Urteil des VG Düsseldorf vom 31.03.2009
VG Düsseldorf: gebäude, sanierung, gemeindeordnung, neubau, vorschlag, deckung, ausschreibung, kulturzentrum, erstellung, hauptsache
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 L 440/09
Datum:
31.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 440/09
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamt-
schuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Der am 26. März 2009 bei Gericht gestellte Antrag,
2
den Antragsgegner unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheides vom
8. Juli 2008 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die
Zulässigkeit des Bürgerbegehrens "Abriss stoppen - Gebäude sanieren -
Geld sparen" festzustellen,
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hilfsweise,
4
dem Antragsgegner zu untersagen, in seiner Sitzung am 1. April 2009
Beschlüsse zu fassen, die dem Bürgerbegehren entgegenstehen, es sei
denn, zu diesem Zeitpunkt hätten rechtlich Verpflichtungen der Kommune
hierzu bestanden,
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hat keinen Erfolg.
6
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, Verhinderung
drohender Gewalt oder aus anderen, vergleichbar dringenden Gründen notwendig
erscheint. Dies setzt voraus, dass die Antragsteller die in Anspruch genommene
Rechtsposition (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen
Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920
Abs. 2, 294 ZPO).
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Im Hinblick auf das Ziel einstweiliger Anordnungen, grundsätzlich nur vorläufige
Regelungen zu treffen, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und
Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen, wenn das Antragsbegehren -
wie hier - von der Konsequenz auf die Vorwegnahme der Hauptsache zielt,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 1997 - 15 B 1138/97.
9
Dabei ist hinsichtlich des Anordnungsanspruchs auch zu berücksichtigen, dass ein für
zulässig erklärtes Bürgerbegehren Sperrwirkung gegenüber dem Bürgerbegehren
entgegenstehenden Entscheidungen des Rates auslöst (§ 26 Abs. 6 Satz 6
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen -GO NRW-). Diese Folge verlangt,
dass der Rat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Feststellung der Zulässigkeit
eines Bürgerbegehrens nur verpflichtet wird, wenn nach der allein möglichen
summarischen Prüfung die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ganz überwiegend
wahrscheinlich ist.
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Nach diesen Maßstäben sind sowohl Haupt- (I.) als auch Hilfsantrag (II.) unbegründet.
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I. Die Antragsteller haben das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht ausreichend
glaubhaft gemacht. Denn die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens erscheint nicht
überwiegend wahrscheinlich. So steht ihr bereits die Frist des § 26 Abs. 3 Satz 2 GO
NRW entgegen (1.). Ferner genügt die Begründung des Begehrens nicht den in
Rechtsprechung und Lehre hierzu entwickelten Anforderungen (2.). Auch enthält das
Bürgerbegehren keinen nach den gesetzlichen Bestimmungen erforderlichen
Kostendeckungsvorschlag (3.).
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1. Das Begehren ist gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 GO NRW verfristet. Nach
dieser Vorschrift muss ein Bürgerbegehren drei Monate nach dem Sitzungstag
eingereicht sein, wenn es sich gegen einen Beschluss des Rates richtet, der -wie hier-
nicht der Bekanntmachung bedarf. Das von § 26 Abs. 3 GO NRW erfasste
fristgebundene, sogenannte kassatorische Bürgerbegehren unterscheidet sich von dem
nicht fristgebundenen initiierenden Bürgerbegehren dadurch, dass es notwendigerweise
die Beseitigung eines Ratsbeschlusses erfordert, der eine positive sachliche Regelung,
also eine über die bloße Ablehnung eines Antrags hinausgehende Regelung enthält.
Das ergibt sich aus dem Sinn der Fristgebundenheit: Der Gesetzgeber wollte mit der
Fristgebundenheit im Interesse der Stabilität und Verlässlichkeit gemeindlicher
Willensbildung verhindern, dass ein sachliches Regelungsprogramm des Rates
beliebig lange durch ein Bürgerbegehren in Frage gestellt werden kann, und damit
bewirken, dass es nach den im Gesetz genannten Fristen als sichere
Planungsgrundlage dienen kann,
13
vgl. die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs.
11/4983, S. 8.
