Urteil des VG Düsseldorf vom 20.03.2006

VG Düsseldorf: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, auflage, genehmigungsverfahren, amtshandlung, wohngebäude, behörde, androhung, begriff, grenzabstand, verwaltungskosten

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 3634/05
Datum:
20.03.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 3634/05
Tenor:
Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 27. Mai 2004 - Reg.-Nr. 00-
XX- 0000/00 - in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten
vom 22. November 2004 - Reg.-Nr. 00-XX-0000/00 - und der
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E vom 12. Juli 2005 - Az.:
00.00.00.00/00-X-00/00 - werden aufgehoben, soweit eine Gebühr von
mehr als 1.728,00 Euro erhoben wird. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur
Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger
vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks G1 (Mstr. 00) in E. Das Grundstück ist im
vorderen Bereich genehmigterweise mit einem mehrgeschossigen Gebäude ohne
seitlichen Grenzabstand aus dem Jahr 1897 bebaut, das ab dem 1. Obergeschoss zu
Wohnzwecken genutzt wird und in dessen Erdgeschoss ursprünglich ein Ladenlokal
genehmigt war. Mit Bauschein Nr. 3-0206/78 vom 28. März 1978 wurde stattdessen der
Einbau eines Eiscafés im Erdgeschoss ausweislich der zugehörigen
Betriebsbeschreibung und der zugehörigen Grundrisszeichnung des Erdgeschosses mit
48 Sitzplätzen genehmigt.
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Im Jahr 2003 ließ der Kläger an der der Hofseite zugewandten Rückfront des Gebäudes
einen viergeschossigen Balkonanbau als Stahlkonstruktion mit Holzdielung ohne
seitlichen Grenzabstand zum Nachbargrundstück Mstraße 00 errichten.
3
Nach einer Anhörung durch den Beklagten reichte der Kläger für dieses Vorhaben unter
dem 28. Mai 2003 einen Bauantrag ein, den der Beklagte mit in Bestandskraft
4
erwachsenem Bescheid vom 17. Oktober 2003 - Reg.-Nr.: 00-XX- 0000/00 - ablehnte.
Mit Ordnungsverfügung vom 3. Februar 2004 - AZ 00/00-XX- Mstr. 00 - forderte der
Beklagte den Kläger auf, - erstens - unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von
1.000 Euro für den Fall der Nichtbefolgung binnen vier Wochen nach Bestandskraft die
an der Hofseite des Gebäudes errichteten Balkone zu beseitigen und - zweitens - unter
Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in
Höhe von 500 Euro für den Fall der Nichtbefolgung binnen einer Woche nach
Zustellung die Namen der Nutzer bzw. Mieter der Wohnungen mit Balkon zum
Hofbereich zu nennen. Hiergegen legte der Kläger unter dem 12. Februar 2004
Widerspruch ein. Seinem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
seines Widerspruchs gegen die Anordnung unter 2. der Ordnungsverfügung und auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die
Zwangsgeldandrohung unter 2. der Ordnungsverfügung gab das erkennende Gericht mit
Beschluss vom 10. März 2004 - 4 L 473/04 - wegen Ermessensfehlerhaftigkeit des
ordnungsbehördlichen Einschreitens statt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe
des Beschlusses Bezug genommen. Unter dem 13. Mai 2004 hob der Beklagte die
Ordnungsverfügung auf.
Auf seinen am 18. Mai 2004 eingereichten Bauantrag vom 10. Mai 2004 erteilte der
Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 27. Mai 2004 im vereinfachten Verfahren die
nachträgliche Baugenehmigung - Reg.-Nr.: 00-XX-0000/00 - zum Balkonanbau und
erhob dafür mit Bescheid desselben Datums - Reg.-Nr.: 00-XX-0000/00 - eine
Baugebühr in Höhe von 870,00 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der
Baugenehmigung nebst zugehöriger Bauvorlagen und den Inhalt des
Gebührenbescheides Bezug genommen.
