Urteil des VG Düsseldorf vom 25.03.2003

VG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, grundstück, besondere härte, stadt, eigentum, zugang, hauptsache, eigentümer, wohnhaus, erbengemeinschaft

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 16 L 125/03
Datum:
25.03.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 L 125/03
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 114,60 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid des
Antragsgegners vom 20. November 2002 anzuordnen
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ist unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO haben Rechtsbehelfe gegen die Anforderung öffentlicher
Abgaben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5
Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen. Voraussetzung ist, dass ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für
den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
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Ernstliche Zweifel bestehen, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und
Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist
als ein Misserfolg. Dabei sind regelmäßig nur solche Einwendungen zu
berücksichtigen, die der Rechtsschutz Suchende selbst geltend macht, es sei denn,
sonstige Mängel stellen sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich dar.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 17. März 1994 - 15 B 3022/93 -.
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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des
Antragsgegners bestehen nicht.
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Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur gebotenen summarischen
Überprüfung drängen sich Bedenken gegen die Gültigkeit der der Heranziehung zu
Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 1999 bis 2001 zu Grunde liegenden Satzung
über die Reinigung der öffentlichen Straßen in der Landeshauptstadt E vom 14.
Dezember 1991 i.d.F. der 6. Änderungssatzung vom 17. Dezember 1998 (für 1999) bzw.
der 7. Änderungssatzung vom 21. Dezember 1999 (für 2000) bzw. der 8.
Änderungssatzung vom 20. Dezember 2000 (für 2001) nicht auf.
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Die von der Antragstellerin erhobenen Einwände gegen die Heranziehung - auch - von
sog. Hinterliegern, also gegen den in der SRS bestimmten Gebührenmaßstab, greifen
nicht durch.
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Gemäß § 5 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 SRS erhebt die Stadt für die von ihr durchgeführte
Reinigung der öffentlichen Straßen von den Eigentümern der durch diese Straße
erschlossenen Grundstücke Benutzungsgebühren nach § 3 StrReinG i.V.m. § 6 Abs. 2
KAG NRW. Maßstab für die Benutzungsgebühr sind gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
Abs. 2 SRS die Grundstücksseiten entlang der Straße (Frontlänge) und/oder die der
Straße zugewandten - d.h. parallel oder in einem Winkel von weniger als 45° zu ihr
verlaufenden - Grundstücksseiten bzw. Teile einer Grundstücksseite. Nach § 6 Abs. 3
SRS werden bei Grundstücken, die weder an die erschließende Straße angrenzen noch
eine ihr zugewandte Grundstücksseite haben, die Grundstücksseiten zugrundegelegt,
die einer in gerader Linie gedachten Verlängerung dieser Straße nächstliegend
zugewandt wären.
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Diese Heranziehung der Antragstellerin zu Grunde liegenden Satzungsregelungen sind
wirksam. Sie stehen in Einklang mit den Vorschriften des StrReinG NRW und des
Kommunalabgabengesetzes (KAG) sowie mit höherrangigen gebührenrechtlichen
Grundsätzen.
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Der gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 SRS anzuwendende Frontmetermaßstab ist in der
Rechtsprechung als zulässiger, grundstücksbezogener Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur
Erhebung von Straßenreinigungsgebühren anerkannt,
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vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 8. Dezember 1986 - 8 B 74.86 -, Buchholz 401.84
Nr. 60 und vom 9. Dezember 1993 - 8 NB 5.93, KStZ 1994, 152 f. und ständige
Rechtsprechung des OVG NRW, s. schon Urteil vom 7. Januar 1982 - 2 A 1778/81 -,
KStZ 1982, 169 und Urteil vom 28. September 1989 - 9 A 1974/87 -, NWVBl. 1990, 163,
m.w.N..
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Die Heranziehung der Eigentümer von Anlieger- und Hinterliegergrundstücken nach
demselben Maßstab ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Sie führt weder zu
einer Mehrfacherhebung von Gebühren für dieselbe Reinigungsleistung; denn durch die
Einbeziehung der Hinterlieger- und Teilhinterliegergrundstücke bei der Ermittlung der
Gebührensätze steigt die Gesamtzahl der zu berücksichtigenden Veranlagungsmeter,
durch die die gesamten ansetzbaren Kosten der Straßenreinigung in der Stadt zu teilen
sind, mit der Folge, dass sich der Gebührensatz pro Veranlagungsmeter mindert,
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vergl. hierzu auch OVG NRW, Urteil vom 31. August 1989 - 9 A 469/87 -, OVGE 41, 224;
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noch verstößt sie gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes,
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vergl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1993, a.a.O. und BVerfG, Beschluss vom
