Urteil des VG Düsseldorf vom 14.02.2008

VG Düsseldorf: öffentliche bekanntmachung, grundstück, lwg, karte, gefahr, öffentliche sicherheit, genehmigung, wahrscheinlichkeit, neubau, befreiung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 6518/06
Datum:
14.02.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 6518/06
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 26. Januar
2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung
E vom 22. November 2006 verpflichtet, der Klägerin die unter dem 17.
Januar 2005 beantragte Baugenehmigung für den Neubau eines
Einfamilienhauses mit Garage auf dem Grundstück Am I 3b in E zu
erteilen. Die Zulässigkeit von bauordnungsrechtlichen Auflagen zum
Hochwasserschutz auf dem Vorhabengrundstück bleibt unberührt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen
hat.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten unter dem 17. Januar 2005 die Erteilung
einer Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilien-Wohngebäudes mit Garage
auf dem Grundstück in E-L (A), postalisch: Am I 3b, G1. Das Grundstück liegt zwischen
mittlerweile bebauten Grundstücken unweit des Tbaches, abseits der Straße Am I im
Hintergelände. Die Erschließung von der Straße Am I aus soll über einen privaten
Stichweg erfolgen. Wegen der Einzelheiten der Lage des Grundstücks und der
derzeitigen Umgebungsbebauung wird auf die in den Akten befindlichen Pläne und das
Ortsterminsprotokoll vom 14. September 2007 verwiesen.
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Für diverse Bauvorhaben auf dem Grundstück wurden in der Vergangenheit etliche
positive bauplanungsrechtliche Vorbescheide zum Bau von Wohngebäuden erteilt. Der
letzte datiert vom 20. Juli 2004 (Nr. 23 BV 0000/99). Er nimmt auf einen Lageplan
Bezug, der von einem Voreigentümer der Klägerin zu einem Vorbescheidantrag aus
dem Jahre 1988 eingereicht worden war (Geschäftszeichen 5-0000/88; Neubau eines
Wohnhauses mit Einliegerwohnung). Der Plan zeigt einen in einer Entfernung von rund
45 Metern parallel zur Straße Am I angeordneten Baukörper in L-Form, unmittelbar
südlich der damaligen Grenze des Landschaftsschutzgebietes der T1aue, in etwa auf
gleicher Höhe mit der Bebauung auf den Nachbargrundstücken. Wegen der
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Einzelheiten von Lage und Größe des Baukörpers wird auf den dem Vorbescheid
zugehörigen Plan verwiesen. Er ist Teil der Grundstückakten.
Der Vorbescheid vom 20. Juli 2004 erklärt die in dem Lageplan zu 5-0000/88
beschriebene Bebauung für planungsrechtlich zulässig. Es wird darauf hingewiesen,
dass Belange des Landschaftsschutzes und des Wasserrechtes im
Vorbescheidverfahren nicht geprüft wurden; ebenso sei antragsgemäß die
bauordnungsrechtliche Zulässigkeit unberücksichtigt geblieben.
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Im Zuge der verwaltungsinternen Ämterbeteiligung im Baugenehmigungsverfahren
signalisierte die Untere Landschaftsbehörde eine Befreiung von einem eventuellen
landschaftsrechtlichen Bauverbot. Gegen die Erteilung der Baugenehmigung sprach
sich das Umweltamt des Beklagten aus. Es wies auf folgendes hin: Das Bauvorhaben
solle im Überschwemmungsbereich des Tbaches errichtet werden. Bei einem sog.
"Jahrhunderthochwasser" werde der Wasserspiegel in diesem Bereich auf 35,40 m üNN
ansteigen. Da das Baugrundstück in einer Höhe von ca. 34,70 m üNN liege, werde das
Baugrundstück überflutet und das zu errichtende Gebäude bis zu 70 cm im Wasser
stehen. Der Baukörper führe zu einer Verminderung des natürlichen Rückhalteraumes
von ca. 70 cbm und werde eine nachhaltige Veränderung des Abflusses des
Hochwassers bewirken. Der Flussquerschnitt im Überschwemmungsgebiet werde um
ca. 30 auf 70 Meter verengt. Es werde ein Fließhindernis in den Fließquerschnitt
gesetzt, das teilweise zur Verlangsamung, teilweise zur Beschleunigung und zur
Ablenkung des Hochwasserabflusses zu Nachbargebäuden hin führen werde. Durch
Auflagen oder Bedingungen seien die Hindernisse für den Hochwasserabfluss nicht
auszugleichen.
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Mit Bescheid vom 26. Januar 2006 lehnte der Beklagte den Bauantrag der Klägerin ab.
Die Begründung entsprach der Stellungnahme des Umweltamtes. Den Widerspruch der
Klägerin wies die Bezirksregierung E mit Widerspruchsbescheid vom
22. November 2006 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde am 27. November 2006
zugestellt.
6
Am 27. Dezember 2006 hat die Klägerin Klage erhoben.
7
Sie trägt vor:
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Der Beklagte gehe rechtsirrig davon aus, dass das Bauvorhaben in einem festgesetzten
oder dem faktischen Überschwemmungsgebiet des Tbaches errichtet werden solle.
Zwar liege das Grundstück möglicherweise innerhalb eines Bereichs, den eine Karte
des Hochwasseraktionsplanes Tbach des früheren Staatlichen Umweltamtes durch eine
braune Umrandung als "natürliches Überschwemmungsgebiet" kennzeichne. Wie diese
Abgrenzung zustande gekommen sei, erschließe sich jedoch nicht. Insbesondere lasse
die Auffassung des Beklagten keine Abgrenzung zu den lediglich
überschwemmungsgefährdeten Gebieten erkennen, für die derzeit keine Bauverbote
vorgesehen seien.