14
Maßgebend ist danach allein, ob das Bürgerbegehren bei einer verständigen
Würdigung ein vom Rat beschlossenes Regelungsprogramm aufheben oder ändern
will, jedenfalls dann, wenn die Aufhebung oder Änderung nicht nur ein völlig
nebensächliches Detail betrifft, von dem anzunehmen ist, dass es im Kontext der durch
das Bürgerbegehren zur Entscheidung gestellten Frage von bisherigen
Ratsbeschlüssen nicht erfasst sein sollte. Unerheblich ist insbesondere, ob nach dem
Text des Bürgerbegehrens Ratsbeschlüsse ausdrücklich aufgehoben werden sollen,
15
vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2003 - 15 A 203/02.
16
Gemessen an diesen Maßstäben hat das Bürgerbegehren kassatorischen Charakter.
Mit dem Bürgerbegehren wird gegenüber den Ratsbeschlüssen des Antragsgegners
vom 27. September 2006, vom 13. Juni 2007 und vom 6. Februar 2008 ein konträres
Konzept verfolgt: Nach den Entscheidungen der Vertretung soll das "Alte Rathaus"
saniert und östlich daneben ein weiteres Verwaltungsgebäude (sog. Neues Rathaus)
unter Abriss bestehender Gebäude (Verbindungstrakt, Altes Finanzamt und
Zentralbibliothek) errichtet werden. Ferner soll an dem früheren Hallenbadstandort eine
Neubebauung mit Kulturzentrum (Bücherei, VHS und Kulturbüro) erfolgen.
Demgegenüber will das Bürgerbegehren im Kern die "schrittweise Sanierung der
bestehenden Gebäude" (d.h. Altes Rathaus, Verbindungstrakt, Altes Finanzamt,
Zentralbibliothek sowie Neues Rathaus mit VHS-Gebäude) und damit weder einen
Abriss noch einen Neubau von Verwaltungsgebäuden oder der Sache nach überhaupt
eine Veränderung, die über eine bloße Sanierung des Status quo hinausgeht.
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Die für kassatorische Begehren geltende Dreimonatsfrist ist abgelaufen. Zwar ist das
Bürgerbegehren am 5. Mai 2008 und damit in Bezug auf den Ratsbeschluss vom
6. Februar 2008 innerhalb von drei Monaten eingereicht worden. Jedoch stellt sich
dieser Ratsbeschluss als weitere Ausdifferenzierung eines vom Rat bereits zu einem
früheren Zeitpunkt in wesentlichen Teilen beschlossenen Konzepts zur Neuordnung
seiner Hauptverwaltungsgebäude dar. Der Rat hat bereits -nachdem zuvor zahlreiche
Varianten der Neustrukturierung der Verwaltungsgebäude ermittelt wurden- in seiner
Sitzung am 27. September 2006 beschlossen, dass "als Standort des Zentralen
Rathauses der Bereich des Alten Rathauses ... festgelegt wird" (Ziff. 1) und "das
Gebäude in dem aus Sicht des Denkmalschutzes notwendigen Umfang erhalten und
saniert wird" (Ziff. 2, Satz 1). Östlich daran angrenzend solle ein An- und Umbau in
ausreichend bemessener Größenordnung erstellt werden (Ziff. 2, Satz 2). Am 15. Mai
2007 beschloss der Rat der Stadt N, die weiter östlich des Alten Rathauses befindliche
Zentralbibliothek wegen des größeren Platzbedarfs der Verwaltung mit in die
Planungsüberlegungen einzubeziehen und legte mit Ratsbeschluss vom 13. Juni 2007
"den Bereich östlich des Alten Rathauses ... bis zur S Straße als Standort für das neu zu
errichtende Bürgerhaus mit Verwaltungstrakt und Zentralbibliothek" fest. Entgegen der
Ansicht der Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 31. März 2009 beinhaltet der
Ratsbeschluss vom 27. September 2006 auch bereits den Abriss bestehender Gebäude
(Verbindungstrakt, altes Finanzamt), denn Ziff. 2 des Beschlusses spricht u.a. von der
Erstellung und damit Neuerrichtung eines Anbaus in ausreichend bemessener
Größenordnung, was denknotwendig die vorherige Beseitigung der jetzigen Bebauung
