Urteil des VG Düsseldorf vom 10.10.2003

VG Düsseldorf: beihilfe, bvo, belastung, vollstreckung, universität, verordnung, anfechtungsklage, rechtsgrundlage, vollstreckbarkeit, gestaltungsspielraum

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 3777/03
Datum:
10.10.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 3777/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von
30,00 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger ist als Universitätsprofessor - Fakultät 5 Ultraschalltechnik und Akustik - an
der Universität E-F (Standort E) tätig. Er wird nach der Besoldungsgruppe C 3 besoldet
und hat zwei Kinder, die im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 c), Abs. 2 BVO NRW
beihilferechtlich berücksichtigungsfähig sind.
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Im Jahre 2002 wurde dem Kläger mit Bescheid vom 20. August 2002 auf seinen
entsprechenden Antrag hin eine Beihilfe gewährt, die um die
Kostendämpfungspauschale 2002 i.H.v. 248,00 Euro (300,00 Euro abzgl. 26,00 Euro je
berücksichtigungsfähigem Kind) gekürzt worden war. Unter dem 18. Februar 2003
beantragte der Kläger sodann die Gewährung einer Beihilfe für Aufwendungen, die ihm,
seiner Ehefrau und seiner Tochter entstanden waren; die zu Grunde liegenden
Rechnungen datierten überwiegend noch aus dem Jahre 2002, in Höhe von 229,50
Euro (3 x 76,50 Euro) stammten sie bereits aus dem Jahre 2003. Mit Beihilfebescheid
vom 4. März 2003 setzte die Beklagte die aus ihrer Sicht dem Kläger zustehende
Beihilfe fest, wobei sie hinsichtlich der dem Kläger für Aufwendungen aus dem Jahre
2002 zustehenden Beihilfe die im Jahre 2002 Geltung beanspruchende
Kostendämpfungspauschale i.H.v. 245,00 Euro in Abzug brachte und hinsichtlich des
Erstattungsbetrages für die im Jahre 2003 entstandenen Aufwendungen i.H.v. 160,65
Euro (70 % von 229,50 Euro) eine restliche Kostendämpfungspauschale von 125,00
Euro in Abzug brachte, mithin auf die im Jahre 2003 entstandenen Aufwendungen noch
einen Betrag i.H.v. 35,65 Euro erstattete. Der Betrag in Höhe von 125,00 Euro ergab
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sich daraus, dass die Beklagte davon ausging, dass der Kläger im Jahre 2003
insgesamt nicht mit einer höheren Kostendämpfungspauschale als der für das
Kalenderjahr 2003 vorgesehenen i.H.v. 370,00 Euro belastet werden dürfe.
Gegen diesen nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid wandte der
Kläger mit Schreiben vom 15. April 2003, das von der Beklagten als Widerspruch
aufgefasst wurde, ein, die von der Beklagten vorgenommene erneute Kürzung der
Beihilfe für ihm im Jahre 2002 entstandene Aufwendungen sei rechtswidrig. Die
Übergangsregelungen in § 16 S. 5 und 6 BVO NRW seien so zu verstehen, dass die für
das Jahr 2002 vorgesehene Kostendämpfungspauschale im Jahre 2003 nur noch dann
(teilweise) in Abzug gebracht werden dürfe, wenn sie im Jahre 2002 noch nicht oder
jedenfalls nicht in voller Höhe in Ansatz gebracht worden sei. Keinesfalls dürfe jedoch
im Jahre 2003 die im Jahre 2002 geltende Kostendämpfungspauschale erneut in Ansatz
gebracht werden, wenn dies bereits im Jahre 2002 in voller Höhe geschehen sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2003 wies der Kanzler der Universität E- F den
Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte zur Begründung im
Wesentlichen aus: Auf Aufwendungen, die bis zum 31. Dezember 2002 entstanden
seien, seien gemäß der Übergangsvorschrift in § 16 BVO NRW die
Beihilfebestimmungen in der bis zu diesem Stichtag gültigen Fassung anzuwenden. Bei
der Bearbeitung des von dem Kläger gestellten Antrages sei daher zwischen
Aufwendungen aus dem Jahre 2002 und solchen aus 2003 zu differenzieren gewesen.
Für die dem Jahre 2002 entstandenen Aufwendungen sei die seinerzeitige
Kostendämpfungspauschale abzuziehen gewesen. Da jedoch für den Kläger die
Kostendämpfungspauschale im Jahre 2003 insgesamt nicht mehr als 370,00 Euro
betragen dürfe, sei von den im Jahre 2003 entstandenen Aufwendungen nur noch eine
Kostendämpfungspauschale in Höhe von 125,00 Euro abzuziehen gewesen, so dass
die Rechnungen aus dem Jahre 2003, für die dem Kläger eine Beihilfe in Höhe von
160,65 Euro zustehe, noch hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 35,65 Euro erstattet
worden seien. Der Kläger habe somit für die Jahre 2002 und 2003 jeweils ein Mal eine
Kostendämpfungspauschale gezahlt. Eine doppelte Inanspruchnahme hinsichtlich der
Aufwendungen aus dem Jahre 2002 sei nicht erkennbar.
