Urteil des VG Düsseldorf vom 21.11.2006

VG Düsseldorf: verdacht, verfassungsschutz, publikation, herausgeber, rechtsextremismus, kritik, grundsatz der erforderlichkeit, beitrag, globalisierung, demokratie

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 22 K 3124/04
Datum:
21.11.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
22. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 K 3124/04
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage
zurückgenommen hat.
Im Übrigen wird das beklagte Land verurteilt,
die Verbreitung seines Verfassungsschutzberichtes über das Jahr 2003
zu unterlassen, wenn nicht zuvor die Passage über die Zeitschrift "O" auf
Seite 103 dieses Berichtes entfernt oder unleserlich gemacht worden ist,
in seinem nächsten Verfassungsschutzbericht richtig zu stellen, dass der
Bericht über die Zeitschrift "O" in der Rubrik "Rechtsextremismus" im
Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2003 rechtswidrig war,
die Verbreitung seines Verfassungsschutzberichtes über das Jahr 2004
zu unterlassen, wenn nicht zuvor der Satz "Ein Vorstandsmitglied, S ist
Herausgeber des rechtsextremistischen Magazins 'O', früher 'T'." auf
Seite 75 dieses Berichtes und der Zusatz "(...), Herausgeber der
rechtsextremistischen Publikation 'O', (...)" auf Seite 76 dieses Berichtes
entfernt oder unleserlich gemacht worden sind.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu ¼ und das beklagte
Land zu ¾.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger gründete im Jahr 1987 die Publikation "F ", die später in "T" und mit der im
Herbst 2003 erschienenen Ausgabe Nr. 000 in "O" umbenannt wurde. Der Kläger ist
Herausgeber dieser Zeitschrift, die vierteljährlich in einer Auflagenhöhe von ca.
fünftausend Stück erscheint. Außerdem ist der Kläger für die Internet-Homepage "O.de"
verantwortlich.
2
Das Innenministerium des beklagten Landes - Abteilung Verfassungsschutz - gibt
jährlich Verfassungsschutzberichte zur Information der Öffentlichkeit heraus. Im
Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2003 befindet sich im Abschnitt 3
"Rechtsextremismus", Kapitel 3.6 "Neue Rechte", unter der Gliederungsziffer 3.6.4 und
der Überschrift "O (vormals: T )" folgender Text:
3
"Herausgeber S, L; Erscheinungsweise: vierteljährlich; Auflage ca. 5.000
4
Internet Homepage
5
Die rechtsextremistische Zeitschrift 'T' ist unter Beibehaltung des Untertitels mit der
Ausgabe Nr. 144 / 2. Quartal 2003 in 'O' umbenannt worden. In den "Hausmitteilungen"
notiert der Herausgeber, die Namensidentität von Zeitschrift und Internetdomain
verdeutliche die Verzahnung beider Medien. Ohnehin hätten sich seine Verlags- und
Vertriebsaktivitäten mit Erfolg mehr und mehr in den Bereich Internet verlagert, während
die Druckausgabe des Magazins seit Jahren stagniere. Statt umfangreicher
Hintergrundberichte stünden zukünftig in 'O' knappe, tagesaktuelle Artikel im
Vordergrund. Der neue Name stehe, so S, für seine Verbundenheit mit Deutschland.
6
Die Publikation erscheint vierteljährlich in einer Auflage von circa 5.000 und bietet als
Ideologieorgan der Neuen Rechten ein Forum für Diskussionen im
rechtsextremistischen Lager. In einem Schreiben an die 'T'-Bezieher von Januar 2003
erklärt der Herausgeber S, die Zeitschrift im vergangenen Jahr kostenlos an alle
Burschenschaften in Deutschland verschickt zu haben, um "die jungen, angehenden
Akademiker im Lande mit nonkonformen Informationen zu versorgen". Über seine
Homepage vertreibt S weiterhin Tonträger rechtsextremistischer "Dark-Wave"- und
Skinhead-Bands."
7
Der Kläger hat am 8. Mai 2004 Klage erhoben, mit der er sich im Wesentlichen dagegen
wendet, dass das beklagte Land in dem Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2003
in der Rubrik "Rechtsextremismus" über die Zeitschrift O berichtet.
8
Im Frühjahr des Jahres 2005 hat das Innenministerium des beklagten Landes den
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2004
herausgegeben. Dieser Verfassungsschutzbericht enthält in Teil 3
"Rechtsextremismus", Kapitel 3.1 "Rechtsextremistische Parteien und Organisationen",
die Gliederungsziffer 3.1.6 "Bürgerbewegung Q e.V. (Q)". In diesem Abschnitt wird unter
der Zwischenüberschrift "Rechtsextremistische Kontakte" unter anderem ausgeführt:
9
"Nach wie vor hat 'Q' enge Kontakte zum rechtsextremistischen Spektrum. Ein
Vorstandsmitglied, S, ist Herausgeber des rechtsextremistischen Magazins 'O', früher
'T'."
10
Unter der Zwischenüberschrift "'Q' wählt neuen Vorstand" heißt es:
11
"Am 2. Dezember 2004 wählte die Mitgliederversammlung einen neuen Vorstand. (...) S,
Herausgeber der rechtsextremistischen Publikation 'O', bleibt Schatzmeister."
12
Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2005 hat der Kläger die Klage dahingehend erweitert, dass er
sich nunmehr auch gegen die Erwähnung der Zeitschrift O im Verfassungsschutzbericht
über das Jahr 2004 wendet.
13
Das Innenministerium des beklagten Landes hatte auch schon im
Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2002 im Abschnitt "Rechtsextremismus" über
die Bürgerbewegung Q e.V. berichtet. Dagegen hatte diese im Mai 2003 beim
erkennenden Gericht Klage erhoben, die sie später auf die Verfassungsschutzberichte
über die Jahre 2003 und 2004 erweitert hat und die durch Urteil vom 21. Oktober 2005
abgewiesen worden ist (Geschäftszeichen: 1 K 3189/03). Die Bürgerbewegung Q e.V.
hat die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil beantragt; der Antrag ist beim
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen unter dem Geschäftszeichen
5 A 4719/05 anhängig.
14
Zur Begründung der vorliegenden Klage trägt der Kläger vor: Die Erwähnung von O in
den Verfassungsschutzberichten 2003 und 2004 sei rechtswidrig und verletzte ihn als
Verleger dieser Zeitschrift in verschiedenen Grundrechten, nämlich in seiner
Pressefreiheit, seiner Meinungsfreiheit, seiner Berufsfreiheit und seinem
Persönlichkeitsrecht. O sei keine "Bestrebung" im Sinne des
Verfassungsschutzgesetzes, jedenfalls richte sie sich nicht gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung. Es lägen keinerlei begründete Hinweise vor, dass O
eines der Merkmale dieser Grundordnung ablehne oder gar beseitigen wolle.
Selbstverständliche Grundlage jeder Politik in der Bundesrepublik Deutschland sei für O
das Grundgesetz mit den freiheitlich-rechtsstaatlichen und demokratischen
Verfassungsgrundsätzen, wie sie im Begriff der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung zusammengefasst seien. Im Unterschied zu politischen Parteien oder
sonstigen politischen Organisationen und auch im Unterschied zu manchen politischen
Richtungsorganen der Presse sei O nicht dadurch geprägt, dass sie konkrete politische
Ziele verfolge. Die politische Basis von O, auf der sein (des Klägers) Engagement
beruhe und die die besondere Eigenart dieses periodischen Druckwerkes ausmache,
seien vielmehr einige politische Grundsätze, von denen die Redaktion sich leiten lasse
und welche die Zeitschrift prägten. Die Grundsätze ließen sich mit den Adjektiven
"freiheitlich" und "konservativ" bzw. "patriotisch" zusammenfassen. O verstehe sich in
erster Linie als freiheitlich. Wenn O dieses zentrale Element der freiheitlich-
demokratischen Grundordnung besonders hervorhebe, dann zum einen, weil das
Magazin als Publikationsmedium der Ort des freien Wortes sein müsse, zum anderen
deshalb, weil die Freiheit des Wortes in Deutschland zunehmend unter den
Gesinnungsdruck der political correctness gerate und viele Meinungen und Tatsachen
aus den Darstellungen etablierter Massenmedien ausgeblendet würden. Als konservativ
verstehe sich O insofern, als es dieser Zeitschrift darum gehe, traditionelle Kulturwerte
zu bewahren. Zur "patriotischen" Ausrichtung von O gehöre auch, dass die Zeitschrift in
den Nationen die maßgeblichen politischen Gliederungen sehe und den Nationalstaat
keineswegs als ein überholtes Relikt aus dem 19. Jahrhundert, sondern als ein auch
heute gültiges und zukunftsfähiges politisches Ordnungsmodell ansehe. Die
dargelegten Grundsätze von O seien in jeder Hinsicht mit der freiheitlich-
demokratischen Grundordnung vereinbar. Im Verfassungsschutzbericht 2003 werde als
einziger konkreter Anhaltspunkt für eine rechtsextremistische Ausrichtung von O der
15
Umstand genannt, dass er (der Kläger) über seine Homepage weiterhin Tonträger
rechtsextremistischer "Dark-Wave"- und Skinhead-Bands vertreibe. Hierzu sei
auszuführen, dass er nicht einen einzigen Tonträger dieser Art vertreibe.
Bezeichnenderweise würden die Vorwürfe des Beklagten auch in keinerlei Hinsicht
konkretisiert. Im Verfassungsschutzbericht 2004 versuche der Beklagte noch nicht
einmal andeutungsweise den Nachweis zu erbringen, O habe eine rechtsextremistische
Zielsetzung; insoweit werde kein einziger konkreter Anhaltspunkt genannt. Die
Erwähnung von O in den Verfassungsschutzberichten verstoße darüber hinaus gegen
das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Eine konkrete Gefahr für die freiheitlich-demokratische
Grundordnung auf Grund der vermuteten verfassungsfeindlichen Zielsetzungen des
Klägers existiere nicht. Der Beklagte habe über die Zeitschrift O in der Rubrik
"Rechtsextremismus" berichtet (Verfassungsschutzbericht 2003) bzw. habe sie als
rechtsextremistisch bezeichnet (Verfassungsschutzbericht 2004), obwohl er allenfalls
den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen gehabt habe. Ein Verdachtsfall
müsse im Verfassungsschutzbericht aber deutlich als solcher gekennzeichnet werden;
Bezeichnungen wie "verfassungsfeindlich" oder "extremistisch" dürften in einem
solchen Fall nicht verwendet werden. Es müsse deutlich klargestellt werden, dass
insoweit lediglich ein Verdacht bestehe und die laufende Beobachtung auch zu dem
Ergebnis führen könne, dass sich der Verdacht nicht bestätige.
Den in der Klageschrift vom 7. Mai 2004 unter anderem gestellten Antrag, festzustellen,
dass der Beklagte nicht befugt ist, über die Zeitschrift "O" in Verfassungsschutzberichten
in der Rubrik "Rechtsextremismus" zu berichten, solange er nicht eine
rechtsextremistische Zielsetzung dieser Zeitschrift nachweist, hat der Kläger in der
mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
16
Der Kläger beantragt nunmehr,
17
1. das beklagte Land zu verurteilen, die Verbreitung des Verfassungsschutzberichtes
des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2003 zu unterlassen, wenn nicht zuvor
die Passagen über die Zeitschrift "O" entfernt oder unleserlich gemacht worden sind,
18
2.
