Urteil des VG Düsseldorf vom 17.04.2008
VG Düsseldorf: öffentliche sicherheit, grundstück, neues beweismittel, versickerung, neue beweismittel, gefahr, gutachter, entwässerung, kanal, lwg
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 6 K 6228/06
Datum:
17.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 6228/06
Tenor:
Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Ver-
fahren eingestellt; im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; die Kläger
können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterle-gung
in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht
die Beklagte oder die Beigeladene vor der Vollstreckung in glei-cher
Höhe Sicherheit leisten.
Tatbestand:
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Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks G1, Fweg 60 in S. Das Grundstück ist mit
einem am 23. Dezember 1993 genehmigten Einfamilienhaus bebaut.
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Am 28. Dezember 1995 war der Firma E GmbH für das Grundstück G2 im Rahmen des
Baugenehmigungsverfahrens auch die wasserrechtliche Erlaubnis, das anfallende
Niederschlagswasser in den Untergrund mittels Sickerschacht und Sickergräben in
einer Menge bis zu 43,1 l pro Sekunde einzuleiten, erteilt worden. Das ehemalige
Flurstück G2 ist in der Folgezeit in mehrere Flurstücke aufgeteilt worden. Die Häuser
Fweg 62 und 64 stehen nunmehr auf dem G3, das Haus Iweg 30 auf dem Flurstück G4,
das Haus Iweg 30 a auf dem Flurstück G5 und das Haus Iweg 32 auf dem Flurstück G6.
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Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 legten die Kläger gegen die wasserrechtliche
Erlaubnis vom 28. Dezember 1995 Widerspruch ein und beantragten, diese Erlaubnis
aufzuheben. Ihr Begehren wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E
vom 16. August 1999 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte die
Bezirksregierung an, dass der Widerspruch verfristet sei, da die Kläger schon länger als
ein Jahr Kenntnis von der erteilten Genehmigung hätten. Die dagegen gerichtete Klage
wurde zurückgenommen (Verfahren 8 K 5936/99).
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Mit Schreiben vom 8. November 2004 (Beiakte Heft 1, Seite 113) beantragten die Kläger
bei der Beklagten, über die Aufhebung oder Änderung der wasserrechtlichen Erlaubnis
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vom 28. Dezember 1995 zu entscheiden und den Erlaubnisbescheid aufzuheben,
hilfsweise den Erlaubnisbescheid gemäß § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG
NRW) aufzuheben bzw. hilfsweise ordnungsrechtlich gegen die
Wohnungseigentümergemeinschaft Fweg 62/64 einzuschreiten. Zur Begründung
führten sie aus, dass nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW die Behörde auf Antrag des
Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren
Verwaltungsaktes zu entscheiden habe, wenn neue Beweismittel vorlägen, die eine
dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Das sei der
Fall. Das Landgericht X habe die Wohnungseigentümergemeinschaft Fweg 62/64
verurteilt, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass kein
Niederschlagswasser von dem Grundstück Fweg 62 – 64 auf das Grundstück der Kläger
übergeleitet werde und auf dieses übertrete. Die Wohnungseigentümergemeinschaft
verstoße gegen die sich aus § 27 Nachbarrechtsgesetz ergebende Verpflichtung,
bauliche Anlagen auf ihrem Grundstück so einzurichten, dass Niederschlagswasser
nicht auf das Nachbargrundstück tropfe, auf dieses abgeleitet werde oder übertrete. Das
Gutachten des Privatdozenten Dr.-Ing. I1 vom 1. Juni 2004 habe ergeben, dass der drei
Meter breite Grenzstreifen nicht in der Lage sei, die anfallenden Wassermengen
aufzunehmen. Als neues Beweismittel liege auch das Gutachten des Ingenieurbüros für
Geotechnik und Baustoffprüfung V vom 29. September 2004 vor. Darin würden
verschiedene Mängel der Sickerschächte dargelegt. Außerdem sei in der
wasserrechtlichen Erlaubnis vom 28. Dezember 1995 die Entwässerung des
Tiefgaragendaches nicht berücksichtigt; eine Einleitung des hier anfallenden Wassers
zusätzlich in die Sickeranlage Nr. 4 überfordere diese.
