Urteil des VG Düsseldorf vom 06.05.2003

VG Düsseldorf: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, feuerwehr, ausschluss, unbestimmter rechtsbegriff, mitgliedschaft, vertrauensverhältnis, gefahrengemeinschaft

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 L 901/03
Datum:
06.05.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26 Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
26 L 901/03
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen
die Ausschlussverfügung des Wehrführers der Freiwilligen Feuerwehr
der Stadt S vom 28. Oktober 2002 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag hat Erfolg.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder herstellen, wenn das private Interesse
des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das
entgegenstehende öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen
Vollziehung der Verfügung überwiegt. Das ist vorliegend der Fall.
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Maßgebliche Vorschrift ist § 5 Abs. 1 Verordnung über die Laufbahn der ehrenamtlichen
Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr (LVO-FFw). Nach dessen Buchstabe a) muss
ein Ausschluss ausgesprochen werden nach rechtskräftiger Verurteilung zu einer
Freiheitsstrafe über einem Jahr, zu einer Maßregel der Besserung und Sicherung oder
zu einer Nebenfolge nach § 45 des Strafgesetzbuches jedoch nur dann, wenn der
Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr wegen der der Verurteilung zu Grunde
liegenden Handlung als zum Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr unwürdig oder
ungeeignet erscheint, nach Buchstabe b) bei fortgesetzter Nachlässigkeit im Dienst oder
nach Buchstabe c), wenn der Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr aus einem
anderen Grunde nicht mehr würdig erscheint, den Ehrendienst in der Freiwilligen
Feuerwehr zu verrichten. Vorliegend kann sich ein Ausschluss nur auf § 5 Abs. 1
Buchstabe c) LVO-FFw stützen. Der dort genannte Begriff der Würdigkeit für den
Ehrendienst in der Freiwilligen Feuerwehr ist ein unbestimmter Rechtsbegriff; ein
Ermessens- oder Beurteilungsspielraum ist dem für den Ausschluss zuständigen
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Wehrführer nicht eingeräumt.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile
vom 4. Dezember 1975 - III A 208/75 - und vom 20. August 1984 - 20 A 2854/83 -;
Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Urteile vom 21. Juni 2002 - 26 K 4658/00 - und
vom 9. September 2002 - 26 K 3305/99 -.
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Es müssen jedoch schwer wiegende Gründe vorliegen, die einen Ausschluss
rechtfertigen, wie sich aus dem zwingenden Charakter der Vorschrift entnehmen lässt.
Unter einem „anderen Grund" im Sinne dieser Vorschrift ist demnach vor allem ein
solcher zu verstehen, der die volle Einsatzbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehr
gefährden oder zumindest zu deren nicht unerheblicher Herabsetzung führen könnte.
Dazu gehört auch die erhebliche Verletzung von Pflichten, die zum Kernbereich des
Dienstverhältnisses der Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr zu rechnen sind,
insbesondere die Pflicht der Feuerwehrleute, ihre Vorgesetzten zu beraten und zu
unterstützen, die von ihnen erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen
Richtlinien zu befolgen sowie die allgemeinen Dienst- bzw. Treuepflicht und die
Kameradschaftspflicht.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Dezember 1975 - I A 208/75 -, VG Düsseldorf, Urteile vom
21. Juni 2002 - 26 K 4658/00 - und vom 9. September 2002 - 26 K 3305/99 -.
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Denn die Feuerwehrangehörigen bilden eine Gefahrengemeinschaft, die ein
gegenseitiges Vertrauensverhältnis voraussetzt. Deshalb kann eine Verletzung der
Kameradschaftspflicht so schwer wiegen, dass sie die weitere Mitgliedschaft eines
Feuerwehrmannes in der Freiwilligen Feuerwehr ausschließt. So überschreitet etwa die
Bezeichnung eines Kameraden als „großes und dreckiges Schwein" bei weitem die
Grenzen des in der Wehr als Umgangsform vertretbaren.
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Vgl. VG Münster, Urteil vom 28. Oktober 1981 - 4 K 2330/80 -.
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Auch wer gegenüber seinem Dienstvorgesetzten die Unwahrheit sagt, kann sich als
dienstunwürdig erweisen.
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Vgl. hierzu und allgemein zur Würdigkeit: Steegmann und andere, Recht des
Feuerschutzes und des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl. (Stand: April
2002), § 12 FSHG Rdnr. 26.
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Die Regelung des § 5 Abs. 1 Buchstabe c) LVO-FFw hat die Aufgabe, alle nicht oder
jedenfalls nicht eindeutig unter die Buchstaben a) oder b) subsumierbaren Fälle der
Dienstunwürdigkeit zu erfassen.
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Steegmann, a.a.O., § 12 FSHG Rdnr. 29.
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Dabei ist stets zu beachten, dass nicht die (volle) Einsatzbereitschaft der Feuerwehr
gefährdet wird.
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Vgl. Steegmann, a.a.O., § 12 FSHG Rdnr.32.
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Einen solchen Grund oder solche Gründe für den Ausschluss des Antragstellers aus der
Freiwilligen Feuerwehr hat der Antragsgegner bislang nicht dargelegt. So hat er weder
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in dem vorgelegten Verwaltungsvorgang noch in der Antragserwiderung die von ihm in
der vorgenannten Ausschlussverfügung gerügten Verhaltensweisen des Antragstellers
im Einzelnen erfasst, dokumentiert und belegt. Die Vertreter des Antragsgegners haben
im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 29. April 2003 vielmehr selbst davon
gesprochen, dass es sich um „Kleinigkeiten" gehandelt habe, die allerdings „immer
wieder" vorgekommen seien. Daraus haben diese den Schluss gezogen, dass eine
„systematische Demontage" des Löschzugführers L durch den Antragsteller erfolgt sei.
Dieser Auffassung vermag das Gericht auf der Grundlage des bisherigen
Verfahrensstoffes nicht zu folgen. Die vom Antragsgegner bisher dargelegten Gründe für
den Ausschluss sind weder einzeln betrachtet noch in ihrer Gesamtschau geeignet, die
Funktionsfähigkeit der Feuerwehr in Zweifel zu ziehen. Zusätzlich ist zu
berücksichtigen, dass der Antragsteller ausweislich des Protokolls des
Erörterungstermins angegeben hat, weiterhin in der Freiwilligen Feuerwehr mitarbeiten
und sich Anordnungen und Unterweisungen, soweit sie ihn betreffen, unterwerfen zu
wollen. Er hat ebenfalls erklärt, dass seine Äußerung zur Übernahme des
Löschzugführers aus gesundheitlichen Gründen in die Ehrenabteilung der Freiwilligen
Feuerwehr aus Verärgerung erfolgt sei, er dies bereits in der Vergangenheit so
dargestellt habe und er an dieser Äußerung nicht festhalte. Die übrigen in der
Ausschlussverfügung aufgeführten Punkte erreichen jedoch, selbst wenn sie
tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, nicht die für einen Ausschluss erforderliche
Schwelle. Dass in einer Feuerwehreinheit Reibereien oder Animositäten vorkommen, ist
alltäglich, kann aber allein nicht zum Ausschluss eines langjährigen Feuerwehrmannes
aus der Gemeinschaft führen.
Mithin war dem Antrag - hinsichtlich des Antrages zu II. entsprechend § 80 Abs. 5 Satz 3
VwGO - mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben; die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 Gerichtskostengesetz.
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