Urteil des VG Düsseldorf vom 26.10.2009

VG Düsseldorf (antragsteller, sparkasse, bebauungsplan, mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, verkehr, aufschiebende wirkung, gutachten, anteil, besucher, stellungnahme)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 9 L 1118/09
Datum:
26.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 L 1118/09
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten
der Beigeladenen tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auf 3.750,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Der am 21. Juli 2009 gestellte Antrag,
2
die aufschiebende Wirkung der am gleichen Tag erhobenen Klage der
Antragsteller (Geschäftszeichen: 9 K 4786/09) gegen die der Beigeladenen
erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 3. Juli 2009 anzuordnen,
3
hat keinen Erfolg; er ist zulässig, aber nicht begründet.
4
Das Gericht macht von der ihm durch §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO
eingeräumten Befugnis, einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung
aufschiebende Wirkung zu geben, Gebrauch, wenn das Interesse des Nachbarn an der
Suspendierung der angefochtenen Baugenehmigung das öffentliche Interesse sowie
das Interesse des Bauherrn an deren Vollziehung überwiegt. Das ist regelmäßig dann
der Fall, wenn die Baugenehmigung bei der gebotenen summarischen Prüfung gegen
Rechtsvorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen
bestimmt sind, seine Klage in der Hauptsache also voraussichtlich Erfolg haben wird.
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Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die von den Antragstellern angegriffene, unter
dem 3. Juli 2009 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Sparkassenzentrums
mit Verkaufsstätte, Tiefgarage und Lüftungs-/Kühlungsanlage auf dem Grundstück
Nstraße 44-48 (G1 u.a.) in I verletzt deren baurechtliche Nachbarrechte nicht.
6
Die Baugenehmigung ist auf der Grundlage des am 18. Juni 2008 vom Rat der Stadt I
beschlossenen vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 73 A, 5. Änderung erteilt
worden. Ob die von den Antragstellern gegen die Wirksamkeit dieses Bebauungsplan
vorgebrachten Bedenken durchgreifen, kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben,
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weil die Baugenehmigung vom 3. Juli 2009 im Falle der Unwirksamkeit des
Bebauungsplans ebenso wenig wie im Falle seiner Wirksamkeit gegen
Rechtsvorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller zu dienen
bestimmt sind.
Wenn der Bebauungsplan Nr. 73 A, 5. Änderung wirksam ist, beurteilt sich die
planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen nach § 30 Abs. 2
BauGB, der bestimmt, dass im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen
Bebauungsplans nach § 12 ein Vorhaben zulässig ist, wenn es dem Bebauungsplan
nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
8
Ein nachbarlicher Abwehranspruch kann in diesem Fall nur begründet sein, wenn die
Baugenehmigung entgegen solcher Festsetzungen des Bebauungsplans, die Rechte
des Nachbarn schützen, oder unter Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen
des Bebauungsplans (vgl. § 31 Abs. 2 letzter Halbsatz BauGB) erteilt worden ist. Für
den Planbereich kommt Drittschutz in aller Regel nur in Betracht, soweit die
Festsetzungen des Bebauungsplans selbst Drittschutz vermitteln oder es sich um einen
qualifizierten Ausnahmefall des § 15 BauNVO handelt.
9
Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Kommentar (Stand: 1. Juli 2009), § 74
Rn. 103a, 103b.
10
Ein nachbarlicher Abwehranspruch gegen eine mit den Planfestsetzungen
übereinstimmende Baugenehmigung unter Berufung auf das Gebot der
Rücksichtnahme besteht im Allgemeinen nicht, weil dieses bereits in den einem
rechtsgültigen Bebauungsplan vorausgehenden Abwägungsvorgang eingeflossen sein
muss, wodurch es gleichsam "aufgezehrt" wird. Festsetzungen eines Bebauungsplans
können durch das in § 15 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme nur ergänzt,
nicht aber korrigiert werden. Zudem ist § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO im Hinblick auf das
Maß der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung grundsätzlich nicht
anwendbar.
11
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Januar 2009 – 10 B 1687/08 –, NWVBl. 2009, S.
356 (357), mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
12
Lediglich im Einzelfall können bauliche Anlagen trotz Übereinstimmung mit den
Planfestsetzungen unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder
Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen oder wenn von ihnen
Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets
im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Das dergestalt in § 15
Abs. 1 BauNVO geregelte planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme bietet jedoch
keine Grundlage zu einer einengenden Ergänzung sämtlicher Festsetzungen eines
Bebauungsplans, sondern bezieht sich unter Ausschluss der Maßfestsetzungen
lediglich auf die Auswirkungen baulicher oder sonstiger Anlagen im Sinne der §§ 2 bis
14 BauNVO auf die Art der baulichen Nutzung im Plangebiet.
13
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2005 – 10 B 1269/04 –, BRS 69 Nr. 89;
Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 74 Rn. 104a.
14
In Anwendung dieser Grundsätze besteht im Falle der Wirksamkeit des
Bebauungsplans Nr. 73 A, 5. Änderung kein nachbarliches Abwehrrecht der
15
Antragsteller gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen, weil die Baugenehmigung
vom 3. Juli 2009 den Festsetzungen dieses Bebauungsplans entspricht und hinsichtlich
des durch das Vorhaben ausgelösten Ziel- und Quellverkehrs eine Anwendung des §
15 Abs. 1 BauNVO ausscheidet. Denn der Aspekt der zusätzlichen Verkehrsbelastung
und ihrer Zumutbarkeit für die Anlieger der südlichen Cstraße ist bereits im Verfahren
zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans untersucht worden und in
den diesbezüglichen Abwägungsvorgang eingeflossen. Im Übrigen ist – wie noch
darzulegen sein wird – der durch das Vorhaben der Beigeladenen hervorgerufene
Verkehr den Antragstellern nicht unzumutbar.
Wenn man zugunsten der Antragsteller eine Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 73
A, 5. Änderung annimmt, folgt daraus nicht zwangsläufig die (Nachbar-)Rechtswidrigkeit
der Baugenehmigung vom 3. Juli 2009. Vielmehr ist die Baugenehmigung dann in
planungsrechtlicher Hinsicht an § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem am 21.
September 1988 vom Rat der Stadt I beschlossenen und im Januar 1989 in Kraft
getretenen Bebauungsplan Nr. 73 A, 1. Änderung zu messen. Denn der Bebauungsplan
Nr. 73 A, 5. Änderung vermag im Falle seiner Unwirksamkeit für seinen räumlichen
Geltungsbereich, der einen Ausschnitt des räumlichen Geltungsbereiches des
Bebauungsplans Nr. 73 A, 1. Änderung darstellt, den zuletzt genannten Bebauungsplan
nicht zu verdrängen.
16
Wenn eine Gemeinde ihre frühere Bauleitplanung ändert, insbesondere einen
Bebauungsplan durch einen neuen ersetzt, so verliert die frühere Rechtslage ihre
Verbindlichkeit, weil nach einem gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssatz die
spätere Norm die frühere verdrängt. Entfällt wegen der Unwirksamkeit der späteren
Norm die Möglichkeit der Normenkollision, dann kann die Rechtsfolge der Derogation
des früheren Rechts nicht eintreten und gilt die alte Rechtsnorm unverändert fort. Anders
verhält es sich nur dann, wenn die Gemeinde neben der Änderung oder Ersetzung ihres
Bebauungsplans gleichzeitig hinsichtlich früherer bauplanerischer Festsetzungen einen
– im textlichen Teil des Plans zum Ausdruck gebrachten – Aufhebungsbeschluss
gefasst hat, der erkennen lässt, dass die Festsetzungen des früheren Bebauungsplans
auf jeden Fall – und sei es bei Unwirksamkeit der Festsetzungen des neuen
Bebauungsplans auch ersatzlos – beseitigt werden sollen.
17
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. August 1990 – 4 C 3.90 –, BRS 50 Nr. 2.
18
Da die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 73 A, 5. Änderung keinen
Beschluss enthalten, wonach für den räumlichen Geltungsbereich dieses Plans der
Bebauungsplan Nr. 73 A, 1. Änderung aufgehoben wird, gilt für diesen Bereich der
zuletzt genannte Bebauungsplan im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr.
73 A, 5. Änderung unverändert fort.
19
In Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die einem Dritten
erteilte Baugenehmigung ist grundsätzlich von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden
Bebauungsplans auszugehen, es sei denn, dieser wäre offensichtlich unwirksam.
20
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Dezember 2006 – 7 B 2193/06 –, BRS 70 Nr.