Die Kläger wiesen mit Schreiben vom 23. Juni 2005 im wesentlichen darauf hin, aus
dem ergänzenden geotechnischen Bericht des Ingenieurbüros V vom 2. Juni 2005 folge,
dass die Sohle des Schachtes Nr. 4, welche das benachbarte Haus entwässern solle,
bei 354,34 m liege. Somit liege die Sohle nur 24 cm oberhalb des
Grundwasserspiegels, welcher beim Aushub der benachbarten Tiefgarage 1996
vorhanden gewesen sei. Dementsprechend würden die Anforderungen der ATV-A 138
zum Schutz des Grundwassers nicht eingehalten. Außerdem liege die
Versickerungsanlage in der Wasserschutzzone III.
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Die Beklagte entgegnete mit Schreiben vom 7. Juli 2005, die Sickeranlage 4 liege
außerhalb der Wasserschutzzone und unterliege damit nicht den Beschränkungen der
Wasserschutzgebietsverordnung. Die Sickeranlage 4 werde unzutreffender Weise als
Schachtversickerungsanlage dargestellt. Es handele sich vielmehr um einen
Sickerschacht mit angeschlossenem Sickergraben, wie auch bereits im ergänzenden
Bericht des Ingenieurbüros V vom 29. September 2004 festgestellt worden sei.
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Mit Bescheid vom 27. Juli 2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger vom 8.
November 2004 ab. Zur Begründung führte sie an, dass § 51 VwVfG NRW zwingend
das Vorliegen eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes voraussetze. Nach der
Erlaubniserteilung für das ursprünglich einheitliche Baugrundstück G2 an den
damaligen Bauträger sei das Gelände in die heutigen Flurstücke G4 bis G7
aufparzelliert worden. Diese Flurstücke seien anschließend an verschiedene
Eigentümergemeinschaften veräußert worden. Gemäß § 7 Abs. 2
Wasserhaushaltsgesetz gehe die Erlaubnis mit der Wasserbenutzungsanlage auf den
Rechtsnachfolger über. Obgleich der Übergang der Erlaubnis auf die Rechtsnachfolger
des Bauträgers nicht ausdrücklich ausgeschlossen sei, sei dennoch davon auszugehen,
dass ein solcher Übergang nicht stattgefunden habe, sondern die Erlaubnis vom 28.
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Dezember 1995 erloschen sei. Sobald ein Bauträger eines der nach Erlaubniserteilung
parzellierten Grundstücke veräußert habe, die über die Entwässerungsanlage
miteinander verbunden seien, gehe die Pflicht zur Beseitigung des dort anfallenden
Niederschlagswassers auf den Erwerber über. Die Entwässerungsanlagen seien aber
nicht den neuen Flurstücken zuzuordnen. Wie § 51 setzten auch §§ 48 und 49 VwVfG
NRW einen gültigen Verwaltungsakt voraus. Erledigte Verwaltungsakte bedürften keiner
Rücknahme und keines Widerrufs mehr. Das sei hier der Fall, da den betroffenen
Rechtsnachfolgern der Grundstücke des früheren Bauträgers bekannt gegeben worden
sei, dass die Erlaubnis nicht übergegangen, sondern grundstücksbezogen neu zu
beantragen sei.