19
3. das beklagte Land zu verurteilen, in seinem nächsten Verfassungsschutzbericht
richtig zu stellen, dass der Bericht über die Zeitschrift "O" in der Rubrik
"Rechtsextremismus" im Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2003 rechtswidrig
war,
20
4.
21
5. das beklagte Land zu verurteilen, die Verbreitung des Verfassungsschutzberichtes
des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2004 zu unterlassen, wenn nicht zuvor
der Satz "Ein Vorstandsmitglied, S, ist Herausgeber des rechtsextremistischen
Magazins 'O', früher 'T'." und der Zusatz "(..), Herausgeber der rechtsextremistischen
Publikation 'O', (...)" entfernt oder unleserlich gemacht worden sind.
22
6.
23
Das beklagte Land beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Zur Begründung trägt es im wesentlichen vor: Schlüssel zum Verständnis der
politischen Bestrebungen von O sei die Beleuchtung der geistigen Strömung, die sich
hinter dem Begriff "Neue Rechte" verberge. Die Neue Rechte sei eine in den sechziger
Jahren entstandene geistig-politisch Strömung, die sich als "Gegenmodell" zur
Studentenbewegung von 1968, der Neuen Linken, verstanden habe. Die Strategie der
Neuen Rechten sei darauf angelegt, zuerst die Meinungsführerschaft zu erringen, um
damit eine erfolgreiche Grundlage für rechtsextremistische Parteien zu schaffen und
dann die rechte Stimmung in Wahlanteile, Parlamentssitze und
Regierungsverantwortung umzusetzen. Politische Zielsetzung des Klägers und seiner
Mitarbeiter sei die Verbreitung der Ideen der Neuen Rechten. Indem sie Autoren der
Neuen Rechten eine Plattform für Strategie- und Ideologiediskussionen böten, leisteten
sie einen politisch zielgerichteten Beitrag zur Erringung der kulturellen Hegemonie. O
verfolge damit - entgegen der Aussage des Klägers - sehr wohl konkrete politische
Ziele. Dass dies nicht nur in der Vergangenheit der Fall gewesen sei, sondern auch
noch aktuell so sei, lasse sich anhand zahlreicher Beispiele für einen Zeitraum von
1999 bis 2003 belegen. Immer wieder hätten Autoren, die der Neuen Rechten
zuzurechnen seien, verschiedentlich in den Ausgaben der Publikation Beiträge
veröffentlicht. Darüber hinaus fänden sich in der Publikation des Klägers vielfach
Präsentationen von Büchern, deren Autoren zu den Anhängern und Verfechtern der
"Konservativen Revolution" gehörten. Es lägen tatsächliche Anhaltspunkte für den
Verdacht vor, dass der Kläger und seine Zeitschrift O darauf gerichtet seien, mehrere
Verfassungsgrundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu beseitigen
oder außer Geltung zu setzen. Diese tatsächlichen Anhaltspunkte ergäben sich im
Wesentlichen aus zahlreichen in O veröffentlichten Beiträgen, die angesichts der
erwähnten selbst gesetzten Ziele des Klägers über mögliche singuläre
Meinungsäußerungen hinausgingen. In der Publikation T bzw. O des Klägers fänden
sich Beiträge, in denen inhaltlich Institutionen und Repräsentanten der freiheitlichen
Demokratie pauschal in polemischer, teilweise diffamierender und verunglimpfender
Weise angegriffen würden. Diese bei Rechtsextremisten gängige Vorgehensweise gehe
auch unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht mehrfach betonten
Grundsatzes, dass gerade in politisch meinungsbildenden Presseerzeugnissen auch
provokative und überspitzte Äußerungen zum politischen Meinungskampf gehören
könnten, weit über eine in der politischen Auseinandersetzung hinzunehmende Kritik im
Rahmen einer geistig-politischen Auseinandersetzung hinaus; sie diene vielmehr dem
Ziel, das parlamentarische System insgesamt als unfähig, korrupt und gegen die
Interessen des Volkes handelnd hinzustellen und damit den demokratischen
Rechtsstaat als Ganzes in Frage zu stellen. Solche Verunglimpfungen seien typisch für
Extremisten aller Schattierungen. Ziel sei, den demokratischen Rechtsstaat insgesamt
und systematisch zu delegitimieren und so den geistigen Nährboden für die Umsetzung
der eigenen Forderungen, und zwar zunächst insbesondere solcher, die sich gegen die
parlamentarische Demokratie richteten, zu bereiten. Ein Beispiel für den immer
wiederkehrenden Versuch, Staatsorgane in verunglimpfender Weise zu diffamieren, sei
insbesondere die wiederholte und andauernde Agitation gegen den nordrhein-
westfälischen Verfassungsschutz. Ein Auszug aus der Homepage O betreffend das
vorliegende gerichtliche Verfahren sei ein weiterer Beweis für die vom Kläger
betriebene Verunglimpfung und Diffamierung von Institutionen und Repräsentanten der
freiheitlichen Demokratie und insbesondere des Verfassungsschutzes. Bei dem Beitrag
auf der Homepage handele es sich nämlich nicht etwa um objektive Berichterstattung
über das anstehende Verfahren. Vielmehr diene der Eintrag einzig und allein dazu, den
26
Verfassungsschutz als Bestandteil des parlamentarischen Systems als unfähig, korrupt
und gegen die Interessen des Bürgers handelnd darzustellen. Ein weiterer Aspekt für
die Einschätzung von O als rechtsextremistisch könne mit dem Schlagwort
"Revisionismus/Fremdbestimmung" bezeichnet werden. Mit dem Vorwurf übersteigerter
Vergangenheitsbewältigung versuchten Rechtsextremisten, die Auseinandersetzung mit
den Verbrechen des NS-Regimes zu behindern, die Erinnerung an deren Opfer
verblassen zu lassen und die Verbrechen zumindest als nicht sonderlich
erwähnenswert zu verharmlosen. Mitunter gehe dies auch mit dem Versuch einher, das
NS-Regime und insbesondere seine Verbrechen zu relativieren und neu zu bewerten.
Verknüpft werde dies gelegentlich mit der Behauptung einer fehlenden Souveränität und
der Forderung nach Wiederherstellung dieser angeblich fehlenden Souveränität in
rechtsextremistischem Sinne. Eindeutige publizierte Zitate für Revisionismus könnten
hier zwar nicht genannt werden. Mehrere Zitate aus Artikeln, die in den Jahren 2003 und
2004 in der Zeitschrift O veröffentlicht worden seien, dokumentierten aber Anhaltspunkte
für eine solche Denkweise und zeigten den immer wiederkehrenden und nachhaltigen
Versuch einer Überbetonung der von Rechtsextremisten gern vertretenen Forderung,
sich zum Deutschsein zu bekennen. Ein weiteres Agitationsfeld des Rechtsextremismus
sei die sogenannte "Globalisierung", die häufig stark "antikapitalistische" Tendenzen
enthalte und mitunter das Bemühen erkennen lasse, Gemeinsamkeiten mit
Systemgegnern linksextremistischer Couleur herzustellen. Gelegentlich ließen sich
hierbei gewisse Präferenzen für wirtschaftliche Autarkievorstellungen erkennen. Die
Agitation gegen die sogenannte Globalisierung werde dabei gerne mit der als Ideal
angesehenen Vorstellung von ethnischer Homogenität verknüpft. Demzufolge werde die
"Globalisierung" häufig im Kontext mit als bedrohlich empfundenen und vehement
abgelehnten "multirassischen" Strukturen und ebenfalls tendenziell abgelehnten
zwischenstaatlichen Institutionen wie EU und NATO bekämpft. Verschiedene in O
veröffentliche Beiträge zeigten, dass auch der Kläger sich dieses rechtsextremistischen
Agitationsfeldes gerne bediene. In diesem Sinne habe das alljährlich vom Kläger
organisierte T-Pressefest für das Jahr 2003 unter dem Motto "Freiheit statt
Globalisierung" stattfinden sollen. Das Pressefest habe Stellung beziehen wollen "für
die Freiheit der Völker von wirtschaftlicher, politischer und militärischer Okkupation".
"Multi-Kulturalismus und der Versuch, eine Normalisierung des Verhältnisses der
Deutschen zu ihrer Vergangenheit zu verhindern" verkörperten deutsche Facetten der
Globalisierungs-Bemühungen. Im Zusammenhang mit der Mitteilung über die
Umbenennung der Zeitschrift "T" in "O" habe der Kläger in der Ausgabe Nr. 144 der
Zeitschrift unter anderem geäußert: "Die Deutschen . . . haben das Recht, für den Erhalt
der abendländischen und nationalen Identität ihres Landes einzutreten". Daneben
fänden sich in der Publikation des Klägers auch Beiträge, die eine gewisse
Ausländerfeindlichkeit erkennen ließen. Zu nennen sei hier die Ankündigung eines
Redebeitrags der Vorsitzenden der rechtsextremistischen "Bürgerbewegung Q" zum
Thema "Multikultopia in Europas Städten" im Rahmen der Werbung für das T-Pressefest
2003. In einem Beitrag des Klägers mit dem Titel "Kampf um Kulturerhalt" in "T" Nr.
127/1. Quartal 1999 werde seine diesbezügliche Einstellung deutlicher. Tatsächliche
Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Verstrebungen ergäben sich auch
aus Aktivitäten des Klägers und seinen Kontakten zu rechtsextremistischen Kreisen. Im
Jahr 1989 sei er für die rechtsextremistische Partei "Die Republikaner" in den Rat der
Stadt L gewählt worden, dem er - zuletzt als Mitglied der rechtsextremistischen "E" - bis
1994 angehört habe. Im Oktober 1994 habe er bei der Kommunalwahl für diese Partei in
L kandidiert. Als sie im Jahr 1996 ihren Parteienstatus aufgegeben habe, sei zum Zweck
der Teilnahme an Kommunalwahlen die "Bürgerbewegung Q" gegründet worden, der
der Kläger als Vorstandsmitglied angehöre. Die von ihm, dem Beklagten,
herausgegebenen Verfassungsschutzberichte enthielten seit einigen Jahren in der
Rubrik "Rechtsextremismus" jeweils einen Abschnitt über Q. Der Kläger sei
Schatzmeister von Q sowie Geschäftsführer der Fraktion von Q im Rat der Stadt L und
sei verantwortlich für den Inhalt der Homepage und für das Informationsblatt Q. Nicht
ausschlaggebend, aber ein weiterer Aspekt für die Einschätzung der Publikation O als
rechtsextremistisch sei die Tatsache, dass auf der Homepage www.O.de verschiedene
CD's rechtsextremistischer Skinhead-Bands angeboten würden. Schließlich sei für die
Einordnung der Publikation O als rechtsextremistisch der Umstand von Bedeutung, dass
der Kläger über die Homepage seiner Publikation Bücher anbiete, deren Autoren zu den
Anhängern und Verfechtern der "Konservativen Revolution" gehörten. Insgesamt sei
festzuhalten, dass die ausgeprägten und intensiven Kontakte des Klägers zu
rechtsextremistischen Gruppierungen und Parteien und der Vertrieb von Tonträgern
rechtsextremistischer Bands in Verbindung mit den Aussagen des Klägers tatsächliche
Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen auch beim Kläger
und der von ihm herausgegebenen Publikation O begründeten.
