Urteil des VG Düsseldorf vom 27.11.2002
VG Düsseldorf: wichtiger grund, schutz der gläubiger, namensänderung, islam, identifizierung, vollstreckung, gemeinde, glaubensfreiheit, konversion, grundrecht
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 K 2105/02
Datum:
27.11.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 2105/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und trat nach eigenen Angaben im Jahre
1993 zum Islam über. Er legte eine „Islam-Urkunde (Schahada)" vor, nach der er am 16.
Juni 2000 offiziell den Islam angenommen hat. Er gehört der Islamischen
Brudergemeinde e.V. in E an.
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Der Kläger ist im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichtes X eingetragen und hat am 1.
Oktober 1999 eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben. Das Führungszeugnis des
Bundeszentralregisters vom 11. November 2002 weist 21 Eintragungen aus den Jahren
von 1984 bis 2001 auf, darunter zahlreiche Diebstahlsdelikte, Körperverletzungsdelikte
und Delikte des unerlaubten Erwerbs und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge. Er sitzt nach der (letzten) rechtskräftigen Verurteilung durch das
Amtsgericht X vom 29. August 2001 nach wie vor in Strafhaft.
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Am 3. Oktober 2000 beantragte er bei dem Beklagten zunächst die Änderung seines
Familiennamens von „T" in „N". Diesen Antrag stellte er später um in einen Antrag auf
Änderung seines Vornamens von „André Borris" in „N".
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Nach Anhörung lehnte der Beklagte den Antrag auf Änderung des Vornamens mit
Bescheid vom 22. März 2001, zugestellt am 30. März 2001, ab. Dieser Bescheid wurde
durch Bescheid vom 9. Mai 2001 ergänzt.
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Der Kläger legte mit Schreiben vom 2. April 2001 Widerspruch ein, den die
Bezirksregierung E1 mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2002, zugestellt am 5.
März 2002, ablehnte.
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Am 5. April 2002 hat der Kläger Klage erhoben.
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Der Kläger trägt vor, seit seinem Übertritt zum Islam fühle er sich ernsthaft dem neuen
Glauben zugehörig und praktiziere diesen täglich. Er trage einen Bart und eine
Gebetsmütze, gehe täglich zum Gebet in die Moschee, meide Alkohol, Drogen und
Glücksspiele, habe sich Tätowierungen entfernen und sich auch beschneiden lassen,
wünsche sich eine muslimische Bestattung und habe sich einen muslimischen
Freundeskreis aufgebaut.
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Er möchte eine Pilgerfahrt nach Mekka (Hajj) unternehmen. Es sei jedoch ohne
muslimischen Namen schwer, ein Visum für eine Pilgerfahrt nach Mekka in Saudi-
Arabien zu bekommen.
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Er trägt weiter vor, wenn man in eine neue muslimische Gemeinde komme und sich mit
einem nicht muslimischen Namen (also André Borris) vorstelle, dann werde es von den
anderen Gläubigen ertönen, man sei kein richtiger Moslem.
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Zudem sei es für ihn unerträglich, beim Arzt seinen eingetragenen Namen nennen zu
müssen anstatt seines muslimischen Namens.
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Er fühle sich in seiner ungestörten Religionsausübung beeinträchtigt, denn er könne ja
auch eine Muslimin heiraten und dann ihren Namen annehmen.
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Gegenüber jüdischen Mitbürgern fühle er sich diskriminiert, denen „jede erdenkliche
Erleichterung im Praktizieren ihrer Religion zugestanden wird, im Gegensatz zu den hier
lebenden, ebenfalls praktizierenden deutschen Staatsbürgern mit muslimischem
Glauben".
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Bescheid des Beklagten vom 22.3.2001 in der Form des Widerspruchsbescheides
der Bezirksregierung E1 vom 27.2.2002 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
seinen Vornamen von „André Borris" in „N" zu ändern, hilfsweise den bisherigen
Vornamen „André Borris" in „André Borris N" zu ergänzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte lehnt den Antrag auf Vornamensänderung unter Berufung auf § 11 i.V.m.