181, vom 27. Oktober 2008 – 7 B 1368/08 –, juris, Rn. 33, und vom 19. Januar 2009 –
10 B 1687/08 –, NWVBl. 2009, S. 356.
21
Danach ist im vorliegenden Verfahren von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 73
22
A, 1. Änderung auszugehen, weil Umstände, die dessen Unwirksamkeit begründen
könnten, weder offensichtlich noch von den Antragstellern vorgetragen worden sind.
In Anwendung der oben dargelegten Grundsätze zum Nachbarschutz im Rahmen des
§ 30 Abs. 1 und 2 BauGB besteht auch dann kein nachbarliches Abwehrrecht der
Antragsteller gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen, wenn der Bebauungsplan Nr.
73 A, 5. Änderung unwirksam und die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens
daher am Bebauungsplan Nr. 73 A, 1. Änderung zu messen ist. Denn die
Baugenehmigung vom 3. Juli 2009 ist nicht unter Verstoß gegen nachbarschützende
Festsetzungen des zuletzt genannten Bebauungsplans erteilt worden, und von dem
genehmigten Vorhaben gehen im Hinblick auf den dadurch ausgelösten Verkehr auch
keine Belästigungen oder Störungen aus, die nach der Eigenart des Baugebiets für die
Antragsteller als Eigentümer bzw. Nießbraucher des Grundstücks Cstraße 23
unzumutbar sind.
23
Der Bebauungsplan Nr. 73 A, 1. Änderung weist das Baugrundstück nach der Art der
baulichen Nutzung als Kerngebiet (MK) aus. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der
Baunutzungsverordnung in der bei Aufstellung und Inkrafttreten des Bebauungsplans
Nr. 73 A, 1. Änderung geltenden Fassung vom 15. September 1977 (BauNVO 1977)
sind in Kerngebieten unter anderem Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude sowie
Einzelhandelsbetriebe zulässig, so dass das genehmigte Bauvorhaben
(Sparkassenzentrum mit Verkaufsstätte) hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung den
Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 73 A, 1. Änderung entspricht. Auch die
genehmigte Tiefgarage ist im Kerngebiet grundsätzlich zulässig (vgl. § 12 Abs. 1
BauNVO 1977); der Bebauungsplan Nr. 73 A, 1. Änderung enthält insoweit für das
Baugrundstück keine einschränkenden oder konkretisierenden Festsetzungen gemäß §
9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB oder § 12 Abs. 4, 5 und 6 BauNVO 1977.
24
Soweit das Bauvorhaben der Beigeladenen den Festsetzungen des Bebauungsplans
Nr. 73 A, 1. Änderung betreffend die überbaubare Grundstücksfläche widerspricht,
indem das Gebäude möglicherweise die festgesetzte Baugrenze überschreitet, ergibt
sich daraus kein nachbarlicher Abwehranspruch der Antragsteller, weil diese
Festsetzung keinen Nachbarschutz vermittelt. Setzt ein Bebauungsplan gemäß § 23
BauNVO durch Baugrenzen überbaubare Grundstücksflächen fest, kommt diesen
Festsetzungen noch nicht aus sich heraus und kraft Bundesrechts nachbarschützende
Funktion zu. Ob solche Festsetzungen auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des
Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab.
25
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1995 – 4 B 215.95 –, BRS 57 Nr. 219.
26
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung einer den Umrissen des damaligen
Gebäudes der Stadtsparkasse entsprechenden Baugrenze durch den Bebauungsplan
Nr. 73 A, 1. Änderung nach dem Willen des Plangebers nachbarschützende Wirkung
haben sollte, ergeben sich aus der Planbegründung nicht und sind auch im Übrigen
nicht erkennbar.
27
Im Hinblick auf den durch das Vorhaben ausgelösten Ziel- und Quellverkehr in der
südlichen Cstraße verstößt die Baugenehmigung vom 3. Juli 2009 nicht gegen das
bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Insoweit bleibt Raum für die
Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO, weil der in Rede stehende Belang, nämlich der
Schutz der Anlieger der Cstraße vor unzumutbaren Beeinträchtigungen durch den Zu-
28
und Abgangsverkehr (insbesondere der Tiefgarage), nicht in der die
Bebauungsplanfestsetzungen tragenden Abwägung aufgegangen und das Gebot der
Rücksichtnahme nicht "aufgezehrt" ist. Denn der Bebauungsplan Nr. 73 A, 1. Änderung
enthält – im Unterschied zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 73 A, 5.
Änderung – keine Festsetzung betreffend die Zulässigkeit einer Tiefgarage auf dem
Grundstück Nstraße 44-48, so dass bei seiner Aufstellung der Aspekt einer zusätzlichen
Verkehrsbelastung der Cstraße durch eine Tiefgarage auf dem Grundstück der
Beigeladenen nicht zu berücksichtigen war und die diesbezüglichen Belange der
Anlieger der Cstraße demzufolge – anders als bei der 5. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 73 A – nicht in die Abwägung eingestellt werden mussten und
auch nicht eingestellt worden sind.
Bei der im vorliegenden Verfahren möglichen Prüfung kann nicht festgestellt werden,
dass der durch die Errichtung und Nutzung eines Sparkassenzentrums mit
Verkaufsstätte und eingeschossiger öffentlicher Tiefgarage (92 Stellplätze) auf dem
Baugrundstück hervorgerufene Verkehr zu Belästigungen oder Störungen führen wird,
die für die Antragsteller als Eigentümer bzw. Nießbraucher des Grundstücks Cstraße 23
unzumutbar sind.
29
Hinsichtlich des Umfangs der Beeinträchtigungen geht die Kammer etwa von einer
Verdoppelung des Verkehrsaufkommens in der südlichen Cstraße aus, das nach
Fertigstellung des Bauvorhabens und Aufnahme der genehmigten Nutzungen bei
maximal 2.900 Fahrzeugbewegungen täglich liegen wird, während es vor dem Abriss
des alten Sparkassengebäudes bei ungefähr 1.400 Fahrzeugbewegungen täglich
gelegen hat.
30
Dass die Verkehrsbelastung der Cstraße im Abschnitt zwischen dem Beginn der
Fußgängerzone südlich der J und der Kreuzung Cstraße/ C1 Straße bisher etwa 1.400
Kfz pro Tag betragen hat, ergibt sich aus der Verkehrsuntersuchung zum Bauvorhaben
Sparkassenneubau in I der C2 Ingenieurgesellschaft vom 29. Juni 2007 (im Folgenden:
Verkehrsgutachten 2007) und aus mehreren Verkehrserhebungen des Antragsgegners.
Ausweislich des Verkehrsgutachtens 2007 wurde in der Cstraße am 19. Juni 2007 für
beide Fahrtrichtungen getrennt die Stundengruppe 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr erhoben, um
Aussagen über die Tagesbelastungen mit Hilfe der Faktoren aus dem Handbuch für die
Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (hrsg. von der Forschungsgesellschaft für
Straßen und Verkehrswesen, Ausgabe 2001) ableiten zu können. Auf dieser Grundlage
ergibt sich ein durchschnittliches tägliches Verkehrsaufkommen im Bestand für beide
Fahrtrichtungen zusammen von 1.512 Kfz/d (Verkehrsgutachten 2007, S. 6). Die
Einwände der Antragsteller gegen diese Ermittlung der vorhandenen Verkehrsbelastung
greifen im Wesentlichen nicht durch.
31
Zunächst verweisen die Antragsteller unter Vorlage von Schreiben des Antragsgegners
aus dem Jahr 1999 und einer Beschlussvorlage vom 30. März 2006 auf
Verkehrszählungen, die der Antragsgegner im Oktober 1998 sowie im März 2006 in der
Cstraße durchgeführt hat und zu dem Ergebnis geführt haben, dass in der Summe
beider Fahrtrichtungen täglich ca. 1.000 Kfz (Oktober 1998) bzw. ca. 1.275 Kfz (März
2006) den südlichen Abschnitt der Cstraße befahren. Während diese
Verkehrserhebungen mit Radarmesssystemen über einen Zeitraum von mehreren
Tagen durchgeführt worden seien, hätten die Mitarbeiter der C2 Ingenieurgesellschaft
ihre Daten in einem viel zu kurzen Zeitintervall und mit nicht objektivierbarer
Messmethode erhoben. Dieser Einwand stellt die Richtigkeit der dem
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Verkehrsgutachten 2007 zugrunde liegenden Bestandsermittlung nicht prinzipiell in
Frage, sondern rechtfertigt allenfalls eine Relativierung dahingehend, dass die bisherige
Verkehrsbelastung der Cstraße sich in einem Bereich von 1.300 bis 1.500 Kfz pro Tag
bewegt, so dass die Zugrundelegung eines Mittelwertes von 1.400 Kfz/d gerechtfertigt
erscheint.