Im Hinblick auf die Klageerwiderung des Beklagten trägt der Kläger weiter vor:
Entgegen der Darstellung des Beklagten gehöre O keiner rechtsextremistischen
Denkschule an und sei der Begriff "Neue Rechte" in O nicht zur Beschreibung der
eigenen politischen Position verwendet worden. Er, der Kläger, habe auch bereits lange
vor dem einschnittartigen Wechsel, der in seinem Verlag mit der Aufgabe des Projekts
"T" vollzogen worden sei, diesen Begriff nicht mehr verwendet, weil er nach seiner
Überzeugung infolge des inflationären Gebrauchs durch Anhänger sehr
unterschiedlicher politischer Strömungen verwässert worden sei. Die diesbezüglich vom
Beklagten vorgetragenen Zitate seien nicht O entnommen und deshalb dieser Zeitschrift
auch nicht zuzurechnen. Soweit der Beklagte vorgetragen habe, immer wieder hätten
Autoren, die der Neuen Rechten zuzurechnen seien, verschiedentlich in den Ausgaben
der Publikation Beiträge veröffentlicht, sei dem entgegenzuhalten, dass die meisten
dieser Autoren mit der Zeitschrift O nichts zu tun hätten. Artikel dieser Autoren seien
zwar in der Zeitschrift "T", nicht jedoch in O veröffentlicht worden. Richtig sei, dass in O
unter der Überschrift "Europa ja, sagen sie - aber kein deutsch geprägtes" ein Beitrag
des Autors M erschienen sei. Aber dieser Beitrag enthalte keine Äußerungen, die auch
nur entfernt als rechtsextremistisch bewertet werden könnten. Der Artikel sei deshalb
gerade nicht geeignet, die vom Beklagten behauptete Zugehörigkeit des Klägers zu
einer extremistischen Denkschule zu belegen. Es treffe auch nicht zu, dass der Kläger in
O das parlamentarische System insgesamt als unfähig, korrupt und gegen die
Interessen des Volkes handelnd hinstelle oder Institutionen des demokratischen
Rechtsstaates verunglimpfe. Die vom Beklagten angeführten Zitate seien nicht O,
sondern "T" entnommen; sie seien O nicht zuzuordnen. Im Übrigen diene die kritische
Auseinandersetzung des Klägers mit dem Verfassungsschutz nicht der Verunglimpfung
oder Delegitimation einer Institution des demokratischen Rechtsstaates, sondern der
Verteidigung der Verfassungswerte gegen einen Geheimdienst, der offensichtlich
missbraucht werde und zumindest in weiten Teilen aus dem Ruder gelaufen sei. Der
Verfassungsschutz produziere über seine V-Leute bekanntlich ständig selbst
Extremismus, um ihn politischen Oppositionellen unterzuschieben. Diese Praxis sei
unter anderem von dem Verfassungsschutz-Experten Rolf Gössner in seinem Buch
"Geheime Informanten" umfassend dargestellt worden. Die vom Kläger geäußerte,
fundierte, möglicherweise fundamentale Kritik am Vorgehen bzw. an der Arbeit des
Verfassungsschutzes verunglimpfe keineswegs Institutionen und Repräsentanten der
freiheitlichen Demokratie. Der Kläger habe lediglich von seinen legitimen und
elementaren Grundrechten Gebrauch gemacht und sich offensiv gegen auch in der
27
Öffentlichkeit seitens des Innenministeriums erhobene Vorwürfe gewehrt. Auch die Kritik
am Vorgehen des Verfassungsschutzes in der Auseinandersetzung mit dem Kläger sei
selbstverständlich von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gedeckt. Gerade
das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren zeige mit aller Deutlichkeit, was
geheimdienstliche Arbeit anzurichten vermöge. Sie könne gefährden, was sie eigentlich
schützen solle - die Demokratie und den Rechtsstaat. Verfassungsschutz sei Teil des
Neonazi-Problems geworden, nicht ansatzweise dessen Lösung. Der Kläger vertrete
weder geschichts-revisionistische Ansichten, noch bezeichne er die Bundesrepublik
Deutschland als fremdbestimmt. Das belegten gerade die vom Beklagten angeführten
Zitate, in denen sich der Kläger eindeutig gegen die NS-Diktatur ausspreche und sich
mit dem souveränen Staat Bundesrepublik Deutschland ("unsere Republik")
identifiziere. Bezüglich des Vorwurfes des Revisionismus verkenne der Beklagte
eindeutig den Inhalt des Grundgesetzes. Denn nirgendwo finde sich ein Artikel, der
besage, dass es verboten sei, sich zum Deutschsein zu bekennen oder die Nation ins
Zentrum der Argumentation zu rücken. Folglich könne die Forderung des Klägers
danach auch nicht verfassungswidrig sein. Die in O veröffentlichte Stellungnahme des
Klägers für den konstruktiven Umgang der Deutschen mit dem eigenen Land behindere
die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS-Regimes nicht. Auch stelle eine
Kritik an der Globalisierung keineswegs ein Indiz für Rechtsextremismus dar. Das
ergebe sich schon daraus, dass sie meist von links vorgetragen werde. Die vom
Beklagten angeführten Zitate des Klägers hätten zudem nichts mit "multirassischen
Strukturen", die er angeblich ablehne, zu tun. Hier interpretiere der Beklagte die
Äußerungen des Klägers völlig falsch. Auch habe der Kläger keinesfalls, wie vom
Beklagten unterstellt, Ausländer als Bedrohung der "homogenen Gemeinschaft"
dargestellt. Des Weiteren sei die Zeitschrift O nicht ausländerfeindlich. Das Eintreten
des Klägers für den Kulturerhalt der Völker schließe im Gegenteil die in Deutschland
lebenden Ausländer ein. Beispielsweise setze sich der Kläger in O Nr. 145 auf Seite 8
unter der Überschrift "Irreführende Statistik" für das Recht der in Deutschland lebenden
Kurden auf den Erhalt ihrer Kultur ein. Das Zitat des Beklagten aus "T" Nr. 127 von
Anfang 1999 sei nicht Inhalt von O und zudem durch Weglassungen entstellt. Auch die
politische Biographie des Klägers könne den angeblichen Rechtsextremismus von O
nicht belegen. Sein Engagement bei der Bürgerbewegung Q sei ebenfalls nicht als
rechtsextremistisch zu bewerten. O verbreite auch keine rechtsextremistische Musik.
Seit dem Wechsel von "T" zu O würden unter der Domain T-online.de keinerlei Inhalte
mehr veröffentlicht. Die vom Beklagten als rechtsextremistisch bewerteten Tonträger
seien unter der Domain O nicht angeboten worden, mit Ausnahme zweier CD's, die
jedoch keinerlei Äußerungen enthielten, die sich auch nur entfernt gegen den Bestand
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung richteten. Auch das Vertriebsprogramm
des Klägers könne nicht als rechtsextremistisch bewertet werden. Der Kläger vertreibe
rund fünfhundert verschiedene Bücher, Tonträger und Videofilme. Davon würden einige
wenige Titel vom Beklagten als angeblich rechtsextremistisch beanstandet. Diese Titel
würden ausnahmslos von nahezu allen Buch- und Medienhändlern in Deutschland
angeboten. Der Versuch des Beklagten, unter Verweis auf angebliche oder tatsächliche
verfassungsfeindliche Aktivitäten von Buchautoren, die Händler, die solche Bücher
anböten, als verfassungsfeindlich einzustufen, müsste darauf hinauslaufen, den
gesamten Buchhandel in Deutschland als verfassungsfeindlich zu bewerten. Im Übrigen
enthielten die vom Beklagten benannten Bücher keinerlei verfassungsfeindliche
Äußerungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie der von den Beteiligten vorgelegten Zeitschriften, Bücher und
28
sonstigen Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
29
Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
einzustellen, soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung den in der Klageschrift
vom 7. Mai 2004 unter Ziffer 2. gestellten Feststellungsantrag und damit die Klage
teilweise zurückgenommen hat.
30
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
31
Die Kammer muss auch über den - den Verfassungsschutzbericht 2004 betreffenden -
Klageantrag zu 3. entscheiden. Denn es ist nach § 264 Nr. 2 der Zivilprozessordnung
(ZPO) in Verbindung mit § 173 Satz 1 VwGO nicht als eine Änderung der Klage
anzusehen und daher ohne weiteres zulässig, dass der Kläger die ursprünglich nur den
Verfassungsschutzbericht des beklagten Landes über das Jahr 2003 betreffende Klage
mit Schriftsatz vom 6. Juni 2005 auf den Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2004
erstreckt und damit den Klageantrag in der Hauptsache erweitert hat.
32
Die Klage, mit der der Kläger Ansprüche auf Unterlassung von schlicht- hoheitlichem
Verwaltungshandeln (Anträge zu 1. und 3.) sowie einen Anspruch auf
Folgenbeseitigung durch Richtigstellung (Antrag zu 2.) geltend macht, ist als allgemeine
Leistungsklage zulässig.
33
Die Anträge zu 1. und 3. sind begründet.
34
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass das beklagte Land die Verbreitung seiner
Verfassungsschutzberichte über die Jahre 2003 und 2004 unterlässt, wenn nicht zuvor
die mit der Gliederungsziffer 3.6.4 versehene Passage über die Zeitschrift "O - Das
patriotische Magazin" im Verfassungsschutzbericht 2003 sowie der Satz und der Zusatz,
die diese Zeitschrift betreffen, in dem Kapitel über die Bürgerbewegung Q e.V. im
Verfassungsschutzbericht 2004 entfernt oder unleserlich gemacht worden sind. Dabei
handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch.
35
Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass eine - erstmalige
oder nochmalige - Beeinträchtigung einer grundrechtlich oder einfachgesetzlich
geschützten Rechtsposition durch hoheitliches Verwaltungshandeln ernstlich zu
besorgen und der Rechtsinhaber nicht verpflichtet ist, diese Beeinträchtigung zu dulden.
Dabei bedarf es vorliegend keiner näheren Prüfung und Entscheidung der Frage, ob
sich der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch unmittelbar aus einzelnen
Freiheitsgrundrechten (etwa aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG oder
aus Art. 5 Abs. 1 GG) ergibt, oder ob er - sei es im Wege der Analogie, sei es durch
Heranziehung eines allgemeinen Rechtsgedankens, der gleichermaßen für das
öffentliche und das bürgerliche Recht gilt - aus §§ 1004, 906 BGB herzuleiten ist. Denn
er ist ungeachtet seiner dogmatischen Herleitung in der Rechtsprechung und im
Fachschrifttum allgemein anerkannt und besteht mithin jedenfalls kraft geltenden
Gewohnheitsrechts gegenüber öffentlichen, in amtlicher Eigenschaft von Hoheitsträgern
getätigten Äußerungen und sonstigem schlicht-hoheitlichen Verwaltungshandeln.