9
Für die förmliche Festsetzung eines Überschwemmungsgebietes fehle es am Erlass
einer entsprechenden ordnungsbehördlichen Verordnung. Das räume auch der
Beklagte ein. Ein faktisches Überschwemmungsgebiet müsse mindestens in einer
Arbeitskarte der zuständigen Behörde verzeichnet und in dieser Form nach Maßgabe
von § 112 Abs. 3 LWG publiziert worden sein. Daran fehle es ebenfalls.
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Der Beklagte lasse außer Acht, dass in unmittelbarer Nähe zu dem Vorhabengrundstück
ein Hochwasserrückhaltebecken im Bau sei, das die Hochwassergefahren für die
Umgebung wesentlich vermindern werde. Das und die von ihr, der Klägerin,
angebotenen Ausgleichsmaßnahmen seien geeignet, die befürchteten wesentlichen
Nachteile für die Hochwasserrückhaltung oder den Hochwasserabfluss auszuschließen.
Der Beklagte könne entsprechende Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung
aufnehmen, sei aber nicht berechtigt, die Baugenehmigung insgesamt zu versagen.
Ohnehin verschlechtere das Bauvorhaben die Abflussverhältnisse bei
Überschwemmungsereignissen nur ganz unwesentlich. Die bereits vorhandene
Bebauung schirme das Vorhaben gegen das von bachaufwärts heranfließende Wasser
ab. Durch den hinzutretenden Bau werde keine merkliche Veränderung der
Wasserströme eintreten.
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Schließlich setze der Beklagte sich durch die Ablehnung der Baugenehmigung mit
seiner eigenen Verwaltungspraxis der vergangenen Jahre in Widerspruch. Noch 2004
habe er auf dem ihr, der Klägerin, gehörenden Grundstück Am I 1 ein größeres
Bauobjekt genehmigt, das ebenfalls im Überschwemmungsgebiet liege.
12
Die Klägerin beantragt,
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1. den Beklagten zu verpflichten, ihr unter Aufhebung des Bescheides des
Beklagten vom 26. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Bezirksregierung E vom 22. November 2006 die unter dem
17. Januar 2005 beantragte Baugenehmigung für den Neubau eines
Einfamilienhauses mit Garage auf dem Grundstück Am I 3b in E zu erteilen,
14
2. hilfsweise
15
den Beklagten zu verpflichten, ihr unter Aufhebung des Bescheides des
Beklagten vom 26. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Bezirksregierung E vom 22. November 2006 und unter Erteilung einer
Genehmigung für die Errichtung einer baulichen Anlage in einem
Überschwemmungsgebiet gemäß § 31b Abs. 4 Satz 3 WHG die unter dem
17. Januar 2005 beantragte Baugenehmigung für den Neubau eines
Einfamilienhauses mit Garage auf dem Grundstück Am I 3b in E zu erteilen,
16
3. weiter hilfsweise
17
den Beklagten zu verpflichten, ihr unter Aufhebung des Bescheides des
Beklagten vom 26. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Bezirksregierung E vom 22. November 2006 und unter Erteilung einer
Befreiung von dem Bauverbot in einem Überschwemmungsgebiet gemäß
§ 113 Abs. 1 LWG die unter dem 17. Januar 2005 beantragte
Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage auf
dem Grundstück Am I 3b in E zu erteilen,
18
4. äußerst hilfsweise,
19
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides des
20
Beklagten vom 26. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Bezirksregierung E vom 22. November 2006 über ihren Antrag auf
Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung einer baulichen Anlage in
einem Überschwemmungsgebiet gemäß § 31b Abs. 4 Satz 3 WHG unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden,
5. weiter äußerst hilfsweise,
21
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides des
Beklagten vom 26. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Bezirksregierung E vom 22. November 2006 über ihren Antrag auf
Befreiung von einem Verbot für die Errichtung einer baulichen Anlage in
einem Überschwemmungsgebiet gemäß § 113 Abs. 1 LWG unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.
22
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
24
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch eine Ortsbesichtigung. Wegen des
Gegenstandes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Ortsterminsprotokoll vom 14. September 2007 verwiesen. Außerdem hat das Gericht
Beweis erhoben durch Einholen einer amtlichen Auskunft des Bergisch-Rheinischen
Wasserverbandes. Wegen des Inhalts der Auskunft wird auf den Schriftsatz des
Wasserverbandes vom 18. Oktober 2007 Bezug genommen.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf den Inhalt der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakten verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
28
Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet.
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1. Das Bauvorhaben "Neubau eines Einfamilien-Wohngebäudes mit Garage" ist
bauplanungsrechtlich zulässig.
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1.1 Nach dem dem Rechtsvorgänger Schmitz der Klägerin erteilten positiven
Bauvorbescheid vom 20. Juli 2004 bestehen gegen ein Bauvorhaben, wie es in dem
Lageplan zu dem Vorbescheid Nr. 5-1419/88 verzeichnet war, planungsrechtlich keine
Bedenken.