Die im Oktober 1998 vom Antragsgegner ermittelten Zahlen können zur Beschreibung
der Verkehrssituation in den Jahren 2007/2008 nicht herangezogen werden; denn eine
deutliche Zunahme des Verkehrs ergibt sich bereits aus den im März 2006 erhobenen
Werten. Bei einer im November 2005 vom Antragsgegner durchgeführten
Verkehrszählung sind sogar für einen Zeitraum von 24 Stunden 1.420 Kfz ermittelt
worden (vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 15. Oktober 2009). Für diesen Zuwachs hat
der Antragsgegner im Erörterungstermin am 28. September 2009 auch nachvollziehbare
Gründe genannt, nämlich das spätere Hinzukommen der Nutzungen der Commerzbank
und des Textileinzelhandels in der südlichen Cstraße (Fußgängerzone) sowie der
Tiefgaragen in der L-Straße. In der Stellungnahme des Planungs- und
Vermessungsamtes vom 9. Oktober 2009 wird ergänzend darauf hingewiesen, dass der
Gebäudekomplex Cstraße 1-3 / Nstraße 50-52 sowie Teile der Wohnbebauung an der
L-Straße im Zeitraum 1997/98 gebaut worden seien und dass Baustellen erhebliche
(reduzierende) Auswirkungen auf Verkehrsbewegungen hätten. Berücksichtigt man
außerdem noch den allgemeinen Trend eines ständigen Anstiegs des Kfz-Verkehrs, so
erscheint die Zunahme des Verkehrs in der Cstraße seit 1998 ohne weiteres plausibel.
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Die Differenz zwischen den im März 2006 vom Antragsgegner und im Juni 2007 von der
C2 Ingenieurgesellschaft ermittelten Verkehrszahlen mag darauf zurückzuführen sein,
dass das Verkehrsaufkommen bei der Messung im März 2006 unterdurchschnittlich
niedrig und/oder bei der Erhebung am 19. Juni 2007 überdurchschnittlich hoch war. Die
Kammer hat jedenfalls keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass bei der
Verkehrserhebung am 19. Juni 2007 – wie im Gutachten wiedergegeben – 201 Kfz/4 h
für die Fahrtrichtung Nord-Süd und 210 Kfz/4 h für die Fahrtrichtung Süd-Nord gezählt
worden sind. Dabei soll nicht ausgeschlossen werden, dass versehentlich einzelne
Fahrzeuge nicht oder andere doppelt gezählt worden sind; derartige Fehler fallen aber
nicht nennenswert ins Gewicht. Die Hochrechnung dieser für den Zeitraum von 15.00
Uhr bis 19.00 Uhr ermittelten Werte auf das durchschnittliche tägliche
Verkehrsaufkommen mit Hilfe der Faktoren aus dem genannten Handbuch für die
Bemessung von Straßenverkehrsanlagen begegnet ebenfalls keinen Bedenken und
wird von den Antragstellern auch nicht substantiiert angegriffen.
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Nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist lediglich der Einwand, der
Erhebungszeitraum von 4 Stunden an einem Tag sei zu kurz, weil die Gefahr bestehe,
dass eine außergewöhnlich hohe Verkehrsbelastung in diesem Zeitintervall das
Ergebnis verfälsche. Der Umstand, dass die Verkehrsgutachter selbst an einem anderen
Tag (23./30. Mai 2007) für die Stunde von 16.00 Uhr bis 17.00 Uhr ein geringeres
Verkehrsaufkommen ermittelt haben, nämlich 40 in die südliche Cstraße hineinfahrende
Kfz und 37 herausfahrende Kfz (vgl. Verkehrsgutachten 2007, S. 5 und Anlage 2.1.2),
begründet zumindest den Verdacht, dass am Nachmittag des 19. Juni 2007 die Zahl der
Verkehrsbewegungen in der Cstraße – aus welchen Gründen auch immer
(möglicherweise wegen des bevorstehenden Beginns der Schulferien am 21. Juni 2007)
– überdurchschnittlich hoch gewesen ist. Von daher und mit Blick auf die vom
Antragsgegner im November 2005 und März 2006 erhobenen Daten betrachtet die
Kammer die im Verkehrsgutachten 2007 ermittelte Zahl von 1.500 Kfz als einen oberen
35
Wert und hält es für sachgerecht, aus den für die Jahre 2005, 2006 und 2007
vorliegenden Verkehrszahlen (1.420, 1.275, 1.500) einen Mittelwert zu bilden, so dass
sich ein durchschnittliches tägliches Verkehrsaufkommens von etwa 1.400 Kfz ergibt.
Dieses Ergebnis wird durch die im Ortstermin am 28. September 2009 getroffene
Feststellung, dass auf der Cstraße in der Zeit von 11.00 Uhr bis 11.45 Uhr kaum
Kraftfahrzeugverkehr stattgefunden hat, nicht in Frage gestellt. Eine vom Antragsgegner
am 1./2. und 6./7. Oktober 2009 durchgeführte Verkehrszählung hat ergeben, dass die
südliche Cstraße in einem Zeitraum von 24 Stunden von ca. 900 Kfz befahren worden
ist, die Verkehrsbelastung also deutlich geringer ist als in den Jahren 2005 bis 2007.
Dieser Rückgang lässt sich zwanglos dadurch erklären, dass das alte
Sparkassengebäude im Herbst/Winter 2008/2009 abgerissen worden und damit der
durch diese Nutzung in der südlichen Cstraße hervorgerufene Verkehr weggefallen ist.
Eine Größenordnung von bis zu 500 Kfz/d für den sparkassenbezogenen Verkehr
erscheint durchaus realistisch. Auch die Antragsteller machen geltend, dass in der
Vergangenheit viele Kunden der Sparkasse, die das alte Gebäude zur Erledigung von
Bankgeschäften aufgesucht haben, mit dem Kraftfahrzeug in die Cstraße hineingefahren
sind und dort gehalten oder – verbotswidrig – geparkt haben. Der Hinweis des
Antragsgegners auf die "abschreckende Wirkung einer ortsbekannten Großbaustelle"
als weitere Erklärung für die derzeit geringere Verkehrsbelastung ist ebenfalls
überzeugend. Das Ergebnis der jüngsten Verkehrszählung fügt sich somit in die Reihe
der früheren Erhebungen stimmig ein und steht mit dem im Ortstermin gewonnenen
Eindruck einer derzeit geringen Verkehrsbelastung der Cstraße in Einklang, wobei
insoweit auch zu berücksichtigen ist, dass am späten Vormittag weder Anlieferverkehr
für die Geschäfte in der Fußgängerzone noch Berufsverkehr durch die Anlieger der
Cstraße und L-Straße in nennenswertem Umfang stattfindet.
36
Der weitere Einwand der Antragsteller, die bisherige Verkehrsbelastung der Cstraße sei
mit nur 400-500 Fahrten täglich anzusetzen, weil ca. 1.000 Fahrten
verkehrsordnungswidrig stattfänden ("irregulärer Verkehr") und daher aus
Rechtsgründen nicht zu berücksichtigen seien, hat keine Berechtigung. Diese 1.000
"ordnungswidrigen" Fahrten werden dem Vorbringen der Antragsteller zufolge durch
Kunden der Sparkasse und Besucher der im Bereich südliche Cstraße / Nstraße in der
Fußgängerzone gelegenen Einzelhandelsgeschäfte (Marktpassage, Jgalerie,
Cpassage) verursacht, die mit ihren Kfz in die Cstraße hineinfahren und dort anhalten
oder parken, obwohl das verboten sei. Auch das Verkehrsgutachten 2007 verzeichnet
"mitunter" Falschparker in der Cstraße, die "insbesondere für kurze Erledigungen
verbotswidrig – auch im Wendebereich – halten" (S. 4). Weiter wird ausgeführt, bereits
heute werde beobachtet, dass zahlreiche Kunden der Sparkasse im Bereich der
Cstraße kurz hielten, z.B. wenn sie lediglich Bargeld aus dem Bankautomaten holten,
und dass Fahrer ihre Mitfahrer an der Sparkasse hätten aussteigen lassen, bevor das
Fahrzeug auf einen Stellplatz gefahren worden sei (S. 17). Nach diesen Erkenntnissen
und auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist zwar davon auszugehen, dass die
Sparkasse und die umliegenden Einzelhandelsgeschäfte bereits in der Vergangenheit
nicht unerheblichen Kfz-Verkehr in der südlichen Cstraße verursacht haben. Die von
den Antragsteller genannte Größenordnung von 1.000 "irregulären" Fahrten ist aber
deutlich zu hoch gegriffen, wie die Verkehrszählung von Oktober 2009 zeigt, der zufolge
die derzeitige Belastung trotz Wegfalls des Sparkassenverkehrs noch bei 900 Kfz liegt.