17. Februar 1982 - 1 BvR 863/81 u.a. -, ZKF 1982, 213.
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Soweit die Antragstellerin sinngemäß die Höhe der für die jeweiligen
Heranziehungszeiträume maßgebenden Gebührensätze beanstandet, kann ihrem -
pauschalen - Einwänden in dem vorliegenden summarischen Verfahren nicht
nachgegangen werden. Ob „die vom Antragsgegner bzw. dem von ihm beauftragten
Reinigungsbetrieb vorgehaltenen Betriebsmittel und Personalbestände den
betriebswirtschaftlich erforderlichen Bedarf übersteigen", also ob die bei der
Gebührenermittlung in Ansatz gebrachten Kosten nach § 6 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2
KAG gerechtfertigt sind, muss der Prüfung im Verfahren zur Hauptsache vorbehalten
bleiben.
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Der Antragsgegner hat die SRS jedenfalls im Ergebnis auch zutreffend auf den Fall der
Antragstellerin angewandt. Das Grundstück der Antragstellerin wird durch die Straße B
erschlossen - die nach dem zu der SRS gehörenden Straßenverzeichnis jeweils einmal
wöchentlich gereinigt worden ist (Reinigungsklasse C 1) -.
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Im Sinne des § 3 Abs. 1 StrReinG und damit auch im Sinne des § 4 Abs. 2 SRS ist ein
Grundstück durch eine öffentliche Straße erschlossen, wenn es rechtlich und tatsächlich
eine Zugangsmöglichkeit zu der Straße hat und dadurch schlechthin eine innerhalb
geschlossener Ortslagen übliche und sinnvolle wirtschaftliche Grundstücksnutzung
ermöglicht wird.
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Vergl. OVG Münster, Urteil vom 28. September 1989 - 9 A 1974/87 -, Städte- und
Gemeinderat 1990, 215, = NWVBl. 1990, 163.
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Die Zugangsmöglichkeit eines sog. Hinterliegergrundstücks, also eines Grundstücks,
das durch ein in fremdem Eigentum stehendes Grundstück von der öffentlichen Straße
getrennt ist, zur Straße muss rechtlich gesichert sein. Die rechtliche Sicherung kann in
Form eines dinglich gesicherten Wegerechts oder einer öffentlichen Baulast bestehen;
es reichen aber auch etwaige schuldrechtlich garantierte Rechtspositionen aus.
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Vergl. OVG Münster, Urteil vom 9. Dezember 1991 - 9 A 1610/90 -, NWVBl. 1992, 257 =
KStZ 1992, 232.
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Ob hierunter auch ein Notwegerecht nach § 917 BGB fällt, hat das OVG Münster in der
vorstehend genannten Entscheidung erwogen, aber offen gelassen.
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Das Grundstück der Antragstellerin hat keinen unmittelbaren Zugang zu einer
öffentlichen Straße, sondern ist ein Hinterliegergrundstück in Bezug auf die öffentliche
Straße B. Es ist von dieser Straße aus über das im Eigentum der Stadt E stehende
Wegegrundstück Gemarkung J, Flur 0, Flurstück 00 und einen in der Örtlichkeit
vorhandenen, über das im Eigentum einer Erbengemeinschaft stehende Flurstück 00 (B
Nr. 00) führenden Weg zu Fuß und mit Kraftfahrzeugen zu erreichen.
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Diese Zuwegung ist unstreitig nicht dem öffentlichen Straßenverkehr gewidmet. Ob es
sich bei der Wegeparzelle Nr. 00 um eine „alte" Straße im Sinne von § 60 StrWG NRW,
also eine bereits vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes NW vom 28. November
1961 (GVNW S. 305) vorhandene Straße handelt, wie der Antragsgegner in seinem
Schriftsatz vom 24. März 2003 behauptet, oder um einen Privatweg - so die
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Antragstellerin in ihrem Widerspruch vom 11. Dezember 2002 und der Antragsgegner
noch in seinem Schriftsatz vom 28. Januar 2003 -, kann hier dahinstehen. Jedenfalls
fehlt es für die Öffentlichkeit des anschließenden Weges auf der Parzelle Nr. 00, über
den außer dem Grundstück der Antragstellerin nur zwei weitere Grundstücke erreicht
werden, an tatsächlichen Anhaltspunkten, sodass eine unmittelbare Erschließung des
Grundstücks der Antragstellerin durch eine öffentliche Straße nicht besteht.