31
1.1.1 Der Bauvorbescheid vom 20. Juli 2004 hat hinsichtlich der Art der Nutzung und der
überbauten Grundstücksfläche ein bis auf wenige und sehr geringfügige Abweichungen
ein gleiches Bauvorhaben zum Gegenstand, wie es die Klägerin jetzt zur Genehmigung
stellt. Beide Bauten dienen der Art nach dem Wohnen. Die Lage im Gelände, zur Straße
und zur Nachbarbebauung ist unverändert. Zwar ist die überbaute Grundstücksfläche
des jetzt geplanten Baus geringfügig anders zugeschnitten als zuvor. Die Querfront des
Baukörpers zum Tbach hin beträgt jetzt 16,20 Meter, im Vorbescheidverfahren belief
32
sich die Planung auf lediglich 14 Meter. Die Größe der überbauten Fläche betrug nach
dem Plan des Vorbescheidverfahrens ungefähr 108 qm, im Baugenehmigungsverfahren
jetzt sind es ungefähr 102 qm. Dadurch und durch die etwas größere
Breitenausdehnung wirkt der jetzt zur Genehmigung gestellte Baukörper geringfügig
gestreckter. Darin liegt jedoch in Bezug auf das Planungsrecht nur eine ganz
unwesentliche Abweichung, die die Identität des Vorhabens unberührt lässt.
1.1.2 Der positive bauplanungsrechtliche Bauvorbescheid gilt für und gegen die
Rechtsnachfolgerin, die Klägerin (§ 71 Abs. 2, § 75 Abs. 2 BauO).
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1.1.3 Der Bauvorbescheid galt ab Erlass für zwei Jahre (§ 71 Abs. 1 Satz 2 BauO), also
bis zum 20. Juli 2006. Der Baugenehmigungsantrag der Klägerin ist am
22. Februar 2005, also innerhalb der Geltungsfrist des Vorbescheides bei dem
Beklagten eingegangen. Die Bindungswirkung des Vorbescheides tritt ein, wenn der
Baugenehmigungsantrag innerhalb der Geltungsfrist gestellt wird. Ob die
Bauaufsichtsbehörde über den Bauantrag innerhalb der Geltungsfrist entscheidet, ist
unerheblich.
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1.2 Möglicherweise nicht durch den positiven Bauvorbescheid abgedeckt ist allerdings
das jetzt geplante Maß der Bebauung. Der dem Vorbescheid zu Grunde gelegte Plan
weist auf einen eingeschossigen Baukörper hin, dessen Dachneigung auf 44°
festgelegt war. Das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der Klägerin weist nach den
Aufrisszeichnungen auf zwei Geschosse unter Pultdächern mit einer Dachneigung von
20° hin. Ob diese Abweichung die Identität mit dem Vorbescheidvorhaben auflöst, so
dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit von Grund auf neu stellt, kann jedoch
dahin stehen. Denn das Bauvorhaben der Klägerin fügt sich nach Art und Maß ohne
bodenrechtliche Spannungen in die Umgebungsbebauung ein. Es liegt innerhalb eines
im Zusammenhang bebauten Ortsteils, so dass sich die planungsrechtliche Zulässigkeit
nach § 34 BauGB bestimmt. Das hat die Ortsbesichtigung ergeben. Durch die auf den
Nachbargrundstücken vorhandenen Gebäude wird die Grenze der Bebauung in
Richtung auf den Tbach von der Straße "Am I" aus so weit verschoben, dass der von der
Klägerin in Aussicht genommene Bauplatz von dem Bebauungszusammenhang noch
erfasst wird. Darüber streiten die Beteiligten auch nicht; der Beklagte hat selbst
ausdrücklich vorgetragen, das Grundstück liege im unbeplanten Innenbereich. In die
vorhandene Umgebungsbebauung passt das Bauvorhaben auch in einer
zweigeschossigen Form mit Pultdächern. Auch das folgt aus dem bei der
Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck. In der unmittelbaren Nachbarschaft stehen
etliche zweigeschossige Wohnhäuser, an deren Höhe sich das Bauvorhaben anpassen
wird.
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1.3 § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB steht dem Vorhaben nicht entgegen. In bereits im
Zusammenhang bebauten Gebieten können die Gesichtspunkte des Rückhalts von
Hochwasser und die Gewährleistung eines schadlosen Wasserabflusses für die
Wahrung gesunder Wohnverhältnisse grundsätzlich keine Bedeutung haben (vgl. Ernst-
Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Loseblattkommentar, § 34 Rdn. 67 -Hochwasserschutz-).
Das gilt jedenfalls dann, wenn das einzelne Bauvorhaben weder allein noch zusammen
mit der vorhandenen Bebauung einen handgreiflichen städtebaulichen Missstand
hervorruft (§ 136 Abs. 2 Satz 2 BauGB; vgl. Gelzer-Bracher-Reidt, Bauplanungsrecht,
7. Auflg. Rdn. 2059). Von letzterem kann keine Rede sein. Das geplante Wohnhaus
verdichtet weder die Bebauung übermäßig noch rückt es die Bebauungsgrenze so an
den Tbach heran, dass befürchtet werden müsste, jedes Hochwasserereignis werde
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künftig zu schweren Sachschäden an den Bauten und zu Gesundheitsgefahren für die
Bewohner führen. Reale Auswirkungen in einem überschaubaren Zeitraum sind im
Gegenteil konkret nicht zu befürchten (vgl. dazu unten 2.).
2. Das Vorhaben der Klägerin ist bauordnungsrechtlich zulässig.
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2.1 Unüberwindbare bauordnungsrechtliche Hindernisse, die dem Bau selbst entgegen
stehen und nicht durch Nebenbestimmungen überwunden werden können, werden
weder vorgetragen, noch sind sie ersichtlich. Das gilt insbesondere für Gefahren oder
unzumutbare Belästigungen durch drückendes Grundwasser oder bei Überflutungen
des Grundstücks durch Hochwasser (§ 16 BauO). Ihnen kann, soweit es für die
Standsicherheit des Gebäudes oder die Gesundheit seiner Bewohner erforderlich ist,
durch Auflagen zur Bauausführung entgegen gewirkt werden (Weiße Wanne um das
Kellergeschoss, Höhenbestimmung für den Fußboden des Erdgeschosses,
Absperrvorrichtungen an den Gebäudeöffnungen bis zur Höhe der erwarteten
Hochwasserstände (0,70 cm über der Geländeoberkante), Nutzungsbeschränkungen im
Kellergeschoss, Verbot elektrischer Installationen und Versorgungseinrichtungen im
Kellergeschoss, Verbot der Lagerung bestimmter, wassergefährdender Gegenstände
und Stoffe in den Kellerräumen). Die Möglichkeit derartiger Nebenbestimmungen lässt
die klarstellende Formulierung des Verpflichtungstenors im Urteil offen.