Vor allem trifft die Bewertung der Antragsteller, der durch die Sparkasse und die
Geschäfte in der Fußgängerzone verursachte Verkehr sei insgesamt ordnungswidrig
bzw. irregulär, ebenso wenig zu wie ihre Auffassung, nur der um die irregulären Fahrten
37
bereinigte Verkehr sei für die Ermittlung der Vorbelastung rechtserheblich.
Nach dem vom Antragsgegner vorgelegten Beschilderungsplan und den im Ortstermin
getroffenen Feststellungen unterliegt die Einfahrt in die südliche Cstraße keinen
verkehrsrechtlichen Beschränkungen. An der Einmündung der südlichen Cstraße in die
C1 Straße ist das Verkehrszeichen 357 ("Sackgasse") mit dem Zusatzzeichen "keine
Wendemöglichkeit" angebracht, das das Hineinfahren in die Cstraße nicht untersagt
oder einschränkt. Insoweit ist es nicht ordnungswidrig, wenn ein Kraftfahrzeugführer in
die Cstraße hineinfährt und – etwa nachdem er festgestellt hat, dass dort kein
Parkmöglichkeiten vorhanden sind – wieder herausfährt. Es ist auch nicht im gesamten
Bereich der Cstraße ordnungswidrig, wenn ein Fahrzeugführer kurz anhält, um einen
Mitfahrer aussteigen zu lassen, und dann das Kfz auf einen Stellplatz fährt.
Ordnungswidrig ist ein solches Verhalten nur in den Bereichen, in denen durch das
Verkehrszeichen 283 ein absolutes Haltverbot angeordnet ist, nämlich vor den Häusern
Cstraße 27-29, auf der östlichen Straßenseite und auf der Jbrücke. Das an der
Einmündung der südlichen Cstraße in die C1 Straße angebrachte Verkehrszeichen 290
("eingeschränktes Haltverbot für eine Zone") verbietet – lediglich – das Halten auf der
Fahrbahn über 3 Minuten, ausgenommen zum Ein- oder Aussteigen oder zum Be- oder
Entladen (vgl. § 41 Abs. 2 Nr. 8 der Straßenverkehrsordnung). Angaben darüber, wie
viele Fahrzeugführer sich demnach tatsächlich ordnungswidrig verhalten, indem sie z.B.
ihr Kfz im absoluten Haltverbot abstellen, haben die Antragsteller nicht gemacht.
Verkehrsordnungswidrig ist in diesen Fällen im Übrigen nur das Halten bzw. Parken,
nicht hingegen das Befahren der Cstraße. Die Auffassung der Antragsteller, ca. 1.000
Fahrten täglich auf der Cstraße seien irregulär, ist somit bereits aus tatsächlichen und
rechtlichen Gründen unzutreffend.
38
Die Kammer teilt auch nicht die Rechtsansicht der Antragsteller, irregulärer Verkehr sei
nicht als Vorbelastung zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der
angegriffenen Baugenehmigung kommt es darauf an, in welchem Umfang das
Vorhaben der Beigeladenen die vor seiner Ausführung in der südlichen Cstraße
vorhandene Verkehrssituation verändert und welche zusätzlichen Belastungen es für
die Anlieger mit sich bringt. Zu diesem Zweck ist die vor dem Abriss des alten
Sparkassengebäudes vorgefundene Situation zu ermitteln und diesem Ist-Zustand der
nach Fertigstellung des Vorhabens voraussichtlich eintretende Plan-Zustand
(Prognose) gegenüberzustellen. Bei dem Ist-Zustand handelt es sich um die vor dem
Beginn der Abbrucharbeiten tatsächlich bestehenden Verhältnisse und nicht um eine
fiktive Situation, die sich ergäbe, wenn alle Verkehrsteilnehmer die
Straßenverkehrsordnung strikt beachteten. Die Ermittlung dieses Idealzustandes stieße
bereits auf erhebliche praktische Schwierigkeiten, weil dann die Fahrzeuge, die
verbotswidrig in der Cstraße halten oder parken, separat erfasst und von der
Gesamtzahl der Kfz abgezogen werden müssten. Vor allem aber widerspricht eine
solche Differenzierung zwischen ordnungsgemäßem und ordnungswidrigem
Verkehrsverhalten dem Sinn und Zweck einer Bestandserhebung, die eine Situation so
erfassen soll, wie sie sich tatsächlich darstellt, und nicht so, wie sie sich darstellte, wenn
sich alle Beteiligten gesetzeskonform verhielten. Hier jedenfalls manifestiert sich eine
verkehrliche Situation, die nicht vornehmlich durch Verkehrsverstöße gekennzeichnet
und deshalb als städtebaulich prägend im Sinne einer relevanten Vorbelastung des
Bereichs zu berücksichtigen ist.
39
Bei der gebotenen Prüfung geht die Kammer weiter davon aus, dass sich durch den
Ziel- und Quellverkehr des Bauvorhabens die durchschnittliche tägliche
40
Verkehrsbelastung der südlichen Cstraße um höchstens 1.500 Fahrten auf 2.900
Fahrten erhöhen wird. Das Ergebnis der gutachterlichen Stellungnahme der C2
Ingenieurgesellschaft zur Baugenehmigung Neubau Sparkasse I vom 29. Juni 2009 (im
Folgenden: Verkehrsgutachten 2009), wonach ein Anwachsen der Tagesbelastung
(Querschnitt) der Cstraße von im Bestand rund 1.500 Kfz/d auf rund 2.375 Kfz/d im
Planfall – mithin um 875 Kfz/d – erwartet wird, hält die Kammer nicht für plausibel, weil
dieses Ergebnis maßgeblich auf einer für die Beigeladenen günstigen Annahme beruht,
die nicht nachvollziehbar begründet worden ist.
Das Verkehrsgutachten 2009 ermittelt – ebenso wie bereits das Verkehrsgutachten
2007 – zunächst mit Hilfe einer Verkehrserzeugungsberechnung das
Verkehrsaufkommen der durch die genehmigten Nutzungen (Sparkasse,
Textileinzelhandel) erzeugten Fahrten, wobei die Parameter für diese Berechnung dem
Heft 42 der Schriftenreihe der Hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung "Integration
von Verkehrsplanung und räumlicher Planung, Teil 2: Abschätzung der
Verkehrserzeugung durch Vorhaben der Bauleitplanung", Wiesbaden, 2000 (Nachdruck
2005) – im Folgenden: Hessischer Leitfaden – entnommen werden (S. 4 des Gutachtens
2009 sowie Anlagen 3.1 und 3.2). Grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendung
dieser in der Praxis verbreiteten Berechnungsmethode sind weder von den
Antragstellern vorgebracht worden noch sonst ersichtlich.
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Die Verkehrserzeugungsberechnung in den Verkehrsgutachten 2007 und 2009
differenziert sowohl bei der Sparkasse als auch beim Textilgeschäft zwischen
Berufsverkehr (Verkehr der Beschäftigten), Wirtschafts-/Lieferverkehr sowie Kunden-
bzw. Besucherverkehr, wobei auf letzteren der deutlich größte Anteil entfällt. Hinsichtlich
der Sparkasse ist die Differenzierung zwischen Berufs- und Besucherverkehr zwar im
Hessischen Leitfaden nicht vorgesehen (vgl. Abschnitt 3.2, S. 32 ff.), erscheint aber im
vorliegenden Fall sachgerecht, da den Verkehrsgutachtern Angaben der Beigeladenen
zur Beschäftigtenzahl (ca. 70 Mitarbeiter) und zum Kundenaufkommen (500-1.000
Kunden pro Tag) vorlagen, die eine differenzierte und genauere Berechnung
ermöglichten. Bei der Ermittlung des Besucherverkehrs der Sparkasse sind die
Gutachter danach von einer mittleren Kundenzahl von 750 Kunden pro Tag und bei der
Ermittlung des Kundenverkehrs des Textilhandels auf der Grundlage einer
Verkaufsfläche von 3.723 m² und eines Faktors von 0,2 Kunden pro m² Verkaufsfläche
(vgl. Hessischer Leitfaden, S. 49) von 745 Kunden pro Tag ausgegangen (für Montag
bis Freitag). Sodann haben die Gutachter bei beiden Nutzungen an den genannten
Werktagen unter Bezugnahme auf den in Abschnitt 3.3.4 des Hessischen Leitfadens (S.