beinhaltet. Damit lagen aufgrund der Beschlüsse vom 27. September 2006 und 13. Juni
2007 jedenfalls die maßgeblichen Grundzüge und planerischen Vorstellungen der
Gemeinde im Rahmen ihres Gesamtkonzepts fest. Denn als zentraler Standort der
Stadtverwaltung ist der Bereich des Alten Rathauses und dessen östlicher Fläche
bestimmt worden. Die Umsetzung dieser Beschlüsse bedeutet neben der Sanierung des
Alten Rathauses den Abriss des östlich angrenzenden Verbindungstraktes, des Alten
Finanzamtes und der Zentralbibliothek sowie die Errichtung des sog. Neuen Rathauses
unter "Einbezug" einer neuen Zentralbibliothek. Wenn der Rat am 6. Februar 2008
nunmehr beschließt, "zukünftiger zentraler Standort der Stadtverwaltung ist das heutige
Rathaus [Anm. des Gerichts: "Altes Rathaus"] und der Bereich östlich davon" (Ziff. 1)
wiederholt er nur ohne weiteren Regelungsgehalt dass, was bereits grundlegend in den
vorzitierten Ratsbeschlüssen festgelegt wurde (vgl. Beschluss vom 27. September 2006,
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Ziff. 1 und 2 Satz 2). Gleiches gilt für die Ziff. 4 Satz 1 des Beschlusses, nach dem das
"Alte Rathaus" erhalten bleibt und unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes saniert
werden soll. Deren Inhalt entspricht der vorgenannten Ziff. 2 Satz 1 des Beschlusses
vom 27. September 2006. Die weiteren Ziffern 3, 4 Satz 2 und 5 der angegriffenen
Ratsentscheidung stellen sich lediglich als nähere Ausdifferenzierung des
Grundkonzeptes dar. Sie befassen sich vornehmlich mit Detailfragen, dem "Wie" der
Planung, wie etwa einzuhaltenden Energiestandards der Gebäude oder bestimmten
architektonischen Wünschen des Rates, nicht aber mehr mit dem "Ob" der Planung oder
den grundlegenden Fragen der Örtlichkeit der Stadtverwaltungsgebäude. Insoweit
stellen die vorzitierten Festlegungen im Beschluss keine Abkehr von den bisherigen
Planungen dar. Es handelt sich um eine den Kern der bisherigen Planung
wiederholenden Beschluss, der längst bestehende und in einem mehrjährigen
Verwirklichungsprozess gewonnene Leitentscheidungen bekräftigt. Ein sich gegen
einen solchen Beschluss richtendes Bürgerbegehren ginge in seinen Wirkungen auch
gegen die in den früheren Beschlüssen getroffenen Festlegungen vor, die jedoch nach
Ablauf der in § 26 Abs. 3 Satz 2 GO NRW genannten Frist dem Bürgerbegehren
entzogen sind und liefe daher der gesetzgeberisch mit der Fristbestimmung bezweckten
Intention zuwider, Stabilität und Verlässlichkeit gemeindlicher Willensbildung zu
schaffen,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2003 - 15 A 203/02; Rehn/Cronauge/von
Lennep/Knirsch, Gemeindeordnung NRW, § 26 Ziff. IV.
19
Dies schließt allerdings nicht generell aus, dass sich Bürgerbegehren nach Fristablauf
gegen einen Ratsbeschluss wenden dürfen. Ratsbeschlüsse können eine zeitlich
begrenzte Wirkung haben. Auch kann etwa eine nach dem Ratsbeschluss eingetretene
tatsächliche oder rechtliche Änderung der Verhältnisse so wesentlich sein, dass sie
einem getroffenen Ratsbeschluss die Grundlage entzieht. Gleiches kann gelten, wenn
der Rat seine früheren Beschlüsse -hier vom 27. September 2006 und 13. Juni 2007-
durch ein neues Regelungsprogramm ersetzen will. Dann hätten die alten Beschlüsse
nämlich ihre Wirksamkeit verloren, sodass auch ein Bürgerbegehren nicht mehr gegen
sie gerichtet sein könnte,
20
vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Januar 2003 - 15 A 203/02; Rehn/Cronauge/von
Lennep/Knirsch, Gemeindeordnung NRW, § 26 Ziff. IV; Wansleben, in: Held/Becker/
u.a., Gemeindeordnung NRW, § 26 GO Anm. 3.2.