§§ 1 und 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen
(Namensänderungsgesetz - NamÄndG) ab, nach dem ein Vorname nur bei Vorliegen
eines wichtigen Grundes geändert werden dürfe. Das schutzwürdige Interesse des
Antragstellers an der Namensänderung müsse hinter entgegenstehenden
schutzwürdigen Interessen anderer Beteiligter an den in den gesetzlichen
Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen der Namensführung
zurücktreten. Dazu zählten auch soziale Ordnungsfunktionen und das öffentliche
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Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens. Die öffentlich- rechtliche
Namensänderung diene der Beseitigung auftretender Unzulänglichkeiten im Einzelfall
und habe damit Ausnahmecharakter.
Der Übertritt zum islamischen Glauben alleine könne nicht als wichtiger Grund im Sinne
des Namensänderungsrechts angesehen werden. Es müssten vielmehr weitere
Umstände hinzu kommen.
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Das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Namens sei vielmehr in den Fällen
besonders hoch anzusetzen, in denen der Antragsteller erheblich oder wiederholt
vorbestraft ist, um die künftige Identifizierung zu ermöglichen.
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Nach seinem eigenen Vortrag trete der Kläger unter Verwendung seines von ihm
gewählten Namens „N" in der islamischen Gemeinde auf und sei dort voll integriert. Die
Glaubensbrüder sprächen ihn mit seinem islamischen Namen an. Der eingetragene
Name sei deshalb von untergeordneter Bedeutung.
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Darüber hinausgehende Namensänderungswünsche, um eine Pilgerfahrt nach Mekka
unternehmen zu können oder den eingetragenen Namen in anderen Lebensbereichen
vorweisen zu können, müssten hingegen hinter den überragenden öffentlichen
Interessen an einer künftigen Identifizierung zurückstehen. Dabei sei nicht zuletzt zu
berücksichtigen, dass der Familienname des Klägers sehr häufig vorkomme.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr
Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage, mit der der Kläger die Änderung seines Vornamens von „André Borris" in „N",
hilfsweise die Ergänzung seines Vornamens von „André Borris" in „André Borris N"
begehrt, ist unbegründet.
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Ein wichtiger Grund zur Änderung des Vornamens ist nach § 11 i.V.m. §§ 1 und § 3 Abs.
1 NamÄndG nicht gegeben.
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Das Begehren des Klägers, seinen Vornamen zu ändern oder diesem weitere Namen
hinzuzufügen, stellt den Wunsch nach einer Vornamensänderung im Sinne des § 11
NamÄndG dar. Eine solche Vornamensänderung liegt nicht nur bei Auswechslung
eines Vornamens, sondern auch bei Hinzufügung eines zweiten Vornamens zum
bisherigen Vornamen vor.
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BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 1997, 5 B 97.180, BayVBl. 1998, 632, 633; OVG NW,
Urteil vom 8. Dezember 2000, 8 A 3628/00, S. 10 f.
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Ein die Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund ist durch Abwägung aller für
und gegen die Namensänderung streitenden Interessen zu bestimmen. Dabei müssen
die schutzwürdigen Interessen desjenigen, der die Namensänderung erstrebt, die in der
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sozialen Ordnungsfunktion des Namens zusammengefassten Interessen der
Allgemeinheit einschließlich der Grundentscheidungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB) zum Namensrecht als zwingende rechtliche Regelungen überwiegen.
BVerwG, Urteil vom 24.4.1987, NJW 1988, 85.
31
Ein die Änderung eines Vornamens rechtfertigender wichtiger Grund i.S.d. § 3 Abs. 1
NamÄndG liegt nach diesen Grundsätzen vor, wenn das schutzwürdige Interesse des
Antragstellers an der Namensänderung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung
des bisherigen Vornamens überwiegt.
