Urteil des VG Düsseldorf vom 05.06.2003
VG Düsseldorf: urlaub, jugendhilfe, betriebskosten, verordnung, verhinderung, vertretungskosten, verwaltung, kindergarten, angemessenheit, krankheit
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 K 1038/02
Datum:
05.06.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 K 1038/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin betreibt in O, Ortsteil I, den katholischen Kindergarten St. Q.
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Am 26. April 2001 beantragte sie bei dem Beklagten einen Betriebskostenzuschuss für
diese Tageseinrichtung für Kinder für das Kalenderjahr 2000. Der Kindergarten wurde in
3 Gruppen à 25 Kindern geführt. Die Höhe der begehrten Leistung belief sich auf
357.830,24 DM. Dem Antrag beigefügt war eine Übersicht über die Personalkosten für
das Jahr 2000.
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Mit Bescheid vom 21. November 2001 bewilligte der Beklagte der Klägerin einen
Betriebskostenzuschuss für das Kalenderjahr 2000 in Höhe von 356.862,86 DM. In der
Begründung wurde ausgeführt, dass der Beklagte von der beantragten Summe
Vertretungskosten für Weiterbildung in Höhe von 503,98 DM kürzte. Bei einer
dreigruppigen Tageseinrichtung könne erwartet werden, dass Vertretungsfälle durch
innerorganisatorische Maßnahmen ausgeglichen würden.
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Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2001 Widerspruch, den
sie damit begründete, dass Vertretungskosten nach § 1 Abs. 3 BKVO als angemessene
Personalkosten refinanzierbar seien.
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Mit Bescheid vom 17. Januar 2002 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die
Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Betriebskostenzuschüssen finde sich in § 16
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GTK und §§ 1 und 2 BKVO. Eine Förderungsmöglichkeit bei der Verhinderung des
Stammpersonals ergebe sich aus § 1 Abs. 2 (gemeint ist wohl Abs. 3) BKVO. Eine
Einschränkung erfahre diese Förderungsmöglichkeit durch § 1 Abs. 6 BKVO nach der
ganz allgemein nur Aufwendungen für förderungsfähig erklärt werden, die einer
wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung entsprechen. Daraus ergebe sich der
Grundsatz, dass ein Vertretungsfall innerorganisatorisch auszugleichen und nur in
Ausnahmefällen refinanzierbar sei. Ein innerorganisatorischer Spielraum sei
insbesondere gegeben, durch die Freistellung der Leitung des Kindergartens zusätzlich
angeordnete Kräfte sowie durch Jahrespraktikanten. Durch eine sachgerechte und
flexible Aufstellung der Dienstpläne seien Ausfallzeiten wegen tariflich längerem
Urlaubsanspruchs als den Schließzeiten zu vermeiden. Durch Vertretungsregelungen
des Bistums könnten keine Ausweitungen der Refinanzierung begründet werden. Für
den Fall der Klägerin sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass es bei einer
dreigruppigen Einrichtung zuzumuten sei, den Ausfall von Fachkräften, der durch den
Besuch von Fortbildungsveranstaltungen entstehe, innerorganisatorisch ohne Einsatz
von Vertretungskräften auszugleichen.
Mit Schreiben vom 12. März 2002 wies die Klägerin noch darauf hin, dass die Kosten für
Urlaubsvertretung hinsichtlich der Kindergartenleiterin entstanden seien, die sich vom
15.01.2000 bis 31.07.2000 in Erziehungsurlaub und im Jahresurlaub vom 15.11. bis
21.11.2000 befunden habe. Für den letztgenannten Zeitraum (22,5 Stunden) sei Frau X
als Vertretung eingesetzt worden.
