Urteil des VG Düsseldorf vom 09.06.2005
VG Düsseldorf: hof, genehmigung, weide, landschaft, grundeigentum, sperrung, aufwand, erholung, vergleich, hund
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 6920/04
Datum:
09.06.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 6920/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110%
des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger ist Eigentümer des Gutes „B" südlich der Stadt X. Er hält dort eigene Pferde
und betreibt eine Pferdepension. Das Gelände liegt fernab jeglicher zusammen
hängender Bebauung im Außenbereich und im Landschaftsschutzgebiet („X1/L1 Wald,
B Busch"). In nur geringer Entfernung von den Hofgebäuden führt, als gerade
Fortsetzung der Cstraße, ein Weg über das Grundeigentum des Klägers („Oweg" oder
„O"). Wegen der Einzelheiten der Lage der Grundstücke des Klägers, des das Gut B
umgebenden Wegenetzes und des Erscheinungsbildes der Landschaft wird auf die in
den beigezogenen Verwaltungsakten und in den Gerichtsakten befindlichen Fotos und
Karten sowie auf das Protokoll des Ortstermins vom 8. April 2005 verwiesen.
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Der Kläger ließ unter dem 17. Mai 2004 bei dem Beklagten beantragen, den Oweg in
der unmittelbaren Nachbarschaft der Hofgebäude beginnend am Ende der Cstraße auf
einer Strecke von etwa 100 Metern zu sperren. Der Beklagte lehnte den Antrag mit
Bescheid vom 15. September 2004 ab. Den Widerspruch des Klägers wies die
Bezirksregierung E mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2004 zurück.
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Am 30. Oktober 2004 hat der Kläger Klage erhoben.
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Er trägt vor: Die Benutzung des Weges in unmittelbarer Nachbarschaft zu den
Hofgebäuden beeinträchtige ihn und seine Familie in der Sonn- und Feiertags- und in
der Abendruhe. Es komme nicht selten vor, dass Passanten in den Hofbereich
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eindrängen, um nach dem Weg zu fragen. Der Grund dafür sei die mangelhafte
Beschilderung der Wegeführung. Das Hofgelände sei von dem zu sperrenden
Wegestück aus auch schon von Personen in aggressiver Absicht betreten worden.
Gelegentlich gerieten sogar Kraftfahrzeuge auf den Weg. Die auf dem Hof gehaltenen
Pferde würden durch die nahe vorbei fahrenden Radfahrer, durch Jogger und
insbesondere durch die Hunde von Spaziergängern verstört und gehetzt. Der Weg
trenne den Hof von einer weiter südlich gelegenen Weide, die eigentlich als
Freilaufbereich für die Pferde gedacht sei. Derzeit müssten die Tiere von einem
Pferdepfleger über den Weg auf die Weide gebracht werden, was Mühen und Kosten
verursache.
Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 15. September 2004 und des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E vom 4. Oktober 2004 zu verpflichten,
ihm eine Genehmigung zur Sperrung des auf seinem Grundeigentum in X verlaufenden
Oweges in einer Länge von rund 100 m beginnend ab dem Ende der Cstraße
entsprechend seinem Antrag vom 17. Mai 2004 zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor: Die fragliche Wegestrecke sei seit mindestens 50 Jahren ein viel genutzter
Abschnitt eines überregionalen Wander- und Radweges, der sog. Sroute. Die
vollständige Erhaltung dieses in den Wanderkarten überall verzeichneten
Wanderweges im öffentlichen Interesse überwiege das private Interesse des Klägers.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch eine von dem Berichterstatter durchgeführte
Ortsbesichtigung. Wegen des Gegenstandes und des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Ortsterminsprotokoll vom 8. April 2005 Bezug
genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
beigezogenen Verwaltungsakten und den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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1. Der Kläger bedarf zur (Teil-) Sperrung des über sein Grundeigentum verlaufenden
Oweges einer behördlichen Genehmigung gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 LG NRW. Ohne
eine derartige Genehmigung ist das Betreten des in der freien Landschaft gelegenen
privaten Weges und das Befahren mit Fahrrädern jedermann auf eigene Gefahr zum
Zweck der Erholung gestattet (§ 49 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 LG NW). Der Oweg ist,
wie die Ortsbesichtigung ergeben hat, ein breit angelegter, für den Fußgänger- und
Radfahrverkehr ausreichend befestigter Feld- bzw. Waldweg. Er ist in die im Verlauf des
Ortstermins eingesehenen Landkarten als Teil des überörtlichen (Rad-) Wanderweges
„Sroute" eingezeichnet. Die Wanderroute verläuft nicht durch den Garten, den Hofraum
des Klägers oder über Flächen, die seinem privaten Wohnbereich oder seinem
gewerblichen Betrieb dienen (vgl. § 53 Abs. 2 LG NRW). Der Weg ist nach dem
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Flurkataster als eigenes Flurstück ausgewiesen und in der Örtlichkeit klar erkennbar mit
dem ihm eigenen Nutzungszweck von den nördlich und südlich davon gelegenen Hof-
und Weideflächen abgetrennt. Der Weg führt am privaten Garten- und Wohnbereich des
Klägers vorbei und nicht darüber hinweg. Das Gleiche gilt für die südlich an das
Wegestück grenzende Weide.
