Urteil des VG Düsseldorf vom 19.02.2008
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 3972/06
Datum:
19.02.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 3972/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger
dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Kläger zu 1. bis 3. sind Eigentümer des Grundstücks L 0-0 in S, die Kläger zu 1. und
2. leben auch dort. Die genaue Lage des Grundstücks ergibt sich aus den vom
Beklagten eingereichten Lageplänen.
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Bereits unter dem 13. Dezember 1976 erließ der damals zuständige
Landschaftsverband Rheinland einen Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der
Landstraße L 000 n (Ner Straße) zwischen S (A 00) und N (B 0) im Bereich des T1tals
von Baukilometer 19,9 bis Baukilometer 28,3. Hinsichtlich des geplanten
Trassenverlaufs wird auf Ordner 1, Beiakte Heft 1, sowie auf den vom Beklagten
vorgelegten Übersichtslageplan vom 2. Februar 2007 (Hülle hinter Blatt 81 Gerichtsakte)
Bezug genommen. Zwei gegen den Planfeststellungsbeschluss gerichtete
Widersprüche betroffener Anlieger sind bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht
beschieden worden.
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Der Bereich des T1tals selbst ist seit 1984 als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
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Die Rechtsvorgänger der Kläger, ihre Großeltern S1 und S2, die damaligen
Grundstückseigentümer, wurden an dem vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses
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durchgeführten Planfeststellungsverfahren nicht beteiligt. Der Beschluss wurde ihnen
auch nicht bekannt gegeben. Sie gehörten nämlich nicht zu den im
Grunderwerbsverzeichnis eingetragenen Grundstückseigentümern, da ihr Grundstück
oder Teilflächen hiervon für die Baumaßnahme nicht benötigt wurden. Nach Mitteilung
des Beklagten erhoben die Großeltern der Kläger weder Einwendungen noch
Widerspruch gegen den erlassenen Planfeststellungsbeschluss. Auch weiterhin soll das
Grundstück der Kläger für die Baumaßnahme nicht in Anspruch genommen werden. Die
Entfernung des Grundstücks zum vorgesehenen Straßenrand der L 000 n beträgt
ungefähr 70 Meter.
Die Durchführung der Straßenbaumaßnahme wurde tatsächlich in vier Bauabschnitte
aufgeteilt. Der vierte Bauabschnitt (von S / Fring bis zur A 00) wurde im Jahre 1980
begonnen und 1982 fertiggestellt, der erste Abschnitt (von N - B 0 / Eer Straße bis zur
Ortslage „Zum I") wurde im Jahre 1986 begonnen und in 1988 fertiggestellt, der zweite
Abschnitt (von der Ortslage „Zum I" bis zur A 0) wurde im Jahre 1994 begonnen und in
1995 fertiggestellt. Die Abnahme des zuletzt genannten Abschnitts erfolgte am 24. Mai
1995.
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Seit 1993 ist der streitige letzte (dritte) Bauabschnitt (Verbindung zwischen der A 0 und
der A 00 / Anschlussstelle T1) im Landesstraßenbedarfsplan aufgeführt. Nach
Fertigstellung des vorletzten (zweiten) Abschnitts in 1995 wurde allerdings die weitere
Bearbeitung der Ausbaupläne weitgehend eingestellt. Durch Erlass des damaligen
Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand, Energie und Verkehr erhielt die
Straßenbauverwaltung des Landes dann im Jahre 2000 den Auftrag, für den noch
fehlenden Abschnitt eine angepasste Planung zu erarbeiten. Ende des Jahres wurden
daraufhin die Planungen wieder aufgenommen. Sie wurden jedoch im Jahre 2002
erneut eingestellt, nachdem im Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien
SPD und Grüne vereinbart worden war, den Weiterbau nicht mit Priorität
weiterzuverfolgen.
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Mit dem Bau des letzten Bauabschnitts sollte zunächst wieder Ende 2007 / Anfang 2008
begonnen werden, nachdem die Baumaßnahme im fortgeschriebenen
Landesstraßenbedarfsplan von der Stufe 2 in die Stufe 1 aufrücken sollte. Eine
Ausführungsplanung als Grundlage für die Ausschreibung der Arbeiten und ein
Brückenentwurf war durch den Beklagten bereits erstellt worden. Im August 2006 war
mit der Erstellung eines „Landschaftspflegerischen Begleitplans" begonnen worden.
Nachdem für das Jahr 2007 neue Haushaltsmittel nicht bereitgestellt wurden, sind nach
Mitteilung des Beklagten für das Jahr 2008 entsprechende Haushaltsmittel erneut
angemeldet worden. Wegen der ebenfalls erfolgten Aufnahme der Baumaßnahme in
das Landesstraßenbauprogramm 2008 sei die Finanzierung der Maßnahme nunmehr
gesichert. Es bestehe daher die feste Absicht, mit dem Bau zu beginnen. Die
technischen Voraussetzungen würden derzeit geschaffen; mit dem Brückenbau über die
A 0 solle begonnen werden.
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Die Kläger haben am 4. Juli 2006 Klage erhoben mit dem Begehren festzustellen, dass
der dem Bauvorhaben zugrunde liegende Planfeststellungsbeschluss vom 13.
Dezember 1976 außer Kraft getreten sei und keine Rechtswirkungen mehr entfalte.
9
Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus:
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Die Klage sei zunächst zulässig. Klagegegenstand sei das Nichtbestehen eines
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Rechtsverhältnisses gemäß § 43 Abs. 1 VwGO, da es um die Klärung der Frage gehe,
ob der Planfeststellungsbeschluss vom 13. Dezember 1976 außer Kraft getreten sei.