36
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 1999 - 21 A 490/97 -, NWVBl. 2000, S. 19 (20), mit
weiteren Nachweisen.
37
Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs sind hier
erfüllt.
38
Die (weitere) Verbreitung des Verfassungsschutzberichtes 2003 mit der Passage über
die Zeitschrift O und des Verfassungsschutzberichtes 2004 mit dem diese Zeitschrift
betreffenden Satz bzw. Zusatz verletzt eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition
des Klägers, nämlich seine Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). Der Kläger als
Verleger und Herausgeber der Zeitschrift O ist durch das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1
Satz 2 GG geschützt, das die Freiheit der Herstellung und Verbreitung von
Druckerzeugnissen und damit das Kommunikationsmedium Presse sichert. Die
staatliche Maßnahme - Berichterstattung über O im Verfassungsschutzbericht 2003 im
Abschnitt "Rechtsextremismus", Kapitel "Neue Rechte", sowie Bezeichnung von O als
rechtsextremistisches Magazin bzw. rechtsextremistische Publikation im
Verfassungsschutzbericht 2004 - trifft das Presseerzeugnis selbst und beeinflusst die
Rahmenbedingungen pressemäßiger Betätigung. Der Kläger wird durch die Erwähnung
in den Verfassungsschutzberichten zwar nicht daran gehindert, die Zeitschrift O weiter
herzustellen und zu vertreiben sowie auch zukünftig Artikel wie die vom Beklagten
beanstandeten abzudrucken. Seine Wirkungsmöglichkeiten werden jedoch durch den
Verfassungsschutzbericht nachteilig beeinflusst. Potenzielle Leser können davon
abgehalten werden, die Zeitung zu erwerben und zu lesen, und es ist nicht
unwahrscheinlich, dass etwa Inserenten, Journalisten oder Leserbriefschreiber die
Erwähnung im Verfassungsschutzbericht zum Anlass nehmen, sich von der Zeitung
abzuwenden oder sie zu boykottieren. Eine solche mittelbare Wirkung der
Verfassungsschutzberichte kommt einem Eingriff in das Kommunikationsgrundrecht
gleich.
39
Vgl. BVerfG, Senatsbeschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 -, BVerfGE 113, S. 63
(75-78).
40
Diese Beeinträchtigung der Pressefreiheit des Klägers ist entgegen der Auffassung des
beklagten Landes nicht auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 des Gesetzes über den
Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-
Westfalen - VSG NRW -) vom 20. Dezember 1994 (GV NRW 1995 S. 28), in der
Fassung des Gesetzes vom 18. Dezember 2002 (GV NRW 2003 S. 6), gerechtfertigt und
daher rechtswidrig.
41
Nach der genannten Bestimmung darf die Verfassungsschutzbehörde Informationen,
insbesondere Verfassungsschutzberichte, zum Zweck der Aufklärung der Öffentlichkeit
über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 VSG NRW veröffentlichen,
personenbezogene Daten jedoch nur, wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des
Zusammenhangs oder der Darstellung von Organisationen erforderlich ist und die
Interessen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person
überwiegen. Nach dem von § 15 Abs. 2 VSG NRW in Bezug genommenen § 3 Abs. 1
VSG NRW ist Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde die Sammlung und Auswertung
von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften,
Nachrichten und Unterlagen über die in den Nummern 1 bis 4 der Vorschrift näher
bezeichneten Bestrebungen und Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes,
soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen und
Tätigkeiten vorliegen. Hierzu gehören nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG NRW Bestrebungen,
die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, das heißt,
42
solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem
oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 3 Abs.
4 VSG NRW genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu
setzen (vgl. die Legaldefinition in § 3 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe c) VSG NRW).
Maßstab für die Einstufung als "Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1" VSG
NRW sind die im Gesetz selbst vorgenommenen Begriffsbestimmungen. Da hier allein
Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1
erste Alternative VSG NRW) in Betracht kommen, müssen sie die qualifizierenden
Anforderungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe c) VSG NRW erfüllen. Das macht die
Feststellung erforderlich, dass sie auf die Beseitigung oder Außerkraftsetzung
wesentlicher Verfassungsgrundsätze abzielen, zu denen im Einzelnen die in § 3 Abs. 4
VSG NRW aufgezählten Grundsätze gehören. Soweit sich das beklagte Land an
Gesichtspunkten orientiert, die es aus dem Begriff "Rechtsextremismus" herleitet,
genügt das dabei von ihm gewonnene Ergebnis den gesetzlichen Anforderungen des §
15 Abs. 2 VSG NRW nur dann, wenn es hiervon gedeckt ist.
43
Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April 2006 - 3 B 3/99 -, NVwZ 2006, S. 838
(841).
44
Nach den zitierten Vorschriften war das Innenministerium als
Verfassungsschutzbehörde des beklagten Landes (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 VSG NRW)
nicht berechtigt, in seinem Verfassungsschutzbericht 2003 über die Zeitschrift O zu
berichten und in seinem Verfassungsschutzbericht 2004 diese Zeitschrift als
rechtsextremistisch zu bezeichnen, und ist das Innenministerium nicht berechtigt, die
Verfassungsschutzberichte 2003 und 2004 zu verbreiten, wenn nicht zuvor die fragliche
Passage und der fragliche Satz bzw. Zusatz entfernt oder unleserlich gemacht worden
sind. Denn es bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht, dass es
sich bei der Herausgabe der Zeitschrift O um eine Bestrebung handelt, die gegen die
freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist, d.h. um eine politisch bestimmte,
ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise in einem oder für einen
Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 3 Abs. 4 VSG NRW
genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
45
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Tätigkeit des Klägers als Herausgeber und
Verleger von O eine Verhaltensweise in einem oder für einen
Personenzusammenschluss darstellt. Den Angaben zufolge, die der Kläger in der
mündlichen Verhandlung gemacht hat, leitet er den Verlag und auch die Zeitung als
Einzelperson; es handele sich um einen Selbstverlag (vgl. § 8 Abs. 1
Landespressegesetz NRW); es gebe weder eine Redaktion noch einen festen
Mitarbeiterstamm, sondern nur wechselnde freie Mitarbeiter; die meisten Artikel in O
schreibe er selbst. Danach handelt es sich bei O offenbar um ein "Ein-Mann-Projekt"
des Klägers; er ist Herausgeber, Verleger und (alleiniger) Redakteur in Personalunion;
lediglich einige Gastautoren und freie Mitarbeiter schreiben von Zeit zu Zeit Artikel für O
oder arbeiten dem Kläger zu. Die Frage, ob der Kläger zusammen mit den freien
Mitarbeitern einen Personenzusammenschluss im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1
Buchstabe c) VSG NRW bildet, lässt sich nicht ohne weiteres bejahen. Zu diesem
Begriff hat die 1. Kammer des erkennenden Gerichts in einem Urteil vom 14. Februar
1997 - 1 K 9318/96 - ausgeführt (S. 17 des Urteilsabdrucks):
46
"Der Begriff des Personenzusammenschlusses ist als umfassende Bezeichnung von
47
Personenmehrheiten in Abgrenzung zu Einzelpersonen zu verstehen. Denn von dem
Verhalten einzelner Personen geht nach Einschätzung des Gesetzgebers nur unter
besonderen Voraussetzungen eine Gefahr für die Schutzgüter der Verfassung aus (vgl.
§ 3 Abs. 3 Satz 3 VSG NRW). Mit Blick darauf ist von einem
Personenzusammenschluss bereits dann auszugehen, wenn eine Gruppe von
Personen unabhängig von ihrer Rechtsform - also juristische Personen,
Personenmehrheiten ohne eigene rechtliche Identität und sonstige Organisationen und
Gruppierungen - einen gemeinsamen Zweck verfolgt."
Ob der Kläger und seine freien Mitarbeiter als eine Gruppe von Personen, die einen
gemeinsamen Zweck verfolgt, anzusehen sind, dürfte davon abhängen, wie das
Verhältnis zwischen ihnen ausgestaltet ist, welche Aufgaben die freien Mitarbeiter
erfüllen und ob sie durch ihre Beiträge die Ziele des Klägers unterstützen oder etwa
ohne nähere Kenntnis vom Inhalt der Zeitschrift lediglich einzelne Arbeiten im
technischen Bereich ausführen. Sollte es an einer Verbindung mehrerer Personen zu
einem gemeinsamen Zweck und damit an einem Personenzusammenschluss fehlen, so
wäre die Herausgabe von O durch den Kläger als Verhaltensweise einer Einzelperson
nach § 3 Abs. 3 Satz 3 VSG NRW nur dann eine Bestrebung im Sinne dieses Gesetzes,
wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet oder aufgrund ihrer Wirkungsweise
geeignet wäre, ein Schutzgut des VSG NRW erheblich zu beschädigen. Diese
Voraussetzungen dürften hier wohl nicht erfüllt sein. Die Frage, ob die Tätigkeit des
Klägers als Verleger und Herausgeber von O in einem oder für einen
Personenzusammenschluss erfolgt, kann jedoch dahingestellt bleiben, weil jedenfalls
keine tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht vorliegen, dass diese Tätigkeit
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist.
48
Das Vorliegen der tatsächlichen Anhaltspunkte für die in § 3 Abs. 1 VSG NW genannten
Bestrebungen unterliegt als Tatbestandsmerkmal der Norm in vollem Umfang der
gerichtlichen Kontrolle, ohne dass dem beklagten Land eine Einschätzungsprärogative
zustünde. Dabei reichen bloße Mutmaßungen oder Hypothesen, die sich auf keine
tatsächlichen Anhaltspunkte stützen können, zur Annahme eines Verdachts im Sinne
der §§ 15 Abs. 2, 3 Abs. 1 und 3 VSG NW nicht aus. Andererseits bedarf es auch nicht
der Gewissheit, dass Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung
beseitigt oder außer Geltung gesetzt werden. Notwendig, aber auch ausreichend ist,
dass Umstände vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung auf Bestrebungen im Sinne
des § 3 VSG NW hindeuten und die Aufklärung der Öffentlichkeit erforderlich erscheinen
lassen.
49
Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Oktober 2005 - 1 K 3189/03 -, juris, Rn. 74, mit
weiteren Nachweisen.
50
Dazu hat das Bundesverfassungsverfassungsgericht in seinem bereits erwähnten
51
Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 -, BVerfGE 113, S. 63 (81, 82 f., 84, 86 f.)
52
grundlegend ausgeführt:
53
"Die tatsächlichen Anhaltspunkte müssen allerdings hinreichend gewichtig sein.
Rechtfertigen sie nur den Schluss, dass möglicherweise ein Verdacht begründet ist,
reichen sie auch nach dieser Auslegung als Grundlage einer
Grundrechtsbeeinträchtigung nicht aus. Stehen die Bestrebungen noch nicht fest,
54
begründen tatsächliche Anhaltspunkte aber einen entsprechenden Verdacht, muss
dessen Intensität hinreichend sein, um die Veröffentlichung in
Verfassungsschutzberichten auch angesichts der nachteiligen Auswirkungen auf die
Betroffenen zu rechtfertigen. (...)