21
Das ist aber -nur insoweit kommt dieser Punkt nach summarischer Prüfung überhaupt in
Betracht- nicht durch den Ratsbeschluss vom 6. Februar 2008 geschehen. Dort ist in
Ziff. 2 allein der Standort der Zentralbibliothek von dem Bereich östlich des Alten
Rathauses nunmehr in ein neues Kulturzentrum an den Ort des früheren Hallenbades
verlegt worden. Damit sollte ersichtlich aber nicht ein im Kern den Erhalt des Alten
Rathauses und die Neuerrichtung von Verwaltungsgebäuden östlich davon
vorsehendes Gesamtkonzept des Rates wieder in Frage gestellt werden. Denn der in
einem mehrjährigen komplexen Abwägungsprozess gewonnene Standort der
Stadtverwaltung (Altes und Neues Rathaus, dazu notwendige Gebäudeabrisse) bleibt
unangetastet. Es geht allenfalls um die Frage der Veränderung der bestimmten Nutzung
eines neu zu errichtenden Gebäudekomplexes vor allem wegen eines vergrößerten
Raumbedarfs der Verwaltung (vgl. Ratsvorlage vom 25. April 2007). Dass der Rat an
dem bisherigen Grundkonzept festhalten wollte und es auch keine wesentlichen
tatsächlich oder rechtlichen Umstände in der Zwischenzeit gab, die die
22
Beschlussfassung obsolet werden ließen, zeigt sich auch daran, dass die
Kernaussagen seit dem Ratsbeschluss vom 27. September 2006 bis heute unverändert
geblieben sind. Hätte die örtliche Verschiebung der Zentralbibliothek (die ja bereits mit
Beschlüssen vom 15. Mai und 13. Juni 2007 Planungsgegenstand wurde) auf die
Planung einen maßgeblichen Einfluss gehabt, hätte der Rat jedenfalls nicht mit den Ziff.
1 und 3 des Beschlusses vom 6. Februar 2008 inhaltlich unverändert seine früheren
Beschlüsse bestätigt. Da sich das Bürgerbegehren von seiner Fragestellung her nicht
isoliert gegen die Verlegung der Zentralbibliothek wendet, sondern für eine schon mit
dem dargestellten Grundkonzept des Rates unvereinbare Festschreibung des sanierten
"Status quo" der Gebäude eintritt, kommt es nicht darauf an, dass insoweit die
Dreimonatsfrist eingehalten wäre.
Verbleibt es somit bei der Drei-Monats-Frist hinsichtlich der Ratsbeschlüsse vom
27. September 2006 und 13. Juni 2007, ist diese Frist bei Einreichung des
Bürgerbegehrens am 5. Mai 2008 verstrichen.
23
2. Inhaltlich mangelt es dem Bürgerbegehren zudem an einer zutreffenden Begründung.
Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW zählt diese u.a. zu dessen zwingendem Inhalt. Sie
dient dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren
aufzuklären. Diese Funktion erfüllt die Begründung nur, wenn die dargestellten
Tatsachen, soweit sie für die Entscheidung wesentlich sind, zutreffen. Zwar dient die
Begründung auch dazu, für das Bürgerbegehren zu werben und damit Wertungen,
Schlussfolgerungen oder Erwartungen zum Ausdruck zu bringen, die einer
Wahrheitskontrolle nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Auch mag die Begründung im
Einzelfall Überzeichnungen und Unrichtigkeiten in Details enthalten dürfen, die zu
bewerten und zu gewichten Sache der Unterzeichner bleibt. Diese aus dem Zweck des
Bürgerbegehrens folgenden Grenzen der Überprüfbarkeit sind jedoch überschritten,
wenn Tatsachen unrichtig wiedergegeben werden, die für die Begründung wesentlich
sind. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob dem eine Täuschungsabsicht der Initiatoren
des Bürgerbegehrens zugrunde lag, denn maßgebend für eine inhaltliche Kontrolle der
Begründung ist allein das Ziel, Verfälschungen des Bürgerwillens vorzubeugen, ohne
dass es auf den Grund der unrichtigen Sachdarstellung ankäme,
24
vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 – 15 A 5594/00; VG Düsseldorf, Urteile vom
15. Oktober 2008 - 1 K 332/08 und vom 28. Oktober 2005 – 1 K 5195/04;
Articus/Schneider, Gemeindeordnung NRW, § 26, Anm. 2.3.2; Rehn/Cronauge/u.a.,
Gemeindeordnung NRW, § 26, Anm. III.2; Wansleben, in: Held/Becker/u.a.,
Gemeindeordnung NRW, § 26, Anm. 4.
