Urteil des VG Düsseldorf vom 17.04.2008

VG Düsseldorf: grundstück, gewerbe, trennung, pflegeheim, bebauungsplan, gebäude, augenschein, markt, provisorisch, bauhöhe

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 5943/07
Datum:
17.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 5943/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110%
des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin plant die Bebauung eines Teils des 4.476 qm großen Grundstücks
Gemarkung G1, Flurstücke 525 und 526 (letzteres heute Flurstücke 527, 528),
postalisch S 20a, in E. Das Grundstück gehört zu einem Bereich, der westlich von der
Straße S, nördlich von der P Allee, östlich von der Eisenbahnstrecke E- L und südlich
von drei Sportplätzen eingefasst wird. Das Vorhabengrundstück liegt im
Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 5575/48. Der Bebauungsplan ist seit dem
30. Juni 1962 rechtsverbindlich. Er weist für den Bereich des klägerischen Grundstücks
ein Kleingewerbegebiet aus. Wegen der Lage des Grundstücks im Einzelnen, seiner
Bebauung und der Bebauung und Nutzung der Umgebung wird auf die in den Akten
enthaltenen Pläne, das Ortsterminsprotokoll zweiter Instanz aus der beigezogenen
Akten des Vorprozesses (4 K 7223/03, Verwaltungsgericht Düsseldorf, 10 A 1851/04,
OVG NW) vom 9. Februar 2007 und das im vorliegenden Verfahren aufgenommene
Ortsterminsprotokoll verwiesen.
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Zuvor hatte die U AG für das gesamte Grundstück (Flurstücke 525 und 526 alt) unter
dem 2. September 2002 die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines
Forschungszentrums für Geriatrie beantragt. Das damals geplante Bauvorhaben sollte
hinter dem straßenseitig gelegenen Wohnhaus S 18/20 errichtet werden und sich über
die gesamte Tiefe des Grundstücks bis zu dem östlich gelegenen Flurstück 27
erstrecken, auf dem sich ein Lebensmittelmarkt befindet.
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Mit Bescheid vom 27. März 2003 hatte der Beklagte die von der U AG beantragte
Baugenehmigung abgelehnt. Zur Begründung hatte er ausgeführt: Das Vorhaben sei
bauplanungsrechtlich unzulässig. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung füge es
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sich nicht ein. Beantragt sei eine Wohnnutzung im gewerblich geprägten
Blockinnenbereich. Das unmittelbare Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen hätte
einerseits einschränkende Auflagen für das zulässige Gewerbe, andererseits
Beeinträchtigungen des Wohnens zur Folge.
Die Rechtsmittel gegen die Versagung der Baugenehmigung waren nicht erfolgreich.
Die Klage (4 K 7223/03) wurde mit Gerichtsbescheid des Einzelrichters des
Verwaltungsgerichtes Düsseldorf vom 18. Februar 2004 abgewiesen. Die Berufung, die
die Erteilung einer Bebauungsgenehmigung zur Errichtung eines Altenwohn- und
Pflegeheims zum Gegenstand hatte, wurde mit Urteil des OVG NW vom
28. Februar 2007 (10 A 1851/04) zurück gewiesen. Wegen der Begründungen der
Entscheidungen wird auf die beigezogene Verfahrensakte Bezug genommen.
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Unter dem 20. Juni 2007 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung eines
Bauvorbescheides für ihr Bauvorhaben, ein Mehrfamilienhauses mit ca.
16 Wohneinheiten in zwei Geschossen plus Staffelgeschoss. Das Gebäude soll parallel
zur Straßenrandbebauung (S 18) im Hintergelände (auf dem heutigen, 1035 qm großen
Flurstück 527) errichtet werden. Stellplätze werden zum Teil vor dem Haus, zum Teil
durch Baulast gesichert auf einem rückwärtig an das Flurstück 526 (alt, heute 528)
angrenzenden Grundstück nachgewiesen. Letzteres gehört zu einem Gelände, auf dem
derzeit ein (in einer baulichen Umplanung begriffener) Getränkemarkt betrieben wird
(Flurstück 11). Der Vorbescheidantrag der Klägerin beschränkte sich auf die Frage der
planungsrechtlichen Zulässigkeit einschließlich der Stellplatzsituation.
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Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 ab. Zur
Begründung führte er aus: Das Vorhaben sei nach § 34 BauGB zu beurteilen, füge sich
aber nicht in die Umgebungsbebauung ein; der rückwärtige Grundstücksbereich, in dem
es errichtet werden solle, sei gewerblich geprägt, die Zulassung einer
mehrgeschossigen Wohnbebauung rufe bodenrechtlichen Spannungen hervor und leite
eine städtebauliche Fehlentwicklung ein. Der Bescheid wurde am 13. November 2007
zur Post gegeben.
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Die Klägerin hat am 17. Dezember 2007, einem Montag, Klage erhoben.