5
Nachdem der Kläger unter dem 29. Juni 2004 Widerspruch gegen den
Gebührenbescheid erhoben hatte, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 22. November
2004 - Reg.-Nr.: 00-XX-0000/00 - unter Abänderung des Gebührenbescheides vom 27.
Mai 2004 - Reg.-Nr.: 00-XX-0000/00 - „wegen eines Rechenfehlers" die Gebühr auf
2.880,00 Euro herauf. Im Einzelnen wird auf die Gründe dieses Bescheides Bezug
genommen. Gegen den Änderungsbescheid erhob der Kläger unter dem 14. Dezember
2004 Widerspruch.
6
Die Bezirksregierung E wies den Widerspruch des Klägers gegen den
Gebührenbescheid in der Fassung des Änderungsbescheides mit Bescheid vom 12.
Juli 2005 - Az.: 00.00.00.00/00-X-00/00 - zurück. Im Einzelnen wird auf die Gründe
dieses Bescheides Bezug genommen.
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Mit seiner am 15. August 2005 erhobenen Klage ficht der Kläger den Gebührenbescheid
in der Fassung des Änderungsbescheides und den Widerspruchsbescheid teilweise an.
8
Zur Begründung lässt er im Wesentlichen sinngemäß vortragen, die Höhe der Gebühr
bemesse sich nicht - wie vom Beklagten angenommen - nach Tarifstelle - im Folgenden:
TS - 2.4.1.2 des Allgemeinen Gebührentarifs - im Folgenden: AGT - zur Allgemeinen
Verwaltungsgebührenordnung - im Folgenden: AVerwGebO NRW - vom 3. Juli 2001 -
GV. NRW 2001, 262ff. - in der Fassung der Fünften Änderungsverordnung vom 19. April
2005 - GV. NRW 2005, 261ff. - in Höhe von 10 v. T. der Rohbausumme, weil das
Bauvorhaben keine Erweiterung eines Sonderbaus im Sinne von § 54 in Verbindung mit
§ 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW sei, sondern nach TS 2.4.1.1 AGT in Höhe von 6 v. T.
der Rohbausumme, woraus sich nach TS 2.8.1.1 AGT eine dreifache Baugebühr für die
9
nachträgliche Erteilung der Baugenehmigung für die Erweiterung eines Gebäudes im
Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW in Höhe von insgesamt 1.728 Euro ergebe.
Weil zudem die Rohbausumme nicht mit 96.000 Euro, sondern richtigerweise mit 29.000
Euro anzusetzen sei, sei die erhobene Dreifach-Gebühr auf 522 Euro herabzusetzen.
Wegen der Klagebegründung im Einzelnen wird auf die klägerischen Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
Der klägerische Prozessbevollmächtigte beantragt,
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den Gebührenbescheid des Beklagten vom 27. Mai 2004 in der Fassung seines
Änderungsbescheides vom 22. November 2004 und den Widerspruchsbescheid der
Bezirksregierung E vom 12. Juli 2005 aufzuheben, soweit eine Gebühr von mehr als
522,00 Euro erhoben wird, hilfsweise die Bescheide aufzuheben, soweit eine Gebühr
von mehr als 1.728,00 Euro erhoben wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und nimmt inhaltlich Bezug auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte zu diesem und zum Verfahren 4 L 473/04 sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Widerspruchsbehörde Bezug genommen.
15
Entscheidungsgründe:
16
Die zulässige Teilanfechtungsklage ist in dem aus dem Urteilsausspruch ersichtlichen
Umfang teilweise begründet.
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Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 27. Mai 2004 - Reg.-Nr. 00-XX- 0000/00 - in
der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 22. November 2004 - Reg.-
Nr. 00-XX-0000/00 - und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E vom 12. Juli
2005 - Az.: 00.00.00.00/00-X-00/00 - sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten, soweit eine Gebühr von mehr als 1.728,00 Euro festgesetzt ist und
gefordert wird. Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg.