2. Der Kläger hat keinen strikten Anspruch auf Genehmigung der beantragten
Wegesperrung (§ 54 Abs. 2 Satz 1 LG NRW). Die Benutzung des Wegestücks durch
Spaziergänger mit oder ohne Hund, Läufer und Radfahrer behindert den Kläger nicht
unzumutbar in der Nutzung seines Grundeigentums und führt auch nicht zu erheblichen
Schäden.
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2.1 Unzumutbar eingeschränkt würde die Nutzung des Grundstücks, wenn die
Offenhaltung des Weges mit einem fühlbaren Verlust an nutzbarer Fläche verbunden
wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Weg nimmt im Vergleich zu der Größe des
Grundbesitzes des Klägers nur wenig Platz in Anspruch.
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2.2 Eine unzumutbare Behinderung der Nutzung liegt ebenfalls nicht vor. Die
Unzumutbarkeit setzt mehr voraus als gute Gründe. Letztere eröffnen der unteren
Landschaftsbehörde das Ermessen (§ 54 Abs. 2 Satz 2 LG NRW). Ein Anspruch, der
das durch das Gesetz für den Regelfall manifestierte überwiegende Interesse der
Allgemeinheit an der Benutzung von Wegen in der freien Natur schlechterdings
überspielt, kann nur bestehen, wenn die Nutzung privaten Grundeigentums entweder
unmöglich oder derart belastet wäre, dass sie sich nur unter aufwändigen, jedes
angemessene Opfer übersteigenden Schutzvorkehrungen verwirklichen ließe. In dieser
Weise gravierend behindert wird der Kläger nicht. Er kann das seinen Hof und das ihn
umgebende Weideland neben dem für die Allgemeinheit offenen Wanderweg ohne
unzumutbare Einschränkungen zur Pferdehaltung nutzen. Der private Wohnbereich
lässt sich durch einen kräftigen Zaun zum Weg hin und durch eine landschaftsgerechte
Hecke oder eine sonstige dichte Randpflanzung hinreichend abschotten, so dass
Einblicke in den privaten Gartenbereich weit gehend unmöglich gemacht werden. Auch
die Haltung von Pferden auf dem Hof, der eigenen wie der Pensionstiere, wird durch
den offenen Nachtigallenweg nicht schlechterdings unzumutbar behindert. Die südlich
des Weges gelegene, nach dem Eindruck bei der Ortsbesichtigung vergleichsweise
kleine Weide bleibt weiterhin erreichbar. Solange der Kläger oder seine Pferdpfleger
Pferde vom Hof auf diese Weide führen, sind sie, soweit das notwendig sein sollte,
berechtigt, den Durchgang vorübergehend kurzzeitig zu unterbrechen. Derartige nur
wenige Minuten in Anspruch nehmende Absperrmaßnahmen berühren die Befugnis
nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 LG NRW nicht, sodass sie genehmigungsfrei zulässig sind. Der
Aufwand, den das Führen der Tiere über den Weg verursacht, ist nicht nennenswert.