Die Beklagte führte weiter aus, selbst wenn die Rechtsgültigkeit der Erlaubnis vom
28. Dezember 1995 unterstellt werde, habe der gestellte Antrag keinen Erfolg. Eine
rechtliche Beschwer der Kläger liege nicht vor. Erlaubnisgegenstand sei die Einleitung
auf befestigten Flächen anfallenden Niederschlagswassers über Sickerschächte in den
Untergrund. Diese Einleitung finde nicht auf dem Grundstück der Kläger, sondern auf
benachbarten sowie weiteren Fremdgrundstücken statt. Zwischen der Vernässung des
Grundstücks Fweg 60 und der durch die Erlaubnis begründeten
Niederschlagswassereinleitung bestehe kein erkennbarer Zusammenhang. Außerdem
sei in dem Urteil des Landgerichts X vom 5. Oktober 2004 und den eingeholten
Gutachten kein neues Beweismittel zu sehen. Die Entwässerung der in dem
zivilrechtlichen Verfahren streitgegenständlichen Dachfläche der Tiefgarage sei nicht
Bestandteil der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 28. Dezember 1995 und habe auch
nicht in diese aufgenommen werden müssen, da es sich bei dem Abfließen des
Niederschlagswassers von dieser Fläche aus nicht um einen erlaubnispflichtigen
Tatbestand nach wasserrechtlichen Vorschriften handele. Außerdem komme die
benachbarte Eigentümergemeinschaft der gerichtlich auferlegten Verpflichtung zur
Verhinderung des Übertritts von Wasser nach.
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Der Antrag auf ordnungsbehördliches Einschreiten nach § 138 Landeswassergesetz
(LWG) werde ebenfalls abgelehnt. Allein der Umstand, dass es bei starken
Niederschlägen auf dem Grundstück der Kläger zu Vernässungen komme, begründe
nicht eine Handlungspflicht der zuständigen Ordnungsbehörde. Für den drohenden oder
eingetretenen Schaden müssten entweder ein rechtswidriger Zustand einer Sache oder
rechtswidriges Handeln einer Person ursächlich sein und dabei ein Verstoß gegen
öffentlich-rechtliche Vorschriften zu Grunde liegen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Ein
objektiver Mangel der Entwässerungsanlage und ein Verstoß gegen wasserrechtliche
Vorschriften zögen nicht automatisch Maßnahmen der Ordnungsbehörde nach sich. Sie
habe vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen die Voraussetzungen eines
Einschreitens zu prüfen. Nach technischer und rechtlicher Prüfung sämtlicher
entscheidungserheblicher Unterlagen und Informationen werde zur Zeit eine Gefahr für
die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gesehen.
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Dagegen legten die Kläger am 11. August 2005 Widerspruch ein. Sie führten aus, dass
sie zwischenzeitlich einen weiteren Sachverständigen damit beauftragt hätten, die
Gesamtentwässerungssituation im Bereich des Fwegs zu prüfen.
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Am 8. Mai 2006 legten die Kläger eine Beurteilung der Entwässerungssituation im
Bereich des Grundstücks Fweg 60 der Ingenieurgesellschaft für Stadthydrologie, Dr.-
Ing. H vom 7. November 2005 vor. Dieser führte in dem Gutachten (unter 4) aus, der
Keller der Kläger liege im Bereich des gering durchlässigen Tonsteins. Durch die
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gezielte Versickerung der oberhalb liegenden Grundstücke werde bei stärkeren
Regenfällen vermehrt Sickerwasser auf der Tonsteinschicht hangabwärts ablaufen; der
in den Tonstein einbindende Keller stelle für das Sickerwasser somit eine Barriere dar
und das Sickerwasser könne sich aufstauen und die Kellerwände vernässen.
Der Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E
vom 15. November 2006 zurückgewiesen.
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Die Kläger haben am 8. Dezember 2006 Klage erhoben gegen den Bescheid der
Beklagten vom 27. Juli 2005. In ihrer Klagebegründung vom 21. März 2007 haben sie
dargelegt, in dem Verwaltungsvorgang, Blatt 243 (Beiakte Heft 1), befinde sich ein
Musterschreiben an die Eigentümer der betroffenen Grundstücke, nach dem die Prüfung
der Voraussetzungen einer Wiedererteilung der erforderlichen wasserrechtlichen
Erlaubnis durch ein aktuelles geohydrologisches Gutachten nachzuweisen sei. Somit
sei die Beklagte "der Sache nach ordnungsbehördlich eingeschritten" und habe "damit
der Sache nach den Antrag auf ordnungsbehördliches Einschreiten anerkannt".