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Für die dem Kläger auf dessen Bauantrag im vereinfachten Verfahren erfolgte Erteilung
der nachträglichen Baugenehmigung vom 27. Mai 2004 - Reg.-Nr.: 00-BA- 0000/00 - zur
Errichtung des viergeschossigen Balkonanbaus als Stahlkonstruktion mit Holzdielung
an der der Hofseite zugewandten Rückfront des Gebäudes Mstraße 00 ist eine Gebühr
in Höhe von 1.728 Euro entstanden.
19
Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung sind § 1 Abs. 1 Nr. 1; 11 Abs. 1 Satz 1; 13
Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW in Verbindung mit §§ 2 GebG NRW, 1 Abs. 1 AVerwGebO
NRW und dem zugehörigen AGT in der zum Zeitpunkt der Gebührenerhebung
geltenden Fassung der Fünften Änderungsverordnung vom 19. April 2005 - GV. NRW
2005, 261ff. -.
20
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW werden als Gegenleistung für Amtshandlungen
einer Behörde Kosten in Form von Verwaltungsgebühren erhoben. Nach § 11 Abs. 1
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Satz 1 GebG NRW entsteht die Gebührenschuld, soweit ein Antrag notwendig ist, dem
Grunde nach mit dessen Eingang bei der zuständigen Behörde, der Höhe nach mit
Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung. Zur Zahlung der Kosten ist
aufgrund § 13 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW verpflichtet, wer die Amtshandlung zurechenbar
verursacht oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen wird. Nach §§ 2 Abs. 1 GebG
NRW; 1 Abs. 1 AVerwGebO NRW sind die einzelnen Amtshandlungen, für die
Gebühren erhoben werden, und die Gebührensätze dem AGT als Bestandteil der
AVerwGebO NRW zu entnehmen.
Die Verwaltungsgebühr für die dem Kläger auf dessen am 18. Mai 2004 beim
Bauaufsichtsamt des Beklagten eingegangenen Bauantrag im vereinfachten Verfahren
erteilte nachträgliche Baugenehmigung vom 27. Mai 2004 - Reg.-Nr.: 00- XX-0000/00 -
beläuft sich wegen der zunächst ohne Baugenehmigung erfolgten Ausführung des
Bauvorhabens nach der TS 2.8.1.1 a) AGT auf das Dreifache der Gebühr nach der TS
2.4.1 AGT.
22
Die TS 2.8.1.1 a) AGT unterliegt wegen dieser Verdreifachung der Gebühr u.a. nach den
TS 2.4.1 bzw. 2.4.2 AGT keinen Bedenken hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -,
Beschluss vom 19. Dezember 1997 - 9 A 292/97 - zur entsprechenden
Vorläuferregelung.
24
Weil es sich bei dem hier in Rede stehenden Balkonanbau als Bauteil des Gebäudes
Mstraße 00 nicht nur um eine Änderung des Gebäudes, sondern um ein Vorhaben zu
seiner baulichen Erweiterung handelt, ist hier nicht die TS 2.4.2 AGT, sondern die TS
2.4.1 AGT anzuwenden.
25
Nach der TS 2.4.1.1 AGT beläuft sich die Grundgebühr für die Entscheidung über die
Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung oder Erweiterung von Gebäuden im
Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW auf 6 v. T. der Rohbausumme, von Gebäuden
im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, die Sonderbauten (§ 54 BauO NRW) sind,
nach TS 2.4.1.2 AGT auf 10 v. T. der Rohbausumme, und von Gebäuden im Sinne von
§ 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW nach TS 2.4.1.3 AGT auf 13 v. T. der Rohbausumme, in
allen Fällen jedoch auf mindestens 50 Euro.
26
Die der Gebührenerhebung behördlich zu Grunde gelegte TS 2.4.1.2 AGT ist schon
deshalb nicht einschlägig, weil die für die Errichtung eines Eiscafés im Erdgeschoss
des Gebäudes Mstraße 00 erteilte Baugenehmigung vom 28. März 1978 - Bauschein Nr.