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St. Rspr., BVerwG, Beschluss vom 27.09.1993, 6 B 58/93, Buchholz 402.10 § 11 NÄG
Nr. 4; OVG NW, Urteil vom 8. Dezember 2000, 8 A 3628/00, S. 11.
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Die Änderung eines Vornamens unterscheidet sich von der Änderung eines
Nachnamens nur insoweit, als den öffentlichen Interessen, auf die bei der Änderung des
Vornamens Bedacht zu nehmen ist, ein geringeres Gewicht zukommt als dem
öffentlichen Interesse am unveränderten Fortbestand eines Familiennamens.
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OVG NW, Beschluss vom 11. Oktober 2002, 8 A 312/01, S. 3; OVG NW, Urteil vom 8.
Dezember 2000, 8 A 3628/00, S. 11; BayVGH, Urteil vom 3.6.1992, 5 B 92.162, NJW
1993, 346, 347.
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Dies entspricht auch der Regelung in Nr. 62 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum
Namensänderungsgesetz (NamÄndVwV).
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Der Übertritt zum Islam kann einen rechtfertigenden wichtigen Grund darstellen, wenn
die Ernsthaftigkeit des religiös begründeten Begehrens durch zusätzliche Umstände
unterstrichen wird.
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BayVGH, Urteil vom 3.6.1992, 5 B 92.162, NJW 1993, 346, 347.
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Daran fehlt es hier. Es bestehen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der
Glaubensentscheidung des Klägers, der nach eigener Darstellung im Jahre 1993 zum
Islam übergetreten sei und ein gottesfürchtiges Leben führe. Diese Zweifel gründen
darauf, dass der Kläger seither in zehn Fällen wegen Straftaten rechtskräftig verurteilt
wurde.
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Doch selbst wenn nunmehr eine ernsthafte Glaubensentscheidung des Klägers vorläge,
wäre kein wichtiger Grund gegeben. Zwar kommt dem klägerischen Begehren im Lichte
des Art. 4 GG ein besonderes Gewicht zu. Der Grundsatz der Religionsfreiheit, der auch
den Anhängern des islamischen Glaubens zukommt,
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OVG NW, Urteil vom 15.11.1991, NWVBl. 1992, 136, 137.
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umfasst nicht nur die innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch die
äußere Freiheit, den Glauben in der Öffentlichkeit zu manifestieren, zu bekennen und zu
verbreiten.
42
BVerfGE 24, 236, 245; OVG NW, Urteil vom 15.11.1991, NWVBl. 1992, 136, 137;
BayVGH, Urteil vom 3.6.1992, 5 B 92.162, NJW 1993, 346.
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Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren
seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu
handeln. Dabei sind nicht nur Überzeugungen, die auf imperativen Glaubenssätzen
beruhen, durch die Glaubensfreiheit geschützt. Vielmehr umfasst sie auch die religiösen
Überzeugungen, die für eine konkrete Lebenssituation eine ausschließlich religiöse
Reaktion zwar nicht zwingend fordern, diese Reaktion aber für das beste und adäquate
Mittel halten, um die Lebenslage nach der Glaubenshaltung zu bewältigen. Anderenfalls
würde das Grundrecht der Glaubensfreiheit sich nicht voll entfalten können.
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BVerfGE 32, 98, 106 f.; OVG NW, Urteil vom 15.11.1991, NWVBl. 1992, 136, 137;
BayVGH, Urteil vom 3.6.1992, 5 B 92.162, NJW 1993, 346.
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Davon ausgehend kann grundsätzlich auch der Wunsch, aus Glaubensgründen seinen
Vornamen zu ändern, vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG umfasst sein. Es ist im
vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung, ob der Islam für seine Anhänger die
Annahme eines Vornamens, der die Zugehörigkeit zum moslemischen Glauben
bestätigt, zwingend fordert, oder dies den Gläubigen nur nahe legt. Denn geschützt sind
nicht nur Überzeugungen, die auf imperativen Glaubenssätzen beruhen, sondern auch
solche religiösen Überzeugungen, die der Betreffende in einer bestimmten Situation als
für ihn verbindlich ansieht.