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Am 19. Februar 2002 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Kürzung
Personalkosten anficht. In der Einrichtung der Klägerin arbeiteten insgesamt 6
pädagogisch tätige Kräfte in den 3 Gruppen. Die Ansicht des Beklagten, die Erstattung
von Vergütungen von Vertretungskräften während der Zeit von
Fortbildungsveranstaltungen der pädagogisch tätigen Kräfte entspreche nicht einer
wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung, sei nicht akzeptabel. Der lediglich
pauschale Hinweis auf innerorganisatorische Vertretungsregelungen verschließe die
Augen vor der Tatsache, dass die BKVO für jede Gruppe eine Gruppenleiterin und eine
Ergänzungskraft vorsehe. Dieser von der Verordnung vorgesehene Personalstandard
sei bei Verhinderungen aufrecht zu erhalten. Die streitgegenständliche Einrichtung
verfüge nicht über eine freigestellte Leiterin und habe auch keine Berufspraktikantin
beschäftigt. Hier sei nicht ersichtlich, wie unter Berücksichtigung der Gewährleistung
einer gegenüber den Eltern vertraglich geschuldeten Aufsicht, die Urlaubsüberhänge
innerbetrieblich zu überbrücken wären.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21.11.2001 und des
Widerspruchsbescheides vom 17.01.2002 zu verpflichten, der Klägerin einen weiteren
Personalkostenzuschuss unter Berücksichtigung der Vertretungskosten in Höhe von
503,98 DM zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Gründe des Widerspruchsbescheides und führt
ergänzend aus, dass der Träger einer Tageseinrichtung für Kinder im Falle einer
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Verhinderung stets zu prüfen habe, ob die Einstellung einer Vertretungskraft mit den
Grundsätzen einer sparsamen wirtschaftlichen Haushaltsführung zu vereinbaren ist,
oder ob die Einstellung einer Vertretungskraft nicht durch innerorganisatorische
Regelungen entbehrlich ist. Gerade bei einer dreigruppigen Einrichtung wie die der
Klägerin, müssten Gesichtspunkte wie z.B. Dauer der Abwesenheit und die Möglichkeit
einer zeitlich gestaffelten internen Vertretung geprüft werden. Auch unter
Berücksichtigung der mit Schreiben vom 12. März 2002 dem Beklagten noch
dargelegten Einzelheiten hinsichtlich der Vertretung der Leiterin der Einrichtung,
verbleibe es bei der getroffenen Entscheidung. Der Verordnungsgeber habe durch die
Auslassung des Urlaubes als Vertretungsgrund seinen generellen Willen zum Ausdruck
gegeben, dass dieser nicht als bezuschussungsfähiger Vertretungsgrund anerkannt
werden könne. Der Ansicht der Klägerin, dass in jeder Gruppe jeweils 2 Personen
gleichzeitig Aufsicht führen müssten, sei entgegenzutreten. Das Gesetz und die
Kommentierung des GTK sowie der BKVO sprächen immer von einer Mindestbesetzung
oder Betriebsaufsicht. Nach der Betriebserlaubnis des Landschaftsverbandes
Rheinland vom 22.09.1998 setze eine personelle Mindestbesetzung nach der
Personalvereinbarung vom 17.02.1992 und der Ergänzungsvereinbarung vom
15.03.1996 für eine dreigruppige Einrichtung wie die der Klägerin mindestens 3
Fachkräfte und 2 Ergänzungskräfte voraus. Das notwendige pädagogische Personal
ergebe sich aus § 1 BKVO, der wiederum auf die Personal-vereinbarung vom
17.02.1992 verweise. Nach § 5 dieser Vereinbarung müsse in jeder Gruppe neben der
Gruppenleitung eine Ergänzungskraft tätig sein. Die kommunalen Spitzenverbände
hätten sich von Anfang an geweigert, diese Vorgabe anzuerkennen und umzusetzen.
Dem sei der Verordnungsgeber insoweit gefolgt, als seit dem 01.08.1999 für
Kindergartengruppen eine von der Vereinbarung abweichende personelle Besetzung
gelte. Diese richte sich nach der Zahl der am Nachmittag wiederkehrenden Kinder und
nach Art und Größe der Einrichtung. Grundlage sei nunmehr die Notwendigkeit von 2
Kräften je Gruppe zu der Zeit zu der alle Kinder einer Gruppe gleichzeitig anwesend
seien d.h., in der Regel am Vormittag. Mit Wirkung zum 01.08.1999 würden auf
Grundlage der am Nachmittag durchschnittlich wiederkehrenden Kinder Fach- und
Ergänzungskraftstunden zugeordnet. Es werde nicht mehr auf die Anzahl von Personen,
sondern auf Personalstunden abgestellt. Dies bedeute, dass nicht in jeder Gruppe
immer 2 Kräfte gleichzeitig anwesend sein müssten und anwesend sind. Es sei keine
lückenlose Überwachung und Aufsicht der Kinder auf Schritt und Tritt erforderlich.