3-0206/78 - nach heutigen rechtlichen Maßstäben nicht nur eine Sonderbaunutzung im
Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW in
Gestalt eines sogenannten „kleinen Sonderbaus" beinhaltet, sondern eine
Sonderbaunutzung im Sinne von §§ 54 Abs. 3; 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 11 BauO NRW in
Gestalt eines „großen Sonderbaus".
27
Vgl. zu dieser gebräuchlichen begrifflichen Unterscheidung in Anlehnung an die in §§
54 Abs. 3; 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW aufgeführten Vorhaben Heintz in
Gädtke/Temme/ Heintz, Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 10.
Auflage, § 68 Rdnr. 28.
28
„Kleine" Sonderbauten sind solche, die in erheblicher Weise vom „Regelfall" bzw.
29
„Normalfall" abweichen, ohne dem Katalog der in § 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW
aufgeführten Vorhaben - den sogenannten „großen" Sonderbauten - zu unterfallen.
Unter „Normal-" oder „Regelfall" sind Gebäude zu verstehen, die ihrer Nutzung nach
Wohngebäude oder diesen in der Nutzung ähnlich sind und vom Baukörper her
Gebäude geringer oder mittlerer Höhe im Sinne von § 2 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BauO
NRW sind. An diesen „Normalfall" richten sich die materiellen Anforderungen der BauO
NRW vornehmlich.
Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2005 - 4 K 3166/05 - und Heintz in
Gädtke/Temme/Heintz, Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 10.
Auflage, § 54 Rdnr. 1 und 2.
30
Die Regelung in §§ 54 Abs. 3; 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 11 BauO NRW betrifft u. a.
Gaststätten mit mehr als 40 Gastplätzen. Unter Gaststätten in diesem Sinne sind
bauliche Anlagen oder Teile von baulichen Anlagen für Schank- oder
Speisewirtschaften oder für Beherbergungsbetriebe zu verstehen, die jedermann oder
bestimmten Personen zugänglich sind.
31
Vgl. Heintz in Gädtke/Temme/Heintz, Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen,
Kommentar, 10. Auflage, § 54 Rdnr. 63.
32
Ausweislich der zum Bauschein zugehörigen Betriebsbeschreibung und der
zugehörigen Grundrisszeichnung des Erdgeschosses ist ein Eiscafé mit 48 Sitzplätzen
genehmigt. Ob der jetzige Betreiber diesen Nutzungsrahmen zur Zeit ausschöpft oder -
wie der Kläger vorträgt - höchstens 40 Gastplätze unterhält, ist unerheblich.
33
Obwohl diese im Erdgeschoss des Gebäudes genehmigte Nutzung einen „großen"
Sonderbau im Sinne von §§ 54 Abs. 3; 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 11 BauO NRW darstellt,
kommt hier zur Bemessung der Gebühr auch nicht TS 2.4.1.3 AGT mit einem
Gebührensatz von 13 v. T. der Rohbausumme in Betracht abgesehen davon, dass der
Beklagte die nachträgliche Baugenehmigung - auch auf ausdrücklichen Antrag des
Klägers als Bauherrn vom 10. Mai 2004 - im vereinfachten Verfahren nach § 68 Abs. 1
Satz 1 BauO NRW mit dem eingeschränkten Prüfungsumfang nach Satz 4 der Vorschrift
erteilt hat, was er nach § 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW nicht hätte tun dürfen, wenn auf
die betreffende „große" Sonderbaunutzung abzustellen wäre. Heranzuziehen ist
vielmehr TS 2.4.1.1 AGT, weil mit dem Balkonanbau als dem durch den Bauantrag vom
10. Mai 2004 bestimmten Bauvorhaben die genehmigte Nutzung des Erdgeschosses
des Gebäudes als Eiscafé mit 48 Sitzplätzen nicht betroffen ist und dementsprechend
auch kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand in Gestalt der Prüfung der
bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach § 54 Abs. 1 und 2 BauO
NRW anfällt.