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Sie beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom
10. Oktober 2007 zu verpflichten, ihr entsprechend ihrem Antrag vom
20. Juni 2007 einen positiven bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheid zur
Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit ca. 16 Wohneinheiten auf
dem Grundstück S 20a in E, Gemarkung G1, Teil aus Flurstück 526 zu
erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch eine Ortsbesichtigung. Wegen des
Gegenstandes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Ortsterminsprotokoll vom 7. März 2008 verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Verwaltungsakten, der beigezogenen Gerichtsakte und der Verfahrensakte Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses ist an der vorgesehenen Stelle der Art
nach planungsrechtlich nicht zulässig. Eines besonderen Eingehens auf die
Zulässigkeit der geplanten Stellplätze bedarf es nicht.
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1. Das Bauvorhaben ist, wie schon das des Vorprozesses, nach § 34 BauGB zu
beurteilen. Der seit dem 30. Juni 1962 rechtsverbindliche Bebauungsplan Nr. 5575/48
ist unwirksam (OVG NW, Urteil vom 28. Februar 2007, 10 A 1851/04). Neuere
Bauleitpläne für die fragliche Gegend gibt es nicht.
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2. Das von der Klägerin geplante Mehrfamilienwohnhaus fügt sich der Art der baulichen
Nutzung nach nicht in die nähere Umgebung ein.
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2.1 Die Eigenart des Baugebietes, in das die Klägerin das Gebäude platzieren will, wird
durch eine Gemengelage geprägt. Das hatte schon das OVG NW in dem den Beteiligten
bekannten Urteil des Vorprozesses festgestellt. Die im vorliegenden Verfahren
durchgeführte Ortsbesichtigung hat den Eindruck bestätigt. Nennenswerte bauliche
Veränderungen seit der Ortsbesichtigung durch die Berichterstatterin des Senats am
9. Februar 2007 hat es nicht gegeben.
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2.2 Charakteristisch für das Baugebiet ist allerdings die scharfe Trennung der
Wohnbebauung östlich straßennah entlang der Straße S und der dahinter bis (nördlich)
zur P Allee bzw. (östlich) des Bahndammes liegenden gewerblichen Bebauung. Sie fiel
bei der jetzigen Ortsbesichtigung ebenso ins Auge, wie bei derjenigen des
Vorprozesses. Die rückwärtig gelegenen Grundstücke werden nahezu ausschließlich
intensiv gewerblich genutzt (Baumarkt, Autohandel, Getränkemarkt, LIDL-Markt,
Sanitärfirma). Lediglich im rückwärtigen Bereich des nördlichen Nachbargrundstückes
(S 16) werden einzelne Bauten bewohnt. Die Nutzung ist nach den wiederholten und
glaubhaften Angaben des Beklagten formell illegal, gegen sie wird eingeschritten. Sie
prägt zudem die Eigenart des Blockinnenbereichs nicht. Die Wohnnutzung in nach dem
äußeren Augenschein aufgelassenen Gewerbebauten ist erkennbar provisorisch. Sie
fällt nicht ins Gewicht. Im straßenfern gelegenen rückwärtigen Bereich ist das Vorhaben
der Klägerin nach wie vor ohne Vorbild. Die nach Grundfläche und Bauhöhe deutlich
kleineren Bauten im Hintergelände, die gegenwärtig (illegal) zum Wohnen genutzt
werden, sind kein Vorbild für das massive und hohe Mehrfamilienwohnhaus, das die
Klägerin plant.
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2.3 Das geplante Vorhaben fällt aus dem durch die vorhandene Bebauung gezogenen
Rahmen. Zwar reicht der Baukörper nicht derart tief in das Hintergelände hinein, wie
dies für das Altenwohn- und Pflegeheim zuvor von der U AG vorgesehen war. Trotzdem
würde die durch die unterschiedliche Blockrand - und Blockinnenbebauung
gewährleistete Trennung von Gewerbe und Wohnen durch den voluminösen Wohnbau
der Klägerin erstmals durchbrochen.
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2.4 Ein Wohnbau, wie ihn die Klägerin plant, würde, ähnlich wie das zuvor ins Auge
gefasste Altenwohn- und Pflegeheim, in seiner Umgebung erhebliche bodenrechtliche
Spannungen verursachen. Das Eindringen der Wohnbebauung in das Hintergelände
lenkt die Bauentwicklung in eine ganz andere als die vorgegebene Richtung. Dadurch
werden Konflikte ausgelöst, die nach einer förmlichen Bauleitplanung verlangen. Die
Lärmeinwirkungen aus den benachbarten Höfen und Parkbereichen, von der nahe
gelegenen, vielbefahrenen und hoch gelegenen Bahnstrecke und nicht zuletzt von den
nicht weit entfernten großen Sportplatzanlage wären beträchtlich. Nicht anders als im
Vorgängerverfahren hätte die Verwirklichung des Bauvorhabens entweder ungesunde
Wohnverhältnisse zur Folge oder den benachbarten, vorhandenen und gewachsenen
Gewerbe- und Gemeinbedarfsflächen drohten ihrerseits Beschränkungen ihrer
Nutzbarkeit. Der geplante Wohnblock ließe durch das unvermittelte Aufeinandertreffen
von ruhiger Wohnnutzung und betriebsamer Gewerbeausübung einen städtebaulichen
Missstand entstehen.
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Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 154, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 709, 711
ZPO. (Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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