25
In diesem Sinne enthält die Begründung des von den Antragstellern vertretenen
Bürgerbegehrens in wesentlicher Hinsicht irreführende Angaben. Dabei befinden sich
im Kostendeckungsvorschlag Elemente, die sachlich zur Begründung des Begehrens
gehören.
26
Der maßgebliche Begründungsteil des Bürgerbegehrens lautet:
27
"...
Wir halten die Neubauwünsche für den Weg in die Schuldenfalle.
Stattdessen würde die schrittweise Sanierung der bestehenden Gebäude
kostengünstiger ausfallen. Dies liegt auch im Interesse aller Bürgerinnen
und Bürger von N
28
Pläne des Rates würden viel Geld kosten ...".
Die Überschrift des Bürgerbegehrens heißt:
29
"Abriss stoppen - Gebäude sanieren - Geld sparen".
30
Dieser Begründungstext enthält irreführende, weil in tatsächlicher Hinsicht
unzutreffende Angaben. Denn die Begründung suggeriert den Unterzeichnern, dass die
erstrebte Sanierung der bestehenden Gebäude zu einer deutlichen Kosteneinsparung
gegenüber dem vom Rat beschlossenen Modell führen würde. Kostet die Variante des
Rates nach Angaben des Bürgerbegehrens 41,3 Mio. Euro, steht dem eine
Sanierungsvariante mit einem nach den Aussagen des Bürgerbegehrens um 6,3 Mio.
Euro niedrigeren Betrag von 35 Mio. Euro gegenüber.
31
Die vom Bürgerbegehren angegebenen Sanierungskosten sind in relevantem Umfang
zu niedrig angesetzt. Die von einer Wirtschaftsberatergesellschaft (Q) im Rahmen einer
Machbarkeitsstudie am 31. Januar 2006 erstellte Kostenschätzung -die offenbar auch
das Bürgerbegehren zugrundelegt- geht von Sanierungskosten der Bestandsgebäude in
Höhe von etwa 35,5 Mio. Euro aus. Zu den Bestandsgebäuden hat das Gutachten die
Sanierung des Alten Rathauses und des Alten Finanzamtes, des Neuen Rathauses,
des Weissen Hauses (insgesamt 30.622,4 Mio. Euro) sowie des VHS-Gebäudes
(4.894,4 Mio. Euro) gezählt (vgl. Bl. 60 des Verwaltungsvorganges). Nicht Bestandteil
der Kostenschätzung war jedoch die Sanierung und der Bestandserhalt der
Zentralbibliothek. Hier erfolgte eine Ermittlung der Sanierungskosten erst zu einem
späteren Zeitpunkt durch ein Architekturbüro (M), welches gesondert etwa 4,16 Mio.
Euro hierfür ansetzte (vgl. Bl. 214 Verwaltungsvorgang). Dieser Sanierungsbetrag war
den Initiatoren des Bürgerbegehrens ausweislich der Erklärung des Antragstellers zu 1)
in der Ratssitzung vom 18. Juni 2008 bei Erstellung des Begehrens -ohne dass dies
maßgeblich wäre- bekannt. Werden die Sanierungskosten der Zentralbibliothek zu den
Kosten für die Sanierung des Bestandes hinzuaddiert, ergeben sich -ungeachtet
etwaiger Baukostenindizierungen und deren Berücksichtigungsfähigkeit- Gesamtkosten
von mindestens 39,6 Mio. Euro. Da das Bürgerbegehren die bestehenden Gebäude,
d.h. alle von dem Ratsbeschluss vom 6. Februar 2008 betroffenen Einrichtungen,
erhalten will, entsprechen diese Kosten dem anfallenden Sanierungsaufwand der für die
einzelnen Gebäude im Bestand aufgewendet werden müsste. Darunter fallen neben
den Rathausgebäuden nicht nur die Zentralbibliothek, sondern auch das VHS-
Gebäude. Soweit der Antragsteller zu 1) in der bezeichneten Ratssitzung jedenfalls der
Sache nach ausführt, das Bürgerbegehren habe lediglich die Kosten der Sanierung des
VHS-Gebäudes von ca. 4 Mio. Euro gegen die Sanierungskosten der Zentralbibliothek
von ebenfalls ca. 4 Mio. Euro ausgetauscht, daher sei "zahlenmäßig" die
Kostenschätzung von 35 Mio. jedenfalls im Ergebnis zutreffend, führt dies in die Irre.