14
Die Beigeladene wurde mit Schreiben der Beklagten vom 5. März 2007 aufgefordert,
eine neue wasserrechtliche Erlaubnis zu beantragen, da die alte Erlaubnis erloschen
sei. Die Beigeladene holte daraufhin ein Gutachten des Büros für Umweltgeologie G
vom 5. Juli 2007 ein. Im Rahmen der Begutachtung nahm der Gutachter in der Nähe der
Sickerschächte Sondierungen vor, um den Bodenaufbau zu prüfen. Er führte aus, die
aufgeschlossene gelockerte Felszone sei bis mind. 2,5 m Tiefe für die Versickerung von
Regenwasser geeignet. Vernässungszonen, die auf einen Sickerwasserstau aus den
Sickeranlagen hinweisen, seien in allen Sondierungen nicht erkennbar gewesen,
obwohl es vor den Geländearbeiten stark geregnet habe. Der Gutachter kam zu dem
Ergebnis, dass aufgrund der Lage der Sickergräben zu den benachbarten Gebäuden
und der breitflächigen Ausbreitung des aussickernden Wassers eine Beeinträchtigung
der benachbarten unterkellerten Gebäude nicht zu erwarten sei.
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Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2007 haben die Kläger dargelegt, unterstelle man die
Richtigkeit der Annahme der Beklagten, dass wasserrechtliche Erlaubnisse auf Grund
nachfolgender Grundstücksteilung erlöschen, stelle sich die Situation so dar, dass auf
praktisch allen die Kläger umgebenden Grundstücken derzeit ungeregelte
wasserrechtliche Verhältnisse bestünden. Hier bestehe ein unterschiedlicher Vortrag
der Beklagten gegenüber den betroffenen Eigentümern in der Umgebung einerseits und
im vorliegenden gerichtlichen Verfahren andererseits. Außerdem werde die Beklagte
darauf hingewiesen, dass nach ihrer Auffassung auch die wasserrechtliche Erlaubnis
vom 22. August 1990 zu Gunsten von Frau I1 für das Flurstück G8 zwischenzeitlich
erloschen wäre. Bezüglich dieser wasserrechtlichen Erlaubnis sei das Klageverfahren 6
K 4282/04 bei der Kammer anhängig gewesen und es sei angemerkt, dass die Kammer
im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht von einem Erlöschen dieser Erlaubnis
ausgegangen sei.
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Nach alledem gehe es den Klägern vornehmlich darum, dass die Beklagte
nachfolgende wasserrechtswidrige Zustände aufgreife und für Abhilfe sorge: Die
wasserrechtliche Erlaubnis vom 28. Dezember 1995 bezüglich der
Mehrfamilienhausbebauung und Tiefgarage des Grundstücks Fweg 62/64 sei erteilt
worden, obwohl die schadlose Versickerung durch das Gutachten G nicht
nachgewiesen worden sei. Nach der Entwässerungssatzung unterlägen alle
Grundstücksentwässerungsanlagen einer Abnahme durch die Stadt. Solche Abnahmen
17
seien jedoch nicht durchgeführt worden. Die Entwässerung der 500 qm großen
Tiefgarage und Dachfläche, also das Sammeln und Einleiten von Niederschlagswasser
in den Untergrund, sei seit Fertigstellung im Jahr 1997 ohne behördliche Genehmigung
erfolgt. Es gebe bis heute keinen Nachweis der schadlosen Versickerung. Es gebe
darüber hinaus nicht genehmigte Anschlüsse und nicht genehmigte Überläufe an dem
öffentlichen Kanal, die die Kläger seit 1997 der Beklagten anzeigten. Durch
Überprüfungsarbeiten der Ser Entsorgungsbetriebe am 23. Oktober 2006 in Form einer
Kamerabefahrung des Kanals am Fweg und im Februar 2007 in Form der Überprüfung
des Kanalanschlusses im Iweg seien heimliche Anschlüsse bestätigt worden. Das
Gebäude Iweg 32 sei nicht an die Versickerungsanlage Nr. 1 angeschlossen, sondern
unmittelbar an den Kanal.