Eine anderweitige Rechtsschutzmöglichkeit stehe ihnen nicht zu. Durch den Bau des
letzten (dritten) Abschnitts der L 000 n würden Enteignungen sowie eine
Beeinträchtigung des Wertes des Grundbesitzes drohen. Darüber hinaus befürchten die
Kläger immissionsschutzrechtlich relevante Auswirkungen sowie
landschaftsschutzrechtliche Beeinträchtigungen. Diesbezüglich würden sie als
Anwohner Drittschutz genießen. Als direkte Anwohner der geplanten
Neubaumaßnahme wollten sie klären lassen, dass der für den Bau maßgebliche
Planfeststellungsbeschluss auf Grund des Zeitablaufs keine Rechtswirkungen mehr
entfalte. Bei ihrer Klage handele es sich nicht um eine Feststellungspopularklage. Die
Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts sei durch den drohenden Wertverlust und auf
Grund von zukünftigen Einwirkungen durch Immissionen des zu erwartenden
Straßenverkehrs gegeben. Die zukünftigen Lärm- und Schadstoffbelastungen würden
aller Wahrscheinlichkeit nach schwer und unerträglich sein. Ihr im Naturschutzgebiet
gelegenes Grundstück würde durch die neue Straße unmittelbar berührt werden. Auf
Grund der zwischenzeitlich erfolgten Eingruppierung des Bauvorhabens in die Stufe 1
des Landesstraßenbedarfsplans sei auch ihr Interesse an einer baldigen Feststellung
gegeben. Ein Zuwarten sei ihnen nicht zuzumuten.
Die Klage sei auch begründet. Denn der Planfeststellungsbeschluss vom 13. Dezember
1976 sei zwischenzeitlich außer Kraft getreten bzw. habe sich erledigt. Er entfalte keine
Rechtswirkungen mehr und dürfe daher auch nicht vollzogen werden. Gemäß § 38 Abs.
3 Satz 6 (richtigerweise: Abs. 1 a Satz 5) StrWG NRW i.V.m. § 75 Abs. 4 VwVfG NRW
trete ein Plan nämlich außer Kraft, wenn nicht innerhalb von fünf Jahren nach
Unanfechtbarkeit mit dessen Durchführung begonnen werde. Die nach § 39 Abs. 7
StrWG NRW vorgesehene Möglichkeit der Verlängerung der Frist um höchstens fünf
Jahre sei nicht ergriffen worden. Die Tatsache, dass die erste Ausbaustufe bzw. der
erste Bauabschnitt vor Ablauf der vorgenannten Fünf-Jahres-Frist verwirklicht worden
sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn jede der vier Ausbaustufen bilde für sich
betrachtet eine verkehrstechnisch sinnvolle Einheit. Zwischen der Verwirklichung der
bereits ausgeführten Bauabschnitte und des hier streitigen letzten Bauabschnittes klaffe
eine zeitliche Lücke von zwischenzeitlich mehr als zehn Jahren. Vor dem Hintergrund
der obengenannten Fünf-Jahres-Frist dürfe dieser Abschnitt daher nicht mehr
verwirklicht werden. Tatsächlich liege eine unzulässige Vorratsplanung der Behörde
vor. Denn auch der gestufte Ausbau einer Landesstraße müsse in einem engen
zeitlichen Zusammenhang nach der Planfeststellung erfolgen. Die Durchführungsfrist für
jeden einzelnen Bauabschnitt beginne mit der Unanfechtbarkeit des
Planfeststellungsbeschlusses. Auch aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen
Durchführungsfristen und des Verbots der Vorratsplanung ergebe sich bezogen auf den
vorliegenden Fall, dass nicht erst dreißig Jahre nach Erlass eines
Planfeststellungsbeschlusses mit einem noch nicht verwirklichten Teilabschnitt
begonnen werden dürfe. Aktuell müsste nämlich für entsprechende Baumaßnahmen
u.a. nunmehr eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden; das T1tal sei
ferner seit dem Jahre 1984 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Gemäß einer
Umweltverträglichkeitsstudie des Instituts für Landschaftsentwicklung und Stadtplanung
in F1 aus dem Jahre 1990 sei die geplante und planfestgestellte Trassenvariante als die
eindeutig umweltschädlichste Straßenführung gegenüber zwei anderen Varianten
festgestellt worden. Es liege ferner ein Verstoß gegen die dem
Planfeststellungsbeschluss immanente Konzentrationswirkung vor, weil von einer
Feststellung der Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf sämtliche berührte
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öffentliche Belange nach heutigem Rechtsstandard nicht die Rede sein könne. Auch
liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vor. Der
geplante letzte Bauabschnitt sei als Folge der tatsächlichen Entwicklung funktions- und
damit gegenstandslos geworden. Denn der Planfeststellungsbeschluss sei durch
äußere Umstände dauerhaft faktisch überholt worden. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf
den Fortbestand sei nicht mehr gegeben. Eine Planänderung sei zum heutigen
Zeitpunkt nicht mehr möglich. Die Auslegung des § 38 Abs. 1 a Satz 6 (richtigerweise:
Satz 5) StrWG NRW i.V.m. § 75 Abs. 4 VwVfG NRW ergebe, dass der
Planfeststellungsbeschluss keine Rechtswirkung mehr entfalte. Die Verbindlichkeit nicht
realisierter Pläne müsse zeitlich begrenzt werden. Die bereits verwirklichten
Bauabschnitte hätten für sich genommen realisiert werden können und individuelle
Abschnitte gebildet. Der noch ausstehende Bauabschnitt sei eine von diesen klar
abgrenzbare verkehrstechnisch eigenständige Maßnahme. Jedenfalls hätte mit
Einstellung der letzten Bauarbeiten im Jahre 1996 erneut die vorgenannte Fünf-Jahres-
Frist beginnen müssen. Diese Frist sei auch nicht verlängert worden. Mithin sei sie
endgültig abgelaufen. Die vom Beklagten dargelegten Planungsaktivitäten seien
lediglich verwaltungsinterne Handlungen. Maßgeblich für den Beginn der Durchführung
eines Planes sei jedoch, dass die getroffenen Maßnahmen konkret und nach außen
erkennbar seien. Dies sei hier (bereits seit Mai 1995) nicht der Fall. Würden
verwaltungsinterne Maßnahmen oder die Aufnahme von Vorhaben in Bedarfspläne
ausreichen, weil dadurch ein „politischer Verwirklichungswille" gezeigt werde, könnte
man einen Planfeststellungsbeschluss auch einhundert Jahre am Leben erhalten.