Das somit als Hinterliegergrundstück anzusehende Grundstück der Antragstellerin ist
jedoch mittelbar an die Straße B angeschlossen. Die unstreitig tatsächlich vorhandene
Möglichkeit eines Zugangs / einer Zufahrt von dem Grundstück zu der Straße ist auch in
der erforderlichen Weise rechtlich gesichert. Eine dingliche Sicherung hinsichtlich des
Weges auf dem Flurstück 00 oder eine Baulast scheint zwar nicht zu bestehen. Der
Privatweg bildet jedoch die einzige Zugangs-/Zufahrtmöglichkeit zu dem mit einem
Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstück der Antragstellerin und den beiden
weiteren, ebenfalls bebauten Grundstücken im Hintergelände (Parzellen Nr. 00 und
000). Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Eigentümer des
Flurstücks 00 spätestens seit Errichtung der Wohngebäude mit Garagen auf den
Nachbargrundstücken die ungehinderte Zufahrt zu diesen über ihr eigenes Grundstück
zumindest dulden und die Baugenehmigungen im Hinblick auf diese Art der
Erschließung erteilt worden sind. Ob der Antragstellerin darüber hinaus ein
Notwegerecht nach § 917 BGB zustehen würde und dieses jedenfalls in dem
vorliegenden zugespitzten Fall (vergl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26. März 1976 - IV C
7/74 -, NJW 1976, S. 1987, 1988 f) zur Sicherung der Erschließung ausreichen würde,
kann hier unentschieden bleiben.
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Sollte die im Eigentum der Stadt E stehende Wegeprazelle Nr. 00, die Teil der
gesamten Zuwegung zu dem Grundstück der Antragstellerin ist, kein öffentlicher Weg
nach § 60 StrWG NRW sein, so wäre auch die dann erforderliche rechtliche Sicherung
der Zugangsmöglichkeit über dieses Grundstück gegeben. Die Stadt stellt das im
Grundbuch mit der Zweckbestimmung Weg/Fahrweg bezeichnete Flurstück, das 1955
entstanden sein soll, seit Jahren als Zugang/Zufahrt zu den bebauten
Hinterliegergrundstücken zur Verfügung. Das Recht der Antragstellerin, - auch - diesen
Teil der gesamten Zuwegung zu der Straße B zu benutzen, stand und steht demnach
außer Frage. Die seit Jahren vorhandene und ausgeübte Rechtsposition reicht für eine
Sicherung der Erschließung im Sinne des Straßenreinigungsgebührenrechts aus (vergl.
das o.a. Urteil des OVG Münster vom 9. Dezember 1991).
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Die Gebühren sind in dem angefochtenen Heranziehungsbescheid auch der Höhe nach
jedenfalls nicht zu hoch festgesetzt worden.
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Sollte es sich bei der Wegeparzelle Nr. 74 nicht um einen öffentlichen Weg handeln, so
hätte der Antragsgegner der Heranziehung zu Recht gem. § 6 Abs. 2 SRS die der
Straße B zugewandte, aufgerundet (vergl. § 6 Abs. 6 SRS) 28 m lange Seite des
Grundstücks der Antragstellerin zu Grunde gelegt. Für den - allerdings eher
unwahrscheinlichen - Fall, dass das Flurstück 00 ein öffentlicher Weg ist, wäre davon
auszugehen, dass dieser angesichts seiner geringen Länge und des Umstandes, dass
er nur der Erschließung weniger (insgesamt fünf) Grundstücke diente, als Stichweg
lediglich ein unselbstständiger Bestandteil des Hauptzuges der Straße B wäre. Dann
wären die maßgebenden Grundstücksseiten nach § 6 Abs. 3 SRS zu ermitteln, weil das
Grundstück der Antragstellerin weder an den Weg grenzt noch eine ihm zugewandte
Grundstücksseite hat. Die der gedachten Verlängerung des Weges zugewandten
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beiden Seiten des Grundstücks aber sind sogar länger als die tatsächlich
berücksichtigten 28 m.
Gegen die nachträgliche Heranziehung der Antragstellerin zu Gebühren für die Jahre
1999 bis 2001 bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken, insbesondere sind die
Gebührenforderungen nicht verjährt (vergl. § 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG i.V.m. § 169 Abs. 2
Nr. 2 AO).
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Gründe, aus denen die sofortige Zahlung der Gebühren vor Entscheidung in der
Hauptsache für die Antragstellerin eine besondere Härte bedeuten würde, sind weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und entspricht
einem Viertel der streitigen Gebühren in Höhe von insgesamt 458,40 Euro.
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