38
Die Abstandflächen des Gebäudes liegen, wie der Lageplan zum
Baugenehmigungsantrag ausweist, auch zu den südlich gelegenen, kürzlich bebauten
Nachbargrundstücken und ihren Grenzen hin auf dem Baugrundstück.
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2.2 Konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit und auf benachbarten
Grundstücken, die die Anordnung des Baukörpers im Überschwemmungsgebiet des
Tbaches bei Hochwasser hervorrufen könnte, sind nicht hinreichend sicher
nachgewiesen (§§ 3, 16 BauO). Das folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch
Ortsbesichtigung und der eingeholten amtlichen Auskunft.
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2.2.1 Die Schutzvorschrift des § 16 BauO, ebenso wie die Vorschriften über die
allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen in § 3 BauO, dient der Sicherheit der
Öffentlichkeit und ihrer Einrichtungen, aber auch, soweit ein konkretisierbarer Kreis von
Betroffenen in Rede steht, der privaten Rechtsgüter Dritter. Daraus ergibt sich der
Nachbarschutz dieser bauordnungsrechtlichen Vorschriften (Gädtke, Temme, Heintz,
Landesbauordnung NW, 10. Auflg., § 74 Rdn. 54, 66). Sie haben allerdings ein
konkretes Verhalten und konkrete bauliche Anlagen zum Gegenstand. Abstrakte,
typischerweise von bestimmten Bauten ausgehende Gefahren, deren Realisierung im
Einzelfall nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhergesehen werden kann,
werden von diesen Vorschriften nicht erfasst. Abstrakte Gefahren sind Gegenstand
abstrakt-genereller Normen, herkömmlicherweise in ordnungsbehördlichen
Verordnungen. Abstrakte Gefahren rechtfertigen keine auf §§ 3, 16 BauO gestützte
Maßnahme. Eine die Anwendung dieser Vorschriften rechtfertigende konkrete Gefahr
liegt erst dann vor, wenn im Einzelfall bei ungehindertem Ablauf der durch das
angesprochene Verhalten ausgelösten oder zu erwartenden Kausalkette mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden zu befürchten wäre.
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2.2.2 Konkrete Gefahren, die der geplante Baukörper im Falle von
Hochwasserereignissen für die Öffentlichkeit oder benachbarte Grundstücke und die auf
ihnen errichteten baulichen Anlagen auslösen würde, sind in einem überschaubaren
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Zeitraum nicht hinreichend wahrscheinlich abzusehen.
2.2.2.1 Die von dem Beklagten ins Feld geführten Nachteile im Falle eines
"Jahrhunderthochwassers" (Bemessungshochwasser, vgl. § 31b Abs. 2 Satz 3 WHG)
reichen zur Begründung einer konkreten Gefahr nicht aus. Schon die Ermittlung des
Bemessungshochwassers selbst beruht, wie der Wortlaut des § 31b WHG anzeigt, auf
statistischen Berechnungen. Der Beklagte gibt an, die Berechnungen der Wasserstände
auf dem Grundstück der Klägerin bei Eintritt des Bemessungshochwassers beruhten auf
"Modelluntersuchungen" des Bergisch-Rheinischen Wasserverbandes und des
Staatlichen Umweltamtes in E. Die Auskunft des Bergisch-Rheinischen
Wasserverbandes bestätigt das. Er erklärt: Es werde zunächst ein Hochwasserabfluss
ermittelt, der im Mittel über einen sehr langen Zeitraum ein Mal in 100 Jahren stattfinde;
dann werde auf der Basis von Umlandvermessungen mittels eines hydraulischen
Modells die dem 100-jährlichen Ereignis zuzuordnende Wasserspiegellage ermittelt,
diese mit dem vermessenen Gelände verschnitten und daraus die
Überschwemmungsfläche gebildet. Das sind Ermittlungsmethoden, die zwar an reale
Gegebenheiten (Hochwasservorkommnisse, Geländeprofil) anknüpfen, die Grenzen
künftig zu erwartender Hochwässer aber aus Durchschnittswerten und mit statistischen
und mathematischen Methoden bestimmen. Sie beschreiben typische
Geschehensabläufe (typischerweise alle 100 Jahre ein bestimmter Hochwasserstand),
also keine konkreten Geschehnisse an Hand der spezifischen Verhältnisse im
Einzelfall. Sie sind geeignet, abstrakte Gefahren zu erfassen, auf die mit abstrakt
normierten Regelungen reagiert wird, wie das in § 31b WHG und §§ 112 ff. LWG
vorgesehen ist. Hinzu kommt der lange Zeitraum, auf den das Berechnungshochwasser
bezogen wird (100 Jahre). Der Zeithorizont, der mehr als 30 Jahre bis in eine reichlich
ferne Zukunft reicht, schließt die Annahme einer konkreten Gefahr für einen Schaden in