52 f.) beschriebenen Mitnahme- und Verbundeffekt einen Synergieeffekt von 20 % in
Ansatz gebracht; das erscheint unter Berücksichtigung der hierfür in der Stellungnahme
vom 15. September 2009 gegebenen Begründung plausibel.
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Nicht plausibel ist hingegen die bei der Berechnung des Kunden-/Besucherverkehrs der
Sparkasse und des Textilhandels jeweils zugrunde gelegte Annahme eines MIV-Anteils
von 40 % (MIV = motorisierter Individualverkehr), worauf die Antragsteller zu Recht
hinweisen. Der Hessische Leitfaden nennt für gewerbliche Nutzungen, wozu auch
Finanzdienstleistungen gehören, einen MIV-Anteil von 30-90 % (Abschnitt 3.2.3, S. 40)
und für Textilmärkte einen MIV-Anteil von 60-90 % (Abschnitt 3.3.4, S. 52). Der von den
Gutachtern angenommene Wert liegt hinsichtlich der Sparkasse im unteren Bereich der
im Hessischen Leitfaden angegebenen Spanne und hinsichtlich des
Textileinzelhandels sogar deutlich unterhalb des unteren Grenzwertes. Für diese
Abweichungen fehlt es an einer überzeugenden Begründung. Der zuständige
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Projektleiter der C2 Ingenieurgesellschaft hat insoweit in seiner Stellungnahme vom 15.
September 2009 bezüglich der Sparkasse ausgeführt, sie hätten einen MIV-Anteil von
40 % unterstellt, der beispielsweise auch für Kundenverkehre aus vergleichbaren
innerstädtischen Lagen in I (Am L1) mit der Stadt I abgestimmt gewesen sei; dabei seien
die gute ÖPNV-Anbindung, kurze Wege zu bestehenden Wohnnutzungen und das
begrenzte Parkraumangebot als eher reduzierend hinsichtlich des MIV-Anteils gewertet
worden. Bezüglich des Textileinzelhandels wird ausgeführt, der angesetzte MIV-Anteil
von 40 % weiche vom Literaturwert ab, da dieser Wert aus vorangegangenen
Untersuchungen mit der Stadt I abgestimmt gewesen sei und die Nutzung ebenso
innenstadtnah liege.
Bei den angesprochenen Untersuchungen handelt es sich um Ermittlungen im Rahmen
der Erstellung des Verkehrsentwicklungsplanes 2004, wie der Antragsgegner im
Erörterungstermin erklärt und in der Stellungnahme seines Planungs- und
Vermessungsamtes vom 9. Oktober 2009 näher dargelegt hat. Seinen Angaben zufolge
sind durch aufwendige Zählungen und Befragungen folgende Daten hinsichtlich des
Binnenverkehrs (also des Verkehrs, der sich innerhalb der Ier Stadtgrenzen abspielt)
ermittelt worden: 50 % der Verkehrsteilnehmer nehmen das Fahrrad oder gehen zu Fuß,
37 % nehmen den Pkw, 8 % sind Pkw-Mitfahrer, 5 % nehmen den ÖPNV. Ebenso sei
ermittelt worden, dass die Verkehrsmittelwahl sich je nach Fahrtzweck unterscheide; der
Weg zur Arbeitsstelle werde mehr mit dem Pkw zurückgelegt, während im
Einkaufsverkehr die Wege mehr mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt würden.
Auch der Anteil der ÖPNV-Nutzer steige deutlich an, wenn das Fahrtziel die
Fußgängerzone sei. Die geringe räumliche Ausdehnung der Ier Innenstadt und die
daraus resultierende gute Erreichbarkeit für Fußgänger und Radler sowie die gute
Anbindung aller Bereiche der Innenstadt an das ÖPNV-Netz und die
Parkraumbewirtschaftung im Umfeld der Fußgängerzone führten dazu, dass der MIV bei
der Verkehrsmittelwahl hier nicht dominiere.
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Diese Erkenntnisse können die Annahme eines MIV-Anteils von 40 % für den
Besucherverkehr der Sparkasse und des Textilhandels nicht rechtfertigen. Zunächst
müssen auch die Pkw-Mitfahrer berücksichtigt werden, so dass sich auf der Grundlage
der Ermittlungen des Antragsgegners ein Anteil von 45 % ergibt; denn der Umstand,
dass einige Kunden und Besucher nicht mit dem eigenen Pkw fahren, sondern Mitfahrer
in einem anderen Pkw sind, fließt in die Verkehrserzeugungsberechnung durch den
Faktor "Pkw-Besetzungs-grad" ein, der mit 1,1 (Sparkasse) bzw. 1,35 (Textil) angesetzt
wird. Ferner wird das Parkraumangebot, dessen Begrenztheit sich nach Auffassung der
Gutachter reduzierend auf den MIV-Anteil auswirkt, durch die zum Bauvorhaben
gehörende Tiefgarage ausgeweitet. Das Vorhandensein von Parkplätzen im Gebäude
selbst stellt einen Anreiz für die Besucher der Sparkasse und des Textilgeschäftes dar,
mit dem Pkw zu kommen, auch wenn sie eine Parkgebühr entrichten müssen. Vor allem
aber beziehen sich die vom Antragsgegner erhobenen Daten nur auf den
Binnenverkehr, also solche Verkehrswege, deren Ausgangs- und Zielpunkt innerhalb
der Ier Stadtgrenzen liegt. Das trifft auf den durch die Nutzungen im Bauvorhaben der
Beigeladenen ausgelösten Verkehr nicht zu.
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Da im Bauvorhaben ausweislich der Betriebsbeschreibung die Hauptgeschäftsstelle der
Beigeladenen, die eine gemeinsame Einrichtung dreier Städte ist, untergebracht werden
soll, muss davon ausgegangen werden, dass sie eine nicht unerhebliche Anzahl von
Besuchern aus S, W oder anderen Orten außerhalb der Ier Stadtgrenzen anzieht. Das
gilt in noch höherem Maße für das Textilgeschäft. Die Verträglichkeitsanalyse der BBE
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Unternehmensberatung von Mai 2007, die im Rahmen der Aufstellung des
Bebauungsplans Nr. 73 A, 5. Änderung erstellt worden ist, legt dar, dass nach der
geplanten Verlagerung und Erweiterung das Bekleidungskaufhaus Q mit einer
Verkaufsfläche von rund 4.000 m² der mit Abstand größte Anbieter für Bekleidung in I
und im hier betrachteten Einzugsgebiet (I1, F, M sowie Teile von E und T) sein wird, und
prognostiziert, dass nur etwa ein Drittel des Umsatzes aus I selbst stammen wird,
zusätzlich etwa die Hälfte aus dem weiteren Einzugsgebiet (S. 21 f.). Kommt aber die
Mehrheit der Besucher von Q und ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Besucher
der Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse nicht aus I, sondern aus umliegenden Städten
und Gemeinden, so dürfen die vom Antragsgegner für den Ier Binnenverkehr ermittelten
Zahlen nicht zugrunde gelegt werden. So nachvollziehbar es einerseits sein mag, dass
50 % (oder mehr) der Besucher der Fußgängerzone, die in I wohnen, mit dem Fahrrad
oder zu Fuß in die Innenstadt kommen, so lebensfremd ist andererseits die Annahme,
dass auch 50 % der Besucher von Q aus T oder M den Weg in die Ier Fußgängerzone
mit dem Fahrrad oder sogar zu Fuß zurücklegen.
Da ein MIV-Anteil von 40 % somit nicht realistisch ist und konkrete Erkenntnisse
darüber, wie viele Besucher der Sparkasse und der bereits bestehenden Q-Filiale in I
tatsächlich mit dem Pkw kommen, nicht vorliegen, erscheint es der Kammer
sachgerecht, als MIV-Anteil jeweils den Mittelwert der im Hessischen Leitfaden
angegebenen Bandbreiten (60 bzw. 75 %) anzusetzen, zumal die Verkehrsgutachter
selbst bei anderen Parametern (z.B. Anzahl der Kunden pro m² Verkaufsfläche, Pkw-
Besetzungsgrad) den Mittelwert gewählt haben. Berechnet man den Besucherverkehr
der Sparkasse mit einem MIV-Anteil von 60 % und den Kundenverkehr des
Textileinzelhandels mit einem MIV-Anteil von 75 %, so ergibt sich – wenn die übrigen
Parameter unverändert bleiben – ein Tagesverkehrsaufkommen von 655 Fahrten
(Sparkassenbesucher) und 662 Fahrten (Textilkunden). Zuzüglich des Berufsverkehrs
und des Wirtschafts-/Lieferverkehrs beläuft sich das durch die vorhabenbezogenen
Nutzungen erzeugte Tagesverkehrsaufkommen dann auf 1.439 Fahrten (jeweils 720 im
Ziel- und Quellverkehr) und damit 528 Fahrten mehr als im Verkehrsgutachten 2009
errechnet (911 Fahrten, jeweils 456 Fahrten im Ziel- und Quellverkehr). Die davon
abweichende Verkehrserzeugungsberechnung für Samstage (Anlage 3.2 zum
Gutachten 2009) kann hier außer Betracht bleiben, weil das Verkehrsaufkommen im
Hinblick darauf, dass die Sparkasse samstags geschlossen ist, deutlich niedrigerer ist
als an den übrigen Werktagen.