Der Beigeladenen ist mit Bescheid vom 18. September 2007 die wasserrechtliche
Erlaubnis erteilt worden, das anfallende Niederschlagswasser der Dachfläche des
Hauses 62 in die vorhandenen Rigolen 4 und 5 und der Dachfläche des Hauses 64 in
die vorhandenen Rigolen 6 und 7 in einer Menge von 12,80 l/s in den Untergrund
einzuleiten. Der Bescheid ist den Klägern mit Schreiben vom 25. Januar 2008 zur
Kenntnisnahme übersandt worden.
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Die Kläger haben in ihrem Schreiben vom 21. September 2007 darauf hingewiesen, das
Gutachten G vom 5. Juli 2007 habe offenbart, dass in sämtlichen Antragsunterlagen,
Genehmigungen und Erlaubnissen und sogar im Kanalkataster der Ser
Entsorgungsbetriebe die Höhenlage der Straße, der Kanaldeckel und auch der Kanäle
selbst falsch angegeben sei; es ergebe sich eine Abweichung von ca. 2 Metern. Würden
die richtigen Höhenmaße zu Grunde gelegt, stelle sich heraus, dass die gesamten
Sickergräben 6 – 7 unzulässig seien. Durch die als Anlage beigefügten Unterlagen
könne nunmehr eindeutig nachgewiesen werden, dass die gesamte Entwässerung im
Bereich der beiden Mehrfamilienhäuser Fweg 62 und 64 einschließlich der Tiefgarage
auf falschen Höhenlagen beruhe und bei richtigen Höhenangaben nicht zulässig sei.
19
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Kläger die Klage hinsichtlich des
Wiederaufgreifens des Verfahrens zurückgenommen. Sie tragen ergänzend vor, ihnen
liege seit wenigen Tagen ein weiteres Gutachten des Ingenieurbüros C vor. Der
Gutachter, Herr T, habe festgestellt, dass durch den Bau der Tiefgarage ein Riegel
entstanden sei, das Schichtenwasser diesen umgehen müsse, so in erheblich höherer
Geschwindigkeit als vor dem Bau der Tiefgarage auf ihr Grundstück zufließe und dieses
zur Vernässung führe. Dem in der mündlichen Verhandlung anwesenden Gutachter
wurde Gelegenheit gegeben, sein Gutachten vom 15. April 2008 zu erläutern.
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Die Kläger beantragen,
21
die Beklagte zu verpflichten, durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen,
dass das Niederschlagswasser der Dachflächen und des
Tiefgaragendaches auf dem Grundstück Fweg 62/64 nicht im
Einflussbereich des klägerischen Grundstückes versickert wird sowie dass
Schichtenwasser um die Tiefgarage herum auf das klägerische Grundstück
nicht abgeleitet wird.
22
Die Beklagte beantragt,
23
die Klage abzuweisen.
24
Zur Begründung beruft sie sich auf ihr Vorbringen im bisherigen Verfahren.
25
Die Beklagte weist darüber hinaus darauf hin, dass nach dem Untersuchungsbericht
des Büros G vom 5. Juli 2007 betreffend die Sickergräben Nr. 4 – 7 diese aus
gutachterlicher Sicht weiter betrieben werden könnten. Umbauten seien nach dem
Untersuchungsbericht (Seite 20) nicht erforderlich. Da eine weitere Versickerung
schadlos möglich sei, sei der Eigentümergemeinschaft Fweg 62 – 64 auf den
entsprechenden Antrag vom 10. Juli 2007 unter dem 18. September 2007 eine neue
wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von Niederschlagswasser erteilt worden.
Spätestens mit Erteilung dieser wasserrechtlichen Erlaubnis sei die Erlaubnis vom 28.
Dezember 1995 obsolet geworden, wenn man nicht davon ausgehen wolle, dass die
Erlaubnis mit der Neuparzellierung des ursprünglichen Grundstücks erloschen sei.
Gegenüber der Eigentümergemeinschaft des Hauses Iweg 30 sei unter dem 5. Juni
2007 eine Ordnungsverfügung erlassen worden. Die Eigentümergemeinschaft des
Hauses Iweg 32 habe sich am 13. März 2007 entschieden, das Niederschlagswasser an
den öffentlichen Kanal anzuschließen. Auch im Hinblick auf das Haus Iweg 30 a sei der
Eigentümergemeinschaft eine neue wasserrechtliche Erlaubnis am 18. September 2007
erteilt worden.