34
Auf den Umstand, dass der im Erdgeschoss des Gebäudes Mstraße 00 ausgeübten
Nutzung die Genehmigung einer Sonderbaunutzung im Sinne von §§ 54 Abs. 3; 68 Abs.
1 Satz 3 Nr. 11 BauO NRW zugrunde liegt, kommt es verwaltungsverfahrensrechtlich
nicht an; denn wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt ist, bestimmt der einen
Bauantrag stellende Antragsteller durch den Bauantrag, über welches
baugenehmigungspflichtige Vorhaben die Bauaufsichtsbehörde entscheidet.
35
Vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschluss vom 21. August 1991 - 4 B 20.91
-, BRS 52 Nr. 2.
36
Das zur Genehmigung gestellte Vorhaben stellt den „Regelfall" eines Bauvorhabens im
oben angeführten Sinne dar, denn der Anbau der viergeschossigen Balkonkonstruktion,
betrifft allein die in dem Gebäude Mstraße 00 genehmigte Wohnnutzung und führt
insoweit zur baulichen Erweiterung eines vorhandenen Gebäudes von - ausweislich
des beigezogenen Verwaltungsvorgangs - mittlerer Höhe im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz
2 BauO NRW. Damit war hier ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren im Sinne von §
68 Abs. 1 Sätze 1 und 4 BauO NRW durchzuführen, denn mit der Bestimmung des zur
Genehmigung gestellten Vorhabens bestimmt der Antragsteller zugleich mittelbar den
nach den Vorschriften der BauO NRW bei der Bauaufsichtsbehörde anfallenden
Umfang der Prüfung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens und damit
den erforderlichen Verwaltungsaufwand.
37
Im Übrigen ist hier auch tatsächlich kein gegenüber der Prüfung der
bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit eines üblichen Wohnbauvorhabens nach § 68
Abs. 1 Sätze 1 und 4 BauO NRW zusätzlicher Verwaltungsaufwand angefallen, weil der
Beklagte, der offenbar im Hinblick auf die tatsächlich ausgeübte Nutzung unterhalb der
Schwelle von mehr als 40 Gastplätzen in § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 11 BauO NRW von
einem „kleinen" Sonderbau im Sinne von §§ 54 Abs. 1; 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW
ausgegangen ist, ausweislich des beigezogenen Verwaltungsvorgangs die zusätzliche
Vereinbarkeit des Vorhabens mit der brandschutzrechtlichen Vorschrift des § 17 BauO
NRW nicht geprüft hat, obwohl er es von seinem rechtlichen Standpunkt aus nach § 68
Abs. 1 Sätze 1 und 4 Nr. 2 BauO NRW gerade bei einem „kleinen" Sonderbau hätte tun
müssen. Er hat es mit einer Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren für
„Normalbauten" bewenden lassen.
38
Ist aber ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach § 68 Abs. 1 Sätze 1 und 4
BauO NRW durchzuführen, weil das zur Genehmigung gestellte Vorhaben ausweislich
des Bauantrages einen „Normalbau" darstellt, so muss sich dieser
verwaltungsverfahrensrechtliche Umstand auch verwaltungsgebührenrechtlich
niederschlagen; denn nach § 3 GebG NRW ist bei der Bemessung der Höhe der Gebühr
der - in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht rechtmäßig anfallende -
Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen.
39
So findet der erhöhte Vervielfältigungssatz von 13 v. T. der Rohbausumme zur
Bemessung der Grundgebühr für die Entscheidung über die Erteilung der
Baugenehmigung für die Errichtung und Erweiterung von Gebäuden im Sinne von § 68
Abs. 1 Satz 3 BauO NRW - sogenannten „großen" Sonderbauten - nach TS 2.4.1.3 AGT
bzw. für die Änderung solcher Gebäude nach TS 2.4.2.3 AGT seine Rechtfertigung in
einem regelmäßig erhöhten Prüfungsaufwand, d. h. darin, dass solche Anlagen nach §§
54 Abs. 3; 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW bei typisierender Betrachtung eine intensivere,
auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Prüfung erfordern, welche besonderen
Anforderungen zur Gefahrenabwehr einzuhalten sind oder welche besonderen
Erleichterungen mit Blick darauf gewährt werden können.