Knüpft die Sanktion an Meinungsäußerungen oder Presseveröffentlichungen an, muss
ergänzend berücksichtigt werden, dass die Meinungs- und die Pressefreiheit ihrerseits
konstituierend für die Demokratie sind, die auch eine kritische Auseinandersetzung mit
Verfassungsgrundsätzen und -werten zulässt. Der Schutzgehalt der
Kommunikationsgrundrechte kann Auswirkungen sowohl auf die Anforderungen an die
Feststellung von Bestrebungen oder eines entsprechenden Verdachts als auch auf die
rechtliche Bewertung der ergriffenen Maßnahme haben, insbesondere im Hinblick auf
ihre Angemessenheit.
55
Es ist allerdings verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die
Verfassungsschutzbehörde die Aufnahme in ihren Bericht insoweit an die Inhalte von
Meinungsäußerungen knüpft, als diese Ausdruck eines Bestrebens sind, die
freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es ist dem Staat grundsätzlich
nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls
Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen. So dürfen Äußerungen zur
Ankündigung einer Straftat zum Anlass für Maßnahmen gegen die Tatverwirklichung
werden. Lassen sich Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung aus Meinungsäußerungen ableiten, dürfen Maßnahmen zur Verteidigung
dieser Grundordnung ergriffen werden. Der Schutz durch Art. 5 Abs. 1 GG wirkt sich
aber bei der Prüfung aus, ob sich die verfassungsfeindliche Bestrebung in der Äußerung
manifestiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kritik an der Verfassung und ihren
wesentlichen Elementen ebenso erlaubt ist wie die Äußerung der Forderung, tragende
Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern.
56
Dementsprechend reicht die bloße Kritik an Verfassungswerten nicht als Anlass aus, um
eine verfassungsfeindliche Bestrebung im Sinne des § 15 Abs. 2 in Verbindung mit § 3
Abs. 3 VSG NRW zu bejahen oder allein deshalb die negative Sanktion einer
Veröffentlichung in den Verfassungsschutzberichten zu ergreifen. Auch sieht § 15 Abs. 2
VSG NRW eine von der Feststellung des Verdachts solcher Bestrebungen abgelöste
inhaltliche Bewertung von Artikeln im Verfassungsschutzbericht nicht vor. Einzelne
Artikel können allerdings zur Begründung des Verdachts verfassungsfeindlicher
Bestrebungen herangezogen werden, wenn sie aus sich heraus oder im
Zusammenwirken mit anderen Befunden darauf hindeuten. (...)
57
Soweit ein auf Tatsachen gegründeter Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen
der Gruppierung besteht, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Maßstab für die
Entscheidung, in welcher Art und Weise darüber berichtet werden darf.
58
Der Beschränkung der Maßnahme auf das zum Rechtsgüterschutz Erforderliche
entspricht es, bei einer Berichterstattung aus Anlass eines Verdachts nicht den Eindruck
zu erwecken, es stehe fest, dass die betroffene Gruppierung gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt. Daher ist - etwa in den
gewählten Überschriften und der Gliederung des Berichts - deutlich zwischen solchen
Organisationen zu unterscheiden, für die nur ein Verdacht besteht, und solchen, für die
solche Bestrebungen erwiesen sind.
59
Der Grundsatz der Erforderlichkeit gebietet es ferner, bei einer über einen längeren
Zeitraum wiederholt erfolgenden Veröffentlichung eines solchen nur auf einzelne
Publikationen gestützten Verdachts anderweitige Maßnahmen zu ergreifen, um
abzuklären, ob die Bestrebungen tatsächlich bestehen. (...)
60
Die gesetzliche Ermächtigung zu den hier maßgeblichen
Grundrechtsbeeinträchtigungen knüpft nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe c VSG NRW
ausschließlich an die Ziele der Gruppe an, stellt also insofern nicht auf die Wirkung auf
Dritte ab."
61
Nach diesen Maßstäben bestehen keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen
Anhaltspunkte für den Verdacht, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers als
Herausgeber und Verleger von O sowie als Verfasser der meisten in dieser Zeitschrift
veröffentlichten Artikel um eine politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete
Verhaltensweise handelt, die darauf gerichtet ist, einen der in § 3 Abs. 4 VSG NRW
genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
62
Soweit das beklagte Land in der Klageerwiderung die Auffassung vertreten und näher
begründet hat, die Zeitschrift O stelle sich als Strategie- und Ideologieorgan der "Neuen
Rechten" dar und biete als solches ein Forum für Diskussionen im
rechtsextremistischen Lager, soll damit lediglich dargelegt werden, dass eine politisch
bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise vorliegt, nicht jedoch, dass der
Zweck darin besteht, elementare Verfassungsgrundsätze aufzuheben. Das ergibt sich
schon aus dem letzten Absatz auf Seite 6 der Klageerwiderung, in dem es heißt,
politische Zielsetzung des Klägers und seiner Mitarbeiter sei die Verbreitung der Ideen
der Neuen Rechten; indem sie Autoren der Neuen Rechten eine Plattform für Strategie-
und Ideologiediskussionen böten, leisteten sie einen politisch zielgerichteten Beitrag zur
Erringung der kulturellen Hegemonie. Ob der Kläger mit der Herausgabe von O das
politische Ziel verfolgt, die Ideen der Neuen Rechten zu verbreiten, mag dahinstehen.
Denn die vom beklagten Land in diesem Zusammenhang angeführten Umstände lassen
jedenfalls nicht darauf schließen, dass die Arbeit des Klägers als Herausgeber der
Zeitschrift und Autor zahlreicher Artikel darauf gerichtet ist, wesentliche Bestandteile der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu beseitigen.
63
Die vom Beklagten erwähnte Flugblattaktion der Zeitung "F" aus dem Jahr 1995 kann in
Anbetracht des zeitlichen Abstandes und des Wechsels von "F" zu "T" und dann zu "O"
kaum zum Nachweis der mit O in den Jahren 2003/2004 verfolgten Ziele herangezogen
werden. Im Übrigen ist der vom Beklagten zitierte Inhalt des Flugblattes auch nicht
verfassungswidrig. Wenn die Neue Rechte die Auffassung vertritt, "dass jedes Volk die
Möglichkeit haben soll, gemäß seinen kulturellen Besonderheiten zu leben", und dass
"allen das Recht auf Wahrung der nationalen Identität in einem eigenen Staat
zugestanden werden" soll, so kann die Kammer nicht erkennen, gegen welche
Verfassungsgrundsätze diese Auffassung verstoßen soll. Polemische Kritik am
Liberalismus ("Gift des Liberalismus") ist ebenso mit der demokratischen Grundordnung
vereinbar wie die Forderung nach einer "organischen Demokratie" oder der Appell, eine
angebliche "Herrschaft der Mittelmäßigen" zu bekämpfen, solange damit nicht das
parlamentarisch-demokratische System insgesamt in Frage gestellt wird.
64
Der Umstand, dass immer wieder Autoren, die nach Ansicht des Beklagten der Neuen
Rechten zuzurechnen sind, Beiträge in "T" und "O" veröffentlicht haben, besagt für sich
genommen nicht, dass der Kläger mit der Herausgabe der Zeitschrift Bestrebungen
65
verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Es geht
im vorliegenden Verfahren nicht um die Frage, ob das Innenministerium des beklagten
Landes in seinen Verfassungsschutzberichten über die genannten Autoren berichten
darf, weil diese möglicherweise verfassungsfeindliche Aktivitäten entfalten oder
verfassungsfeindlichen Organisationen angehören. Entscheidend ist allein, ob die
Berichterstattung über die Zeitschrift O gerechtfertigt ist. Das könnte dann der Fall sein,
wenn die von den fraglichen Autoren in O veröffentlichten Beiträge auf die Beseitigung
elementarer Verfassungsgrundsätze gerichtet wären. Dass diese Beiträge einen
derartigen Inhalt aufweisen, wird aber selbst vom Beklagten nicht behauptet,
geschweige denn durch entsprechende Zitate aus den Artikeln belegt. Aus dem
gleichen Grund kann allein aus der Tatsache, dass sich in der Publikation des Klägers
vielfach Präsentationen von Büchern finden, deren Autoren zu den Anhängern und
Verfechtern der "Konservativen Revolution" gehören, nicht hergeleitet werden, dass in
Bezug auf O die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG NRW vorliegen. Dieser
Schluss wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die präsentierten Bücher einen
verfassungsfeindlichen Inhalt hätten, wozu der Beklagte jedoch nichts vorgetragen hat.
Vielmehr hat er in seinem Schriftsatz vom 22. November 2004 ausgeführt, er habe nicht
die Bücher, sondern deren Autoren mit ihrem rechtsextremistischen Hintergrund
bewertet. Die - auch lobende - Besprechung eines Buches, das zwar von einem Autor
mit rechtsextremistischen Hintergrund verfasst worden ist, aber keinen
verfassungswidrigen Inhalt hat, stellt noch keine Bestrebung gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung dar.
Dass der Kläger im Jahr 2003 auf der Homepage von O bzw. T-online für die 4.
Sommerakademie des Instituts für Staatspolitik geworben und dabei einen Link zur
Homepage des Instituts eingestellt hat, mag im Hinblick auf die Einordnung des Instituts
als Teil des "Projektes Junge Freiheit" ein weiterer Grund für die Zuordnung von O zur
Neuen Rechten sein. Eine Berichterstattung über O im Verfassungsschutzbericht könnte
dieser Umstand aber nur dann rechtfertigen, wenn auf der fraglichen Veranstaltung
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Thesen vertreten bzw.
solche Lehren verbreitet worden wären, was jedoch weder vom Beklagten dargelegt
worden noch sonst ersichtlich ist. Das Vorbringen des Klägers, die Leiter der
Sommerakademie bekennten sich zu den Werten der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung und seien noch nie mit rechtsextremen Äußerungen in Erscheinung
getreten, hat der Beklagte nicht bestritten, sondern lediglich dazu angemerkt, es deute
auf einen gewissen Kontakt des Klägers zu den beiden Personen hin, die seine (des
Beklagten) Einschätzung bestätige. Damit wird jedoch weder über den Inhalt der
Sommerakademie noch über den politischen Standpunkt der Leiter etwas Konkretes
ausgesagt.
66
Für die Beantwortung der Frage, ob die Herausgabe von O eine Bestrebung im Sinne
des § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Buchstabe c) VSG NRW darstellt, kommt es mithin
nicht entscheidend darauf an, welchen politischen Hintergrund die Autoren haben, die
Beiträge für diese Zeitschrift verfassen oder deren Bücher dort präsentiert werden,
sondern auf den Inhalt der in O publizierten Beiträge. Die maßgeblichen Anhaltspunkte
für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen können sich bei einem
Presseerzeugnis insbesondere aus den in ihm veröffentlichten Beiträgen ergeben, also
in erster Linie aus Artikeln und Kommentaren der Redaktionsmitglieder und freien
Mitarbeiter.
67
Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Februar 1997 - 1 K 9318/96 -, S. 22 des
68
Urteilsabdrucks.