26
Im Termin zur mündlichen Verhandlung führt die Beklagte zu dem nunmehr gestellten
Klageantrag aus, dass dieser nicht hinreichend bestimmt sei und keinen
vollstreckungsfähigen Inhalt aufweise.
27
Die Beigeladene beantragt,
28
die Klage abzuweisen.
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Sie macht im Wesentlichen geltend, eine Rechtsverletzung der Kläger liege nicht vor.
Die wasserrechtliche Erlaubnis vom 18. September 2007 beruhe auf dem
hydrogeologischen Gutachten des Dipl. G, der die Unbedenklichkeit der Versickerung
des Niederschlagswassers nachgewiesen habe. Die Entwässerung der Tiefgaragen-
Dachfläche sei aufgrund des Urteils des LG X neu angelegt worden, so dass kein
Wasser mehr von der Dachfläche der Tiefgarage auf das Grundstück der Kläger
übertrete.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Hefte 1 bis 14 [Heft 3:
Bauakte der Kläger; Heft 4: Bauakte Fweg 62/64]) sowie auf den Inhalt des
beigezogenen Verfahrens beim LG X - 1 O 000/03 /OLG E I – 9 W 00/07 (Hefte 5 und 6)
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
32
Soweit die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage hinsichtlich des
Wiederaufgreifens des Verfahrens bezogen auf die wasserrechtliche Erlaubnis von
1995 zurückgenommen haben, wird es eingestellt, § 92 Abs. 3
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
33
Die Klage im übrigen hat keinen Erfolg.
34
Die Klage im übrigen hat keinen Erfolg.
34
1. Die Klage ist mit dem erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag
unzulässig, da der Antrag zu unbestimmt ist. Nach § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO soll die
Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Diesen Anforderungen soll die Klage
entsprechen; ist dies nicht der Fall, ist die Klage gleichwohl nicht unzulässig. Eine
Ausnahme hiervon gilt jedoch für den Klageantrag. Da das Gericht nach § 88 VwGO an
den Antrag gebunden ist, muss der Kläger spätestens in der mündlichen Verhandlung
einen Antrag formulieren. Liegt ein bestimmter Antrag auch bei Schluss der mündlichen
Verhandlung nicht vor, so ist die Klage unzulässig,
35
vgl. Eyermann, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage 2006, § 82
RdNr. 9.
36
Ein Klageantrag ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch
konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der richterlichen Entscheidungsbefugnis
absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§
121 VwGO) erkennen lässt und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine
Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt,
37
vgl. Eyermann, a.a.O.
38
Diesen Anforderungen genügt der gestellte Antrag nicht.
39
Auch durch Auslegung ist nicht zu ermitteln, was die Kläger mit dem Begriff "im
Einflussbereich des klägerischen Grundstücks" bezeichnen wollen. Es ist nämlich nicht
erkennbar, wie weit dieser Bereich gezogen werden soll und was mit "Einflussbereich"
gemeint ist.
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Zudem weist der gestellte Klageantrag keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Eine
Vollstreckung aus einem Urteil mit einem entsprechenden Tenor wäre nicht möglich, da
unklar ist, was mit "im Einflussbereich des klägerischen Grundstücks" gemeint ist. Ein
derartig beschriebener Bereich ist nicht eingrenzbar. Darauf hat der Vertreter der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung bereits hingewiesen.
41
2. Ferner ist die Klage auch deshalb unzulässig, weil der Antrag ersichtlich auf einem
neuen Sachverhalt beruht, der bisher noch nicht Gegenstand des Verfahrens war, so
dass die Beklagte damit noch nicht befasst war. Das gilt insbesondere im Hinblick auf
den Antrag "sowie dass Schichtenwasser um die Tiefgarage herum auf das klägerische
Grundstück nicht abgeleitet wird." Die Kläger haben diesen Antrag ersichtlich vor dem
Hintergrund des am 15. April 2008 erstellten Gutachtens des Ingenieurbüros C gestellt.
