch im Rahmen der Interessenabwägung kann nicht darauf
abgestellt werden, ob sich die vorgesehenen Maßnahmen möglicherweise als nicht
ausreichend erweisen. Jedenfalls bewirken sie keine Verschlechterung des
Hochwasserschutzes. Eine umfassende Überprüfung der Notwendigkeit und
Zulässigkeit weiterer künftiger Deicherhöhungen kann erst bei künftigen Rechtsbehelfen
gegen entsprechende Planfeststellungsentscheidungen erfolgen, soweit Betroffene
zulässigerweise das Gericht anrufen.
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Da die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit einer den Anforderungen des § 80
Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechenden Begründung versehen ist, kann auch unter diesem
Gesichtspunkt der Antrag keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da der Deichverband X erst in
diesem Beschluss beigeladen worden ist, bedarf es einer Entscheidung über seine
außergerichtlichen Kosten nicht.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3 in Verbindung mit 13 Abs. 1 GKG. Im
Hinblick auf Umfang und Bedeutung der Sache erscheint es sachgerecht, auch im
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den vollen Auffangwert festzusetzen.
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