Daher müsse es eine zeitliche (Ober- )Grenze geben, die nicht durch einfaches
Verhalten der Verwaltung unterlaufen werden könne. Überdies zeige die Streichung des
in Rede stehenden Bauabschnitts aus den Bedarfsplänen bereits 1982 (bis 1993), dass
gerade kein Bedarf mehr gesehen worden sei; es könne nicht sein, dass man diesen
siebzehn Jahre nach dem Beschluss unter schon damals völlig veränderten Umständen
sozusagen wiederentdecke und für weitere fünfzehn Jahre am Leben halte. Jedenfalls
sei die Vorschrift des § 75 Abs. 4 VwVfG NRW analog anzuwenden. Schließlich würden
die von dem Beklagten vorgenommenen aktuellen Planungsanpassungen auch kein
qualitatives Minus gegenüber dem Planfeststellungsbeschluss darstellen; vielmehr
werde ein unzulässiges Aliud geplant. Durch die Baumaßnahme sei tatsächlich mit
einer Verschlechterung der Situation der Kläger zu rechnen. Vor diesem Hintergrund
werde die Anberaumung eines Ortstermins angeregt. Rein formale Argumente seien
nicht geeignet, die Bauausführung mehr als einunddreißig Jahre nach Erlass des
zugrunde liegenden Planfeststellungsbeschlusses zurechtfertigen. Alle Umstände des
Einzelfalls seien zu würdigen.
Die Kläger beantragen,
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festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss des Landschaftsverbandes
Rheinland vom 13. Dezember 1976 betreffend den dritten Bauabschnitt der L 000 n (Ner
Straße) zwischen N (B 0) und S (A 00) im Bereich des T1tals außer Kraft getreten ist
und demgemäss keine Rechtswirkungen mehr entfaltet.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist zunächst der Auffassung, dass die Klage unzulässig sei. Er weist darauf hin, dass
die Großeltern der Kläger als ihre Rechtsvorgänger nämlich weder Einwendungen
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gegen die damalige Planung noch Widerspruch gegen den Planfestellungsbeschluss
erhoben hätten. Ausweislich des Planfeststellungsbeschlusses seien die
Planfeststellungsunterlagen ordnungsgemäß ausgelegt worden, ebenso sei der
Planfeststellungsbeschluss ordnungsgemäß (öffentlich) bekannt gegeben worden. Da
die Großeltern der Kläger sich ausweislich des Beschlusses nicht gegen ihn gewandt
hätten, seien die Kläger als Rechtsnachfolger präkludiert; der
Planfeststellungsbeschluss sei ihnen gegenüber bestandskräftig geworden. Die Kläger
hätten auch kein berechtigtes Interesse an der von ihnen begehrten Feststellung. Ihr
Grundeigentum werde nämlich nicht direkt in Anspruch genommen. Schwere und
unerträgliche Lärm- und Schadstoffimmissionen zu ihren Lasten seien überdies nicht
ersichtlich. Auf eine Beeinträchtigung von Natur und Umwelt könnten sich die Kläger
nicht berufen.
Die Klage sei auch unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss vom 13. Dezember
1976 sei nicht außer Kraft getreten, da mit der Durchführung des Planes durch die
Errichtung der bereits verwirklichten Bauabschnitte innerhalb der gesetzlichen Fünf-
Jahres-Frist begonnen worden sei. Dem ausstehenden (letzten) Bauabschnitt komme
keine eigenständige Bedeutung zu. Mit der Durchführung des Gesamtvorhabens sei
durch die Herstellung der bisherigen (drei) Abschnitte begonnen worden. Auch beginne
mit der zeitweiligen Einstellung der (Durchführungs-)Arbeiten nicht erneut die Fünf-
Jahres-Frist des § 75 Abs. 4 VwVfG NRW zu laufen. Der Planfeststellungsbeschluss
trete auch nicht von selbst außer Kraft. Im Übrigen sei stets eine Fortführung der
Bauarbeiten beabsichtigt gewesen. Von einer endgültigen Aufgabe der Planungen
könne nicht gesprochen werden. Ferner komme auch unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit eine Einschränkung der Geltungsdauer des
Planfeststellungsbeschlusses nicht in Betracht. Bei Lärm- oder Schadstoffimmissionen
könnten die Kläger lediglich einen Planergänzungsanspruch geltend machen. Die
Aufnahme des letzten Bauabschnitts in die Bedarfspläne ab 1993 zeige den politischen
Willen diese (Maßnahme) zu verwirklichen. Der Grund für die beiden noch nicht
beschiedenen Widersprüche von zwei betroffenen Grundstückseigentümern liege darin,
dass man versucht habe, sich mit diesen gütlich zu einigen. Ziel des Beklagten sei es
stets (gewesen), sich mit Planbetroffenen ohne Erlass einer streitigen Entscheidung zu
einigen. Allerdings habe man zu keinem Zeitpunkt die hierfür im Ergebnis erforderlichen
Haushaltsmittel zur Verfügung gehabt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
(Beiakten Hefte 1 bis 5) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
21
Sie ist zwar zulässig (I.), jedenfalls aber nicht begründet (II.)