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Bei der Konversion zum Islam wird in der Regel das Glaubensbekenntnis vor
muslimischen Zeugen ausgesprochen sowie ein islamischer Personenname
angenommen. Islamische Personennamen sind auf Grund der zentralen Stellung des
Arabischen als Kultsprache meist arabischen Ursprungs.
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Vgl. Elger (Hrsg.), Kleines Islamlexikon, 2001, Stichwort Konversion, S. 168 und
Stichwort Personennamen, S. 243.
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Der religiös motivierte Wunsch, seinen bisherigen Vornamen in einen islamischen
Vornamen ändern zu wollen, wird jedoch durch die Tatsache relativiert, dass der Kläger
zumindest seit dem 16. Juni 2000, als er laut „Islam-Urkunde" zum Islam übertrat, den
Vornamen „N" gewählt hat und in seinem islamischen Umfeld auch so genannt wird.
Der Kläger trägt selbst vor, dass er von seiner muslimischen Brudergemeinde in E
akzeptiert sei und dort „N" genannt werde. Er sei dort unabhängig von seinem
eingetragenen (deutschen) Namen integriert.
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Zudem verwenden nichtarabische muslimische Völker oft einheimische und arabische
Namen nebeneinander.
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Vgl. Elger (Hrsg.), Kleines Islamlexikon, 2001, Stichwort Personennamen, S. 244
51
Es ist darüber hinaus nach islamischen Grundsätzen jedem Moslem - unabhängig von
seiner Staatsangehörigkeit und seinem Namen - möglich, nach Mekka zu pilgern und
eine Pilgerfahrt (Hajj) zu machen. Dasselbe gilt auch für eine Beerdigung nach
islamischem Ritus. Entscheidend ist allein die Religionszugehörigkeit.
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Vgl. Auskunft des Seminars für Orientalistik und Indologie der Ruhr-Universität Bochum
vom 21. November 2002.
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Den dargestellten Interessen des Klägers an einer Änderung seines Vornamens stehen
gewichtige öffentliche Interessen an der Beibehaltung des Namens gegenüber.
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Das öffentliche Interesse wird bestimmt durch die Ordnungsfunktion des Namens und
dem Interesse an seiner Beibehaltung. Die Kontinuität dient der künftigen Identifizierung
einer Person, die durch eine Namensänderung erschwert wird. Die Namensänderung
durch Heirat ist hiermit nicht vergleichbar, wie der Kläger meint, da der Geburtsname
weiterhin ersichtlich bleibt. Das öffentliche Interesse an der Namenskontinuität ist im
Hinblick auf die Kennzeichnungsfunktion einer Person in der Öffentlichkeit bei einer
Vornamensänderung weniger gewichtig als bei einer Änderung des Familiennamens.
Das Interesse wird nochmals geringer, wenn statt einer Ersetzung hilfsweise eine
Hinzufügung eines anderen Vornamens erstrebt wird.
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Vgl. dazu OVG NW, Urteil vom 8. Dezember 2000, 8 A 3628/00, S. 12.
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Die Kennzeichnungsfunktion auch des Vornamens wird jedoch dadurch gemindert,
dass der Kläger einen häufig vorkommenden Familiennamen (sog. „Sammelname")
trägt, sodass dem Vornamen wiederum eine gesteigerte Bedeutung für die
Kennzeichnungsfunktion zukommt.
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Dem Ziel der künftigen Identifizierung dient Nr. 30 Abs. 4 der Verwaltungsvorschrift zum
Namensänderungsgesetz (NamÄndVwV), indem die Namensänderung einschränkt
wird, sofern sich aus dem Führungszeugnis ergibt, dass der Antragsteller erheblich oder
wiederholt vorbestraft ist. Die Vorschriften der NamÄndVwV finden zwar keine direkte
Anwendung auf die Änderung von Vornamen, sie sind jedoch auf diese analog
anwendbar.