Denn vor dem Hintergrund des Begründungstextes des Bürgerbegehrens -auf diesen
kommt es wegen des Rechtsetzungsbefehls des Bürgerentscheides allein für die
Abstimmungsberechtigten an- ist nicht ersichtlich, dass das Begehren die
Sanierungskosten für das VHS-Gebäude zu Gunsten des Erhalts der Zentralbibliothek
nicht berücksichtigen will. Damit beträgt die Differenz zu der vom Bürgerbegehren
angegebenen Variante der Verwaltung nicht 6,3 Mio. Euro, sondern tatsächlich
höchstens 1,7 Mio. Euro. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die
Abstimmungsberechtigten, wäre ihnen bei der Unterzeichnung des Bürgerbegehrens
diese deutlich geringere Differenz bekannt gewesen, ihre Stimmabgabe und ihr
Eintreten für das Bürgerbegehren überdacht hätten. Denn gegenüber einer Sanierung
32
kann ein Neubau auch anderweitige Vorteile bieten, wie z.B. bauliche, energetische,
unterhaltsorientierte sowie gestalterische, die die Unterzeichner bei einer derartigen
Kostenannäherung möglicherweise von einer Unterschriftsleistung abgehalten haben
könnten. Durch die nach dem Begründungsgehalt nicht zutreffende erhebliche
Kostendifferenz wird die Wirk- und Aussagekraft des Bürgerbegehrens aufgrund einer
von vornherein unvollständigen und einseitigen Informationslage unzulässig verstärkt.
Dieser Mangel betrifft auch einen Kernbereich des Begehrens und geht über die bloß
unrichtige oder in Randbereichen überzeichnet werbende Darstellung für die Sache
hinaus. Denn das Bürgerbegehren hat gerade die Kostenersparnis zum
Hauptgegenstand, wie bereits die Überschrift zeigt "…. – Geld sparen". Über deren
tatsächliche Höhe muss es die Unterzeichner zutreffend und sachgerecht informieren.
Die den Unterzeichnern nahegelegte Annahme, "sie" könnten über 6 Mio. Euro bei der
vom Bürgerbegehren favorisierten Lösung einsparen, die Neubauwünsche seien
hingegen ein "Weg in die Schuldenfalle", verleiht dem Begehren eine den Tatsachen
widersprechende psychologische Verstärkung, denn letztlich befinden sich die
Baukosten für beide Varianten in einem eng beieinander liegenden und ohnehin bei
diesem Kostenvolumen der Nivellierung fähigen Bereich.
33
3. Durchgreifende Zweifel an der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens wirft bei
summarischer Prüfung weiter der Kostendeckungsvorschlag auf.
34
Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW muss das Bürgerbegehren "einen nach den
gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der Kosten der
verlangten Maßnahme enthalten".
35
Der sog. Kostendeckungsvorschlag besteht dabei aus zwei Elementen. Einmal aus der
Angabe der "Kosten der verlangten Maßnahme", der Kostenschätzung, und dem
eigentlichen, sich daran orientierenden Deckungsvorschlag,
36
vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2008 - 15 A 2697/07.
37
Mit "Kosten der verlangten Maßnahme" bezeichnet das Gesetz den finanziellen
Aufwand, der für die Gemeinde bei Verwirklichung des Begehrens im Ergebnis anfiele.
Das ist nicht nur die finanzielle Belastung, die erforderlich wäre, um das Begehren
unmittelbar umzusetzen, sondern schließt Folgekosten, den Verzicht auf Einnahmen
sowie die Kosten einer von dem Vorhaben indirekt erzwungenen Alternative ein.
Letzteres gilt mit der Einschränkung, dass die Kosten der Alternative mit einiger
Zwangsläufigkeit unmittelbar anfallen würden. Kosten, die sich erst über die
Verwirklichung mehrerer, kaum kalkulierbarer Zwischenursachen ergeben würden,
bleiben außer Betracht,
38
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2004 – 15 B 522/04.