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I. Die Klage ist zulässig.
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Es handelt sich um eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Hiernach kann
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder
der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes
Interesse an der baldigen Feststellung hat. Dabei ist das „berechtigte Interesse" nicht
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gleichbedeutend mit einem „rechtlichen Interesse", sondern erfasst über ein solches
hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse auch wirtschaftlicher oder
ideeller Art. Dies führt allerdings nicht dazu, dass jeder ohne eigene Rechtsbetroffenheit
Feststellungsklage erheben kann, vielmehr muss stets die persönliche Rechtsstellung
zumindest berührt sein.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 30. Juli 1990 - 7 B 71/90 -,
juris (ständige Rechtsprechung).
25
Ein berechtigtes Interesse ist auch anzunehmen, wenn die Rechtslage unklar ist und die
zuständige Behörde anderer Auffassung als ein Kläger ist.
26
Vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Auflage 2007, § 43
Rn. 24.
27
Diese Voraussetzungen liegen vor. Vor obigem Hintergrund haben die Kläger ein
berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Planfeststellungsbeschluss des
Landschaftsverbands Rheinland vom 13. Dezember 1976 gemäß § 75 Abs. 4 VwVfG
NRW außer Kraft getreten ist und damit als Grundlage für die Durchführung des noch
ausstehenden letzten Bauabschnitts der Landstraße L 000 n ausscheidet.
28
Vgl.: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim (VGH BW), Urteil vom
26. September 2003 - 5 S 1599/02 -, NuR 2004, S. 810 ff. und juris.
29
Zwar ist weder das Grundstück der Kläger noch eine Teilfläche direkt einer
enteignenden Maßnahme und damit keinem finalen Eingriff in das Grundrecht auf
Eigentum gemäß Art. 14 GG ausgesetzt, weil es nicht für die geplante Baumaßnahme in
Anspruch genommen werden soll. Das Gericht billigt den Klägern als unmittelbare
Grundstücksnachbarn indes ebenfalls ein entsprechendes berechtigtes Interesse auf
Grund der bestehenden Möglichkeit einer Wertminderung ihres Grundstücks durch die
vorgesehene Trassenführung und durch die möglicherweise zu erwartenden
zukünftigen Verkehrsimmissionen zu.
30
Vgl. allgemein: BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1979 - 4 C 10.77 -, BVerwGE 59, 253
f., S. 262 ff.
31
Allerdings sind die Kläger nicht befugt, im Klagewege mögliche Rechte anderer
„Anwohner" oder die Beeinträchtigung von Natur und Landschaft geltend zu machen, da
sog. „Popularklagen" nach der Verwaltungsgerichtsordnung ausgeschlossen sind. Auch
kommt es in dem vorliegenden gerichtlichen Verfahren nicht auf den Umfang zukünftiger
Verkehrsbeeinträchtigungen an.
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Die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit der
Feststellungsklage nicht entgegen. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden,
soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann
oder hätte verfolgen können. Allerdings ist eine konstitutive behördliche Entscheidung
über das Erlöschen bzw. das Außerkrafttreten eines Planfeststellungsbeschlusses bei
(behaupteter) nicht fristgerechter Plandurchführung durch Verwaltungsakt weder durch
das Verwaltungsverfahrensgesetz noch durch sonstige gesetzliche Vorschriften
vorgesehen.
33
Vgl. VGH BW, a.a.O.; nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2004 - 4 B
113/03 -, juris; Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 8. Auflage 2004, § 75
Rn. 105.
34
Eine auf § 1004 BGB gestützte öffentlich-rechtliche Unterlassungsklage mit dem Ziel der
Unterlassung der weiteren Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses vom 13.
Dezember 1976 würde angesichts der hier gegebenen Sachlage keine gegenüber der
Feststellungsklage zwingend vorrangig zu erhebende Klageart darstellen, zumal in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon
ausgegangen werden kann, dass der Beklagte als Landesbehörde auch einen
Feststellungstenor beachten würde.
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Die Kläger sind mit ihrem Begehren nicht präkludiert (vgl. die allerdings erst zum 1.
Januar 1977 in Kraft getretene Vorschrift des § 73 Abs. 4 VwVfG NRW vom 21.
Dezember 1976, GV. NW. S. 438). Nach dieser Vorschrift sind nämlich in einem
Anhörungsverfahren von einem durch ein Vorhaben Betroffenen nicht rechtzeitig
vorgebrachte Einwendungen nach Fristablauf ausgeschlossen. Das Gericht lässt es
dahinstehen, ob das Planfeststellungsverfahren des Landschaftsverbandes Rheinland
nach den zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechtsnormen ordnungsgemäß
durchgeführt worden ist bzw. die Großeltern der Kläger tatsächlich keine Einwendungen
gegen die Planung erhoben haben. Aufgrund der vom Beklagten vorgelegten
Unterlagen lässt sich dies letztlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen,
denn die hierfür erforderlichen Planunterlagen konnten vom Beklagten nicht
(vollständig) vorgelegt werden. Ausweislich eines Anschreibens des
Landschaftsverbandes Rheinland an den Regierungspräsidenten E vom 4. Dezember
1972 betreffend die Übersendung der Planunterlagen waren zu diesem Zeitpunkt
insgesamt 27 Aktenordner vorhanden; die nunmehr dem Gericht vorgelegten Unterlagen
umfassen lediglich noch 3 Ordner. Dass sich den Seiten 12 und 13 des
Planfeststellungsbeschlusses Angaben hinsichtlich der Durchführung des
Anhörungsverfahrens entnehmen lassen und die Rechtsvorgänger der Kläger im
Planfeststellungsbeschluss nicht namentlich als Einwender aufgeführt sind, mag zwar
als Indiz gegen das ordnungsgemäße Vorbringen von Einwendungen angesehen
werden, stellt letztlich jedoch keinen ausreichenden Nachweis für diese Tatsache dar.
