Urteil des VG Düsseldorf vom 07.02.2002
VG Düsseldorf: entlastung, lebensversicherung, versicherungsvertrag, rente, behörde, zukunft, kapitalabfindung, werkstatt, einzahlung, vollstreckung
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 19 K 854/01
Datum:
07.02.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 K 854/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden, trägt der Kläger.
Tatbestand
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Der im Jahre 1951 geborene Kläger war nur wenige Zeit seines Lebens
versicherungspflichtig tätig und arbeitet derzeit in einer Werkstatt für angepasste Arbeit.
Er erhielt zu seiner Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 315,55 DM (Stand: 21. Juli
2000) seit dem Jahr Juli 2000 vom Beklagten ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt.
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Am 21. Juli 2000 beantragte er beim Beklagten die Beiträge für die im November 1999
abgeschlossene Lebensversicherung bei der xxxxxxxxxxxxxx in Höhe von 200,00 DM
monatlich bei der Gewährung der Hilfe einzubeziehen.
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Mit Bescheid vom 8. September 2000 bewilligte der Beklagte ergänzende Hilfe ohne
Berücksichtigung der Beiträge zur Lebensversicherung.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 23. September 2000 Widerspruch im
Wesentlichen mit der Begründung, mit der Lebensversicherung wolle er eine
Inanspruchnahme der Sozialhilfe im Alter vermeiden. Daher seien die Beiträge auch
angemessen.
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Der Kläger hat am 15. Februar 2001 die vorliegende Untätigkeitsklage erhoben, weil der
Beklagte bis zu diesem Tag nicht über den Widerspruch befunden hatte.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2001 hat der Beklagte nach Anhörung
sozialerfahrener Personen den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung
zurückgewiesen, die abgeschlossene Rentenversicherung sei weder gesetzlich
vorgeschrieben noch dem Grund nach angemessen. Es ergebe sich keine rechtliche
Verpflichtung zur Anrechnung der monatlichen Beiträge gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG
und auch kein Anspruch auf Übernahme derselben aus § 14 BSHG, denn bei der Höhe
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der zu erwartenden Rente von 271,70 DM sei nicht damit zu rechnen, dass der Kläger
von Sozialhilfezahlungen unabhängig werde.
Der Kläger verfolgt sein Begehren weiter und gibt zur Begründung im Wesentlichen an,
aus seiner Sicht seien die Rentenbeträge durchaus angemessen, wenn man
berücksichtige, wie kurze Zeit er einzahlen könne. Zudem ergebe sich in dieser Höhe
eine Entlastung der Sozialhilfe, die zu berücksichtigen sei. Im Übrigen beantrage er, die
Hilfe unter der Auflage zu bewilligen, dass er - der Kläger - von der Wahlmöglichkeit der
Kapitalabfindung keinen Gebrauch mache.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 8. September 2000 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2001 zu verpflichten, die Sozialhilfe
unter Berücksichtigung der monatlichen Beiträge zur Rentenversicherung für die Zeit
vom 1. September 2000 bis zum 31. Mai 2001 zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf den Inhalt seines
Widerspruchsbescheides.
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Die Beteiligten haben auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass sie mit einer
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf
Anfrage mitgeteilt haben, dass sie mit einer derartigen Entscheidung einverstanden
sind, vgl. § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2000 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat nämlich keinen
Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für den hier in Rede stehenden
und ausschließlich zu prüfenden Zeitraum 1. September 2000 bis 31. Mai 2001.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides
des Beklagten vom 14. Mai 2001 verwiesen, dem das Gericht folgt.
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Insbesondere ist die Angemessenheit dieser freiwilligen Alterssicherung dem Grunde
nach nicht gegeben. Angemessen sind die Aufwendungen nur dann, wenn
Versicherungsaufwand und -ertrag in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis
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zueinander stehen. Zwar muss nicht notwendig der Wegfall der Sozialhilfeleistung in
der Zukunft zu erwarten sein, vielmehr genügt auch eine Verbesserung der finanziellen
Situation des Hilfeempfängers, die gleichzeitig zur Entlastung der Sozialhilfe führt. Dies
gilt aber dann nicht, wenn mit dieser Entlastung nicht zweifelsfrei zu rechnen ist
und/oder sie erst nach vielen Jahren erwartet werden kann.
vgl.: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1999, Az.: 5 C 18/98, in FEVS
51,167-168, noch enger hierzu vorgehend: Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW
vom 20. Februar 1998, Az: 8 A 2498/94.
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So liegt der Fall aber hier. Der Kläger wird mit der laut Versicherungsvertrag zu
erwartenden Rente in Höhe von monatlich 271,70 DM / 138,92 EUR seinen
Lebensunterhalt auch zuzüglich seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht vollständig
decken können, dies behauptet er auch selbst nicht. Eine Entlastung des
Sozialhilfeträgers könnte allenfalls in Höhe der zu erwartenden monatlichen Rente
271,70 DM in Betracht kommen. Der Beginn der Rentenzahlung wird aber laut
Versicherungsvertrag frühestens am 1. November 2015 liegen, mithin in mehr als 13
Jahren. Eine derartig langfristige Vorfinanzierung ist schon unter dem Blickwinkel der
Bedarfshilfe nicht als angemessen zu betrachten. Diesem System entspricht es im
Regelfall gerade nicht, möglicherweise zukünftig entstehende Bedarfssituationen
bereits Jahre vorher abzudecken. Vielmehr muss dem Kläger insoweit zugemutet
werden, den später gegebenenfalls entstehenden Bedarf durch Inanspruchnahme der
Hilfe gegenüber den Behörden in Zukunft zu decken.
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Darüber hinaus ist ein aus Sicht des Sozialhilfeträgers wirtschaftlich sinnvolles
Verhältnis von Aufwand und Ertrag auch deshalb nicht gegeben, weil der
Versicherungsvertrag im vorliegenden zur Entscheidung anstehenden Fall auch zulässt,
dass eine Kapitalabfindung ab dem 1. November 2011 gewählt werden kann. Daraus
wird deutlich, dass die Einzahlung der Versicherungsbeiträge für diesen Fall der
Ausübung des Kapitalwahlrechtes ausschließlich einer - mit dem Sozialhilferecht nicht
zu vereinbarenden - von der Behörde geleisteten Kapitalbildung entspräche. Diesem
Ergebnis kann der Kläger auch nicht dadurch entgegenwirken, dass er auf die
Ausübung des Kapitalwahlrechtes verzichtet. Denn dies hindert etwa Gläubiger nicht, im
Falle einer gerechtfertigten Vollstreckung, auf Vermögen in Form der angesparten
Versicherungsbeiträge zurückzugreifen. Mithin bleibt völlig offen, ob die von der
Behörde jetzt geforderten Beträge ab 1. November 2015 tatsächlich als Renten zur
Verfügung stehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 188 Satz 2, 154 Abs. 1 VwGO.
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