Davon geht auch das beklagte Land aus, wenn es in der Klageerwiderung ausführt, die
tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung ergäben sich im Wesentlichen aus zahlreichen in O
veröffentlichten Beiträgen. Den sodann im Einzelnen von ihm zitierten Beiträgen lassen
sich jedoch keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für den
Verdacht entnehmen, dass die Zeitschrift O bzw. die diesbezügliche Tätigkeit des
Klägers darauf gerichtet ist, einen der in § 3 Abs. 4 VSG NRW genannten
Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
69
Das gilt zunächst für die vom Beklagten unter dem Aspekt "Verunglimpfung von
Institutionen und Funktionsträgern des demokratischen Rechtsstaates" angeführten
Artikel. Zwar ist dem Beklagten darin zuzustimmen, dass eine auf die Beseitigung der
demokratischen Verfassungsordnung gerichtete Bestrebung vorliegt, wenn Kritik an
Institutionen und Repräsentanten des demokratischen Staates über - im Rahmen des
politischen Meinungskampfes zulässige - provokative, überspitzte und auch verletzende
Äußerungen hinausgeht und das parlamentarische System insgesamt als unfähig,
korrupt und gegen die Interessen des Volkes handelnd dargestellt und damit der
demokratische Rechtsstaat als Ganzes in Frage gestellt wird. Das trifft auf die vom
Beklagten zitierten Beiträge aber nicht zu. Die meisten dieser Beiträge betreffen die
nordrhein-westfälische Verfassungsschutzbehörde und kritisieren deren Arbeit in
polemischer, diffamierender, zum Teil auch sachlich unzutreffender und beleidigender
Weise. So enthält die Ausgabe Nr. 143 (1. Quartal 2003) der Zeitschrift "T" - die
Ausgabe Nr. 144 erschien dann unter dem neuen Titel "O" - einen Beitrag mit der
Überschrift "Faschistoider 'Verfassungsschutz'", in dem unter anderem ausgeführt wird:
70
"Die Autoren der zitierten 'Verfassungsschutz'-Broschüre scheinen eine Affinität für den
faschistischen britischen Snob zu haben, dessen Ideologie die anti-demokratische
Agitation des 'Verfassungsschutzes' adeln könnte. Innerhalb des demokratischen
Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland entwickelt sich der 'Verfassungsschutz'
immer mehr zu einem faschistoiden Fremdkörper, den es abzustoßen gilt."
71
Ebenfalls in der Ausgabe Nr. 143 von "T" befindet sich der Artikel "Klage gegen
'Verfassungsschutzbericht' - S verklagt den Innenminister" mit folgenden Sätzen:
72
"Wer in der Bundesrepublik Deutschland öffentlich die Regierung kritisiert (...), bekommt
es - offen oder verdeckt - mit dem 'Verfassungsschutz' zu tun. Die Behörde nimmt den
Bürgern ihre im Grundgesetz auf geduldiges Papier geschriebenen Rechte durch die
geheimdienstliche Hintertür wieder weg. (...) Diese 'Verfassungsschutzberichte' werden
unter Missbrauch öffentlicher Mittel hergestellt und verbreitet. Der 'Verfassungsschutz'
bekämpft die freiheitlich-demokratische Grundordnung: (...) Im nordrhein-westfälischen
'Verfassungsschutzbericht' für das Jahr 2002 versucht der linksextremistische
Innenminister (...)"
73
Die Ausgabe Nr. 144 (2. Quartal 2003) von O enthält auf Seite 17 einen Artikel mit der
Überschrift "Extremisten beim 'VS'", dessen letzter Absatz wie folgt lautet:
74
"Der linksextremistische nordrhein-westfälische 'Verfassungsschutz' diffamiert immer
wieder Demokraten als Rechtsextremisten und hört bei grundgesetztreuen Bürgern -
u.a. bei O und bei der Bürgerbewegung Q e.V. - das Telefon ab. Mit einem aggressiven
75
Provokateursunwesen versuchen zudem verschiedene Gliederungen des
'Verfassungsschutzes', systematisch Demokratie und Meinungsfreiheit in Deutschland
unmöglich zu machen und kritische Bürger einzuschüchtern."
In der Ausgabe Nr. 148 (3. Quartal 2004) von O ist ein Beitrag über die Bürgerbewegung
Q e.V. mit dem Titel "Probelauf im Westen" veröffentlicht, der folgende Passage enthält:
76
"Eine Doppel-Demo von Q in den Stadtteilen D und N im Jahr 2003 wurde massiv und
mit Folgen bis hin zu Handgreiflichkeiten von Provokateuren des 'Verfassungsschutzes'
gestört, die immer wieder versucht haben, die Bürgerbewegung in ein extremistisches
Fahrwasser abzudrängen. Gescheitert sind sie damit am entschlossenen Widerstand
der Q-Mitglieder und an der Führung der Wählervereinigung, die beim
Verwaltungsgericht Düsseldorf eine Klage gegen den rot-grünen nordrhein-
westfälischen Innenminister eingereicht hat, um künftig von den 'braunen Bataillonen'
des 'Verfassungsschutzes' nicht mehr belästigt zu werden."
77
In der Ausgabe Nr. 149 (4. Quartal 2004) von O befindet sich der Artikel "Das T von L:
Jetzt geht's los!?", in dem unter anderem ausgeführt wird:
78
" (..) Q sollte in die Nähe der 'bewährten' rechtsextremen Schreckgespenster gerückt
werden. Wirkliche Rechtsextremisten, die im V-Mann-Verdacht stehen, unterstützten
diese Strategie nachhaltig und traten bereits weit im Vorfeld der Wahl bei Q-
Versammlungen als Störer in Erscheinung. Dabei pfiff die geheimdienstliche
Inszenierung aus allen Ritzen. 'Offensichtlich versuchen die Geheimdienste, ihre
eigenen braunen Machenschaften grundgesetztreuen Oppositionellen unterzuschieben',
erklärte die Vorsitzende von Q, X."
79
Wenn dem Verfassungsschutz in diesen Beiträgen vorgeworfen wird, dass er die
freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft, Demokratie und Meinungsfreiheit
unmöglich macht, anti-demokratisch agitiert und braune Machenschaften betreibt, dann
wird damit der Bereich einer in der politischen Auseinandersetzung hinzunehmenden -
scharfen und auch polemischen - Kritik verlassen und dem Verfassungsschutz
unterstellt, dass er sich selbst nicht mehr auf dem Boden des demokratischen
Rechtsstaates bewegt. Unabhängig von der Frage, ob einzelne konkrete Behauptungen
- etwa diejenige, die Doppel-Demonstration von Q im Jahr 2003 sei von Provokateuren
des Verfassungsschutzes gestört worden, - in der Sache zutreffen, ist eine solche
Diffamierung des Verfassungsschutzes auf keinen Fall zu billigen und möglicherweise
sogar strafrechtlich relevant. Die Angriffe beschränken sich jedoch auf eine Behörde,
den Verfassungsschutz, und stellen nicht das parlamentarische System insgesamt als
unfähig, korrupt und gegen die Interessen des Volkes handelnd dar. Insofern begründet
es einen wesentlichen Unterschied, ob - wie hier - die Verfassungsschutzbehörde als
linksextremistisch und demokratie-feindlich diffamiert wird oder ob die Abgeordneten
des Bundestages pauschal als unfähig, korrupt und nicht den Interessen des Volkes
dienend beschimpft werden, was in O nicht geschieht. Wer beispielsweise den
Bundestag und das Recht der Staatsbürger, die Volksvertretung in allgemeiner,
unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, abschaffen will, will den in
§ 3 Abs. 4 Buchstabe a) VSG NRW genannten Verfassungsgrundsatz beseitigen,
während der Verfassungsschutz nicht zu den in § 3 Abs. 4 VSG NRW aufgezählten
elementaren Bestandteilen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehört, so
dass die Forderung nach dessen Abschaffung ("faschistoider Fremdkörper, den es
abzustoßen gilt") keine Bestrebung gegen diese Grundordnung darstellt.
80
Weiter enthalten die "Hausmitteilungen" der Ausgabe Nr. 148 (3. Quartal 2004) von O
den Satz:
81
"Es geht darum den Werten des Grundgesetzes in Deutschland wieder Geltung zu
verschaffen und im Rahmen einer demokratischen Reformation eine neue politische
Elite an die Stelle der Schwätzer von gestern zu setzen."
82
Auch heißt es in der gleichen Ausgabe auf Seite 5:
83
"Unter den heutigen, alten politischen Rahmenbedingungen wird es mit Deutschland in
jeder Hinsicht weiter bergab gehen. Erst eine Politik der nationalen Erneuerung wird
den Abwärtstrend stoppen (...)"
84
und auf Seite 6 im Artikel "Problem erkannt":
85
"Nur eine breite Volksbewegung gegen den Multi-Kulturalismus, die die regierenden
Zyniker und Dummköpfe als solche benennt und sich an den Interessen der 'kleinen
Leute' orientiert, kann Abhilfe schaffen."
86
Diesen Äußerungen kann aber nicht mit hinreichender Deutlichkeit ein Aufruf des Autors
zur Beseitigung der demokratischen Ordnung und etwa zur Errichtung einer Diktatur
entnommen werden. Denn er spricht sich dafür aus, den "Werten des Grundgesetzes in
Deutschland wieder Geltung zu verschaffen" und "im Rahmen einer demokratischen
Reformation" die regierenden Politiker durch eine neue politische Elite zu ersetzen.
Eine "Politik der nationalen Erneuerung" kann auch auf der Grundlage der bestehenden
verfassungsmäßigen Ordnung betrieben werden und "eine breite Volksbewegung
gegen den Multi-Kulturalismus" kann in demokratischen Formen entstehen. Auch
verstößt es nicht gegen die Verfassung, sich an den Interessen der "kleinen Leute" zu
orientieren. Die Bezeichnung der derzeit regierenden Politiker als Schwätzer, Zyniker
und Dummköpfe mag eine strafbare Beleidigung darstellen, diffamiert aber nicht das
parlamentarische System insgesamt als eine zur Lösung der großen politischen und
sozialen Probleme ungeeignete Staatsform.
87
Vgl. zur Abgrenzung zwischen einer zulässigen Machtkritik (z.B. scharfe, auch
überzogene Kritik an den vorhandenen Parteien) und der verfassungswidrigen
Forderung nach Abschaffung oder Beseitigung des Mehrparteiensystems und des
Demokratieprinzips: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April 2006 - 3 B 3/99 -,
a.a.O., S. 842 f.
88
Die vom Beklagten unter der Überschrift "Revisionismus/Fremdbestimmung"
zusammengestellten Zitate bieten ebenfalls keine ausreichenden tatsächlichen
Anhaltspunkte für den Verdacht, der Kläger verfolge mit O verfassungsfeindliche
Bestrebungen. Nicht zu beanstanden ist zunächst die allgemeine Aussage des
Beklagten, dass die Art und Weise des Umgangs mit dem NS-Regime und den von ihm
begangenen Verbrechen eine verfassungsfeindliche Einstellung offenbaren kann. Wer
das nationalsozialistische Unrechtsregime rechtfertigt oder sogar verherrlicht und die
unter dieser Herrschaft verübten Verbrechen verharmlost, zeigt ein mit wesentlichen
Verfassungsgrundsätzen unvereinbares Verhalten.