40
So OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2004 - 9 A 201/02 - zu den entsprechenden
Vorläuferregelungen der vorgenannten Tarifstellen.
41
Betrifft die Sonderbaunutzung als das nach Maßgabe des Bauantrages zur
Genehmigung gestellte Vorhaben das gesamte Gebäude im Sinne von § 2 Abs. 2 BauO
NRW und zugleich - nach TS 2.1.1 Satz 2 AGT - im Sinne sämtlicher Tarifstellen unter
42
TS 2 „Baurechtliche Angelegenheiten" AGT, so bleibt für eine Anwendung der
Tarifstellen zur Bemessung der Grundgebühr für die Entscheidung über die Erteilung
der Baugenehmigung für die Errichtung und Erweiterung oder Änderung von Gebäuden
im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, die keine Sonderbauten, sondern
Normalbauten sind, kein Raum. Betrifft die Sonderbaunutzung - wie hier - indessen
einen abgrenzbaren bzw. abgegrenzten Teil eines Gebäudes, so ist
verwaltungsverfahrensrechtlich nach den obigen Grundsätzen und auch
verwaltungsgebührenrechtlich nach dem in § 3 GebG NRW zum Ausdruck kommenden
Grundsatz zu differenzieren.
Insbesondere Gaststätten im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 11 BauO können auch
lediglich Teile von baulichen Anlagen bzw. Gebäuden sein.
43
Vgl. Heintz in Gädtke/Temme/Heintz, Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen,
Kommentar, 10. Auflage, § 54 Rdnr. 63.
44
Geht es um die Erteilung einer Baugenehmigung für die - erstmalige - Errichtung eines
Gebäudes mit einer solchen Sonderbaunutzung in einem abgrenzten Teil des
Gebäudes, so ist die TS 2.4.1.3 AGT mit der Maßgabe anzuwenden, dass zwar der
Vervielfältigungssatz vom 13 v. T. der Rohbausumme zugrunde zu legen ist, aber nach
TS 2.1.2 Abs. 4 AGT bei - solchen - Gebäuden gemischter Nutzung für die Gebäudeteile
mit den verschiedenen Nutzungsarten die danach differenzierenden Rohbauwerte
anteilig zu ermitteln sind.
45
Damit soll ersichtlich den Anforderungen in § 3 GebG NRW Rechnung getragen
werden; diese besagen, dass die Erhebung der Gebühr der Abgeltung des
Verwaltungsaufwandes sowie des mit der Amtshandlung ggfs. verbundenen privaten
Nutzens bzw. Vorteils dient. Die Anordnung zur Berücksichtigung des
Verwaltungsaufwandes stellt letztlich allein einen Ausfluss des Äquivalenzprinzips dar
und wirkt sich ebenso wie dieses insofern begrenzend aus, als sich die Gebührenhöhe
nicht vollständig von den Verwaltungskosten lösen darf.
46
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Mai 2005 - 9 A 1422/05 -.
47
Mit der anteiligen Ermittlung nach unterschiedlichen Rohbauwerten wird zum einen der
je nach zur Genehmigung gestellter Nutzung anfallende unterschiedliche
Verwaltungsaufwand und zum anderen der unterschiedliche Vorteil berücksichtigt, den
die Genehmigung für den Bauherrn je nach Nutzungsart hat.
48
Dieser Weg ist ebenfalls einzuschlagen, wenn die zur Genehmigung gestellte
Erweiterung oder bauliche Änderung des gemischt genutzten Gebäudes vornehmlich
oder zumindest auch die Sonderbaunutzung betrifft.
