Urteil des VG Düsseldorf vom 15.12.2005

VG Düsseldorf: ausübung der option, erlass, post, stadt, schriftstück, handschriftlich, anschrift, anfang, verwaltungsgerichtsbarkeit, rechtsschutz

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 L 2324/05
Datum:
15.12.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 2324/05
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der am 15.12.2005 mit Telefax um 9.37 Uhr gestellte Antrag,
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den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die
Ratssitzung des Rates der Stadt E am 15./16.12.2005 aufzuheben und zu vertagen,
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hilfsweise, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
den nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung des Rates der Stadt E am 15./16.12.2005
aufzuheben und zu vertagen,
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, Verhinderung
drohender Gewalt oder aus anderen, vergleichbar dringenden Gründen notwendig
erscheint. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller die in Anspruch genommene
Rechtsposition (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen
Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2,
294 ZPO).
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Hinsichtlich der Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung ist zu berücksichtigen, dass
nach ständiger Rechtsprechung im Kommunalverfassungsstreitverfahren der Erlass
einer einstweiligen Anordnung nur ausnahmsweise in Betracht kommen kann. Denn es
dient nicht dem Schutz von Individualrechtsgütern sondern nur der Abgrenzung
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innerorganisatorischer Kompetenzen, die deren Rechtsträgern nicht um ihrer selbst
willen sondern im Interesse der Gemeinde eingeräumt sind. Diesem Interesse wird in
der Regel ausreichend durch eine Klärung des Kompetenzstreits im nachfolgenden
Klageverfahren gedient, auch wenn es in der Zwischenzeit möglicherweise zu
Kompetenzüberschreitungen kommt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.06.1992 - 15 B 2283/92 -, NWVBl 1992, 395 = DVBl
1993, 212.
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Hinzu kommt, dass für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auch dann erhöhte
Anforderungen gelten, wenn das Antragsbegehren - wie hier - auf eine Vorwegnahme
der Hauptsache zielt und damit den durch § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich
vorgegebenen Rahmen vorläufiger Regelungen überschreitet.
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Einen Grund, der gemessen an diesen erhöhten Anforderungen, den Erlass der
begehrten einstweiligen Anordnungen rechtfertigen könnte, hat der Antragsteller nicht
dargelegt. Er folgt weder aus dem Gesichtspunkt einer etwa nicht fristgemäßen Ladung
zur Ratssitzung, noch aus dem Gesichtspunkt mangelnder Information über den
Beratungsgegenstand. Sie machen keine vorläufige Regelung „nötig".
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Zunächst muss sich der Antragsteller darauf verweisen lassen, in der Ratssitzung sein
weiteres Informationsbedürfnis geltend zu machen und erforderlichenfalls einen
Vertagungsantrag zu stellen. Dass er über seinen schriftlichen Antrag gegenüber dem
Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 13.12.2005 hinaus einen solchen
Vertagungsantrag in der Sitzung gestellt hat, hat er nicht glaubhaft gemacht und ist dem
Gericht auch sonst nicht bekannt.
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Darüber hinaus ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht hinreichend
dargelegt. Zweifel daran begründet bereits das Verhalten des Antragstellers selbst, der
sein Begehren dem Gericht erst am Tage der anberaumten Ratssitzung unterbreitet hat,
obwohl zum einen in der Presse bereits seit dem 05.12.2005 darüber berichtet wurde,
dass in der Ratssitzung am 15.12.2005 über die Ausübung der Option über den Verkauf
weiterer Anteile an der Stadtwerke E AG entschieden werden solle, zum anderen er
selbst auch nach eigenem Vorbringen jedenfalls aufgrund der Ladung zur Ratssitzung
spätestens seit dem 09.12.2005 davon Kenntnis hatte.
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Es spricht auch einiges dafür, dass der Antragsteller die Einladung zur Ratssitzung mit
der auf den 06.12.2005 datierenden Tagesordnung und der hier maßgeblichen
Beschlussvorlage Nr. 01/365/2005 fristgerecht, also jedenfalls zum 08.12.2005 bekannt
gemacht wurde. Dabei spricht viel dafür, dass den Anforderungen des § 1 Abs. 1 der
Geschäftsordnung des Rates schon dann genügt ist, wenn die Ladung so zur Post
gegeben wird, dass sie bei gewöhnlichem Postlauf die Wochenfrist wahrt, so dass
atypische Postlaufzeiten die Ordnungsgemäßheit der Ladung nicht gefährden. Ebenso
nahe liegt, dass eine etwaige Normverletzung dann keine organschaftlichen Rechte
beeinträchtigt, wenn der Inhalt der Einladung durch Veröffentlichungen in der
Lokalpresse jedenfalls deutlich früher allgemein bekannt ist. Im übrigen gälte selbst
dann nichts anderes, wenn alle Fragen zugunsten des Antragstellers beantwortet
würden. Zwar trägt der vom Antragsteller dem Gericht vorgelegte Briefumschlag zur
übersandten Ladung den Eingangsstempel der Stadtwerke E vom 09.12.2005;
allerdings ist er handschriftlich versehen mit dem Zusatz „Eingang 6.10". Es ist nicht
ausgeschlossen, dass der Briefumschlag also schon am Vortag die Posteingangsstelle
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der Stadtwerke E erreicht hat und dort erst zu Arbeitsbeginn am 09.12.2005 um 6.10 Uhr
zur Weiterleitung an den Antragsteller gestempelt worden ist. Dass der Briefumschlag
mit der Ladung zur heutigen Ratssitzung auch tatsächlich erst am 09.12.2005 in die
Posteingangsstelle gelangt ist, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Jedenfalls
muss sich der Antragsteller zurechnen lassen, dass das noch so rechtzeitig am
07.12.2005 zur Post gegebene Schriftstück ihn möglicherweise erst deshalb verzögert
erreicht hat, weil er der absendenden Stelle, also hier der Stadtverwaltung E, als
Zustelladresse für fristgebundene Anschreiben an ihn als Ratsmitglied die Anschrift
seines Arbeitgebers angegeben hat - wie geschehen.
Im übrigen hat der Antragsteller auch weder dargelegt, dass er sich in zumutbarer Weise
- etwa durch Anforderung weiterer Unterlagen beim Antragsgegner - um Beschaffung
der vermissten Informationen noch vor der Ratssitzung bemüht hat, noch plausibel
gemacht, dass sein Informationsdefizit nicht durch entsprechende Nachfragen in der
Ratssitzung und den Austausch in der Debatte unter den Ratsmitgliedern beseitigt
werden kann. Im Gegenteil hat er von Anfang an mit anwaltlichem Schreiben vom
13.12.2005 lediglich sein Vertagungsinteresse verfolgt ohne zudem gleichzeitig bei
Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen. Mit einem Antrag um Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes bis zum Zeitpunkt der laufenden Ratssitzung abzuwarten,
stellt sich unter diesen Gesichtspunkten als treuwidrig dar.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO die Streitwertfestsetzung auf §§
53 Abs. 3 VwGO, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 22.7 des Streitwertkataloges 2004 für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, S. 1327 und DVBl 2004, S. 1525).
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