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Muss mithin davon ausgegangen werden, dass die Zahl der durch die Nutzungen
Sparkasse und Textil erzeugten Fahrten um ca. 60 % höher liegt als von den
Verkehrgutachtern angenommen, so dürfte sich auch die Zahl der für die Besucher der
Sparkasse und des Textilgeschäfts erforderlichen Stellplätze in der Tiefgarage um etwa
60 % erhöhen. Das Verkehrsgutachten 2009 ermittelt diese Anzahl vor dem Hintergrund,
dass insbesondere von den Kunden dieser Nutzungen zu erwarten ist, dass sie die zum
Bauvorhaben zugehörige Tiefgarage nutzen werden, anhand der sogenannten
Tagesganglinie (vgl. hierzu Anlage 3.1 zum Gutachten 2007) und gelangt zu dem
Ergebnis, dass für die Besucher an Werktagen (außer Samstag) maximal – nämlich im
Spitzenstundenbereich zwischen 16 und 17 Uhr – 32 Stellplätze gleichzeitig benötigt
werden (Anlage 3.3). Dieser Stellplatzbedarf für Besucher erhöht sich bei einer
Steigerung von 60 % von 32 auf 51. Hinzu kommen die von den Beschäftigten der
Sparkasse und des Textilhandels in Anspruch genommenen Stellplätze, die das
Gutachten ebenfalls anhand einer Tagesganglinie (für den Berufsverkehr) ermittelt.
Während nach dem Gutachten 2007 maximal 28 Stellplätze gleichzeitig für Beschäftigte
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erforderlich sind, sollen es nach dem Gutachten 2009 nur 4 sein (s. jeweils Anlage 3.3),
weil wegen der in der Baugenehmigung vom 3. Juli 2009 festgelegten Öffnungszeiten
der Tiefgarage von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr 60 % der Beschäftigten nicht in der
Tiefgarage parken könnten (Gutachten 2009, S. 5 f.). Diese Annahme hält die Kammer
für wirklichkeitsfern, weil sie nicht berücksichtigt, dass der Beginn der Betriebszeit für
Sparkasse und Textilhandel ebenfalls auf 9.00 Uhr festgelegt ist, so dass diejenigen
Beschäftigten, die etwa aufgrund gleitender Arbeitszeit um 9.10 Uhr oder 9.15 Uhr ihre
Arbeit aufnehmen, die Tiefgarage durchaus nutzen können. Aus diesem Grund sind –
ungeachtet der Frage, wie realistisch die in der Baugenehmigung enthaltene
Festsetzung der Betriebszeiten überhaupt ist – mindestens 10 Stellplätze für
Beschäftigte in Ansatz zu bringen. Für die vorhabenbezogenen Nutzungen werden
somit im Minimum 61 Stellplätze in der Tiefgarage benötigt.
Die Antragsteller greifen diese Berechnung des Stellplatzbedarfs mit eingehenden
Erwägungen an und verweisen unter anderem auf alternative Berechnungsmethoden
(Studie von F1) sowie auf die Richtzahlen für den Stellplatzbedarf gemäß der Anlage zu
Nr. 51.11 der Verwaltungsvorschrift zur Bauordnung NRW, die jeweils einen deutlich
höheren Stellplatzbedarf für Sparkasse und Q ergäben. Diesen Einwänden braucht die
Kammer im vorliegenden Verfahren indes nicht nachzugehen, weil sie die Richtigkeit
der Annahme, das Bauvorhaben der Beigeladenen werde zu einer Zunahme des
Verkehrs in der südlichen Cstraße um maximal 1.500 Fahrten täglich führen, nicht in
Frage stellen. Denn je mehr Stellplätze die Besucher und Beschäftigten der im
Bauvorhaben untergebrachten Nutzungen benötigen, desto weniger Stellplätze stehen
für sonstige Nutzer (z. B. Besucher der Ier Fußgängerzone) zur Verfügung und desto
geringer ist das durch diese verursachte Verkehrsaufkommen. Geht man beispielsweise
davon aus, dass alle in der genehmigten Tiefgarage vorgesehenen Stellplätze (92) von
den Besuchern bzw. Kunden und Beschäftigten der Sparkasse und des
Textileinzelhandels in Anspruch genommen werden, so bedeutet das, dass für andere
Nutzer keine Stellplätze zur Verfügung stehen und das im Gutachten 2009 insoweit
veranschlagte Verkehrsaufkommen von 420 Fahrten/d (S. 6) entfällt. Es bliebe dann bei
dem durch die vorhabenbezogenen Nutzungen erzeugten Verkehrsaufkommen von
1.439 Fahrten/d, das sich bei Zugrundelegung eines MIV-Anteils von 60 % bzw. 75 %
nach der im übrigen nicht zu beanstandenden Verkehrserzeugungsberechnung ergibt.
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Sogar dann, wenn man – wie die Antragsteller – den Stellplatzbedarf für Sparkasse und
Q deutlich höher ansetzt als die Anzahl der in der Tiefgarage vorhandenen Stellplätze,
folgt daraus nicht, dass der Verkehr in der Cstraße um mehr als ca. 1.500 Fahrten
täglich zunehmen wird. Insoweit ist von Bedeutung, dass Gegenstand des
Durchführungsvertrages zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 73 A, 5.
Änderung nach § 1 Abs. 1 unter anderem die Einbindung der Tiefgarage in das
Parkleitsystem (Wechselwegweiser) ist; die Beigeladene hat sich zur Durchführung des
Vorhabens nach den Regelungen des Vertrages und zur Kostenübernahme verpflichtet,
wozu auch die Kosten für die Einbindung der öffentlichen Tiefgarage an das
Parkleitsystem gehören (§§ 4 Abs. 1, 9 Abs. 1 und Abs. 2 Buchstabe f) des
Durchführungsvertrages). Wird die Tiefgarage aber an das Parkleitsystem der Stadt I
angeschlossen, worauf auch der Antragsgegner hinweist, so ist bei realistischer
Betrachtung davon auszugehen, dass mit dem Pkw anreisende Besucher der
Sparkasse und des Textilgeschäfts gar nicht erst in die Cstraße hineinfahren, wenn
ihnen das Parkleitsystem bereits auf der C1 Straße anzeigt, dass diese Tiefgarage
besetzt ist. Vielmehr werden sie dann eine der anderen Tiefgaragen bzw. eines der
anderen Parkhäuser ansteuern, die in unmittelbarer Nähe der Fußgängerzone liegen
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(z.B. Am S1, O-Platz, Am L1) und von denen aus das Sparkassengebäude schnell zu
erreichen ist, zumal hinsichtlich der Höhe der Parkgebühren voraussichtlich kein
Unterschied bestehen wird und z.B. das Parkhaus "Am S1" noch erhebliche freie
Kapazitäten aufweist. Vor diesem Hintergrund würde ein möglicherweise
unzureichendes Stellplatzangebot in der zum Bauvorhaben gehörenden Tiefgarage
nicht dazu führen, dass sich in der Cstraße nennenswerte Staus von Pkw bilden, deren
Fahrer vor der besetzten Tiefgarage auf einen frei werdenden Stellplatz warten. Auch
eine erhebliche Zunahme des Parksuchverkehrs ist nicht zu erwarten, da die Pkw-
Fahrer lieber sogleich ein anderes der nahe gelegenen Parkhäuser aufsuchen werden,
statt in der Cstraße lange und aller Voraussicht nach vergeblich nach einem Parkplatz
zu suchen.