39
Der Deckungsvorschlag im eigentlichen Sinne bezieht sich auf die Verpflichtung, für die
entstehenden Kosten der angestrebten Maßnahme eine nach den gesetzlichen
Vorschriften tragfähige Gegenfinanzierung anzugeben. Dabei sind an die
Begründungstiefe des Vorschlages keine überzogenen Anforderungen zu stellen,
jedoch materiell alle Fakten zu erwähnen, die für eine verantwortliche Entscheidung der
Abstimmungsberechtigten bekannt sein müssen. Ebenso muss den Bürgerinnen und
Bürgern deutlich gemacht werden, dass es die Maßnahme nicht umsonst gibt, sondern
40
dass -und wie- sie bezahlt werden soll,
vgl. hierzu im Einzelnen die Rechtsprechung der Kammer, etwa Urteil vom 26. Januar
1999 - 1 K 11023/96, NWVBl. 1999, S. 356; Urteil vom 13. Februar 1998
– 1 K 5181/96, NWVBl. 1998, S. 368 sowie Urteil vom 22. Oktober 2004 – 1 K
2006/03.
41
Hier fehlt es an einem solchen Kostendeckungsvorschlag. Das Bürgerbegehren hat mit
der Begründung, ein Kostendeckungsvorschlag sei gänzlich entbehrlich, da das
Begehren "Geld einspare", keinen solchen Vorschlag vorgenommen. Es verzichtet
vielmehr auf die Darlegung einer tragfähigen Gegenfinanzierung.
42
Ein Kostendeckungsvorschlag ist -ungeachtet seiner Richtigkeit- auch nicht entbehrlich.
Aus dem zwingenden Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 26 Abs. 2 Satz 1 GO
NRW ("...muss einen Vorschlag für die Deckung der Kosten ... enthalten") und aus dem
Zweck des Kostendeckungsvorschlages selbst folgt zunächst seine Notwendigkeit.
Denn die Beteiligung an einem Bürgerbegehren, das zur Ersetzung des
Ratsbeschlusses durch Bürgerentscheid führen soll (§ 26 Abs. 8 GO NRW), setzt bei
den Gemeindebürgern in besonderer Weise eine verantwortliche Entscheidungsfindung
voraus. Ihre Mitwirkung soll sich nach der gesetzlichen Konzeption nicht darin
erschöpfen, Forderungen zu definieren. Vielmehr soll auch das Bewusstsein der Bürger
für die mit der Maßnahme verbundenen Kosten geweckt und eine verantwortliche
Abwägung ermöglicht werden.
43
In teleologischer Reduktion der Norm des § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW können zwar im
Einzelfall Ausnahmen von dem Erfordernis eines Kostendeckungsvorschlages dort
anzuerkennen sein, wo die beantragte Maßnahme überhaupt keine Kosten verursacht
oder sie die tatsächlich billigere Alternative zu einem von der Gemeinde beschlossenen
Vorhaben darstellt, aber auch nur dann, wenn dies evident ist,
44
vgl. VG Düsseldorf, Urteil der Kammer vom 28. Oktober 2005 – 1 K 5195/04; Klenke,
NWVBl. 2002, S. 45, 48.
45
Denn in einem solchen Fall ist es ausgeschlossen, dass sich durch das
Bürgerbegehren gegenüber der vom Rat verfolgten Lösung nachteilige Folgen für den
gemeindlichen Haushalt ergeben. Es spricht aber -ungeachtet der Frage einer Evidenz-
vieles dafür, dass die ohnehin angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung
restriktiv zu handhabende Ausnahme bereits keine Anwendung findet, wenn hinter den
von der Gemeinde beschlossenen Maßnahmen ein bestimmtes Finanzierungssystem
steht, welches sich nicht ohne weiteres auf die vom Bürgerbegehren verlangte
Maßnahme übertragen lässt. Dies ist hier der Fall. Die Kommune beabsichtigt aufgrund
der voraussichtlichen wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit ihr Vorhaben mittels eines sog.