Ferner lässt es das Gericht dahinstehen, ob den Klägern eine Bestandskraft des
Planfeststellungsbeschlusses entgegen gehalten werden kann, denn letztlich lässt sich
ebenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, ob der
Planfeststellungsbeschluss in der erforderlichen Art und Weise ausgelegt worden ist, so
dass die Rechtsvorgänger der Kläger hiergegen Widerspruch einlegen konnten.
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Unabhängig von diesen Überlegungen erstreckt sich zur Überzeugung des Gerichts
allerdings weder eine Präklusion noch eine Bestandskraft des
Planfeststellungsbeschlusses gegenüber den Klägern und ihren Rechtsvorgängern auf
das vorliegende Klageverfahren. Die Kläger erheben nämlich unter sachgerechter
Auslegung ihres Begehrens gemäß der §§ 86 Abs. 1, 88 VwGO (vorrangig) keine
Einwendungen gegen den materiellen Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses vom 13.
Dezember 1976 und greifen ebenso wenig dessen inhaltliche Feststellungen an,
sondern sie berufen sich auf die Vorschrift des § 75 Abs. 4 VwVfG NRW, wonach ein
Planfeststellungsbeschluss außer Kraft tritt, wenn mit der Durchführung des
(festgestellten) Planes nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit
begonnen wird. Damit begehren die Kläger die Klärung der Frage, ob der
Planfeststellungsbeschluss aktuell noch Rechtsgrundlage für den vom Beklagten
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(nunmehr) vorgesehenen Aus- bzw. Weiterbau des letzten Bauabschnitts der L 000 n
sein kann bzw. ob dieser Planfeststellungsbeschluss aktuell noch umgesetzt werden
darf oder nicht. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift eröffnet sich nach ihrem
Wortlaut, ihrem Sinn und Zweck und der Intention des Gesetzgebers allerdings erst für
solche Fallgestaltungen, die zeitlich mindestens fünf Jahre nach Eintritt der
Unanfechtbarkeit des entsprechenden Planes eintreten, mithin im Zeitpunkt des
Erlasses des zugrundeliegenden Planfeststellungsbeschlusses noch gar nicht gegeben
sein und gerügt werden konnten.
§ 75 Abs. 4 VwVfG NRW kommt zur Überzeugung des Gerichts zumindest auch eine
drittschützende Wirkung zugunsten von durch ein planfeststellungspflichtiges
Bauvorhaben betroffenen Grundstücksnachbarn und -eigentümern zu, ohne dass der
Anwendungsbereich zwingend alleine auf solche Betroffene beschränkt ist, deren
Grundstücke unmittelbar in Anspruch genommen werden sollen.
38
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1989 - 4 C 41/88 -, BVerwGE 84, S. 123 ff. und
juris (insbesondere zum Schutz betroffener Grundstückseigentümer);
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz (OVG RP), Urteil vom 2. Oktober
1984 - 7 A 22/84 -, DVBl. 1985, S. 408 f., S. 409; Bonk/Neumann in
Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Auflage 2001, § 75
Rn. 75; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 2006, § 75 Rn. 37 (der im
Wesentlichen darauf abstellt, dass im Interesse der Rechtssicherheit den
Planbetroffenen Klarheit verschafft werden soll, ob sie sich auf die Realisierung eines
beschlossenen Plans einstellen müssen oder nicht).
39
Das Gericht lässt es an dieser Stelle allerdings ebenfalls offen, ob sich nicht
ausschließlich durch z. B. enteignende grundstücksbezogene Maßnahmen unmittelbar
betroffene Grundstückseigentümer auf diese Vorschrift berufen dürfen, da (vorrangig)
diese durch die Planfeststellung hinsichtlich der weiteren Disposition bezüglich ihres
Grundeigentums geschützt werden sollen und zudem den Klägern als (bloßen)
Grundstücksnachbarn nach der Systematik der das Planfeststellungsverfahren
betreffenden Vorschriften der §§ 72 ff. VwVfG NRW noch die Rechtsschutzmöglichkeit
des § 75 Abs. 2 und 3 VwVfG NRW offen stehen könnte.
40
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7. März 2007 - 9 C 2/06 -, BVerwGE 128, S. 177 ff. und
juris.
41
II. Die Klage ist jedoch (jedenfalls) unbegründet.
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Die Kläger haben im Ergebnis keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der
Planfeststellungsbeschluss des Landschaftsverbandes Rheinland vom 13. Dezember
1976 außer Kraft getreten ist.
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Rechtlicher Beurteilungsmaßstab ist mangels anderer vorrangiger spezialgesetzlicher
Regelungen allein die über § 38 Abs. 1 a Satz 5 StrWG NRW entsprechend
anwendbare Vorschrift des § 75 Abs. 4 VwVfG NRW. Danach tritt ein Plan außer Kraft,
wenn mit seiner Durchführung nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der
Unanfechtbarkeit begonnen wird.
44
Auf § 39 Abs. 7 Satz 1 StrWG NRW kommt es bei der rechtlichen Würdigung nicht an,
da bereits die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift nicht vorliegen. Danach kann
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nämlich die Planfeststellungsbehörde, bevor der Plan nach § 75 Abs. 4 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen außer Kraft tritt, den
Plan auf begründeten Antrag des Trägers der Straßenbaulast um höchstens fünf Jahre
verlängern. Um ein solches Verlängerungsverfahren geht es vorliegend indes nicht; ein
entsprechendes Verfahren ist vom Beklagten auch nicht durchgeführt worden.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 75 Abs. 4 VwVfG NRW liegen nicht vor.
