Urteil des VG Düsseldorf vom 29.06.2004

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 L 1680/04
Datum:
29.06.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 1680/04
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme
außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der am 26. Mai 2004 sinngemäß gestellte Antrag,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die der
Bezirksregierung E zum 1. Mai 2004 zugewiesene Stelle der Besoldungsgruppe A 10
BBesO (2. Säule) nicht mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des
Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden
worden ist,
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines
Rechts des Antragstellers nur getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch
eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3
VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO das Bestehen eines zu sichernden Rechts
(Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft
zu machen.
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Für das vom Antragsteller verfolgte Begehren besteht zwar im Hinblick darauf, dass der
Antragsgegner die Absicht hat, die in Streit stehende Stelle alsbald mit dem
Beigeladenen zu besetzen, ein Anordnungsgrund, da dessen Ernennung zum
Polizeioberkommissar und Einweisung in die freie Planstelle der Besoldungsgruppe A
10 BBesO das vom Antragsteller geltend gemachte Recht auf diese Stelle endgültig
vereiteln würden.
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Der Antragsteller hat aber einen sein Rechtsschutzbegehren rechtfertigenden
Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Beförderungsentscheidung des
Antragsgegners zu Gunsten des Beigeladenen ist bei der im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung formell
und materiell nicht zu beanstanden.
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Formelle Mängel der Beförderungsentscheidung sind nicht ersichtlich. Die
verfahrensmäßigen Beteiligungsrechte Dritter sind gewahrt worden, insbesondere hat
der Personalrat der Polizei bei der Bezirksregierung E nach §§ 66 Abs. 1, 72 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 LPVG am 10. Mai 2004 seine Zustimmung zu der Beförderung erteilt.
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Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die materielle
Rechtmäßigkeit der Beförderungsentscheidung. Die Entscheidung des Antragsgegners,
die sofort besetzbare Stelle der Besoldungsgruppe A 10 BBesO (II. Säule) mit dem
Beigeladenen an Stelle des Antragstellers zu besetzen, erweist sich nicht als
rechtsfehlerhaft.
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Ein Beamter hat keinen Anspruch auf Übertragung eines Beförderungsamtes. Er hat
allerdings ein Recht darauf, dass der Dienstherr oder der für diesen handelnde
Dienstvorgesetzte eine rechts-, insbesondere ermessensfehlerfreie Entscheidung über
die Vergabe des Beförderungsamtes trifft. Materiell-rechtlich hat der Dienstherr bei
seiner Entscheidung darüber, wem von mehreren Bewerbern er die Stelle übertragen
will, das Prinzip der Bestenauslese zu beachten und Eignung, Befähigung und fachliche
Leistung der Konkurrenten zu bewerten und zu vergleichen (Art. 33 Abs. 2 GG, §§ 7
Abs. 1, 25 Abs. 6 Satz 1 LBG). Ist ein Bewerber besser qualifiziert, so ist er in aller Regel
zu befördern. Im Übrigen ist die Entscheidung in das pflichtgemäße Ermessen des
Dienstherrn gestellt. Der Anspruch auf Beachtung dieser Grundsätze ist nach § 123 Abs.
1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig. Soll hiernach die vorläufige Nichtbesetzung einer
Beförderungsstelle erreicht werden, so muss glaubhaft gemacht werden, dass deren
Vergabe an den Mitbewerber sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zu Lasten
des Antragstellers rechtsfehlerhaft erweist und dass im Falle der fehlerfreien
Durchführung des Auswahlverfahrens die Beförderung des Antragstellers jedenfalls
nicht ausgeschlossen erscheint.
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht als erfüllt anzusehen.
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Über die Auswahlkriterien des § 7 Abs. 1 LBG verlässlich Auskunft zu geben, ist
grundsätzlich Sache einer aktuellen dienstlichen Beurteilung. Die vom Antragsgegner
der Auswahlentscheidung zu Grunde gelegten aktuellen dienstlichen Beurteilungen des
Antragstellers und des Beigeladenen vom 2. September 2002 bilden hierfür eine
ausreichende Entscheidungsgrundlage. Antragsteller und Beigeladener sind hiernach
mit dem Gesamturteil „Die Leistung und Befähigung entsprechen voll den
Anforderungen" (3 Punkte) beurteilt. Ob der Antragsgegner gehalten war, eine weiter
gehende inhaltliche Auswertung der dienstlichen Beurteilungen in Betracht zu ziehen
(„qualitative Ausschärfung") und etwa eine vergleichende Bewertung der einzelnen
Hauptmerkmale in den dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und des
Beigeladenen vorzunehmen,
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Vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
Beschluss vom 27. Februar 2004 - 6 B 2451/03 -,
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kann dahinstehen. Eine derartige inhaltliche Auswertung ist nur dann geboten, wenn
das Beförderungsamt besondere persönliche und/oder sachliche Anforderungen stellt,
zu denen Einzelfeststellungen der Beurteilung eine Aussage treffen, was bei einem Amt
der Besoldungsgruppe A 10 BBesO nicht ohne weiteres ersichtlich ist.