"Public-Private-Partnership"-Projektes (PPP) als Inhabermodell zu finanzieren (vgl.
etwa Sitzungsvorlage zur Ratssitzung vom 27. September 2006 sowie entsprechender
Ratsbeschluss; Ratsbeschluss zur Beauftragung einer Ausschreibung für das PPP-
Projekt am 25. Oktober 2007; vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der
Beratungsgesellschaft Q1, Bl. 428 des Verwaltungsvorganges). Dabei wird ein im Wege
einer Ausschreibung zu bestimmender privater Partner der Kommune auf ihrem eigenen
Grund und Boden das Rathausgebäude sanieren bzw. weitere Gebäude errichten und
finanzieren. Während einer bestimmten Vertragslaufzeit werden weitere Leistungen, wie
z.B. Instandsetzung und Hausmeisterdienste erbracht. Dafür entrichtet der
46
Antragsgegner ein periodisches Entgelt, welches in gleichbleibenden, indexierten
Raten erbracht wird. Angestrebt wird hier eine Finanzierungsstruktur in Form einer PPP-
Fortfaitierung (vgl. dazu näher Q-Gutachten, Bl. 143, 173ff. Verwaltungsvorgang). Bei
einer solchen PPP-Finanzierung trägt der Investor zunächst die maßgebliche finanzielle
Last, wodurch eine Entlastung des Öffentlichen Haushalts eintritt, da im Wesentlichen
eine über lange Zeiträume (z.B. 25 Jahre) erfolgende Ratenzahlung an diesen oder über
eine Bank erfolgt. Dadurch mindert sich der ad hoc aufzunehmende Fremdkapitalanteil
erheblich.
Dieses komplexe Finanzierungsmodell über 41,3 Mio. Euro lässt sich nicht auf die
Bestandssanierung von tatsächlich 39,6 Mio. Euro übertragen. Denn es kann schon
nicht davon ausgegangen werde, dass ein privater Investor ein gänzlich anders
gelagertes Konzept (i. W. Neubau gegen sanierende Bestanderhaltung) zu den gleichen
Konditionen und überhaupt als PPP-Finanzierungsform betreiben würde. Dafür ergeben
sich nach der gegenwärtigen Aktenlage auch keinerlei Anhaltspunkte. Ist diese speziell
auf die vom Rat beschlossene Variante zugeschnittene Finanzierung nicht auf das
Bürgerbegehren übertragbar, kann somit nicht davon ausgegangen werden, die
Durchführung des Bürgerbegehrens verursachte gegenüber der von dem Rat
vorgeschlagenen Variante keine nachteiligen Folgen für den gemeindlichen Haushalt,
wie es für die dargestellte Ausnahme von der Notwendigkeit eines
Kostendeckungsvorschlages erforderlich wäre. Denn die Sanierung der bestehenden
Gebäude wäre maßgeblich über die erhebliche Aufnahme von Fremdkapital über 39,6
Mio. Euro möglich (vgl. auch Schriftsatz des Antragsgegners vom 27. März 2009, S. 19).
Damit ist ein Kostendeckungsvorschlag erforderlich, den das Bürgerbegehren indes
schuldig bleibt.
47
Im Übrigen fehlt es an einer tauglichen Kostenschätzung. Denn die Kosten für die
verlangte Maßnahme sind zu gering angesetzt; es wird die wesentliche Kostenposition
der Sanierung der Zentralbibliothek in Höhe von 4,1 Mio. Euro ausgeblendet. Will das
Bürgerbegehren aber die sanierende Bestandserhaltung der bestehenden Gebäude,
und damit auch der Zentralbibliothek, müssen sämtliche Kosten die bei einer
Betriebsfortführung anfallen, den Abstimmungsberechtigten aufgezeigt werden. Hier
fallen an Sanierungskosten tatsächlich mindestens 39,6 Mio Euro und nicht 35 Mio.
Euro -wie in der Kostenschätzung des Begehrens angegeben- an (vgl. näher die
Ausführungen oben zu 2.).
48
Auf die weiter vom Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 27. März 2009
aufgezeigten vermeintlichen Unzulänglichkeiten der Kostenschätzung (vgl. dort S. 17ff.)
und die hiergegen erhobenen Einwände der Antragsteller im Schriftsatz vom 31. März
2009 (vgl. dort S. 7ff.), kommt es aufgrund der dargelegten Mängel nicht mehr an.
49
II. Der zulässige Hilfsantrag ist unbegründet. Die Antragsteller haben keinen Anspruch
auf die Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens glaubhaft gemacht (siehe
Ziff. I.) und bedürfen daher auch keiner weiteren Sicherung ihrer Rechte.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG i.V.m. Ziffer 22.6 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, S. 1327ff.) und
berücksichtigt, dass der Antrag faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache
gerichtet ist.
51