Nimmt man auf der Grundlage des Verkehrsgutachtens 2009 unter Berücksichtigung der
nach Auffassung des Gerichts – wie oben dargelegt – erforderlichen Korrekturen an,
dass mindestens 61 Stellplätze für die vorhabenbezogenen Nutzungen benötigt werden,
so verbleiben maximal 31 Stellplätze für sonstige Nutzer. Das Verkehrsaufkommen der
durch diese Stellplätze generierten Fahrten berechnen die Verkehrsgutachter mit Hilfe
eines für die benachbarte Tiefgarage "Am S1" ermittelten Umschlaggrades
(Stellplatzumschlag), der nach ihren Erhebungen und Berechnungen 2,25 beträgt und
den sie mit Rücksicht darauf, dass in der S1-Tiefgarage 142 von 371 vorhandenen
Stellplätzen an Dauerparker vermietet sind, um einen Sicherheitsaufschlag von einem
Drittel auf 3,0 erhöht haben (vgl. im Einzelnen Gutachten 2007, S. 10-17, sowie
Gutachten 2009, S. 4 und 6). Ob der von den Antragstellern mit großem mathematischen
und argumentativen Aufwand unternommene Versuch, die Fehlerhaftigkeit der von den
Gutachtern vorgenommenen Berechnung nachzuweisen, Erfolg hat, mag hier
dahingestellt bleiben. Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass der im
Gutachten zugrundegelegte Umschlagfaktor von 3,0 auf einem Berechnungsfehler
beruht und daher zu niedrig ist, und statt dessen – hoch gegriffen – einen
Stellplatzumschlag von 6,0 ansetzt, ändert dies nichts daran, dass der Verkehrszuwachs
in der Cstraße maximal 1.500 Fahrten betragen wird.
51
Bei einem Umschlagfaktor von 6,0 verursachen die 31 Stellplätze, die nicht von den
Besuchern und Beschäftigten der Sparkasse und des Textilhandels benötigt werden,
ein Verkehrsaufkommen von (31 Stellplätze x 6,0 Kfz/Stellplatz x 2 Fahrten/Kfz =) 372
Fahrten/d. Zusammen mit dem durch die vorhabenbezogenen Nutzungen erzeugten
Verkehrsaufkommen von 1.439 Fahrten/d ergibt sich somit Gesamtverkehrsaufkommen
der Tiefgarage von 1.811 Fahrten/d. Diese Tagesbelastung ist jedoch nicht in vollem
Umfang als Neuverkehr in der Cstraße zu werten, weil nach den Beobachtungen der
Gutachter und auch nach dem Vorbringen der Antragsteller bereits in der Vergangenheit
nicht nur die Beschäftigten der Sparkasse die Cstraße befahren haben, um ihre in der
alten Tiefgarage gelegenen Stellplätze zu erreichen, sondern auch zahlreiche Kunden
der Sparkasse mit dem Pkw in die Cstraße hineingefahren sind und dort kurzzeitig
gehalten haben, um etwa Bargeld aus dem Geldautomaten zu holen. Diesen schon
bisher vorhandenen "Sparkassenverkehr" haben die Verkehrsgutachter mit ca. 400
Fahrten (Gutachten 2007, S. 17) bzw. 375 Fahrten (Gutachten 2009, S. 8) beziffert und
von dem errechneten Verkehrsaufkommen abgezogen. Das ist weder im Grundsatz
noch der Höhe nach zu beanstanden. Die vom Antragsgegner im Oktober 2009
durchgeführte Verkehrszählung hat gezeigt, dass die Verkehrsbelastung der Cstraße
nach dem Abriss des alten Sparkassengebäudes um ca. 500 Fahrten/d gesunken ist,
was jedenfalls zum größten Teil auf den Wegfall des "Sparkassenverkehrs"
zurückzuführen ist. Dem Vorbringen der Antragsteller zufolge ist der Umfang des ihrer
52
Auffassung nach irregulären Verkehrs noch viel größer. Selbst wenn man aber nur von
etwa 300 Fahrten (weniger als die Hälfte des nach der Verkehrserzeugungsberechnung
durch die Sparkasse verursachten Verkehrs) ausgeht, gelangt man zu dem Ergebnis,
dass das Bauvorhaben der Beigeladenen zu einer Erhöhung des Verkehrsaufkommens
in der südlichen Cstraße um maximal 1.500 Fahrten täglich führen wird.
Der danach anzunehmende – durch den Ziel- und Quellverkehr des Vorhabens
bedingte – Anstieg des Verkehrsaufkommens in der südlichen Cstraße von etwa 1.400
auf maximal 2.900 Fahrten täglich wird für die Antragsteller als Eigentümer bzw.
Nießbraucher des Grundstücks Cstraße 23 aller Voraussicht nach keine unzumutbaren
Belästigungen oder Störungen mit sich bringen.
53
Das gilt vor allem für die im Mittelpunkt ihres Interesses stehenden, durch den
zusätzlichen Verkehr auf der Cstraße verursachten Lärmimmissionen. Bei der
Beurteilung der Zumutbarkeit von (Lärm-)Immissionen für den Immissionsbetroffenen ist
auf die einschlägigen Regelungen des Immissionsschutzrechts zurückzugreifen. Eine
Anlage, deren Immissionen sich in den Grenzen des der Nachbarschaft nach dem
Bundesimmissionsschutzgesetz Zumutbaren halten, ist nicht rücksichtslos. Die
Vorschriften dieses Gesetzes enthalten, soweit sie die Nachbarschaft vor schädlichen
Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG schützen, eine spezielle
gesetzliche Ausprägung des Rücksichtnahmegebotes. Es gibt kein baurechtliches
Rücksichtnahmegebot, das etwa dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an
Rücksichtnahme zugunsten von Nachbarn gebieten würde, als es das
Bundesimmissionsschutzgesetz vorsieht. Dieses Gesetz hat vielmehr die Grenze der
Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen
Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht allgemein bestimmt.
54
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 – 4 C 74.78 –, BRS 40 Nr. 206.
55
Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses
Gesetzes Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren,
erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die
Nachbarschaft herbeizuführen. Lärmemissionen, die von dem genehmigten Vorhaben
sowie seinem Zu- und Abgangsverkehr ausgehen, sind anhand der auf der Grundlage
des § 48 BImschG erlassenen Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA
Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503) zu bewerten. Der TA Lärm kommt, soweit sie
für Geräusche den unbestimmten Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne
von § 3 Abs. 1 BImschG konkretisiert, eine auch im gerichtlichen Verfahren zu
beachtende Bindungswirkung zu.
56
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 – 4 C 2.07 –, BRS 71 Nr. 103, und
Beschluss vom 6. November 2008 – 4 B 58.08 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 8.
Januar 2008 – 7 B 1741/07 –, NWVBl. 2008, S. 265.
57
Hinsichtlich der auf das Grundstück der Antragsteller einwirkenden Geräusche des An-
und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen, hier der Cstraße, ist Nr. 7.4
Absatz 2 und 3 der TA Lärm maßgeblich.
58
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2007 – 7 B 2466/06 –, juris, Rn. 14; auch
BVerwG, Beschluss vom 6. November 2008 – 4 B 58.08 –, juris.
59
Nach Nr. 7.4 Absatz 2 der TA Lärm sind Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf
öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m vom
Betriebsgrundstück in Kerngebieten, Dorfgebieten, Mischgebieten, allgemeinen
Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten und reinen Wohngebieten nur unter bestimmten
Voraussetzungen beachtlich mit der Folge, dass Maßnahmen organisatorischer Art zur
Minderung im Rahmen des Möglichen zu treffen sind. Diese kumulativ erforderlichen
Voraussetzungen sind, dass
60
sie [d.h. die Geräusche des auf An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen
Verkehrsflächen] den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder
die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB (A) erhöhen,
keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und
die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV)
erstmals oder weitergehend überschritten werden.
61
62
Hier fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung, nämlich einer zu erwartenden
Erhöhung des Beurteilungspegels um mindestens 3 dB (A). Das geht aus der Prognose
über die zu erwartenden Geräuschemissionen und -immissionen in der Nachbarschaft
des geplanten Sparkassengebäudes in I der U vom 30. Juni 2009 (im Folgenden:
Lärmgutachten 2009) in Verbindung mit der vom Gericht hierzu erbetenen ergänzenden
Stellungnahme der U vom 27. August 2009 hervor. Das Lärmgutachten 2009 geht auf
der Grundlage des Verkehrsgutachtens 2009 davon aus, dass das durchschnittliche
tägliche Verkehrsaufkommen in der südlichen Cstraße von 1.500 auf 2.375 Fahrten
zunehmen wird, und kommt zu dem Ergebnis, dass sich dadurch der Emissionspegel für
den öffentlichen Straßenverkehr auf der Cstraße von 52,7 auf 54,7 dB (A) [asphaltierter
Teil] bzw. von 54,7 auf 56,7 dB (A) [gepflasterter Teil] und der Beurteilungspegel am
Haus der Antragsteller (Cstraße 23) um 1,1 dB (A) erhöhen wird (S. 13, 21; Anlage 4.5).