Vielmehr sei das Maß der Aufsicht mit dem Erziehungsziel, die wachsenden
Fähigkeiten und das wachsende Bedürfnis des Kindes zum selbstständigen
verantwortungsbewussten Handeln zu unterstützen, in Einklang zu bringen. Alter,
Eigenart und Charakter der Kinder bestimmten das Maß der Aufsicht. Bereits die an der
Praxis orientierte Überlegung, was passiere, wenn ein Kind zur Toilette müsste und
dabei Hilfestellung brauche, zeige, dass hier die Forderung nach einer sofortigen dritten
Aufsichtsperson vernünftigerweise nicht gestellt werden könne. Ferner sei es durchaus
zumutbar, wenn Urlaubsansprüche z.B. auch am Nachmittag ausgeglichen werden
könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch
insgesamt unbegründet.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen über den bereits mit Bescheiden vom
21.11.2001 und 17.01.2002 bewilligten Betrag hinausgehenden Anspruch auf
Betriebskostenzuschuss für den Betrieb ihrer Tageseinrichtung für Kinder (hier:
Kindergarten St. Peter) im Kalenderjahr 2000. Der Personalkosten in Höhe von 503,98
DM nicht berücksichtigende Bewilligungsbescheid des Beklagten ist nicht rechtswidrig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Zu Recht
hat der Beklagte die für den streitbefangenen Zeitraum geltend gemachten
Personalkosten für Urlaubsvertretungen des in der Einrichtung tätigen pädagogischen
Personals als nicht bezuschussungsfähig bei der Festsetzung außer Ansatz gelassen.
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Der von der Klägerin klageweise geltend gemachte Anspruch lässt sich nicht mit Erfolg
auf die allein in Betracht kommenden Vorschriften des Gesetzes über die
Tageseinrichtungen für Kinder (GTK)
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vom 29. Oktober 1991 (GV.NRW.S.380) zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.
September 2001 (GV.NRW.S.708),
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und die der Konkretisierung dienende Verordnung zur Änderung der Verordnung zur
Regelung der Gruppenstärken und über die Betriebskosten nach dem Gesetz über
Tageseinrichtungen für Kinder (Betriebskostenverordnung - BKVO)
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vom 11. März 1994 (GV.NRW.S.144) zuletzt geändert durch Verordnung vom 25.
September 2001 (GV.NRW.S.708),
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stützen. Nach § 18 Abs. 1 u. 2 GTK werden die Betriebskosten durch Eigenleistung des
Trägers und Zuschüsse des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gedeckt. Der
örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährt dem Träger der Einrichtung,
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soweit in dieser mindestens die Regelöffnungsdauer nach § 19 angeboten wird,
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einen Zuschuss von 79% (bzw. ab dem 01.01.2000 80% für Einrichtungen in kirchlicher
Trägerschaft nach § 18a Abs. 1 GTK) der Betriebskosten der Einrichtung.
Betriebskosten sind nach § 16 Abs. 1 GTK angemessene Personal- und Sachkosten,
die durch den nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erlaubten Betrieb einer
Tageseinrichtung für Kinder entstehen, sofern sie die Voraussetzungen nach §§ 1 - 4
GTK erfüllt. Nach Abs. 2 der Vorschrift sind Personalkosten die Aufwendungen des
Trägers für die Vergütung der pädagogisch tätigen Kräfte nach
Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) oder vergleichbaren Vergütungsregelungen.