89
Vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April 2006 - 3 B 3/99 -, a.a.O., S.
90
844.
Derartige Äußerungen finden sich in den vom Beklagten zitierten Beiträgen indessen
nicht. Der Beklagte führt insoweit die in "T", Ausgabe Nr. 143 (1. Quartal 2003),
veröffentlichte Ankündigung des Pressefestes 2003 an, in der es heißt:
91
"Multi-Kulturalismus und der Versuch, eine Normalisierung des Verhältnisses der
Deutschen zu ihrer Vergangenheit zu verhindern, verkörpern deutsche Facetten der
Globalisierungs-Bemühungen."
92
Weiter zitiert der Beklagte wie folgt aus den "Hausmitteilungen" der Ausgabe Nr. 144 (2.
Quartal 2003) von O:
93
"Die Nation der Deutschen wird in den Massenmedien ständig zur Disposition gestellt.
Das Eintreten für die Belange unseres Landes unterscheidet O von den meisten
anderen Medien in Deutschland. Fast 60 Jahre nach dem Untergang der Nazi-Diktatur
muss es auch den Deutschen möglich sein, ein normales Verhältnis zu sich selbst,
einen gesunden Patriotismus zu entwickeln - frei von Chauvinismus, aber auch frei von
den heute im politischen Leben unserer Republik so häufig festzustellenden
Komplexen. (...) Und sie haben das Recht, für den Erhalt der abendländischen und
nationalen Identität ihres Landes einzutreten."
94
In den Hausmitteilungen der Ausgabe Nr. 146 (1. Quartal 2004) von O wird ausgeführt:
95
"Der konstruktive Umgang mit dem eigenen Land ist für die meisten Deutschen längst
zur Selbstverständlichkeit geworden. Nur im politischen Überbau und in Teilen der
Massenmedien werden die alten Vorbehalte gegen Deutschland künstlich am Leben
gehalten, offensichtlich als Ausdruck eines Prozesses der Entfremdung gewisser
selbsternannter 'Eliten' von der breiten Mehrheit der Bevölkerung. (...) Repressive
Tendenzen von oben geben einem neuen nationalen Bewusstsein von unten erst das
Image des 'Echten', 'Unverfälschten' - sie werden in der entscheidenden
Auseinandersetzung die Geburt einer neuen Nation nicht behindern, sondern ihr als
Widerpart die höhere Weihe geben. (...) Unsere Botschaft lautet: Ihr Deutschen habt
durchaus noch etwas zu verlieren, aber viel mehr zu gewinnen. Ihr sollt das Wagnis
eingehen und bekennen: 'Ich bin Deutscher und das ist gut so!'"
96
Diesen Zitaten ist eine starke Betonung von Nationalstolz und Patriotismus gemeinsam,
die man für bedenklich und verfehlt halten kann, die aber als solche nicht gegen die
Verfassung verstößt, solange kein Überlegenheitsanspruch der deutschen Nation im
Verhältnis zu anderen Völkern vertreten wird, was in den fraglichen Beiträgen nicht
geschieht. Auch wer den Deutschen das Recht zubilligt, "für den Erhalt der
abendländischen und nationalen Identität ihres Landes einzutreten", verlässt nicht den
Boden des Grundgesetzes. Die Forderungen nach einer "Normalisierung des
Verhältnisses der Deutschen zu ihrer Vergangenheit", einem "konstruktiven Umgang mit
dem eigenen Land", einem "gesunden Patriotismus" und einem "neuen nationalen
Bewusstsein" sind so allgemein gehalten, dass sie nicht notwendig als Verharmlosung
des NS-Regimes, das zu Recht als "Nazi-Diktatur" bezeichnet wird, verstanden werden
müssen. Das dürfte auch noch für die Formulierung "Geburt einer neuen Nation" gelten,
zumindest wenn man bei der Interpretation den ebenfalls in den Hausmitteilungen der
Ausgabe Nr. 146 von O enthaltenen Satz berücksichtigt:
97
"Dabei wäre ein Nachgeben gegenüber den Verkrampften, den Rassisten, den Ewig-
Gestrigen, die die Nation für sich vereinnahmen wollen und die der Repression die
Vorwände liefern, ein unverzeihlicher Fehler."
98
Soweit das beklagte Land die in O verschiedentlich geäußerte Kritik an der
Globalisierung und am "Multi-Kulturalismus" als Anhaltspunkt für den Verdacht
verfassungsfeindlicher Bestrebungen benennt, vermag die erkennende Kammer dem
nicht zu folgen. Das beklagte Land führt in diesem Zusammenhang unter anderem
folgende Zitate an:
99
"Freiheit statt Globalisierung", " (...) bezieht das Pressefest Stellung für die Freiheit der
Völker von wirtschaftlicher, politischer und militärischer Okkupation." (Ankündigung des
"T"-Pressefestes 2003)
100
"Der Islam fordert die Unterwerfung der Ungläubigen. Seine radikalen Anhänger
machen die multikulturellen Utopien vieler europäischer Politiker zunichte. Sie zwingen
die europäische Politik dazu, über Alternativen zur multi-kulturellen Gesellschaft
nachzudenken, über eine Beschränkung der Zuwanderung, über Rückwanderungs-
Gesetze. Multi-Kulti funktioniert nicht. Und zwar auch dann nicht, wenn europäische
Politiker vor der Realität die Augen verschließen und die Probleme auszusitzen
versuchen. (...) Schon die Kommunisten sind mit dem Versuch gescheitert, durch Druck
von oben einen 'neuen Menschen' zu formen. Den kapitalistischen Propagandisten des
globalisierten Arbeitsmarktes ergeht es offensichtlich nicht viel besser, und soweit sie
sich ähnlich reformunfähig zeigen wie ihr ehemaliger kommunistischer Widerpart, wird
auch ihr politisches Schicksal ein ähnliches sein. Das Volk wird sich ihrer entledigen."
(Ausgabe Nr. 147 [2. Quartal 2004] von O)
101
"Die Frage an die Deutschen lautet: 'Wollt Ihr das Ende der multi- kulturellen
Gesellschaft, Ja oder Nein?' Wer Nein sagt, steht auf der Seite der alten politischen
Kräfte. Wer aber diese Frage mit Ja beantwortet, sollte den Mut aufbringen, sich in
Widerspruch zum politischen Establishment zu begeben und an der Erneuerung
Deutschlands mitzuarbeiten. Es ist fünf vor zwölf!" (Ausgabe Nr. 148 [3. Quartal 2004]
von O)
102
Die Begriffe "Globalisierung" und "multi-kulturelle Gesellschaft" kommen im
Grundgesetz nicht vor, sondern bezeichnen wirtschaftliche, politische und soziale
Entwicklungen, Zustände bzw. Ziele. Kritik an diesen Phänomenen bzw.
Zielvorstellungen ist daher im Grundsatz zulässig und nicht per se verfassungsfeindlich.
Allerdings könnten im Rahmen der Globalisierungskritik etwa Auffassungen geäußert
werden, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche
Zusammenleben der Völker gerichtet sind (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 VSG NRW). Auch kann
Kritik an einer multi-kulturellen Gesellschaft dahin ausarten, dass den Angehörigen
anderer Kulturen, die in Deutschland leben, die im Grundgesetz konkretisierten
Menschenrechte abgesprochen oder beschnitten werden (vgl. § 3 Abs. 4 Buchstabe g
VSG NRW). So weit gehen die vom Beklagten zitierten Beiträge in O jedoch nicht. Die
Globalisierung wird zwar entschieden abgelehnt, ohne aber wesentliche
Verfassungsgrundsätze in Frage zu stellen. Es mag sein, dass die Globalisierung häufig
im Kontext mit als bedrohlich empfundenen und vehement abgelehnten
"multirassischen" Strukturen bekämpft wird, wie der Beklagte in der Klageerwiderung
vorträgt; einen Beleg dafür, dass dies auch auf O zutrifft, hat er indes nicht angeführt.
Wer das Ende der multi-kulturellen Gesellschaft fordert und damit meint, dass ein Staat
103
auch eine kulturelle Identität und gemeinsame Grundwerte benötigt, zu denen sich alle
Staatsbürger bekennen, und dass keine Parallelgesellschaften, in denen andere Regeln
gelten, entstehen dürfen, bewegt sich im Rahmen der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung. Etwas Anderes lässt sich den vom Beklagten zitierten Artikeln nicht
entnehmen; insbesondere wird die Religionsfreiheit für Angehörige nicht-christlicher
Religionen nicht in Abrede gestellt.
Das beklagte Land beruft sich in diesem Zusammenhang noch auf den Artikel
"Probelauf im Westen", der in der Ausgabe Nr. 148 (3. Quartal 2004) von O auf Seite 9
erschienen ist. Dort heißt es unter anderem:
104
"Das Ler Stadtbild (...) soll (...) um zwei große Moscheen multi-kulturell bereichert
werden. Auf einem jeweils 10.000 Quadratmeter großen Gebiet sollen neben den
islamischen Gotteshäusern Zentren eigener moslemischer Stadtteile entstehen, mit
islamischer Einkaufs-Erlebniswelt, Bildungseinrichtungen, Wohnhäusern im
orientalischen Stil usw."
105
Mit dieser Äußerung werden die konkreten in Köln geplanten Moscheebauprojekte in
drastischer Form abgelehnt, was aber in Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit
zulässig ist. Die Bewertung des Beklagten, es werde ein Bedrohungsszenario durch
eine multikulturelle Gesellschaft aufgezeichnet, Ausländer und ihre Kultur würden als
Bedrohung der "homogenen Gemeinschaft" und der deutschen bzw. europäischen
Zivilisation dargestellt, findet in dem zitierten Artikel keine hinreichend tragfähige
Grundlage. Es wird den in Köln lebenden Muslimen weder das Recht auf
Religionsausübung und Einrichtung von Moscheen abgesprochen noch werden
islamische Bildungseinrichtungen oder türkische Geschäfte grundsätzlich abgelehnt.
Negativ bewertet werden lediglich der Bau von repräsentativen Groß-Moscheen und die
Entstehung moslemischer Stadtteile, die man auch im Interesse der Integration der
Muslime und der Verhinderung von Getto- Bildung durchaus kritisieren kann.
106
Schließlich macht das beklagte Land geltend, in der Publikation des Klägers fänden
sich auch Beiträge, die eine gewisse Ausländerfeindlichkeit erkennen ließen. In der Tat
können sich tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher
Bestrebungen daraus ergeben, dass Ausländerfragen in einer gegen die
Menschenwürde verstoßenden Weise behandelt werden. Das Gebot der Achtung der
Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG ist Mittelpunkt des Wertesystems der
Verfassung. Es wird verletzt, wenn der Mensch einer Behandlung ausgesetzt wird, die
Ausdruck der Verachtung des Wertes ist, der ihm kraft seines Personseins zukommt.
Der jedem Menschen gleichermaßen zukommende Wert wird beispielsweise
missachtet, wenn Ausländer pauschal als Kriminelle, Nichtstuer, Schmarotzer und
Sozialbetrüger diffamiert werden.