49
Indessen würde es einen Verstoß gegen den in § 3 GebG NRW verankerten Grundsatz,
dass sich die Gebührenhöhe nicht von den Verwaltungskosten und damit dem
anfallenden Verwaltungsaufwand lösen darf, bedeuten, wenn - wie im vorliegenden Fall
- bei der Erweiterung oder baulichen Änderung eines Gebäudes mit gemischter Nutzung
unter Einschluss von Sonderbaunutzung in einem Teil des Gebäudes allein anknüpfend
an den Begriff „Gebäude" die TS 2.4.1.2 oder 2.4.1.3 AGT bzw. TS 2.4.2.2 oder 2.4.2.3
AGT für Sonderbauten zur Anwendung kämen, nur weil in einem abgrenzten Teil des
Gebäudes eine Sonderbaunutzung genehmigt ist, die indessen nach Maßgabe des
50
Bauantrages durch das Erweiterungs- oder Änderungsvorhaben überhaupt nicht
betroffen wird und damit auch keinen nach typisierender Betrachtung für die Verwaltung
erhöhten Prüfungsaufwand verursacht.
Weil die einzelnen Amtshandlungen, für die Gebühren erhoben werden, und die
Gebührensätze in der AVerwGebO NRW nach § 2 Abs. 1 GebG NRW unter Beachtung
der §§ 3 bis 6 GebG NRW zu bestimmen sind, ist der Begriff „Gebäude" in den TS
2.4.1.2 und 2.4.1.3 AGT bzw. TS 2.4.2.2 und 2.4.2.3 AGT den Anforderungen aus § 3
GebG NRW konform dahin auszulegen, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben
zur Erweiterung oder Änderung des Gebäudes selbst eine Sonderbaunutzung
beinhaltet oder andernfalls die in einem gemischt genutzten Gebäude genehmigte
Sonderbaunutzung zumindest in bauordnungsrechtlich relevanter Weise betrifft. Ist auch
das nicht der Fall, kommen die TS 2.4.1.1 bzw. 2.4.2.1 AGT zur Anwendung.
51
Vgl. auch zum Ermessen bei der Bemessung einer Rahmengebühr im Sinne von § 9
GebG NRW für die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Dachaustritts
eines nur zu Wohnzwecken genutzten Dachgeschosses eines mehrgeschossigen, im
Erdgeschoss gewerblich genutzten Gebäudes VG Düsseldorf, Urteil vom 16. November
2005 - 4 K 3166/05 -, nicht rechtskräftig.
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Die hier entstandene einfache Gebühr beläuft sich nach TS 2.4.1.1 AGT auf 576 Euro,
nämlich 6 v. T. der Rohbausumme in Höhe von aufgerundet 96.000 Euro. Diese
Rohbausumme ergibt sich ihrerseits nach TS 2.1.2 AGT aus der Vervielfältigung des
Bruttorauminhaltes des zur Genehmigung gestellten Vorhabens - hier des
Bruttoraumvolumens der Balkonanlage von insgesamt 969 m³ - mit den jährlich
fortgeschriebenen Rohbaukostenansätzen für Wohngebäude - hier im Jahr 2004 in
Höhe von 99 Euro je m³ -. Zur Berechnung der Rohbausumme kann im Übrigen auf die
insoweit zutreffenden Ausführungen im Änderungsbescheid und Widerspruchsbescheid
Bezug genommen werden. Diese einfache Gebühr ist - wie oben dargelegt - nach der
hier einschlägigen TS 2.8.1.1 a) AGT zu verdreifachen.
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Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip ist nach den Grundsätzen, die in den Gründen
des Widerspruchsbescheides zutreffend wiedergegeben werden und auf die zwecks
Vermeidung von Wiederholungen insoweit Bezug genommen wird, weder im Hinblick
auf die Zugrundelegung der auf der Grundlage der Rohbaukostentabelle ermittelten
Rohbausumme im Unterschied zu den hier nicht spezifizierten tatsächlichen
Rohbaukosten noch im Hinblick auf die Höhe der vorgenannten Gebühr von 576 Euro
bzw. 1.728 Euro hier nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11;
711 ZPO.
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