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Der Planfeststellungsbeschluss des Landschaftsverbandes Rheinland vom 13.
Dezember 1976 ist bereits nicht unanfechtbar (geworden). Unanfechtbarkeit bedeutet
dabei die Unanfechtbarkeit gegenüber allen Planbetroffenen, mithin die
Unanfechtbarkeit des festgestellten Plans gegenüber allen bzw. gegenüber dem letzten
Anfechtungsberechtigten.
47
Vgl. VGH BW, Urteil vom 26. September 2003, a.a.O.; Oberverwaltungsgericht des
Saarlandes in Saarlouis (OVG SAAR), Urteil vom 24. Oktober 1995 - 2 M 4/94 -, juris;
Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2005, § 75 Rn.
34; Schütz, Die Verlängerung von Planfeststellungsbeschlüssen, UPR 2002, S. 172 ff.,
S. 173; Stoermer, Die Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen, NZV 2002, S.
303 ff., S. 306.
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Der Begriff der Unanfechtbarkeit bedeutet, dass ein Rechtsbehelf gegen den
zugrundeliegenden Planfeststellungsbeschluss nicht (mehr) eingelegt werden kann und
dass damit der Beschluss vollzogen werden darf. Vorliegend ist diese Unanfechtbarkeit
deshalb (noch) nicht gegeben, weil der Beklagte zwei Widersprüche von zwei
planbetroffenen Grundstückseigentümern bisher noch nicht beschieden hat. Unter
Berücksichtigung der Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 11.
Februar 2008 und in der mündlichen Verhandlung erscheint diese Nichtbescheidung
nach einem dermaßen langen Zeitraum von über dreißig Jahren trotz nicht
unerheblicher Bedenken des Gerichts vor dem Hintergrund der Gewährung effektiven
Rechtsschutzes und einer ordnungsgemäßen zeitnahen Durchführung des
Vorverfahrens nach den §§ 68 ff. VwGO gleichwohl nicht willkürlich,
rechtsmissbräuchlich oder vor dem Hintergrund des auch im Öffentlichen Recht
geltenden Grundsatzes des § 242 BGB treurechtswidrig. Sie ist insbesondere nicht
bewusst zu Lasten der Kläger erfolgt. Die vom Beklagten dargestellten Gründe
erscheinen (noch) nachvollziehbar. Zwar kann durch eine solche Verfahrensweise der
Beginn der Rechtskraft eines Planfeststellungsbeschlusses und ihrer Rechtsfolgen und
insbesondere der Beginn der Frist des § 75 Abs. 4 VwVfG NRW durch die zuständige
Behörde beliebig hinausgeschoben werden. Allerdings können die Kläger mangels
subjektiver eigener Rechtsbetroffenheit die erfolgte Nichtbescheidung weder rügen
noch einen subjektiven Anspruch auf Bescheidung der Widersprüche geltend machen.
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Der Beklagte hat mit der Durchführung des Plans letztlich auch rechtzeitig innerhalb der
Frist des § 75 Abs. 4 VwVfG NRW begonnen, weil er den vierten Bauabschnitt bereits
im Jahre 1980 und damit innerhalb von fünf Jahren nach Erlass des
Planfeststellungsbeschlusses in Angriff genommen hat.
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Maßgeblich ist bei einer zeitlich gestuften Ausbauplanung eines einheitlich
festgestellten Vorhabens allein die Ausführung des ersten Bauabschnitts von mehreren
Abschnitten. Zwar müssen sich grundsätzlich auch die späteren folgenden Planungs-
bzw. Bauabschnitte innerhalb des für den ersten Abschnitt gesetzlich vorgesehenen
51
Zeitrahmens von fünf Jahren halten.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1989 a.a.O.; Knack, a.a.O., § 75 Rn. 106, § 74
Rn. 23, 24, 27; Stoermer, a.a.O., S. 307.
52
Wird allerdings mit dem Bau des ersten Bauabschnitts von mehreren Abschnitten eines
Großvorhabens innerhalb dieser Fünf-Jahres-Frist begonnen, wahrt dies nach
übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur die Frist für die
gesamte Trasse.
53
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1989, a.a.O.; OVG SAAR, a.a.O.; Kodal,
Straßenrecht, 1995, Kapitel 35, Nr. 21.11; Stoermer, a.a.O., S. 307.
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Auch bei Fallgestaltungen, in denen ein Vorhabenträger zwar rechtzeitig mit der
Durchführung (des ersten Abschnitts) beginnt und danach allerdings die Durchführung
der weiteren Abschnitte mehr als fünf Jahre nicht weiterverfolgt, beginnt kein erneuter
Fristlauf ab Unterbrechung der Arbeiten. Eine andere Auffassung findet im Wortlaut des
Gesetzes keine Stütze.
55
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1989, a.a.O.; OVG SAAR, a.a.O.; Ziekow, a.a.O.,
§ 75 Rn. 38; Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 75 Rn. 77 (bei
Einstellung der Arbeiten für mehr als fünf Jahre gilt dann die Norm des § 77 VwVfG,
aber nur, wenn die Einstellung als endgültige Aufgabe des Vorhabens zu werten ist); a.
A. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 75 Rn. 36.
56
Dabei bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen eine solche Abschnittsbildung. Der
jeweilige Teilabschnitt muss allerdings eine insoweit selbständige Verkehrsfunktion
besitzen. Die „Gefahr des sog. Planungstorsos" darf nicht bestehen.
57
Vgl. nur Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster (OVG
NRW), Urteil vom 26. September 2003, - 11 D 53/00.AK -, juris.
58
Dabei wird die planungsrechtliche Abschnittsbildung als „richterrechtliche Ausprägung
des allgemeinen staatlichen Abwägungsgebots" bezeichnet.