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Dazu gehört auch der hier nicht zu vertiefende Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung
und einer zusätzlichen Altersversicherung nebst einem Zuschlag von 0,7% hiervon für
sonstige Personalnebenkosten und angemessene Aufwendungen zur Fortbildung.
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Gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 lit c GTK regelt die hierzu erlassene Verordnung das Nähere
über die Bestandteile und die Angemessenheit der Betriebskosten. Dieser
Ermächtigung ist der Verordnungsgeber in der Weise nachgekommen, als er in § 1 Abs.
1 BKVO die Aufwendungen für die nach der „Vereinbarung über die Voraussetzungen
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der Eignung der in Tageseinrichtungen für Kinder tätigen Kräfte" vom 17.02.1992
(Anlage)
Anlage zur Betriebskostenverordnung - SGV.NW.216
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- vorbehaltlich der ab 01.08.1999 geltenden Absätze 7 und 8 (§ 6 BKVO) - als
angemessen erklärt hat. Nach § 1 Abs. 3 BKVO - und dies führt zum Kern des Streits
zwischen den Beteiligten - gehören zu den angemessenen Personalkosten auch die
Aufwendungen, die dadurch entstehen, dass für eine durch Krankheit oder sonst
verhinderte pädagogisch tätige Kraft eine Vertretung eingestellt wird.
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Zu Recht hat der Beklagte in Anwendung der vorgenannten Vorschriften die
Berücksichtigung der Aufwendungen für die von der Klägerin zum Zwecke der
Urlaubsvertretung eingestellten Kräfte abgelehnt. Denn Aufwendungen, die dadurch
entstehen, dass Vertretungen für eine im Urlaub befindliche Kraft eingestellt werden,
sind in der Regel nicht angemessen im Sinne des § 1 Abs. 3 BKVO.
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Dies ergibt sich zunächst schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, in der „Urlaub" als zu
berücksichtigender Vertretungsanlass nicht genannt ist. Denn hätte der
Verordnungsgeber für den Vertretungsanlass „Urlaub" die Möglichkeit einer
refinanzierbaren Vertretung vorsehen wollen, hätte es nahe gelegen diesen - für nach
BAT Regelungen tätigem Personal zwingend auftretenden - Fall auch vor dem nur
möglicherweise - wenn auch regelmäßig - auftretenden Fall der krankheitsbedingten
Abwesenheit zu nennen. Dies gilt um so mehr, als der Verordnungsgeber sich
überhaupt veranlasst sah, Aufwendungen für Vertretungskräfte in bestimmten Fällen als
angemessen zu bezeichnen.
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Eine inhaltsgleiche Regelung galt im Übrigen bereits nach der BKVO vom 11.2.1983
zum Kindergartengesetz NRW vom 21.12.1971 im dortigen § 1 Abs. 2 Nr. 4.
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Hieraus wird der Ausnahmecharakter von Vertretungskosten als angemessenen
Personalkosten, den der Verordnungsgeber schon aus fiskalischen Gründen im Blick
haben musste, deutlich.
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Darüber hinaus sind Aufwendungen für Urlaubsvertretungen auch nicht als
angemessene Personalkosten für „sonst verhinderte" pädagogische Kräfte im Sinne des
§ 1 Abs. 3 BKVO anzusehen. Denn auch insoweit lässt schon der Wortlaut der Vorschrift
eine solche Auslegung nicht ohne Künstelei zu. Das GTK und die BKVO nehmen
ersichtlich auf bestehende arbeitsrechtliche Regularien (z.B. BAT in § 16 Abs. 2 S. 1
GTK) und Vokabular Bezug. Nach arbeitsrechtlicher Dogmatik ist ein Arbeitnehmer, der
Urlaub nimmt, von der Arbeitsleistung freigestellt
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vgl. nur Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2001, - 9 AZR 26/00 -, in BAGE 97,
18; NJW 2001, 1964; BB 2001, 1259;
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und nicht etwa im Sinne von § 616 S. 1 BGB verhindert.
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Vgl. hierzu etwa Schaub in Münchner Kommentar, Band 4, § 616 Rz 14ff, 3. Auflage
1997, München.