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Sollte indes die zu besetzende Beförderungsstelle an eine Führungsfunktion geknüpft
sein, so ergäben sich gerade in dem durch die aktuelle Beurteilung bei beiden Beamten
mitbeurteilten Bereich der Mitarbeiterführung keine signifikanten Unterschiede. Beide
Bewerber sind im Hauptmerkmal „Mitarbeiterführung" mit „Die Mitarbeiterführung (...)
entspricht voll den Anforderungen" und in den zugehörigen Submerkmalen jeweils drei
Mal mit 3 und ein Mal mit 4 Punkten beurteilt worden.
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Sind hiernach die beiden Bewerber auf Grund der aktuellen dienstlichen Beurteilungen,
die den gegenwärtigen Leistungsstand angeben, als im Wesentlichen gleich qualifiziert
anzusehen, kann für die Auswahlentscheidung allerdings grundsätzlich auch auf ältere
Beurteilungen als zusätzliche Erkenntnismittel zurückgegriffen werden. Sie stellen keine
Hilfskriterien dar. Vielmehr handelt es sich um Erkenntnisse, die über Eignung,
Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben können und die
deshalb gegenüber Hilfskriterien vorrangig heranzuziehen sind. Zwar verhalten sie sich
nicht zu dem nunmehr erreichten Leistungsstand im derzeitigen statusrechtlichen Amt.
Gleichwohl können sie vor Allem bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame
Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt
ermöglichen. Ihre zusätzliche Berücksichtigung ist deswegen mit Blick auf Art. 33 Abs. 2
GG grundsätzlich geboten, wenn eine Stichentscheidung unter zwei oder mehr aktuell
im Wesentlichen gleich beurteilten Beamten zu treffen ist,
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vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31/01 -, ZBR 2003, 359, vom 27.
Februar 2003 - 2 C 16/02 -, ZBR 2003, 420, und vom 21. August 2003 - 2 C 14/02 -, ZBR
2004, 101; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2003 - 6 B 2321/03 -.
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Der Antragsgegner hat vorliegend indes ausnahmsweise - ohne dass dies zu
beanstanden wäre - keinen Vergleich früherer dienstlicher Beurteilungen vorgenommen,
weil sich die Vergleichsgruppe durch unterschiedliche Beförderungsbewerber
(Direkteinsteiger und Aufsteiger) auszeichnete. Auf Grund dessen kam eine
Berücksichtigung der Vorbeurteilungen nicht in Betracht, weil einige Beamten lediglich
eine Probezeitbeurteilung in der Vorbeurteilung aufzuweisen haben und somit nicht mit
den übrigen Bewerbern verglichen werden konnten. Dass dies im Verhältnis von
Antragsteller zum Beigeladenen - beide sind Aufstiegsbewerber - nicht der Fall ist, ist
unerheblich, weil nach den vorstehenden Gründen bei der zu treffenden
Auswahlentscheidung eben ein einheitlicher Maßstab zwischen sämtlichen Bewerbern
einzuhalten war. Im Übrigen würde, falls im Verhältnis zwischen Antragsteller und
Beigeladenem auf ältere Beurteilungen zurückgegriffen und dies zu einer Stattgabe des
einstweiligen Rechtsschutzantrags führen würde, die Behörde eine erneute
Auswahlentscheidung zwischen allen Bewerbern treffen müssen. In diesem Moment
wäre aber wiederum die Situation gegeben, dass zwischen allen Bewerbern
vergleichbare Beurteilungen eben nicht vorlägen.
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Bei im Wesentlichen gleicher Qualifikation der Bewerber ist der Dienstherr grundsätzlich
darin frei, welchen zusätzlichen (sachlichen) Kriterien - den sog. Hilfskriterien - er im
Rahmen seiner Ermessensausübung das größere bzw. ausschlaggebende Gewicht
beimisst. Er ist insbesondere nicht an eine starre, etwa durch die größere Leistungsnähe
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bestimmte Rangfolge der Hilfskriterien gebunden,
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2001 - 1 B 581/01 -, IÖD 2002, 147, vom
14. Juni 2000 - 6 B 513/00 - und vom 4. Januar 1999 - 6 B 2096/98 -, ZBR 1999, 316.
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Zwar wird der Dienstherr die Reihenfolge der Hilfskriterien im Rahmen einer einmal
eingeschlagenen Verwaltungspraxis bei gleichartigen Beförderungsfällen zur
Beachtung des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich beizubehalten haben;
das schließt eine Aufgabe dieser Verwaltungspraxis aus sachlichen Gründen freilich
nicht aus.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2000 - 6 B 513/00 -, m.w.N. und vom 8.