59
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1992 - 4 NB 21/92 -, UPR 92, S. 348 ff. und juris;
Knack, a.a.O., § 74 Rn. 27.
60
§ 75 Abs. 4 VwVfG NRW enthält zwar keine Einzelheiten dazu, was genau unter der
Durchführung des Plans zu verstehen ist. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist jedoch,
dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Unanfechtbarkeit der Planentscheidung
deren Grundlagen immer zweifelhafter werden können. Auch wächst die Unsicherheit
der planbetroffenen Grundstückseigentümer.
61
Vgl. VGH BW, Urteil vom 26. September 2003, a.a.O.; VG München, Beschluss vom 1.
Dezember 2005 - M 2 S 05.3067 -, juris; Knack, a.a.O., § 75 Rn. 105.
62
Weiterhin sollen sogenannte Planungen auf Vorrat („Vorratsplanungen") verhindert
werden.
63
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1989 - 4 C 41/88 -, BVerwGE 84, S. 123 ff. und
64
juris; VGH BW, Urteil vom 26. September 2003, a.a.O; Knack, a.a.O., § 75 Rn. 105.
Eine straßenrechtliche Planung, der ein hinreichender Realisierungsgrad abgesprochen
werden muss, ist rechtswidrig. Zum Zeitpunkt der Planfeststellung darf nicht
ausgeschlossen sein, dass das planfestgestellte Vorhaben verwirklicht werden kann.
Auch eine Planung, die nicht mit einer baldigen Realisierung rechnen kann, ist verfrüht
und damit unzulässig. Diese Grundsätze gelten ebenfalls für die Planung eines
gestuften Ausbaus von Großprojekten.
65
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1989 - 4 C 41/88 -, a.a.O. (zum inzwischen
aufgehobenen § 18 b FStrG).
66
Eine Planrechtfertigung ist insbesondere nicht mehr gegeben, wenn die Verwirklichung
des Vorhabens innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren ausgeschlossen erscheint.
67
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2004 - 4 CN 4/03 -, BVerwGE 120, S. 239 ff. und juris.
68
Die endgültige Aufgabe der Durchführung kann (nur) angenommen werden, wenn
gänzlich ausgeschlossen erscheint, dass die Fertigstellung nicht mehr erfolgen wird,
insbesondere weil sie nicht mehr beabsichtigt oder objektiv nicht realisierungsfähig ist.
69
Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 26. September 2003, a.a.O.
70
Hiervon ausgehend ist unter Durchführung des Plans jede planvolle Tätigkeit zu
verstehen, die bei objektiver Betrachtung die Realisierung des planfestgestellten
Vorhabens zum Ziel hat. Rein symbolische Maßnahmen wie z.B. der „erste Spatenstich"
oder nur zum Zwecke der Fristwahrung erfolgte Maßnahmen sind nicht ausreichend.
71
Vgl. VGH BW, Urteil vom 26. September 2003, a.a.O.
72
Dabei ist zur Überzeugung des Gerichts ein nach außen erkennbares Tätigwerden zu
verlangen.
73
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. März 2003 - 11 B 507/03 -, Juris-Dokumentation,
zum Bundesfernstraßengesetz: „Mit der Durchführung eines festgestellten Planes wird
in aller Regel ... begonnen, wenn (nach außen erkennbare) Tätigkeiten zu seiner
Verwirklichung entfaltet werden, wie etwa der planmäßige Grunderwerb, der Abbruch
von Gebäuden, der Aushub einer Baugrube, die Verlegung von Rohrleitungen oder
Ähnliches. Grundsätzlich nicht ausreichend sind nur verwaltungsinterne Maßnahmen,
wie z.B. die Bauentwurfsplanung oder die Einstellung in die Finanzplanung; VG
München, Beschluss vom 1. Dezember 2005, a.a.O.; Knack, a.a.O. § 75 Rn. 107;
Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 75 Rn. 36; Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., §
76 Rn. 76; vgl. ebenso: Kodal, Straßenrecht, 1995, Kapitel 35, Nr. 21.11.; offen
gelassen: VGH BW, Urteil vom 26. September 2003, a.a.O. (allerdings in seiner
Entscheidung auf nach Außen erkennbare Tätigkeiten abstellend); nachgehend:
BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2004, a.a.O.; ein nach Außen erkennbares
Tätigwerden verneinend: OVG RP, Urteil vom 2. Oktober 1984, a.a.O.; Ziekow, a.a.O., §
75 Rn. 38.
74
Allerdings rechtfertigt es der (rechtzeitige) Beginn der Durchführung eines Planes nicht,
die Beeinträchtigung des Grundeigentums so lange andauern zu lassen, dass sie außer
75
Verhältnis zu dem von der Straßenbaumaßnahme verfolgten Zweck steht.
OVG RP, Urteil vom 2. Oktober 1984, a.a.O.
76
Hier ist nicht von einer endgültigen Aufgabe der Verwirklichung des letzten
Bauabschnitts durch den Beklagten mit der Folge der Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 77 VwVfG NRW auszugehen. Es fehlt zwar
jedenfalls ab 1995 und damit seit deutlich mehr als zehn Jahren nach Fertigstellung des
vorletzten Bauabschnitts an entsprechenden nach außen gerichteten Tätigkeiten des
Beklagten. Die von ihm zwischenzeitlich durchgeführten Maßnahmen - wie die
Aufnahme des Vorhabens in den aktuellen Straßenbaubedarfsplan, die Beantragung
von Haushaltsmitteln für die Jahre 2007 und 2008, das Erstellen angepasster
(technischer) Planungen pp. - stellen keine solchen nach außen gerichteten
Maßnahmen dar. Die Nichtbescheidung der zwei noch offenen Widersprüche
betroffener Grundstückseigentümer gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13.