Jedenfalls wird dadurch nicht die Anstellung zusätzlichen Personals verursacht. Dass
der Kläger das kleine Weidestück südlich des Nachtigallenweges nicht mit dem Hof zu
einer Freilauffläche für Pferde verbinden kann, muss hingenommen werden. Die
wirtschaftliche Existenz der Pensionstierhaltung erfordert das Vorhandensein einer
Freilauffläche gerade an dieser Stelle nicht. Die gegenteilige Behauptung des Klägers
ist weder belegt noch überhaupt einzusehen. Die von dem Kläger geschilderten
Störungen der Pferde durch die Nutzung des Rad- und Wanderweges sind nicht
gravierend. Überall in ländlichen Bezirken und noch mehr in Stadtnähe führen Straßen
oder Wege an Pferdekoppeln vorbei. Die damit einher gehenden geringen
Beeinträchtigungen sind in unseren vergleichsweise dicht besiedelten Räumen
unvermeidbar. Ihnen ist mit Weidezäunen, Hinweisschildern, persönlicher Ansprache
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und gegenseitiger Rücksichtnahme zu begegnen. Eine Wegesperrung ist nicht
erforderlich.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Neubescheidung. Der Beklagte und die
Widerspruchsbehörde haben das ihnen durch § 54 Abs. 2 Satz 2 LG NRW eingeräumte
Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Die durch die Vorschrift vorgegebene Abwägung
ist sachgerecht.
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Es kann dahin stehen, ob aus objektiver Sicht die tatbestandliche Voraussetzung eines
wichtigen Grundes im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 LG NRW für die Zulassung einer
Wegesperrung gegeben ist. Gegen den im Rahmen des Ermessens vorgenommenen
Vergleich der konkurrierenden Interessen ist nichts zu erinnern. Die Behörden haben
sich auf die Erwägung gestützt, dass der Nachtigallenweg seit langem vorhanden ist,
von der Erholung suchenden Bevölkerung angenommen wird und als Teil einer
überörtlichen Rad- und Wanderroute besondere Bedeutung hat. Das sind
Überlegungen, die sich am Schutzzweck des Gesetzes orientieren und der örtlichen
Situation nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung gerecht werden. Der Zustand des
Weges und seine Kartierung sprechen für eine rege Nutzung. Dass sie, wie der Kläger
vorträgt und mit historischen Karten glaubhaft gemacht hat, nicht seit alters her besteht,
ist unerheblich. Nach dem Gesetz kommt es nur darauf an, dass der fragliche Weg
vorhanden ist, nicht, wie lange das der Fall war. Im Außenbereich müssen alle
Ansprüche an die freie Landschaft miteinander in Einklang gebracht werden. Das
Spazierengehen mit oder ohne Hund, die sportliche Betätigung auf dem Rad oder in
Laufschuhen abseits von Straßen mit motorisiertem Verkehr gehören zu den
Grundbedürfnissen der Menschen. In der Nähe der dicht besiedelten Ballungsgebiete
an Rhein und Ruhr ist dafür jedes geeignete Stück Weg von Bedeutung. Ob es
gleichwertige Alternativwege gibt oder ob sie, mit oder ohne Aufwand für die
Allgemeinheit, geschaffen werden können, ist unerheblich, zumal, wenn die Neuanlage
im Landschaftsschutzgebiet ihrerseits einer besonderen Genehmigung bedürfte. Der
Beklagte verlangt nichts Unbilliges, wenn er dem Kläger zumutet, die mit dem über das
Grundstück führenden Weg verbundenen Beeinträchtigungen hinzunehmen. Die
Bewertung der Interessen des Klägers als für ihn von nicht existenzieller Bedeutung und
des Interesses der Allgemeinheit an offenen Wegen entsprechend der
Grundentscheidung des Landschaftsgesetzes als höherwertig ist vertretbar. Es ist dem
Gericht verwehrt, sie durch eine andere für sich genommen ebenfalls sachgerechte
Entscheidung zu ersetzen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 709, 711
ZPO.
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