November 2000 - 6 B 865/00 - .
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Vorliegend hat der Antragsgegner eine solche Änderung aus sachlichen Gründen mit
Schriftsatz vom 4. Juni 2004 dargetan, indem es dort heißt:
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„Entsprechend einer mit dem Polizei-Personalrat und der Gleichstellungsbeauftragten
am 08.04.2004 abgestimmten Festlegung der Beförderungskriterien sind für
Beförderungsentscheidungen nach A 10 BBesO (2. Säule) folgende Kriterien bzw.
Hilfskriterien maßgebend:
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- Ergebnis der dienstlichen Beurteilung mit Prüfung der qualitativen Ausschärfung
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- Datum der 2. Fachprüfung (bei Aufsteigern) bzw. Anstellung (bei Direkteinsteigern)
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- Frauenförderung
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- Prüfungsnote der 2. Fachprüfung
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Diese Reihenfolge wurde im Rahmen der v.g. Besprechung neu festgelegt; maßgeblich
hierfür waren folgende Überlegungen: Bei einer noch im März 2004 durchgeführten
Beförderung lag der Entscheidung die aktuelle Beurteilungsnote, die Verweildauer im
statusrechtlichen Amt, das Datum der 2. Fachprüfung bzw. das Dienstalter zu Grunde.
Anlässlich dieser Beförderung im März 2004 kam es erstmalig zur Ausschöpfung
sämtlicher bisher üblicher Hilfskriterien. Im Nachgang zu dieser Beförderung gelangten
der Polizei-Personalrat, die Gleichstellungsbeauftragte und auch die personalführende
Stelle unabhängig von zukünftigen Beförderungsentscheidungen übereinstimmend zu
der Überzeugung, dass die Prüfungsnote der 2. Fachprüfung gerade bei den
Aufsteigern einen größeren Aufschluss über die Eignung, Befähigung und fachliche
Leistung für die Wahrnehmung der betreffenden Dienstaufgaben zulässt als das Datum
der 1. Fachprüfung. Diese Überlegung basierte auf der Tatsache, dass es sich bei einer
Beförderung nach A 10 BBesO (2. Säule) um ein Beförderungsamt des gehobenen
Polizeivollzugsdienstes handelt, dessen unabdingbare Voraussetzung das Bestehen
der 2. Fachprüfung ist. Um in diesen Situationen eine noch differenziertere und am
Leistungsgrundsatz orientiertere Beförderungsentscheidung treffen zu können, wurde
die Liste der heranzuziehenden Hilfskriterien um das Merkmal Prüfungsnote der 2.
Fachprüfung einvernehmlich ergänzt."
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Damit hat der Antragsgegner einen sachlichen Grund für die Änderung der Hilfskriterien
vorgetragen, indem er dargelegt hat, dass Polizei-Personalrat, die
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Gleichstellungsbeauftragte und auch die personalführende Stelle vor dem
exemplarischen Hintergrund einer bereits getroffenen Beförderungsentscheidung zu der
nachvollziehbaren Einschätzung gekommen sind, dass für die Zukunft eine vorrangige
Berücksichtigung der Note der 2. Fachprüfung leistungsnäher ist, weswegen im Wege
einer Korrektur die Hilfskriterien um dieses Merkmal ergänzt worden sind.
Da beide Bewerber die 2. Fachprüfung zur gleichen Zeit, im August 1998, absolviert
haben - dass der Antragsteller diese, mutmaßlich auf Grund des Prüfungsablaufs, um
einen Tag früher, am 25. August 1998, abgelegt hat, fällt offensichtlich nicht ins Gewicht
-, der Beigeladene indes mit 8,49 Punkten gegenüber dem Antragsteller mit 8,03
Punkten eine bessere Abschlussnote erlangt hat, hat der Antragsgegner die
Auswahlentscheidung in nicht zu beanstandender Weise auf Grund des Hilfskriteriums
„Note der 2. Fachprüfung" zu Gunsten des Beigeladenen getroffen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der
Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt
hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass er etwaige eigene
außergerichtliche Kosten selbst trägt.
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Die Festsetzung des Streitwerts auf die Hälfte des Auffangwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3,
13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
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