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Der Kläger hat am 7. Juni 2003 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er
im Wesentlichen geltend macht: Seine Klage richte sich nicht gegen die Belastung
seiner Beihilfen zu Aufwendungen mit dem Entstehungsjahr 2003 durch Abzug der im
Jahre 2003 anzuwendenden Kostendämpfungspauschale. Er wende sich vielmehr
gegen die erneute Belastung seiner Beihilfen zu Aufwendungen mit dem
Entstehungsjahr 2002 durch Abzug der Kostendämpfungspauschale 2002 im
Antragsjahr 2003, obwohl er schon im Antragsjahr 2002 in voller Höhe von 245,00 Euro
mit der Kostendämpfungspauschale 2002 belastet worden sei. Hinsichtlich der
abgeschafften Kostendämpfungspauschale 2002, die für jedes Kalenderjahr
einbehalten worden sei, in dem ein Beihilfeantrag gestellt worden sei, habe die
Übergangsregelung in § 16 Satz 5 BVO NRW nur den Zweck, die Belastung der vor
dem 1. Januar entstandenen Aufwendungen durch die Kostendämpfungspauschale
2002 zu sichern, soweit die Kostendämpfungspauschale 2002 im Jahre 2002 noch nicht
voll zur Anwendung gekommen sei. Dagegen habe der Gesetzgeber die
Vorausbelastung der Beihilfen für Aufwendungen aus einem vergangenen Jahr mit
einer Kostendämpfungspauschale für das Jahr der Antragstellung zum 31. Dezember
2002 grundsätzlich abgeschafft. Daher sei es auch nicht mehr erlaubt, Aufwendungen
aus dem Jahre 2002 mit der ab dem Jahre 2003 geltenden Kostendämpfungspauschale
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zu belasten. Die Rechtsanwendung durch die Beklagte führe aber dazu, dass in seinem
Falle im Jahre 2003 die Beihilfen zu seinen im Jahre 2002 entstandenen
Aufwendungen zum zweiten Mal in vollem Umfang mit der abgeschafften
Kostendämpfungspauschale 2002 belastet würden, und dies zusätzlich zur Kürzung der
Beihilfen für seine im Jahre 2003 entstandenen und noch entstehenden Aufwendungen
um die Kostendämpfungspauschale 2003 in zu erwartender Höhe von 370,00 Euro. Die
Beklagte hätte daher die ihm für im Jahre 2002 noch entstandene Aufwendungen
zustehende Beihilfe i.H.v. 953,53 Euro ungekürzt auszahlen müssen und lediglich auf
die ihm für im Jahre 2003 entstandene Aufwendungen zustehende Beihilfe i.H.v. 160,65
Euro die Kostendämpfungspauschale 2003 i.H.v. 370,00 Euro anwenden dürfen, was
zur Folge gehabt hätte, dass ein um 209,35 Euro höherer Betrag (245,00 Euro minus
35,65 Euro) hätte ausgezahlt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2003 und des
Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2003 zu verpflichten, die mit dem
Beihilfebescheid vom 4. März 2003 einbehaltene Kostendämpfungspauschale für das
Jahr 2002 in Höhe von 209,35 Euro zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft sie die Gründe der mit der vorliegenden Klage
angegriffenen Verwaltungsentscheidungen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten und des Sachverhaltes im
Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie des
Verfahrens VG Düsseldorf 26 L 1928/03 und des beigezogenen Verwaltungsvorganges
der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Es fehlt zwar nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse für die vorliegend
begehrte Anfechtungsklage. Denn wenn die Auffassung des Klägers zuträfe, so hätte
die ihm zustehende Beihilfe allenfalls um einen Betrag in Höhe von 160,65 DM als
zunächst anteilige Kostendämpfungspauschale für das Jahr 2003 gekürzt werden
dürfen. Selbst wenn dem Kläger entsprechend seinen Ausführungen in der Klageschrift
im Jahre 2003 noch Beihilfen zu Aufwendungen zustehen sollten, die weit höher als die
für ihn geltende Kostendämpfungspauschale 2003 i.H.v. 370,00 Euro sein sollten, so
wäre mit dem Beihilfebescheid vom 4. März 2003 ein Betrag i.H.v. 209,35 Euro
gleichwohl vorzeitig und damit zu Unrecht weil ohne Rechtsgrundlage in Abzug
gebracht worden.
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Die Klage ist jedenfalls nicht begründet.