einem noch überschaubaren Zeitraum auch bei einem sehr niedrigen Grad der
Wahrscheinlichkeit aus. Modellrechnungen für derart lange Zeiträume benennen
Risikofaktoren. Sie zielen auf abstrakte, nicht konkrete Gefahren. Es reicht auch nicht
die fachliche Untermauerung dieser abstrakten Gefahrenprognose. Lehren die
konkreten Verhältnisse in der Umgebung des Vorhabens, dass sich das Risikopotenzial
in einem ausgedehnten, aber noch überschaubaren Zeitraum nicht mit einer fassbaren
Wahrscheinlichkeit realisiert, ist die Aussagekraft abstrakter Betrachtungen und
Berechnungen für den konkreten Einzelfall erschüttert. Der Nachweis einer konkreten
Gefahr ist nicht gelungen. Man kann, soll sich der Tatbestand der konkreten Gefahr nicht
in eine einfache Beschreibung von Risikofaktoren ohne hinreichend handfeste
Zukunftsprognose auflösen, den Zeitraum der Gefahrenrealisierung nicht endlos
ausdehnen. Das gilt auch unter den Voraussetzungen eines wasserwirtschaftlichen
Besorgnismaßstabs bei entsprechend abgesenkter Schadenswahrscheinlichkeit. Auch
eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit muss absehbar irgendwann in einen Schaden
umschlagen können, wenn sie (noch) konkret genannt werden will. Das allgemeine
Risikopotenzial, das die Nähe eines Baches mit sich bringt, rechtfertigt die Prognose
von Hochwasserschäden auf oder in der Umgebung des Vorhabengrundstückes nicht,
wenn Berechnungen nicht mehr als ein Hochwasserereignis in 100 Jahren
prognostizieren und es keine konkreten Vergleichsfälle gibt, die instabile Verhältnisse
anzeigen. Schadenseintritte, die in der Vergangenheit nicht vorgekommen sind, lassen
sich für eine ferne Zukunft nie ausschließen. Sie sind aber ordnungsrechtlich fassbar
nicht mehr wahrscheinlich (4 K 2621/00, VG Düsseldorf, Urteil vom 18. März 2004).
43
2.2.2.2 Die Stellungnahme des Bergisch-Rheinischen Wasserverbandes zu den
konkreten Verhältnissen auf dem Grundstück der Klägerin hat keine hinreichende
44
Wahrscheinlichkeit eines Schadens ergeben. Es gibt keine greifbaren tatsächlichen
(nicht nur aus Risikofaktoren abgeleiteten) Anhaltspunkte für eine nennenswerte
Verschlechterung der Abflusssituation in der Umgebung und für dadurch ausgelöste
Schäden, wenn es zu einer Überschwemmung links und rechts des Tbachs käme.
2.2.2.2.1. Der Bergisch-Rheinische Wasserverband hat zunächst der Aussage des
Geschäftsführers der Klägerin nicht widersprochen, der aus eigener Kenntnis der
Umgebung des Bauvorhabens erklärt hatte, es habe seit über 40 Jahre auf dem
betroffenen Grundstück keine Hochwasserschäden gegeben. Es mag sein, dass das
Grundstück verschont geblieben ist, weil sich am Tbachufer ein etwa ein Meter hoher
Deich befindet, der im Hochwasserfall durch Ordnungskräfte verstärkt werden kann.
Daraus folgt aber nur, dass der konkreten Gefahr einer Überschwemmung und damit
von Hochwasserschäden mit weniger einschneidenden Mitteln als mit Bauverboten
begegnet werden kann. Dass das in Zukunft anders sein könnte, setzt eine signifikante
Verschlechterung der tatsächlichen Verhältnisse voraus. Dazu gibt es keine auf die
Situation des Grundstücks bezogenen handfesten Erkenntnisse. Der Hinweis auf die
allgemeinen Klimaveränderungen hilft nicht weiter. Daraus ergibt sich für ein einzelnes
Grundstück nichts. Das gleiche gilt für die Überlegung, die Wahrscheinlichkeit eines
Hochwasserereignisses steige, je länger es in der Vergangenheit ausgeblieben sei.
Das ist Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Sie weisen auf unter den gegebenen
Voraussetzungen typische Geschehensabläufe hin und können Grundlage von
ordnungsbehördlichen Verordnungen sein. Eine konkrete Gefahrenprognose geben sie
nicht her.
45
2.2.2.2.2 Die Beigeladene hat den Behauptungen des Geschäftsführers der Klägerin
entgegen gehalten, sie und andere Nachbarn aus der Umgebung könnten sich sehr
wohl an Hochwasserereignisse im Bereich ihrer Grundstücke erinnern. Sie trägt
vor: 1969/70 und 1978 habe das Wasser des Tbachs bis an die Grenze ihres, der
Beigeladenen, Grundstück gestanden, das Baugrundstück der Klägerin sei, wie auch
später 1987, voll überflutet gewesen. Bei jedem dieser Hochwasserereignisse habe die
Freiwillige Feuerwehr energisch eingreifen und den Deich entlang des Tbaches mit
Sandsäcken verstärken müssen, um größere Schäden in der Umgebung zu verhindern.