In der ergänzenden Stellungnahme vom 27. August 2009 haben die Gutachter der U auf
Bitte des Gerichts die Veränderung der Verkehrslärmpegel für den Fall berechnet, dass
das Verkehrsaufkommen in der südlichen Cstraße von 1.500 auf 3.000 Fahrten täglich
zunehmen wird. Danach wird sich der Emissionspegel für den öffentlichen
Straßenverkehr auf der Cstraße von 52,7 auf 54,2 dB (A) [asphaltierter Teil] bzw. von
54,7 auf 56,2 dB (A) [gepflasterter Teil] und der Beurteilungspegel am Haus der
Antragsteller um 0,8 dB (A) erhöhen (Tabellen 2 und 3).
63
Für das auf den ersten Blick erstaunliche Ergebnis, dass die Lärmpegel bei einer
Zunahme um 1.500 Fahrten weniger stark ansteigen als bei einer Zunahme um 875
Fahrten, haben die Gutachter und die Beigeladene eine plausible Erklärung gegeben.
Das Gutachten 2009 geht nämlich davon aus, dass der Lkw-Anteil sowohl im Ist-
Zustand 10 % beträgt als auch im Planzustand 10 % betragen wird, also proportional
von 150 auf 237,5 Fahrten ansteigen wird. Demgegenüber haben die Gutachter in der
ergänzenden Stellungnahme eine Zunahme des Lkw-Verkehrs von 151 auf 168 Fahrten
zugrunde gelegt, wobei sie die Anzahl von 17 zusätzlichen Lkw-Fahrten der
Verkehrserzeugungsberechnung des Verkehrsgutachtens entnommen haben. Die
Annahme einer nur geringfügigen Steigerung des Lkw-Verkehrs ist realistisch und
64
überzeugend, weil der sparkassenbezogene Lieferverkehr bereits in der Vergangenheit
vorhanden war und der Textileinzelhandel nur einen vergleichsweise geringfügigen
Liefer- und Wirtschaftsverkehr verursachten wird; die vorhabenbezogenen Nutzungen
und die Tiefgarage werden fast ausschließlich Pkw-Verkehr in die Cstraße
hineinziehen.
Da nach Auffassung der Kammer von einer Zunahme der Verkehrsbelastung von etwa
1.400 auf maximal 2.900 Fahrten täglich auszugehen ist, kommt es für die Beurteilung
der Lärmimmissionen auf die ergänzende Stellungnahme vom 27. August 2009 an,
auch wenn diese einen um 100 Fahrten höheren Ist-Zustand zugrunde legt. Nach dieser
Stellungnahme wird bei einem Zuwachs von 1.500 Fahrten der Emissionspegel für den
öffentlichen Straßenverkehr auf der Cstraße um 1,5 dB (A) und der Beurteilungspegel
am Haus der Antragsteller (Immissionsort 7) um 0,8 dB (A) ansteigen. Diese Werte sind
von der nach Nr. 7.4 Absatz 2 der TA Lärm erforderlichen Erhöhung um mindestens 3
dB (A) so weit entfernt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen werden kann, dass die infolge des Bauvorhabens zu erwartende
Zunahme des Verkehrsaufkommens in der Cstraße unzumutbare Lärmbelästigungen für
die Antragsteller mit sich bringen wird. Da die Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs
weder den Emissionspegel auf der Cstraße noch den – auch den Verkehrslärm der C1
Straße berücksichtigenden – Beurteilungspegel am Immissionsort 7 um mindestens
3 dB (A) erhöhen, kann das Gericht die Frage offen lassen, ob die erste Voraussetzung
der Nr. 7.4 Absatz 2 der TA Lärm nur auf die Geräusche des Verkehrs auf dem am
Immissionsort vorbeiführenden Verkehrsweg (hier Cstraße) abstellt und die Geräusche
von Verkehren auf anderen Verkehrswegen (hier C1 Straße) erst im Rahmen der dritten
Voraussetzung zu berücksichtigen sind,
65
so Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II (Stand: 1. April 2009), 3.1
TA Lärm Nr. 7, Rn. 52 und 56,
66
oder ob der Verkehrslärm von anderen Verkehrswegen bereits in die Berechnung nach
dem ersten Spiegelstrich einfließt, es also auf den Beurteilungspegel am Immissionsort
ankommt,
67
so Feldhaus/Tegeder, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 4, Kommentar (Stand:
Juni 2008), B 3.6 TA Lärm Nr. 7, Rn. 48.
68
Gegen das Lärmgutachten 2009 und die ergänzende Stellungnahme hierzu vom 27.
August 2009 haben die Antragsteller keine erheblichen Einwände vorgebracht. Soweit
sie in der Antragsschrift rügen, das Lärmgutachten vom 20. August 2007 gehe von einer
unzutreffenden Entfernung zwischen ihrem Haus und der C1 Straße aus, ist dieser
Fehler im Lärmgutachten 2009 korrigiert worden. Ihr Hinweis auf die im Rahmen der
Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 73 A, 4. Änderung von H erstellte schalltechnische
Untersuchung vom 7. November 2008 und die zugehörige Rasterlärmkarte A 2a ist nicht
geeignet, Bedenken gegen die für das hier in Rede stehende Bauvorhaben eingeholten
Lärmgutachten zu begründen. Denn das Ingenieurbüro H hat mit Schreiben an den
Antragsgegner vom 24. Juli 2009 mitgeteilt, der Fokus ihres Schallschutzgutachtens
liege ausschließlich auf dem Bebauungsplangebiet (Straße "Am S1") als
Untersuchungsraum; das darüber hinausreichende Umfeld sei nicht Gegenstand der
Betrachtung; eine Bewertung der Geräuschsituation außerhalb des
Untersuchungsraumes auf der Grundlage der vorliegenden Dokumentation aus ihrem
Gutachten sei daher nicht möglich. In einer zweiten ergänzenden Stellungnahme zum
69
Lärmgutachten 2009 hat sich auch U unter dem 10. September 2009 auf eine
entsprechende Anfrage des Gerichts zu den Abweichungen geäußert und überzeugend
dargelegt, aus welchen Gründen H für den Bereich der Cstraße im Bestand niedrigere
Geräuschpegel ermittelt haben. Die übrigen vom Gericht in der Anlage zur Ladung vom
28. August 2009 angesprochenen Fragen hat U in der Stellungnahme vom 10.
September 2009 ebenfalls plausibel beantwortet, so dass das Gericht das
Lärmgutachten uneingeschränkt nachvollziehen kann. Der Versuch der Antragsteller,
Unstimmigkeiten im Lärmgutachten nachzuweisen, scheitert bereits daran, dass sie
ausschließlich mit der Entfernung des Immissionsortes von der Schallquelle
argumentieren, ohne zu berücksichtigen, dass die Höhe der Geräuschpegel auch von
anderen Faktoren (z.B. Abschirmung durch Gebäude) abhängen. Schließlich betreffen
die Einwände der Antragsteller lediglich die Beurteilungspegel am Immissionsort, nicht
jedoch den Emissionspegel an der Schallquelle (Verkehr auf der Cstraße), so dass sie
das Ergebnis einer Zunahme um nur 1,5 dB (A) nicht erschüttern.
Verstößt die Baugenehmigung vom 3. Juli 2009 nach alledem – wenn man sie an § 30
Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 73 A,
1. Änderung misst – voraussichtlich nicht gegen Vorschriften, die auch dem Schutz der
Antragsteller zu dienen bestimmt sind, so gilt dies auch für den Fall, dass der genannte
Bebauungsplan unwirksam und statt dessen der im Dezember 1983 in Kraft getretene
Bebauungsplan Nr. 73 A maßgeblich oder die planungsrechtliche Zulässigkeit des
Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen sein sollte. Denn die Kriterien zur
Beantwortung der entscheidenden Frage, ob das Vorhaben im Hinblick auf den durch
ihn ausgelösten Ziel- und Quellverkehr das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, sind in
allen Fällen gleich, unabhängig davon, ob man dieses Gebot der Vorschrift des § 15
BauNVO entnimmt oder im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 BauGB im
Tatbestandsmerkmal "Einfügen" enthalten sieht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes und orientiert sich an der Empfehlung in Nr. 7 Buchstabe a) des
Streitwertkataloges der Bausenate des OVG NRW (Baurecht 2003, S.1883). Danach ist
bei Nachbarklagen wegen Beeinträchtigung eines Wohngrundstücks ein Streitwert von
1.500,00 Euro bis 15.000,00 Euro anzusetzen. Hier hält die Kammer einen Betrag von
7.500,00 Euro für angemessen, der im Hinblick darauf, dass es sich vorliegend um ein
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, zu halbieren ist.
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