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Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob der Beihilfebescheid der Beklagten vom 4. März
2003 rechtmäßig ist; jedenfalls wird der Kläger durch die dort hinsichtlich der
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Kostendämpfungspauschale getroffene Regelung nicht in seinen Rechten i.S. des § 113
Abs. 1 S. 1 VwGO verletzt. Nach der in dem Gesetz zur Änderung der Verordnung über
die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen
(Beihilfenverordnung - BVO) vom 18. Dezember 2002 (in Kraft getreten am 1. Januar
2003) - GV NRW 2002, S. 666 - unter Nr. 2 getroffenen Regelung wird die
Übergangsvorschrift des § 16 BVO NRW um folgende Sätze 5 und 6 ergänzt:
„§ 12 a Abs. 1 und 5 in der Fassung dieser Verordnung ist erstmals für Aufwendungen,
die nach dem 31. Dezember 2002 entstehen, anzuwenden. Für Aufwendungen, die vor
dem 1. Januar 2003 entstanden sind, gilt § 12 a Abs. 1 und 5 in der bis zum 31.
Dezember 2002 geltenden Fassung."
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Bei wörtlicher Auslegung sind diese Regelungen dahin zu verstehen, dass die bis zum
31. Dezember 2002 geltende Fassung des § 12 a Abs. 1 und 5 BVO NRW für vor dem 1.
Januar 2003 entstandene Aufwendungen uneingeschränkt gilt, d. h., die bis zum 31.
Dezember 2002 geltende Kostendämpfungspauschale für im Jahre 2002 entstandene
Aufwendungen ggf. erneut in Ansatz zu bringen ist, soweit diese Aufwendungen erst im
Jahre 2003 geltend gemacht werden, daneben aber für im Jahre 2003 entstandene
Aufwendungen die für 2003 geltende Kostendämpfungspauschale zusätzlich zur
Anwendung gelangt. In dieser sich allein am Wortlaut orientierenden Auslegung finden
die genannten Übergangsregelungen jedoch in der Verwaltungspraxis des Landes
Nordrhein-Westfalen keine Anwendung. Denn nach der Gesetzesbegründung
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vgl. insoweit Mohr/Sabolewski, Beihilfenrecht, Loseblattsammlung Stand Mai 2003, B I §
12 a Anm. 6,
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soll mit den getroffenen Übergangsregelungen erreicht werden, dass für vor dem 1.
Januar 2003 entstandene Aufwendungen die bis 2002 geltende geringere
Kostendämpfungspauschale in Abzug gebracht wird und im Übrigen die Höchstgrenze
für die insgesamt in 2003 zu berücksichtigende Kostendämpfungspauschale der ab 1.
Januar 2003 geltende Betrag (d.h. vorliegend 370,00 Euro) sein. Die sich im Lande
Nordrhein-Westfalen an der Gesetzesbegründung orientierende Anwendung der
Übergangsregelung in § 16 S. 5 und 6 BVO NRW verstößt jedenfalls nicht gegen
höherrangiges Recht. Denn hierdurch ist sichergestellt, dass die Beihilfeberechtigten im
Jahre 2003 nicht mit Kosten belastet werden, die den amtsangemessenen
Lebensunterhalt in Frage stellen. Verfassungsrechtlich ist die Grenze der dem Beamten
oder Richter zumutbaren Belastung im Hinblick auf die Eigenvorsorge nämlich erst
erreicht, wenn der amtsangemessene Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, S. 6 des
Urteilsumdruckes.
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Im Übrigen entspricht die erneute Anwendung der Kostendämpfungspauschale 2002
auf im Jahre 2002 bereits entstandene, aber erst im Jahre 2003 geltend gemachte
Aufwendungen der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung des § 12 a BVO
NRW, da danach die Kostendämpfungspauschale je Kalenderjahr der Antragsstellung,
nicht aber je Kalenderjahr, in dem Aufwendungen entstanden sind, in Abzug gebracht
wurde. Diese Regelung war aber nicht zu beanstanden, da sie den amtsangemessenen
Lebensunterhalt des Beamten nicht in Frage stellte und zudem dem Gesetzgeber bei
der Ausgestaltung der nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums
gehörenden Beihilfe ein weiter Gestaltungsspielraum zur Seite steht.
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Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -,
NVwZ 2003, S. 720 (721 f.).
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Mit Blick auf das Vorbringen des Klägers sei im Übrigen noch ausgeführt, dass weitere
ihm im Jahre 2003 entstehende Aufwendungen unabhängig vom Zeitpunkt ihrer
Geltendmachung nicht mehr mit einer weiteren Kostendämpfungspauschale belastet
sein werden. Die von der Beklagten angewandte Berechnungsmethode ist nämlich
auch in dem Beihilfebescheid vom 4. März 2003 niedergelegt, so dass mit dessen
Bestandskraft dem Kläger gegenüber verbindlich feststeht, dass für im Jahre 2003
entstandene Aufwendungen nur eine Kostendämpfungspauschale in Höhe von 125,00
Euro in Ansatz zu bringen und dies auch bereits geschehen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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