Beiseite gelassen werden kann dieser Vortrag von vornherein, soweit darin nicht mehr
als die Überflutung des Vorhabengrundstück behauptet wird. Überschwemmungen auf
dem Grundstück der Klägerin bedeuten keine Gefahren für die Beigeladene. Letzteres
lässt sich nach ihrem eigenen Vortrag ausschließen, denn sie trägt lediglich vor, das
Hochwasser habe bis zur Grenze ihres Grundstücks gestanden, aber nicht darauf. Die
Beigeladene und offenbar auch die Nachbarn sind von ernsteren Folgen in der
Vergangenheit verschont geblieben. Dass dem so ist, wird durch die Auskunft des
Bergisch-Rheinischen Wasserverbandes gestützt. Schadensereignisse wie etwa ein
Deichbruch oder Schäden in der Wohnsiedlung aus der Vergangenheit wären ihm
bekannt, selbst wenn er in unmittelbarer Nähe des Bauvorhabens keine
Hochwassermessstellen unterhält. Der Wasserverband kann aber dergleichen nicht
berichten. Er könnte dies, wenn dergleichen in der Umgebung des Bauvorhabens
vorgekommen wäre, denn schreibt selbst, er sehe sich generell in jüngerer Zeit verstärkt
Forderungen auf Schutz von Grundstücken oder auf Schadenersatz gegenüber. Die
Behauptungen der Beigeladenen über vergangene Hochwasserereignisse können als
wahr unterstellt werden. Konkrete Gefahren weisen sie nicht nach.
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2.2.2.2.3 Der Bergisch-Rheinische Wasserverband hat weiter angegeben, dass das
Bauvorhaben bei einem Jahrhundertwasser, wenn es denn in einem überschaubaren
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Zeitraum einträte, zu einer Erhöhung des Wasserspiegels in seiner Umgebung führen
würde, die man mangels konkreter Messungen oder auch nur Modellrechnungen
schätzen müsse, die sich aber im Millimeterbereich bewegen würde. Das steht ebenfalls
der Annahme einer Erhöhung der konkreten Gefahr für den Eintritt von Schäden an der
Landschaft, an der Infrastruktur oder benachbarten baulichen Anlagen entgegen.
Wasserspiegelerhöhungen im Millimeterbereich lösen keine Schäden aus, die ohne
deren Ursache nicht eingetreten wären. Auch mit einem Summeneffekt lässt sich die
Schadenswahrscheinlichkeit nicht begründen. Konkrete Gefahren sind
einzelfallbezogen. Als Verursacher einer konkreten Gefahr mit einem Bauverbot belegt
werden kann nur, wer einen Verursachungsbeitrag leistet und damit die Gefahrengrenze
überschreitet. Letzteres ist durch das Bauvorhaben der Klägerin nach den Auskünften
des BergischRheinischen Wasserverbandes noch nicht der Fall, denn die Anhebung
des Wasserspiegels in der Umgebung nur um Millimeter kann dort und erst recht im
gesamten potenziellen Überschwemmungsgebiet keine nennenswerten schädigenden
Auswirkungen haben. Ob spätere Bauvorhaben zusammen mit dem dann vorhandenen
Baubestand konkrete Schäden auslösen werden, ist gegenwärtig unerheblich. Aus dem
von dem Bergisch-Rheinischen Wasserverband benannten Urteil des
Oberverwaltungsgerichtes Koblenz vom 9. Januar 1992 (1 A 10151/89; ZfW 1994, 348)
ergibt sich nichts anderes. Abgesehen davon, dass dieser Fall ein festgesetztes
Überschwemmungsgebiet betrifft und es um eine Anhebung des Wasserspiegels um
immerhin fünf bis sechs Zentimeter in einer Region geht, die regelmäßig und in nicht
allzu langen Zeitabständen von schweren Hochwässern heimgesucht wird (Moseltal im
Bereich von Bernkastel-Kues), ist das Gericht auf Grund der konkreten Verhältnisse zur
Annahme einer hohen Wahrscheinlichkeit gekommen, dass durch die streitige
Maßnahme (Anpflanzung von Weinrebstöcken) Wohnungen überflutet werden, die ohne
sie nicht in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Die Gefahr derart konkreter
Schäden tragen vorliegend weder die Beteiligten vor, noch geben die Auskünfte des
Bergisch-Rheinischen Wasserverbandes darauf einen Hinweis. Angesichts der sehr
geringen Anhebung des Hochwasserspiegels durch das Bauvorhaben im
Millimeterbereich (nicht wie in dem genannten Urteil des OVG Rheinland-Pfalz im
Zentimeterbereich) erscheint das ausgeschlossen.
2.2.2.3 Die Fachbehörde des Beklagten (Umweltamt) und das Fachdezernat der
Bezirksregierung, die ebenfalls um Auskünfte gebeten worden sind, sind dieser Bitte
nicht nachgekommen. Es ist davon auszugehen, dass sie keine besseren und
konkreteren Erkenntnisse haben als der Bergisch-Rheinische Wasserverband. Auch sie
können nur allgemein die Risiken beschreiben, die die Lage des Bauvorhabens in dem
Überschwemmungsgebiet auslösen kann.
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Die Sachverhaltsermittlung durch das Gericht hat die Befürchtung nennenswerter
konkreter Schäden in einem überschaubaren Zeitraum durch eine von dem
Bauvorhaben ausgelöste Millimeteranhebung des Hochwasserspiegels nicht erhärten
können. Zu der konkreten Gefahr von Schäden durch Änderungen der Fließrichtung
oder der Fließgeschwindigkeit des Tbaches, die wegen der Lage des Baukörpers am
Rande des Überschwemmungsgebietes, der vorhandenen umliegenden Bebauung und
der bleibenden Lücken zwischen den Häusern nicht nennenswert sein kann, bringen
die Beteiligten substanziiert ebenfalls keine Nachweise bei.
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3. Der Baufreigabe durch die der Klägerin zu erteilende Baugenehmigung steht das
Erfordernis einer noch einzuholenden wasserrechtlichen Genehmigung, Befreiung oder
Erlaubnis nicht entgegen. Die gesetzlichen Vorschriften des Wasserhaushalts- und des
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Landeswassergesetzes zum Schutz von Überschwemmungsgebieten bei Hochwasser
erfassen das Grundstück der Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht.