Abgesehen davon, dass schon zweifelhaft ist, ob überhaupt ein zielgerichtetes Einleiten
auf das Grundstück der Kläger erfolgt, war dies bisher nicht Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens. Gegenstand des Klageverfahrens ist der Antrag der Kläger
vom 8. November 2004, mit dem die Kläger im Rahmen des Wiederaufgreifens des
Verfahrens die Aufhebung der am 28. Dezember 1995 erteilten wasserrechtlichen
Erlaubnis begehrten. Die Beseitigung von Niederschlagswasser des
Tiefgaragendaches war nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, da die am 28.
Dezember 1995 erteilte wasserrechtliche Erlaubnis die Entwässerung der
Tiefgaragenfläche nicht umfasste, worauf die Beklagte im Verfahren mehrmals
hingewiesen hat und wovon auch die Kläger ausweislich ihrer Schriftsätze ausgehen.
42
3. Selbst wenn der Antrag, die Beklagte zu verpflichten, durch geeignete Maßnahmen
sicher zu stellen, dass das Niederschlagswasser der Dachflächen und des
Tiefgaragendaches auf dem Grundstück Fweg 62/64 nicht im Einflussbereich des
klägerischen Grundstückes versickert wird, für zulässig erachtet würde, hätte er in der
Sache keinen Erfolg.
43
Die Kläger selbst haben eine Rechtsgrundlage für ihr Begehren nicht genannt, sondern
in der mündlichen Verhandlung geäußert, man müsse doch gegen eine illegale
Entwässerung der Nachbargrundstücke irgendwie vorgehen können.
44
Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Kläger kommt § 138 LWG i.V. m. §§ 14, 12
Ordnungsbehördengesetz (OBG) in Betracht. Danach kann die untere Wasserbehörde
einschreiten, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegt.
Voraussetzung für einen Anspruch auf ein Einschreiten der Beklagten ist jedoch, dass
eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegt und das Ermessen der
Behörde auf Null reduziert ist. Eine Gefahr in diesem Sinne ist gegeben, wenn ein
Zustand oder ein Verhalten nach allgemeiner Lebenserfahrung bei ungehindertem
Geschehensablauf zum Eintritt eines Schadens für ein Schutzgut der öffentlichen
Sicherheit oder Ordnung führen würde. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt
u.a. in Verstößen gegen die objektive Rechtsordnung, zu der auch die Bestimmungen
des öffentlichen Wasserrechts gehören.
45
Hier besteht schon keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung dadurch,
dass das Grundstück der Kläger nach ihrem Vortrag im Gartenbereich vernässt und im
Kellerbereich eine Vernässung zu befürchten ist. Dadurch ist das private Eigentum der
Kläger betroffen. Grundsätzlich ist die Behörde zu Gunsten Privater zum Einschreiten
gegen Dritte nicht verpflichtet; der Private hat sich gegen vermutete
Eigentumsbeeinträchtigungen durch Dritte vielmehr zivilrechtlich zu wehren. Dabei kann
hier offen bleiben, wann eine Situation auf privaten Grundstücken dazu führen kann,
dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist.
46
Vorliegend ist die Beklagte jedenfalls nicht verpflichtet, einzuschreiten. Denn die
Entwässerungssituation des Grundstücks der Beigeladenen ist durch die
wasserrechtliche Erlaubnis vom 18. September 2007 geregelt, wobei der Gutachter G in
seinem Gutachten vom 5. Juli 2007 nachvollziehbar festgestellt hat, dass die
Versickerung von Niederschlagswasser möglich ist und die Versickerungsanlagen
ausreichend dimensioniert sind. Damit besteht eine Gefahr z.B. für das Rechtsgut
Wasserhaushalt oder Grundwasser nicht. Sonstige Gefahren für die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung sind hier nicht erkennbar und auch nicht konkret vorgetragen
oder belegt.