Dezember 1976 belegt aufgrund der Ausführungen des Beklagten hierzu ebenfalls
nicht, dass dieser von der Verwirklichung des letzten Bauabschnitts endgültig Abstand
nehmen wollte. Schließlich haben die politischen Entscheidungsträger zu keinem
Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck gebracht, dass eine
Bauausführung dauerhaft nicht mehr beabsichtigt sei.
77
Das Gericht vermag auch in Anbetracht der Besonderheiten des vorliegenden
Einzelfalles aus der Ratio des Gesetzgebers bezogen auf die Vorschrift des § 75 Abs. 4
VwVfG NRW,
78
vgl. VG München, Beschluss vom 1. Dezember 2005, a.a.O.,
79
in Verbindung mit dem Grundsatz der Zulässigkeit einer abschnittsweisen Ausführung
einerseits und dem Verbot einer unzulässigen Vorratsplanung andererseits nicht den
Schluss zu ziehen, dass die Durchführung des letzten von insgesamt vier Abschnitten
mehr als dreißig Jahre nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 13.
Dezember 1976 und mehr als zwölf Jahre nach der Verwirklichung des vorletzten
Bauabschnitts im Jahre 1995 rechtlich nicht mehr zulässig ist. Denn entscheidend ist
der tatsächlich erfolgte Beginn der Bauausführung innerhalb der ersten fünf Jahre und
die Nichtaufgabe der Ausführung in der Folgezeit. Insbesondere im Hinblick darauf,
dass drei der insgesamt vier vorgesehenen Bauabschnitte tatsächlich verwirklicht
worden sind, kann die Kammer nicht erkennen, dass die ursprüngliche Planung der L
000 n zum damaligen Zeitpunkt eine unzulässige Planung lediglich auf Vorrat darstellte.
80
§ 75 Abs. 4 VwVfG NRW ist auch nicht analog auf sog. "steckengebliebene" Vorhaben
81
- vgl. VG München, Beschluss vom 1. Dezember 2005, a.a.O. sowie insbesondere
Stoermer, a.a.O., S. 308 f. unter Hinweis auf die gegenteilige „ältere Rechtsprechung"
(u.a. VGH BW, Urteil vom 15. Dezember 1987 - 5 S 3279/86 -, VBlBW 1988, S. 299 ff.,
S. 301) -
82
anzuwenden mit der Folge, dass ein Planfeststellungsbeschluss nach Ablauf einer Frist
von fünf bzw. zehn Jahren (nach der vorläufigen Baueinstellung) außer Kraft tritt. Eine
Analogie setzt zunächst stets das Bestehen einer unbewussten planwidrigen Lücke des
Gesetzgebers voraus. Davon ist aufgrund der Systematik der Vorschriften über
Planfeststellungsverfahren (vgl. §§ 72 ff. VwVfG NRW) allerdings nicht auszugehen,
83
auch wenn der Gesetzgeber bei ihrem Erlass wohl eher von dem Regelfall einer
zeitnahen Durchführung eines erlassenen Planfeststellungsbeschlusses bzw.
verschiedener Bauabschnitte ausgegangen sein dürfte. Des Weiteren ist auch ein Wille
des Gesetzgebers hinsichtlich der Bestimmung einer festen zeitlichen Obergrenze
betreffend die Wirksamkeit eines Planfeststellungsbeschlusses nicht erkennbar und
daher auch nicht anzunehmen.
Unter Berücksichtigung der Ansätze zur Begrenzung der Geltungsdauer von
Planfeststellungsbeschlüssen in den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz und des Verwaltungsgerichts München
84
- jeweils a.a.O. -
85
sowie in dem zitierten Aufsatz des Rechtsanwalts T2,
86
Die Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen, a.a.O.,
87
gelangt das Gericht auch unter Einbeziehung der konkreten Umstände des zur
Beurteilung stehenden Einzelfalls zu keiner anderen Beurteilung. Eines
Billigkeitsausgleichs über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unter dem Gesichtspunkt
der „unzumutbaren Belastungen der von dem Planfeststellungsbeschluss betroffenen
Personen" bedarf es nämlich vorliegend schon deshalb nicht, weil das Grundstück der
Kläger nicht unmittelbar gemäß Art. 14 GG betroffen ist, da dessen Inanspruchnahme
bzw. eine Enteignung nicht beabsichtigt ist. Anders als bei unmittelbar betroffenen
Grundstückseigentümern, hinsichtlich derer ein überlanger bis „unendlicher"
Schwebezustand mit dem Übermaßverbot kollidieren könnte, ist die Betroffenheit der
Kläger mit der Folge eines geringeren Schutzbedürfnisses weniger intensiv;
abweichend von der erstgenannten Gruppe, für die dieser verfassungsrechtliche
„Notanker" konzipiert wurde, kann ihrem Schutzbedürfnis zudem ggf. durch geeignete
Maßnahmen nach § 75 Abs. 2 und 3 VwVfG NRW - die in Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz
normierte Dreißig-Jahre-Frist ist auf § 75 Abs. 4 VwVfG NRW offensichtlich nicht
übertragbar - Rechnung getragen werden.
88
Zum (nachträglichen) Anspruch auf Planergänzung vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März
2007, a.a.O.
89
Ferner steht ihnen die Möglichkeit offen, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die vom
Beklagten beabsichtigte (aktualisierte) Bauausführung noch durch den
zugrundeliegenden Planfeststellungsbeschluss vom 13. Dezember 1976 gedeckt ist
oder ob es sich um ein neues planfeststellungspflichtiges Vorhaben handelt.
90
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO und § 100
Abs. 4 ZPO.
91
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO
i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
92
Die Berufung wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im
Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat.
93
94