3.1 § 31a Abs. 2 WHG, eingeführt durch das am 10. Mai 2005 in Kraft getretene Gesetz
zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes (HWSG) vom 3. Mai 2005
(BGBl. I S. 1224), enthält zwar die allgemeine Verpflichtung, die Nutzung von
Grundstücken den Gefährdungen durch Hochwasser anzupassen. § 31a Abs. 2 WHG ist
aber keine selbstständige Ermächtigungsnorm für behördliche Anordnungen (Kotulla,
Wasserhaushaltsgesetz zwischen Hochwasserschutz, Strategischer Umweltprüfung
und Föderalismusreform, Kommentar, Stuttgart 2007, § 31a Rdn. 31). Das gilt auf dem
Gebiet des Bauplanungs- und Bauordnungsrechtes auch deshalb, weil § 31b WHG
insoweit Spezialvorschriften enthält.
51
3.2 Das Grundstück der Klägerin liegt nicht in einem förmlich festgesetzten
Überschwemmungsgebiet (§ 31b Abs. 2, Abs. 4 Satz 3 WHG, § 112 LWG).
52
3.3 Das Grundstück der Klägerin liegt nicht in einem faktischen
Überschwemmungsgebiet, in dem, im Vorgriff auf eine spätere förmliche Festsetzung
bereits aktuell bauliche Anlagen nur mit einer besonderen Genehmigung oder Befreiung
erteilt werden dürften.
53
3.3.1 Die Vorschrift des § 31b Abs. 5 WHG ist nicht unmittelbar anwendbar. Sie enthält
eine Verpflichtung der Länder, noch nicht nach § 31b Abs. 2 Satz 3 und 4 WHG
festgesetzte Überschwemmungsgebiete zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und
vorläufig zu sichern. Für diese Gebiete gilt § 31b Abs. 4 Satz 3 WHG und das darin für
ein einzelnes Bauvorhaben normierte Genehmigungserfordernis entsprechend. § 31
Abs. 5 WHG ist jedoch, wie schon der Wortlaut der Vorschrift ausweist, an die Länder
adressiert, die die Vorschrift in Landesrecht umzusetzen haben. Insgesamt gelten § 31b
Abs. 2 bis 6 WHG nicht unmittelbar gegen jedermann, sondern sind den
Landesgesetzgebern zur Umsetzung verpflichtendes Rahmenrecht (Art. 1 Nr. 7 HWSG,
§ 42 Abs. 1 WHG; Kotulla, Das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden
Hochwasserschutzes, NVwZ 2006, 129, 130).
54
3.3.2 Aus § 112 Abs. 3 LWG in Verbindung mit § 113 Abs. 1 und 2 LWG in der bis zum
30. Dezember 2007 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995
(GVNW 926, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Mai 2005, GVNW 463, in Kraft
getreten am 11. Mai 2005) ergibt sich kein Genehmigungserfordernis für das
Bauvorhaben der Klägerin. In diesen Vorschriften wird, noch auf der Grundlage von § 32
WHG a.F., u.a. geregelt, dass in faktischen Überschwemmungsgebieten das Errichten
von Anlagen verboten ist, wenn nicht im Einzelfall eine Befreiung ausgesprochen wird.
Die Vorschriften setzen jedoch voraus, dass faktische Überschwemmungsgebiete in
Arbeitskarten der zuständigen Behörde dargestellt und die Arbeitskarten publiziert
werden. Eine derartige Arbeitskarte ist unter Geltung von § 112 Abs. 3 LWG a.F. nicht
erstellt und als solche nicht bekannt gemacht worden.
55
3.3.2.1 Die Karte des "Hochwasser-Aktionsplanes Tbach" des Staatlichen Umweltamtes
von September 2005 ist schon deshalb keine "Arbeitskarte" im Sinne von § 112 Abs. 3
LWG a.F., weil sie nicht als solche bezeichnet ist und weil sie sich nach ihrer
Zweckbeschreibung nicht an Bürger oder Grundstückseigentümer richtet. Der
Hochwasseraktionsplan beschreibt die Hochwassersituation am Tbach, gibt
Empfehlungen und schlägt Maßnahmen vor. Die Maßnahmen wurden mit den
56
Beteiligten des Tbacheinzugsgebietes, nämlich Behörden und öffentlich-rechtlichen
Körperschaften, abgestimmt. Verbesserungen des Hochwasserschutzes werden nach
der Zielbestimmung des Hochwasseraktionsplanes erreicht, wenn die Beteiligten die
Maßnahmen in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich umsetzen. Aus Anlass und
Zielen des Hochwasseraktionsplanes, die wie auch die zugehörige Karte, in dem
Internetauftritt der Bezirksregierung E eingesehen werden können, ergibt sich klar und
eindeutig, dass der Aktionsplan ein vorbereitender Akt ist, der der Umsetzung durch die
verantwortlichen Träger öffentlicher Verwaltung bedarf. Eine Arbeitskarte nach § 112
Abs. 3 LWG a.F. bedeutet dagegen eine unmittelbar das Grundeigentum und die
Baufreiheit (Art. 14 GG, Art. 2 GG) beschränkende Regelung. Sie spricht ein repressives
Bauverbot (§ 113 Abs. 1 Nr. 2 LWG a.F.) mit Befreiungsvorbehalt aus. Sie ergeht nicht in
der Form einer Rechtsnorm, löst aber unmittelbar Rechtswirkungen aus, und zwar in
einer Vielzahl von Fällen, die nach allgemeinen Merkmalen bestimmt werden und
zugleich die öffentlich-rechtliche Eigenschaft von Sachen, hier der Grundstücke
innerhalb des faktischen Überschwemmungsgebietes, regeln. Die Darstellungen der
Arbeitskarte nach § 112 Abs. 3 LWG a.F. sind Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35
Satz 2 VwVfG (vgl. zur Darstellung in Kartenform nach § 31b Abs. 5 WHG: Kotulla,
Kommentar, a.a.O., § 31b Rdn. 132; ferner Breuer, NuR 2006, 614, 621).