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Während die Freistellung zum Urlaubsantritt auf einer vertragsähnlichen Übereinkunft
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zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruht, folgt der Arbeitsausfall bei einer
Verhinderung aus einem in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund.
Nach der einschlägigen Kommentierung etwa: Arztbesuche, die nicht außerhalb der
Arbeitszeit möglich sind; besondere Familienereignisse wie Todesfälle enger
Familienangehöriger oder Geburten; öffentliche Pflichten wie Ladungen zu Behörden
oder Gerichten; unmittelbar die Person treffende Ereignisse wie Autopanne, Ausfall des
öffentlichen Nahverkehrs u.dgl.; vgl. Schaub in Münchner Kommentar a.a.O. Rz 15.
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Die Notwendigkeit einer Vertretung aus Gründen des Urlaubs einer pädagogisch tätigen
Kraft kann mithin schon terminologisch nicht als ein Fall der „sonstigen Verhinderung"
angesehen werden. Selbst wenn man unter umgangssprachlicher Lesart den
Vertretungsanlass „Urlaub" als unter das Tatbestandsmerkmal „oder sonst verhindert"
subsumieren wollte, dürfte dies letztlich aber aus systematischen Gründen ausscheiden.
So widerspräche es den ungeschriebenen Regeln der Rechtsetzungstechnik, den zu
erwartenden häufigsten Anwendungsfall „Urlaub" mit einem Auffangtatbestand („oder
sonst verhindert") regeln zu wollen, während der zwar vorhersehbare, aber nicht
planbare Anwendungsfall „Krankheit" als einziger konkret benannt sein sollte. Mit dem
oben genannten Ausnahmecharakter vertrüge sich die gegenteilige Auslegung auch
deswegen nicht, weil es der jeweilige Träger in der Hand hätte, durch eine allein an den
Urlaubswünschen der Mitarbeiter ausgerichteten Urlaubsgewährung - mit der Folge
erheblichen Vertretungskräftebedarfs - die Kosten der Refinanzierung für den örtlichen
Träger der öffentlichen Jugendhilfe unkalkulierbar zu erhöhen. Wie dem Gebot der
sparsamen und wirtschaftlichen Verwaltung (§ 1 Abs. 6 Satz 1 BKVO) noch Geltung
verschafft werden könnte, erschließt sich der Kammer nicht.
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Schließlich drängt sich ein anderes Ergebnis auch nicht aus Rechtsgründen oder
tatsächlichen Gründen auf. Der Einwand der Klägerin, es sei nicht möglich, während der
Schließungszeiten der Tageseinrichtung den den Mitarbeitern tariflich zustehenden
Urlaubsanspruch abzugelten, begründet allein nicht die Angemessenheit von
Aufwendungen für Urlaubsvertretungen. Die Klägerin ist aus Rechtsgründen nicht
gehindert, ihre tatsächlichen Schließungzeiten (üblicherweise in den Sommerferien und
um Weihnachten und Ostern) etwa auf die tariflichen Urlaubsansprüche der Mitarbeiter
auszuweiten.
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In diesem Sinne auch Janssen/Dreier/Selle, Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-
Westfalen, Anm. 2.5 zu § 1 BKVO; Loseblatt 9. Lieferung Stand 5/03, Kronach München
Bonn Potsdam.
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Ein solches Vorgehen dürfte zwar den Bedürfnissen mancher Eltern
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die bei der Festlegung der Öffnungszeiten gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 GTK Berücksichtigung
finden müssen,
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zuwiderlaufen, ist jedoch vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Die Kammer hat auch nicht
feststellen können, dass der Beklagte in diesem Sinne unzulässige Bedingungen an die
Klägerin herangetragen hätte. Ferner ist die Klägerin auch nicht gehindert, durch - wie
auch vom Beklagten angeregt - innerorganisatorische Maßnahmen urlaubsbedingte
Abwesenheiten von pädagogisch tätigen Mitarbeitern auszugleichen.
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Vgl. Moskal/Foerster Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-
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Westfalen, Erl. zu § 16 GTK III.3.a), 17. Auflage Köln.