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Vgl. dazu OVG NW, Urteil vom 8. Dezember 2000, 8 A 3628/00, S. 19.
59
Die Rechtsprechung hat deutlich hervorgehoben, dass eine vom Regelfall abweichende
Gewichtung erforderlich ist, wenn der Antragsteller noch mehrere Jahre in Strafhaft
einsitzt und zudem in das Schuldnerverzeichnis eingetragen ist.
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BVerwG, Beschluss vom 27.9.1993, 6 B 58/93, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 4.
61
Der dem Gericht vorliegende neueste Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 11.
November 2002 weist für den Kläger seit dem Jahr 1984 21 Eintragungen wegen
diverser Delikte auf. Er wurde zuletzt am 29. August 2001 vom Amtsgericht X zu 1 Jahr
und 9 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und sitzt nach wie vor in Strafhaft. Es ist zu
befürchten, dass er nach seiner Haftentlassung unter geändertem Namen weitere
Delikte begehen wird. Diese Prognose bezieht die klägerischen Angaben ein, nach dem
er bereits im Jahre 1993 zum Islam übergetreten sei und ein gottesfürchtiges Leben
lebe. Seit 1993 wurde der Kläger jedoch in 10 Fällen rechtskräftig zu Freiheitsstrafen
verurteilt, darunter wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall, Bedrohung
und unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln. Der Beklagte hat deshalb zu Recht
das Interesse an der Beibehaltung des Namens hervorgehoben.
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Diese Wertung wird dadurch verstärkt, dass der Kläger im Schuldnerverzeichnis des
Amtsgerichts eingetragen ist und eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Es
dient dem Schutz der Gläubiger und damit mittelbar auch öffentlichen Interessen, dass
Schuldner nicht ohne entsprechend gewichtige Gründe ihren Namen ändern und sich
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dadurch der Vollstreckung zu entziehen versuchen.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.9.1993, 6 B 58/93, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 4.
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Eine Abwägung der für eine gegen eine Änderung des Vornamens sprechenden
Gründe zeigt, dass das öffentliche Interesse an einer Beibehaltung des Namens und
einer Ablehnung des Änderungsantrages das Interesse des Klägers bei weitem
überwiegt. Die Straftaten des Klägers nahmen in der Vergangenheit weder an
Häufigkeit noch an Schwere ab. Der Beklagte hat deshalb zu Recht darauf
hingewiesen, dass die Allgemeinheit vor dem Aufbau einer neuen Identität durch
Namenswechsel geschützt werden müsse, selbst wenn diese nicht Ziel, sondern nur
Ergebnis der Namensänderung sei. Eine Person mit dem „Sammelnamen" T kann durch
Namensänderung in offiziellen Dateien oder auch privaten Registern wie etwa der
Schufa verloren gehen.
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Auch unter Beachtung der engen Voraussetzungen einer Einschränkung des Art. 4 Abs.
1 GG überwiegt das öffentliche Interesse an der Kontinuität der Namensführung. Dem
Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG können allein durch andere Bestimmungen des
Grundgesetzes Grenzen gezogen werden. Dies bedeutet, dass Einschränkungen des
Art. 4 Abs. 1 GG vor dem Grundgesetz nur dann Bestand haben können, wenn sie sich
als Ausgestaltung einer Begrenzung durch die Verfassung selbst erweisen.
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BVerfGE 44, 37, 50; BayVGH, Urteil vom 3.6.1992, 5 B 92.162, NJW 1993, 346, 347.
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Die Normen des Namensänderungsgesetzes stehen ihrerseits mit dem Grundgesetz im
Einklang. Das in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
steht der gesetzlichen Forderung, Vornamen nur aus wichtigem Grund zu ändern, nicht
entgegen.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.9.1993, 6 B 58/93, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 4.
Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde mangels hinreichender
Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschluss vom
10.10.1989 - 1 BvR 358.89.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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