Allgemeinverfügungen müssen ihren Regelungsgehalt und insbesondere ihre
Eingriffswirkungen klar und bestimmt anzeigen. Aus einer Arbeitskarte muss daher
hervorgehen, dass mit ihr die unmittelbare Beschränkung des Grundeigentums
verbunden ist und welche Reichweite die Beschränkung hat. Die Karte des
Hochwasseraktionsplanes Tbach genügt diesen Anforderungen nicht. Sie enthält weder
selbst einen Hinweis auf ihren regelnden Inhalt noch einen Verweis auf
Rechtsgrundlagen und die damit verbundenen Rechtsfolgen.
3.3.2.2 Hinzu kommt, dass Arbeitskarten im Sinne von § 112 Abs. 3 LWG a.F. wie
Allgemeinverfügungen bekannt gemacht werden mussten. Nach § 112 Abs. 3 LWG a.F.
war die Karte für die Dauer von zwei Wochen zur kostenlosen Einsicht durch jedermann
öffentlich auszulegen, auf die Auslegung wurde durch öffentliche Bekanntmachung
hingewiesen und nach Ablauf der Auslegungsfrist musste die Karte zur kostenlosen
Einsicht für jedermann aufbewahrt werden. Die öffentliche Bekanntmachung einer
Allgemeinverfügung (§ 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG) wird dadurch bewirkt, dass der
verfügende Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung
ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt oder seine Begründung eingesehen werden
können (§ 41 Abs. 4 VwVfG). Auch diesen Verfahrenvorschriften genügt der
Hochwasseraktionsplan Tbach nicht. Der Hochwasseraktionsplan ist nach Auskunft des
Umweltamtes des Beklagten am 30. November 2005 im Bürgersaal N1weg in E-X "der
Öffentlichkeit vorgestellt" worden; zu dem Vorstellungstermin ist in den ortsüblichen
Tageszeitungen eingeladen worden. Das ist keine Auslegung der Arbeitskarte zu
jedermanns Einsicht für die Dauer von zwei Wochen. Auch ist der Beklagte offenbar
nicht in der Lage, die ortsüblichen Bekanntmachungen in den Tageszeitungen
nachzuweisen.
57
3.3.3 Die Neufassung von §§ 112 ff. LWG durch Art. 1 des Gesetzes vom
11. Dezember 2007 (GVNW S. 708), in Kraft getreten am 31. Dezember 2007 heilt den
Mangel nicht.
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3.3.3.1 Nach § 112 Abs. 4 LWG n.F. legt die zuständige Behörde die Karte eines
Überschwemmungsgebietes, das bereits ermittelt, aber noch nicht festgesetzt ist, für die
Dauer von zwei Wochen zur Einsicht durch jedermann öffentlich aus und weist auf die
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Auslegung durch öffentliche Bekanntmachung hin; sie bewahrt die Karte nach Ablauf
der Auslegungsfrist zur Einsicht für jedermann auf. In Gebieten nach § 112 Abs. 4 LWG
n.F. ist unter anderem das Errichten von Anlagen genehmigungspflichtig (§ 113 Abs. 1
Nr. 2 LWG n.F.). Die genannten Vorschriften nehmen Bezug auf § 31 b Abs. 1, 2 und 5
WHG.
3.3.3.2 Nach Inkrafttreten der Neufassung des Landeswassergesetzes ist nach
Maßgabe von § 112 Abs. 4 LWG n.F. keine Karte publiziert worden, die das faktische
Überschwemmungsgebiet des Tbaches bezeichnet. Der Hochwasseraktionsplan Tbach
mit der zugehörigen Karte genügt zudem, abgesehen von der Notwendigkeit einer
erneuten Auslegung, der Sache nach aus den gleichen Gründen nicht, die seiner
Einstufung als Arbeitskarte nach altem Recht entgegen standen. Auch die Neufassung
des Landeswassergesetzes regelt eine Allgemeinverfügung, die als solche klar und
bestimmt die mit ihr verbundenen Einschränkungen für die betroffenen
Grundstückseigentümer enthalten muss.
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4. Landschaftsrechtliche Genehmigungserfordernisse bestehen auch nach Auffassung
des Beklagten nicht. Der Bauplatz der Klägerin liegt noch nicht im Außenbereich (vgl.
§ 16 Abs. 1 Satz 3 LG; siehe oben Nr. 1.2).
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5. Liegt das Grundstück des Klägers nicht in einem förmlich festgesetzten
Überschwemmungsgebiet und auch nicht in einem faktischen, für das spezielle
Genehmigungs- oder Befreiungsvoraussetzungen gelten, bleibt es bei den
Beschränkungen des Bauordnungsrechtes zum Schutz des Bauvorhabens und der
Nachbarn gegen Hochwasser. Lässt sich eine konkrete Gefahrensituation in dieser
Hinsicht nicht belegen, steht der Baufreigabe durch Genehmigung des Bauvorhabens
nichts entgegen.
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Da die Klage mit dem Hauptantrag zu 1. begründet ist, erübrigt es sich, auf die
Hilfsanträge einzugehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat
keinen Antrag gestellt. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO,
709 ZPO.
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