So besteht bei mehrgruppigen Kindergärten mit freigestellter Leitung die Möglichkeit,
diese vorübergehend mit der Betreuung einer Gruppe zu betrauen. Auch durch die
Einstellung und Beschäftigung von Berufspraktikanten wird der Spielraum zur
Gestaltung der Dienstpläne während der nicht von Schließung betroffenen Zeit erhöht.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Träger in seiner Gestaltungsfreiheit (§1
Abs. 6 Satz 2 BKVO) nicht etwa dahingehend eingeschränkt ist, dass während der
Öffnungszeiten ausnahmslos immer eine über die bloße Aufrechterhaltung der Aufsicht
über die Kinder hinausgehende Anzahl pädagogisch tätiger Mitarbeiter anwesend sein
muss. Die Vorschrift des § 19 Abs. 3 S. 2 GTK bestimmt ausdrücklich, dass die
Anwesenheit des gesamten Personals nicht erforderlich ist, solange nur einzelne Kinder
anwesend sind. Ein solches Gebot wäre, wenn man sich die Erfordernisse einer
Tageseinrichtung für Kinder (Einzelbetreuung beim Toilettengang, Trost und
Zuwendung bei Streit im Einzelfall, Begleitung bei einem notwendigen Arztbesuch, etc.)
plastisch vor Augen hält, auch praxisfremd. Dementsprechend ist die Regelung in § 5
der Vereinbarung über die Eignungsvoraussetzungen der in Tageseinrichtungen für
Kinder tätigen Kräfte
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vom 17.02.1992, Anlage zur Betriebskostenverordnung - SGV.NW.216
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nicht als Regelung über den konkreten täglichen Betrieb einer Tageseinrichtung für
Kinder zu verstehen. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift muss in einer solchen Einrichtung
in jeder Gruppe neben dem Gruppenleiter eine Ergänzungskraft oder ein
Berufspraktikant tätig sein. Damit soll nicht der Träger einer Einrichtung zur
Gewährleistung einer ununterbrochen Aufsicht und Betreuung einer Gruppe durch zwei
pädagogisch tätige Kräfte verpflichtet werden, sondern im Sinne einer
Stellenplanregelung die Sollstärke des Personals definiert werden. So hat die
obergerichtliche Rechtsprechung die in aufsichtsrechtlicher Hinsicht noch hinreichende
Mindestbesetzung eines zweigruppigen Kindergartens auch bei drei pädagogisch
tätigen Kräften ausreichen lassen.
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil vom 24.3.1998 - 9 S 967/96 -, in
FEVS Bd. 49, 129ff. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen hat
mit Urteil vom 20.3.2000 - 16 A 4169/98 - für eine 20-köpfige altersgemischte Gruppe (3-
14 Jahre) einen personellen Mindeststandard von zwei Fachkräften für notwendig
gehalten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nicht nach §
188 S. 2 VwGO gerichtskostenfrei, weil es sich bei einem Refinanzierungsstreit nach
dem GTK zwischen einem freien Träger einer Tageseinrichtung für Kinder und einem
örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht um ein Verfahren aus dem
Sachgebiet der Jugendhilfe handelt. In Abkehr ihrer früheren Rechtsprechung ist die
Kammer bereits in anderen Entscheidungen dem Oberverwaltungsgericht für das Land
NRW gefolgt, das mit Beschluss vom 15. November 2002 - 16 B 2228/02 - entschieden
hat, dass Streitigkeiten betreffend Elternbeiträge nach § 17 GTK dem Abgabenrecht und
nicht dem Sachgebiet der Jugendhilfe zuzurechnen sind. Dass die materielle
Sachgebietszugehörigkeit entscheidend ist, hat der Gesetzgeber durch die jüngste
Anfügung eines zweiten Halbsatzes verdeutlicht, wonach die Gerichtskostenfreiheit
nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern gilt. Auch im Hinblick
auf die Beteiligten eines Refinanzierungsstreits drängt sich die Abkehr von der
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Gerichtskostenfreiheit mithin auf. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1, 2 VwGO 708, 711 ZPO.