107
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2000 - 5 A 2256/94 -, NWVBl. 2001, S.
178 (179), mit weiteren Nachweisen; auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April
2006 - 3 B 3/99 -, a.a.O., S. 841.
108
Belege für eine derartige Diffamierung von Ausländern in der Zeitschrift O hat der
Beklagte aber nicht beigebracht. Er führt insoweit lediglich die in der Ankündigung des
"T"-Pressefestes 2003 enthaltene Formulierung "Multikultopia in Europas Städten", die
aber die Menschenwürde der Ausländer nicht verletzt, sowie einen Beitrag des Klägers
mit dem Titel "Kampf um Kulturerhalt" an, der in der Ausgabe Nr. 127 (1. Quartal 1999)
109
der Zeitschrift "T" erschienen ist. In diesem Beitrag wird ausgeführt:
"Ein Volk ist definiert als eine Gruppe von Menschen mit einheitlicher Sprache, Herkunft,
Kultur und Geschichte. Der Kampf um die kulturelle und nationale Selbstbestimmung
beginnt dort, wo einem Volk das Recht verweigert wird, einen eigenen Staat zu bilden,
oder wo ein bestehender Nationalstaat durch Überfremdung bedroht wird. (..) Auch der
Kampf des deutschen Volkes um Kulturerhalt, getragen leider nur von einer politisch
wachen Minderheit im deutschen Volk, trägt teils offensive, teils defensive Züge. In Köln,
Berlin und Hamburg geht es darum, deutsche Substanz zu erhalten gegen den
Überfremdungsdruck ausländischer Zuwanderer und das Übergewicht des american
way of live in der großstädtischen Massenkultur. (..) Über diesen Bogen beschreiten wir
den Weg zu einem neuen, besseren, einigen Deutschland: bunt aber nicht multikulturell;
(...)"
110
In diesem Beitrag kommt eine gewisse ausländerfeindliche Tendenz zum Ausdruck,
insbesondere durch Verwendung der Begriffe "Überfremdung" und
"Überfremdungsdruck", die die Ausländer und ihre Kultur pauschal als eine Bedrohung
der "deutschen Substanz" erscheinen lassen. Allerdings ist der Artikel "Kampf um
Kulturerhalt" im ersten Quartal 1999 in "T", der Vorgängerzeitschrift von O, erschienen,
während die hier in Rede stehenden Verfassungsschutzberichte den Zeitraum
2003/2004 betreffen. Zwar muss sich die Verfassungsschutzbehörde nicht auf die
Auswertung von Artikeln aus dem Berichtszeitraum beschränken,
111
vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 -, a.a.O., S. 85,
112
die Berichterstattung über eine Zeitschrift im Verfassungsschutzbericht kann jedoch
nicht ausschließlich mit Beiträgen begründet werden, die lange vor dem jeweiligen
Berichtszeitraum in der fraglichen Zeitschrift oder einer Vorgängerpublikation
abgedruckt worden sind. So verhält es sich hier. Die Veröffentlichung des Artikels
"Kampf um Kulturerhalt" liegt bezogen auf das Berichtsjahr 2003 vier Jahre zurück. In
der Zeitschrift O sind offenbar keine ausländerfeindlichen Beiträge publiziert worden;
jedenfalls hat der Beklagte keine derartigen Beiträge zitiert. Bei dieser Sachlage kann
der Verdacht verfassungsfeindlicher, nämlich ausländerfeindlicher Bestrebungen nicht
allein aus dem im Jahr 1999 erschienenen Artikel hergeleitet werden.
113
Bietet somit der Inhalt von O keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte
für den Verdacht, dass die Herausgabe dieser Zeitschrift durch den Kläger darauf
gerichtet ist, fundamentale Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung
zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, so können solche Anhaltspunkte auch
nicht aus den sonstigen Aktivitäten des Klägers und seinen - nach Auffassung des
beklagten Landes bestehenden - Kontakten zu rechtsextremistischen Kreisen
gewonnen werden. Nach § 15 Abs. 2 VSG NRW darf die Verfassungsschutzbehörde
Informationen, insbesondere Verfassungsschutzberichte, zum Zweck der Aufklärung der
Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 VSG NRW
veröffentlichen. Gegenstand der Berichterstattung sind also Bestrebungen und
Tätigkeiten, nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - Personen und deren politische
Einstellung. Gegenstand der vorliegenden Klage ist die Berichterstattung über die
Zeitschrift O im Verfassungsschutzbericht 2003 und die Bezeichnung dieser Zeitschrift
als rechtsextremistisch im Verfassungsschutzbericht 2004, nicht jedoch die Frage, ob
das beklagte Land im Abschnitt "Rechtsextremismus" über die Aktivitäten und Kontakte
des Klägers berichten dürfte. Im vorliegenden Verfahren geht es auch nicht darum, ob
114
das beklagte Land berechtigt ist, sich im Verfassungsschutzbericht mit der
Bürgerbewegung Q e.V. zu befassen. Bei einer derartigen Wählervereinigung können
sich Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen auch aus ihren
Beziehungen zu anderen politischen Parteien oder sonstigen Organisationen ergeben.
So VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Oktober 2005 - 1 K 3189/03 -, juris, Rn. 85, 93.
115
Bei einer Zeitung kommt es dagegen zunächst und vor allem auf ihren Inhalt an. Zwar
trifft die Aussage des Beklagten zu, dass der Herausgeber einer Zeitung nicht nur
verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes für den Inhalt seiner Zeitung ist, sondern
diese im Wesentlichen prägt. Die politischen und ideologischen Zielsetzungen des
Herausgebers, seine Aktivitäten und Kontakte lassen jedoch als solche nicht zwingend
darauf schließen, dass die von ihm herausgegebene Zeitung auf dieselben politischen
und ideologischen Ziele gerichtet ist. Knüpft die Verfassungsschutzbehörde die
Aufnahme in ihren Bericht - wie hier - an Meinungsäußerungen oder
Presseveröffentlichungen an, so ist dies mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG nur dann und
insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich, als die Äußerungen oder
Veröffentlichungen Ausdruck eines Bestrebens sind, die freiheitliche demokratische
Grundordnung zu beseitigen.
116
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 -, a.a.O., S. 82.
117
Für die Rechtfertigung der Aufnahme von O in den Verfassungsschutzbericht genügt es
deshalb nicht, wenn der Beklagte auf den politischen Werdegang des Klägers und seine
Kontakte zur rechtsextremistischen Szene hinweist. Es reicht auch nicht aus, dass die
Bürgerbewegung Q e.V., deren Schatzmeister und Fraktionsgeschäftsführer der Kläger
ist, eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebung
darstellt, wie die 1. Kammer des erkennenden Gerichts in ihrem Urteil vom 21. Oktober
2005 - 1 K 3189/03 - festgestellt hat. Denn O ist nicht die Mitglieder- oder
Wahlkampfzeitung von "Q", und der extremistische Hintergrund, den der Kläger nach
Auffassung des Beklagten aufweist, schlägt sich jedenfalls nicht im Inhalt dieser
Zeitschrift nieder. Für die in O veröffentlichten Beiträge lässt sich nämlich - wie oben
dargelegt - nicht feststellen, dass sie darauf abzielen, wesentliche
Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
118
Soweit das beklagte Land geltend macht, auch die Tatsache, dass der Kläger über die
Homepage O Bücher anbiete, deren Autoren zu den Anhängern und Verfechtern der
"Konservativen Revolution" gehörten, sei für die Einordnung der Publikation als
rechtsextremistisch von Bedeutung, ist oben bereits dargelegt worden, dass die
politische - möglicherweise extremistische - Grundhaltung von Autoren für sich
genommen noch keine eindeutige Aussage über die politische Zielrichtung einer
Zeitschrift oder Homepage zulässt, in bzw. auf der Beiträge dieser Autoren veröffentlicht
oder über die Bücher dieser Autoren vertrieben werden. Die Annahme, dass eine
Zeitschrift oder eine Internet-Domain gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung gerichtet ist, kann allenfalls gerechtfertigt sein, wenn dort Bücher mit
verfassungsfeindlichem Inhalt zum Kauf angeboten werden. Dass die auf der
Homepage O angebotenen Bücher einen solchen Inhalt aufweisen, behauptet indes
auch der Beklagte nicht. Im Übrigen umfasst das Vertriebsprogramm des Klägers nach
seinen vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben etwa 500 verschiedene Bücher,
Tonträger und Videofilme, von denen nur wenige vom Beklagten im Hinblick auf den
rechtsextremistischen Hintergrund der Autoren bzw. Musiker beanstandet werden. So
119
ergibt sich aus den vom Beklagten vorgelegten Internet-Ausdrucken, dass der Kläger
zum Beispiel auch das Buch "Die deformierte Gesellschaft" von Meinhard Miegel und
das "Wörterbuch zum Grundgesetz" von Rudolf Weber-Fas anbietet; beide Autoren
stehen eindeutig nicht unter Extremismusverdacht. Ob sich auf den CD's bzw. MP3-
Musikdateien der Skinhead- Bands "Reinheitsgebot" und "Vae Victis", die man über die
Homepage O erwerben kann, Musik mit rechtsextremistischen Inhalten befindet, wie der
Beklagte vorträgt, kann schließlich dahinstehen. Dieser Umstand allein reicht als
Anhaltspunkt für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen von O jedenfalls
nicht aus und ist auch nach Auffassung des Beklagten nicht ausschlaggebend.
Der Klageantrag zu 2. ist ebenfalls begründet.
120
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass das beklagte Land in seinem nächsten
Verfassungsschutzbericht richtig stellt, dass der Bericht über die Zeitschrift "O" in der
Rubrik "Rechtsextremismus" im Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2003
rechtswidrig war. Denn das beklagte Land hat durch die Berichterstattung über diese
Zeitschrift in die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit des Klägers eingegriffen und
dieser Eingriff war rechtswidrig, da - wie dargelegt - die Voraussetzungen der §§ 15 Abs.
2, 3 Abs. 1 VSG NRW nicht vorgelegen haben. Das hat zur Folge, dass das beklagte
Land zur Beseitigung der fortdauernden unmittelbaren Folgen dieses rechtswidrigen
hoheitlichen Eingriffs durch Richtigstellung verpflichtet ist.
121
Vgl. zur rechtlichen Grundlage und zu den Voraussetzungen dieses
Folgenbeseitigungsanspruchs näher: VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Oktober 2005 - 1 K
3189/03 -, juris, Rn. 113- 124, mit weiteren Nachweisen.
122
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 und Abs. 1 VwGO.
123
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Kammer hat das Urteil nur wegen der
Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt. Denn die Vorschrift des § 167 Abs. 2 VwGO gilt
nicht nur für Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen, sondern darüber hinaus
auch für (allgemeine) Leistungsklagen, die - wie die vorliegende Klage - darauf gerichtet
sind, einen Hoheitsträger zum Unterlassen bzw. zur Vornahme einer schlicht-
hoheitlichen Handlung zu verurteilen.
124
So Heckmann, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, Großkommentar, 2. Aufl. 2006, § 167
Rn. 21, mit Nachweisen zur Rechtsprechung; teilweise a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 14.
Aufl. 2005, § 167 Rn. 11.
125
126