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Selbst wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unterstellt würde,
was schwer denkbar ist, ist hier auch nicht nachgewiesen, dass die Versickerung von
Niederschlagswasser auf den Nachbargrundstücken ursächlich für eine etwaige
Vernässung des Grundstücks der Kläger ist. Denn die Kläger haben ein Grundstück
bebaut, das durch seine Lage in einem hängigen Gelände vorgeprägt ist. Damit
entspricht es dem natürlichen Geschehen, dass Wasser von oberhalb des Hanges den
Hang hinunterläuft. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass das Grundstück der Kläger
möglicherweise ebenso vernässen würde, wenn die oberhalb gelegenen Grundstücke
nicht bebaut wären. Der Gutachter Dr.Ing. I1 hat in seinem Gutachten vom 20. Dezember
2006 (Beiakte Heft 11), das er im Zivilverfahren der Kläger und der Beigeladenen vor
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dem Landgericht X erstellt hat, darauf hingewiesen, dass er die Versickerung von
Niederschlagswasser in dem Gebiet nicht als problematisch ansehe. Es müssten beim
Bau ausreichende Vorkehrungen getroffen werden. Demnach müssten sich Kläger und
Beigeladene beim Bau ihrer Gebäude ausreichend um die Problematik kümmern. Die
Wassermenge, die durch Niederschläge auf die unbebauten Grundstücke abregne,
ändere sich nicht dadurch, dass die Grundstücke bebaut würden. Das heiße, auch ohne
die oberliegenden Versickerungsanlagen sei mit dem Zufluss von Schichten- und oder
Sickerwasser zu rechnen. Wenn der Gutachter der Kläger feststelle, dass der in den
Tonstein einbindende Keller für das Sickerwasser eine Barriere darstelle und das
Sickerwasser sich aufstauen und die Kellerwände vernässen könne, so liege in diesem
Fall eindeutig ein eklatanter Planungsfehler der Kläger oder der von ihnen beauftragten
Fachleute vor, da entweder eine ausreichende Ring- und Flächendränage fehle oder
aber die Kellerdichtung nicht druckdicht ausgeführt worden sei (Gutachten, Seite 7).
Damit steht für die Kammer fest, dass die Ursache für eine mögliche Vernässung des
Grundstücks der Kläger jedenfalls nicht allein in der Bebauung der Nachbargrundstücke
zu finden ist.
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Dazu kommt, dass eine Vernässung des Gartens der Kläger auch durch die
Bodenqualität auf dem Grundstück der Kläger verursacht sein oder in der auf dem
Grundstück der Kläger fehlenden Bodendurchlässigkeit gesehen werden kann. Die von
den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Bilder zeigen zwar,
dass der Rasen der Kläger nicht gleichmäßig wächst und eine Pfützenbildung
entstehen kann. Die Ursachen dafür können allerdings vielfältig sein. Den Bildern sind
schon die Umstände zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme nicht zu entnehmen (z.B. Starkregen
nach Trockenperiode), und deshalb sind sie nicht aussagekräftig.
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Vor diesem Hintergrund ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte ein
Einschreiten gegen die Beigeladene ablehnt; die Voraussetzungen für eine
Ermessensreduzierung auf Null liegen hier nicht vor.
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Die Kläger können sich vorliegend auch nicht auf § 115 Abs. 2 LWG (Abwehrrecht der
Unterlieger) berufen, da diese Vorschrift das wild abfließende Oberflächenwasser
betrifft, welches hier nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Im übrigen hat das
Landgericht X dazu in seinem Beschluss vom 25. April 2007 (1 O 000/03), ausgeführt:
"Insbesondere ist der Eigentümer des höher gelegenen Grundstücks, vorliegend die
Schuldnerin, nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Sickerwasser nicht auf dem
undurchlässigen Felshorizont zum tiefergelegenen Nachbargrundstück übertritt. Eine so
weit gehende Verpflichtung kennt das Gesetz nicht."
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Damit hat die Klage insgesamt keinen Erfolg.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Den
Klägern waren auch die Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da sie einen Antrag
gestellt und sich somit dem Kostenrisiko ausgesetzt hat, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
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